Integration ist das Gegenteil von
Ausgrenzung und die bessere Alternative zur
Assimilation. Sie dient dem Frieden und der Verständigung
zwischen Menschen, Völkern und Ländern.
Kurden sind in ihrer Heimat Kurdistan wie
im übrigen Mittleren Osten
seit langer Zeit Ausgrenzung und
Assimilation ausgesetzt.
Ihnen wird heute noch durch die Staaten der
drei benachbarten Völker, Türken, Araber und
Perser,
Integration verwehrt. In Deutschland ist
die Frage nach der Integration als Bedarf der
rechtlichen und
demokratischen Klärung der Ausländersituation
entstanden. Seit kurdische Gastarbeiter mit
ihren Familien nach Deutschland gekommen sind,
gibt es eine Frage nach deren Lebensbedingungen,
nach deren Integration.
Um über das Thema der kurdischen
Integration in Deutschland
aspektenweise referieren zu können, bedarf
es einer Aufstellung von Daten und Fakten über
Kurden in Deutschland, einer Darstellung über
Deutsche, Deutschland und seine Fremden, einer
chronischen Darlegung des kurdischen
Integrationsprozesses unter besonderer Berücksichtigung
der Einflüsse politischer Ideen und Kräfte, und
schließlich einiger vorausschauenden Perspektiven
der weiteren kurdischen Integration in
Deutschland. Integration ist möglich, man sollte
sie daher nicht allzu früh aufgeben.
1.
Kurden in Deutschland - Daten und Fakten:
Das Bild der Kurden und Kurdistans in
Deutschland war und ist noch durch falsche oder
vereinfachte Fakten und Daten befleckt. Die bisher
offiziell und maßgebend
verbreiteten Bevölkerungsstatistiken z. B.
berücksichtigen
wegen Richtlinien deutscher Innen- wie Außenpolitik
keine oder nur nach unten geschätzte Angaben über
Kurden bzw. Kurdistan. Das bringt Nachteile. Der
Grund dafür liegt beiderseits. Das muß richtig
gestellt werden. Die Funktionalität öffentlich
geförderter sowie selbstständig arbeitender
kurdischer Institutionen in Deutschland bedarf
es hierzu ebenfalls einer Korrektur
zugunsten von Kurden. Hier der Versuch einer
eigenen statistischen Aufstellung kurdischer
Realität in Deutschland:
Derzeit
bilden die
Kurden in Deutschland zahlenmäßig die zweitgrößte
nationale Gruppe nach Deutschen. Die lang und viel
gebrauchte Zahlenangabe mit 400.000 ist längst überholt
und verfehlt die Realität in grobem Maße. Eine
diesbezügliche Korrektur auf deutscher Seite ist
daher dringender denn je. Die Zahl der 1998 in
Deutschland lebenden Ausländer betrug 7,32 Mio.,
das entspricht 8,9 % der BRD-Gesamtbevölkerung
(82,3 Mio.). Davon sollen nach amtlichen Angaben
2,11 Mio. Türken (28,8 %) sein. Obwohl mehr als
die Hälfte der als „Türken“ bezeichneten
Ausländer Kurden sind,
werden Kurden in der Regel zu Türken gezählt.
Die Zahl der gesamten Einwohner kurdischer
Volkszugehörigkeit in Deutschland beziffere ich
auf mehr als 1.385.000 Personen, das entspricht
1,7 % der Gesamtbevölkerung bzw. 18,9 % der ausländischen
Wohnbevölkerung in der BRD. Davon entfallen schätzungsweise
auf
|
Herkunftsregion
|
Einwohnerzahl
|
Anteil
in Prozent
|
1.
|
Nord-Kurdistan
(Türkei):
|
1.170.000
|
85
%
|
2.
|
Ost-Kurdistan
(Iran):
|
41.000
|
3
%
|
3.
|
Süd-Kurdistan
(Irak):
|
78.000
|
6
%
|
4.
|
West-Kurdistan
(Syrien und Libanon):
|
81.000
|
6
%
|
5.
|
Kaukasus
und andere Gebiete:
|
15.000
|
1%
|
Die
Zahl der in Berlin lebenden Einwohner kurdischer
Nationalität beziffere ich auf etwa 168.000
Personen mit gleichem Verteilungsschema wie oben
genannt. Die amtliche Zahl hierfür war stets
40.000-50.000.
