Wunderrabbis, böse Golems, schöne Sabrafrauen: Die Welt der jüdischen Comicfiguren
Hollywood hat schon immer gerne Actionfilme nach Vorlage von Comicstrips produziert. In diesem Jahr ist es (wieder einmal) ,,Batman'', diesmal mit George Clooney in der Hauptrolle.
Was wenige wissen: Die Comicfigur ,,Batman'' wurde von einem Juden geschaffen, Bob Kane. Und Kane war nur einer von vielen Juden in der Comicbranche. Zu den Großen des Genres gehören Namen wie Jerry Siegel, Joe Shuster, Jack ,,King'' Kirby, Stan Lee, Will Eisner und Bill Gaines. Doch die fiktiven Helden, die diese jüdischen Zeichner, Texter und Verleger kreierten, waren immer Gojim: weiße,heterosexuelle Männer ohne bestimmte ethnische Herkunft oder Religion (dort wo Religion eine Rolle spielte, war es stets das Christentum).
Das hatte und hat primär wirtschaftliche, nicht ideologische Gründe: Comics als Massenmedium müssen ein möglichst breites Publikum ansprechen; Minderheitenfiguren erfüllen diesen Zweck nicht. Jüdische Themen oder Helden wurden der comiclesenden Öffentlichkeit erst durch die Undergroundcomics der sechziger und siebziger Jahr nahegebracht: Harvey Pekars autobiographische Serie ,,American Splendour'', Will Eisners auch auf deutsch erschienener ,,Kontrakt mit G'tt'' und natürlich Art Spiegelmans mit zahlreichen Preisen gekröntes ,,Maus''-Epos.
Der Erfolg dieser Figuren ließ die Mainstream-Comicverleger aufmerken. Sie begannen jüdische Figuren in ihre Serien einzubauen. Leider ließen und lassen diese jedoch an Qualität und Originalität stark zu wünschen übrig. So taucht - wie könnte es anders sein - als häufigste Figur der Golem auf: in ,,Ragman'', ,,Golem of Gotham'', ,,Boaz and Joachim'', ,,Rabbi Joseph Della Reinas Golem'', der ,,Hayoth''-Gruppe (,,Ramban, ,,Golem'', ,,Dybbuk'' und ,,Judith''), sowie Heften wie ,,Mendy and the Golem'' und ,,Power of the Golem''. Und immer sieht das Lehmmonster gleich aus: groß, häßlich, stumm, ungelenk, zum Leben gebracht durch das hebräische Wort ,,Emet'' (Wahreit) auf der Stirn, getötet durch das Löschen des Alef, so daß nur das Wort ,,Met'' (Tod) bleibt. Einzig ,,Ragman'' ragt aus dem Stereotyp heraus: Sein Zauberanzug aus Lumpen wurde von einem Rabbi geschaffen, der wolte, daß ein Mensch mit Seele Golemkräfte besitzen sollte.
Die zweithäufigsten jüdischen Comicfiguren sind die Rabbiner. Sie unterteilen sich in solche mit und solche ohne Wunderkräfte. Erstere bedienen sich kabbalistischer Geheimformeln oder schaffen Golems. Eine gute Figur machen sie dabei nicht. In der Regel entgleitet den wohlmeinenden aber fehlgeleiteten Comicwunderrabbis die Kontrolle über ihre Golems; dann müssen zwecks Rettung der Welt die gojischen Superhelden eingriefen. Ein besonders schwacher Charakter taucht in einer ,,Batman''-Episode auf, ein Rabbiner namens Saul Zwemer. Er hat einst aus Angst vor der Folter seinen besten Freund, Joseph, an die Nazis verraten; Josephs Geist jedoch lebt weiter im Körper eines von Zwemer erschaffenen Golems, den der Rabbi dann aber, aus Angst vor Batman, tötet.
Gemein ist den Wunerrabbis daß sie häufig die Tora zitieren , so häufig, daß der Eindruck ensteht, sie seien normaler Dialoge nicht fähig. Glücklicherweise gibt es im Comic auch ,,normale'' Rabbiner, vier an der Zahl: Drei von ihnen sind orthodoxe Männer, darunter ein Bobover Chassid; hinzu kommt, Emanzipation muß sein, eine Rabbinerin. Diese vier ,,normalen'' Comicrabbiner besitzen zwar nicht die Macht, Golems zu kreieren oder Zaubersprüche loszullassen; dafür zeigen sie Mut, Entschlossenheit und Glauben. Man wünscht sich mehr von ihnen.