Mehrheitlich leben Kurden in
Ballungszentren, Industrierevieren und Großstädten
wie Ruhr-Rhein-Main-Gebiete, Berlin, Stuttgart, München
und Hamburg.
Der
Anteil der asylgesuchten bzw. asylsuchenden unter
der kurdischen Bevölkerung in Deutschland liegt
insgesamt bei etwa 365.000 Personen, das
entspricht 26 %. Der Aufenthalt eines jeden
vierten kurdischen Einwohners Deutschlands ist
also politisch
begründet. Wohlgemerkt, der Anteil dieser Gruppe
ist erst seit 1979/80, spürbar nach 1989/90
sprunghaft gestiegen ist. Die Mehrheit der
Deutschlands Kurden waren allerdings als
Gastarbeiter, Familiennachzügler und Studierende
hierher gekommen und stammten
anfänglich aus ländlichen Gebieten später
überwiegend aus Randvierteln der Großstädte und
sind mit unterschiedlichen individuellen
Erwartungen, bedrängt durch die soziale Last,
nationale Verfolgung und politische Hoffnung nach
Deutschland gekommen. Der Anteil der Selbstständigen,
das sind vorwiegend Betreiber kurdischer
Läden, Imbißstuben,
Marktstände, durfte ebenso wie der der
Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger hoch und
der der qualifizierten Berufsabschlüsse,
Studierenden und Auszubildenden niedrig liegen.
Der Anteil der beamteten und im öffentlichen
Dienst tätigen Kurden durfte
unter
ein Promille liegen. Kurdischsprachige
Medien und Bildungseinrichtungen waren und sind in
Deutschland bislang
unterrepräsentiert. Die heimat- und
volksgebundene kurdische politische und kulturelle
Betätigung in
Deutschland erreichte trotz Repressalien und
Auflagen mal und wieder höheren Stand als der
Fall in Kurdistan selbst.
Der
Anteil kurdischer Mitglieder in deutschen
politischen Parteien und anderen Organisationen
ist sehr gering. Die Kurden in Deutschland werden
bis heute als eigenständige Volksgruppe nicht
anerkannt. Deutsche Regierungen verhinderten und
lehnen heute noch eine gesamtkurdische nationale
Vertretung als Ansprechpartner ab. Es gibt also
keine gegenseitige Anerkennung in Form einer
vereinbarten Kommunikationsstruktur wie dies mit Türken,
Arabern oder Persern etwa der Fall ist.
Obwohl Deutschland
ein wichtiges Zentrum kurdischer
politischer Aktivitäten ist und
jede kurdische Partei hier Mitglieder bzw.
Büros unterhält, pflegt die deutsche Regierung
keine offizielle Diplomatie zu der kurdischen
Seite. Das bringt Nachteile. Das Scheitern der
„Kurdischen Gemeinde zu Berlin“ (1994-2000)
legt Zeugnis von der politischen Unreife der
kurdischen Gemeinschaft sowie der antikurdischen
Politik der Berliner Republik ab. Neulich
entstandenen kurdischen religiösen Einrichtungen
gelingt wegen Armut und staatlicher Sanktionen
keine koordinierte Erfüllung ihrer Aufgaben.
Abgesehen von Asylbewerbern verfügen Kurden
mehrheitlich über sicheren Aufenthaltsstatus. Die
deutsche Einbürgerungspolitik ist allerdings
insgesamt, also auch für kurdische Bewerber,
restriktiv und reaktionär.