Die dritte Gruppe jüdischer Comic-Helden sind die Israelis: zu ihnen zählen ,,Shaloman'', ,,Sabraman'', die ,,Hayot''-Gruppe, ,,Sabra'' und die Mossadagentin ,,Rose''. In gewisser Weise scheinen vor allem letztere (allesamt Frauen) das israelisch-amerikanische Verhältnis zu symbolisieren: Stets liefern sie sich Kämpfe mit US-Superhelden wie dem ,,Hulk'' oder dem ,,Punisher'' - auf Dauer ein etwas eintöniger Plot. Wenig entwickelt sind auch die Charaktere: ,,Sabraman'' und ,,Shaloman'' sind Feld-Wald-und-Wiesen-Muskelmänner (bei ,,Shaloman'' kommt noch erschwerend hinzu, daß, wenn er nicht gerade Bösewichte verprügelt, er sich in einen Felsen verwandelt, was wenig Raum zur Charakterentwicklung läßt); Sabra ist eine Nullachtfünfzehn-Superfrau, deren einzig origineller Zug ihre Wunderwaffe ist - elektrische geladene Stacheln (so wie die Sabrafrucht stachelig ist); Serpah und die Hayot-Gruppe (,,Ramban'', ,,Golem'', ,,Dybbuk'' und ,,Judith'') sind aus der jüdischen Geschichte und Folklore abgekupfert.
Schließlich gibt es da noch die ,,verschämten Juden'': Comic-Helden, die erst im Laufe der Geschichte enthüllen, daß sie jüdisch sind: ,,Moon Knight'', ,,Sandman'' und ,,Nuklon'' zählen zu dieser Kategorie. Jüdische Leser werden solche Charaktere, die sich offenbar ihres Judentums schämens, nicht gerade ansprechen, ebensowenig wie die Tatsache, daß in Comics, die das Thema Schoa berühren, die Juden meist als verteidigungsunwillige oder - unfähige Opfer dargestellt werden, die der Hilfe von außen bedürfen. (Die große Ausnahme ist ein anonymer Jude in einem ,,All Star Squadron''- Heft, der einem Nazi eine Flasche mit Säure ins Gesicht schleudert, bevor er erschossen wird.)
So stereotyp die Figuren und die Stories sind: Manches in Comics erweitert dennoch den Horizont der Leser, wenn es um Jüdishes geht. Menorot tauchen ebenso auf wie die zehn Sefirot; ,,Ragman'' legt einen Stein auf seines Vaters Grab; ein Rabbiner erläutert, warum er einer Frau nur die Hand geben kann, wenn ein Tuch dazwischenliegt. In neuren Comics werden sogar Fragen wie Mischehe, Assimilation und innerjüdische Vorurteile angesprochen. Bei Jackie Urbanovic und Tim Barela gibt es gar schwule Juden.
Dennoch: Das Gros der jüdischen Figuren im Mainstreamcomic fällt von der Menge wie von der Qualität her unter die Kategorie ,,ferner liefen''. Und die Versuche, echte jüdische Comic-Superhelden zu schaffen sind teils an mangelnder Qualität gescheitert, teils an Vertriebsproblemen: ,,Shaloman'' und ,,Sabraman'' beispielsweise waren ausschließlich in Judaica-Geschäften zu erhalten, nicht am Kiosk.
Ändern wird sich dieser unbefriedigende Zustand wohl erst dann, wenn genügend Comicleser auf die Verleger Druck machen, den jüdischen Charakteren genausoviel Raum und Qualität einzuräumen wie den gojischen Figuren. Denn auch Minderheitenhelden haben im Comic eine Chance, ganz groß herauszukommen. Das beweist die Tatsache, daß gerade diesen Sommer zwei neue Filme angelaufen sind, deren Heldern schwarze Comiccharaktere sind - ..Spawn'' und ,,Steel''. Wer weiß, vielleicht kommt noch der Tag, an dem wir an der Kinokasse Schlange stehen, um ,,SuperJew'' zu sehen.
Um eine Liste der Juden in den komischen Büchern zu sehen (auf englisch), klicken Sie hier.