Die Zahl der eingebürgerten Kurden schätze
ich auf etwa 70.000, das entspricht nur etwa 5 %,
d.h. erst jeder 20. Kurde ist also in Deutschland
eingebürgert. Die Zahl der
Einbürgerungsanträge müßte aber ums
vielfache höher liegen. Die Verschiedenheit der
Staatsangehörigkeitsgesetze der Länder (Irak,
Iran, Türkei, Syrien, Libanon etc.), aus denen
kurdische Bewerber
herkommen, spielt hierzu eine sekundäre
Rolle.
2.
Deutschland und seine Fremden:
Nachdem
die aus Kurdistan bzw. dem kurdischen Mittleren
Osten stammenden Allemanen (auf
kurdisch: Höhen-/Berg-Bewohner)
west- und die Germanen (auf
kurdisch: Hügeln-/Ebenen-Bewohner) nordwestwärts
zogen, um dann in Mittel- bzw. Nordeuropa
beheimatet zu werden, hatten sie eine lange Zeit
gebraucht, um im 9. Jahrhundert sich schließlich
zu deutschem Volke heranzubilden. Der nordische
Protestantismus im 15. Jahrhundert löste durch
den deutsch-lutherischen Bruch mit dem Papst und
mit der deutschen Bibel-Übersetzung den primären
deutschen Volkismus aus. Dieser Nationalismus
erfuhr dann
im Laufe
des 18. und 19. Jahrhundert, von völkischen
Kriegen gezeichnet, wissenschaftlich-theoretische
Auslegung des Zusammenhangs zwischen Volk, Boden
(Land), Sprache, Geschichte und Religion und mündete
später als ideologische (Welt-)Anschauung in
Germanismus, Pangermanismus bzw. Arismus (oder
Panarismus; Ari
bedeutet auf kurdisch aus Energie erschaffend),
aus denen dann im 20. Jahrhundert der
Nationalsozialismus (Nazismus; auf
kurdisch: Naz, Nazi bedeutet überlegen, Überlegenheit)
erging und zur Staatsideologie wurde. Die
pangermanistischen und nazistischen Vorstellungen
über Volk, Land, Sprache, Geschichte und Religion
bilden weiterhin die Fundamente des Selbstverständnisses
des heutigen deutschen Staats. Sie legitimieren
automatisch jede Art des deutschen
Nationalextremismus und dienen jederzeit gegen
Integration der Ausländer/Fremden in Deutschland
bzw. gegen die Integration Deutschlands in Europa.
Vor diesem Hintergrund ist auch die kurdische
Integration in Deutschland zu betrachten und zu
bewerten. Solange es also deutscherseits keine Änderungen
im bisherigen Verständnis vom Volk und Staat
gesetzeskraft
vorliegen, wird die viel gewollte
Integration nicht wie angekündigt stattfinden.
Die dann als
Assimilation in Frage kommende Alternative,
wird durch die
grenzenlose Macht der neuen
Kommunikationsmedien und den Widerstand der
Benachteiligten erheblich behindert. Die
West-Bindung und die europäische Integration
Deutschlands haben bisher der Integration von Ausländern
in Deutschland nur mittelbar genutzt. Der deutsche
Nationalismus der letzten 500 Jahre mit seinem
Beharren auf „Blut und Boden“ negierte sich im
3. Reich und kann den „rassen- und
abstammungsverwandten“
Kurden auch keine Alternativ-Integration in
Deutschland bieten. Deutsche Eigeninitiative im
europäisch-demokratischen Mantel zur nationalen
Integration der Kurden in Europa wie im Mittleren
Osten ist nunmehr gefragter denn je. Die
klassische Form der intervölkischen Integration
des Fremden wird auf Deutschlands Kurden kaum übertragbar
sein.
3.
Kurdische Integration
in Deutschland:
Die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte
ab 1955 durch die Bundesrepublik Deutschland
erfolgte zunächst ausschließlich aus
wirtschaftlichen Interessen. Die Errichtung der
innerdeutschen Mauergrenze
bzw. des Eisernen Vorhanges in Mitteleuropa
1961 veranlaßte die BRD, 1964 eine
Vereinbarung mit der Türkischen Republik
über die Anwerbung von Arbeitskräften zu
treffen; von da an kamen also auch kurdische
Arbeitskräfte nach West-Deutschland. Wohlgemerkt,
weder der junge
westdeutsche
Staat oder das dessen Kapital, noch die Türkische
Republik oder die kurdischen Gastarbeiter waren
auf diese Wanderung vorbereitet oder konnten deren
weitere Entwicklung mit all den Folgen abschätzen,
um sich entsprechend darauf einzustellen. In der Türkei
hatte das NATO-Militär 1960 geputscht, die
kurdische Nationalbewegung
im Norden, die mit dem Barzani-Aufstand
1961 im Süden aufstieg, wurde seither durch türkische
Regierungen und
Militärs systematisch und brutal unterdrückt.
Die BRD und die
Türkei waren zwar nunmehr als NATO-Verbündete
anti-kurdisch ausgerichtet; beide waren also
Partner in der „Westlichen Demokratie“, aber
weder in der BRD noch in der Türkei war es zu
einer tatsächlichen Entnazifizierung bzw. zu
einer Entmilitarisierung des politischen Denkens
gekommen. In beiden politisch-militärischen
Staatssystemen prägte der militaristische,
ethnoistische (völkische) Rassenwahn. Dieser
beginnt für Deutschland zwar erst seit dem Fall
der Berliner Mauer 1989 im Zuge der europäischen
Integration und für die Türkei erst mit dem
Zusammenbruch des arabo-irakischen Faschismus 1991
(II. Golfkrieg) an ihrer Gefährlichkeit
abzunehmen, dennoch ist es bis heute weder in der
türkischen noch in der deutschen Kurden- bzw.
Kurdistanpolitik eine erkennbar zeitgemäße Wende
zu verzeichnen.
Die westdeutsche Anwerbung kurdischer
Arbeiter erfolgte also unter dem Druck des Kalten
Krieges und im Interesse des westlichen Kapitals.
Kurdische Gastarbeiter hatten wegen nationaler
Unterdrückung in der Türkischen Republik nun
auch in der BRD wegen Belanglosigkeit und
Desinteressiertheit (geht mich nicht an –
Mentalität) keine gesicherte
nationale Rechte und waren nunmehr den
beiden archäischen national-faschistoidischen türkischen
und westdeutschen Systemen ausgeliefert.
Für die Zeit bis 1969 gilt jedenfalls die
Feststellung, daß
rechte national-konservative
CDU/FDP-Regierungen an Integration
kurdischer Einwohner Westdeutschlands nicht
interessiert bzw. konzeptionslos waren. Die
politische, soziale und kulturelle
Unterdrückung der Kurden in der Türkei
setzte sich in
deren Mißachtung durch Westdeutschland
fort.
Eine erste Wende in der kurdischen
Integrationsfrage begann 1970, als es für Iraks
Kurden „Autonomie-Abkommen“
erreicht war, in der Türkischen Republik zum 2.
antikurdischen Militärputsch und in der BRD zur
SPD/FDP-Regierung kam. Die NATO-Staaten BRD und Türkei
haben am Scheitern der Autonomie für Südkurdistan
aktiv mitgewirkt; sie haben gemeinsam die Diktatur
Saddam-Husseins begünstigt, um den Widerstand der
kurdischen Freiheitsbewegung im Mittleren Osten zu
brechen. Die
linksfaschistische BRD-Unterstützung für
den Irak begann
1972 mit dessen Bewaffnung mit
Massenvernichtungswaffen, die dann
durch die rechtsfaschistische BRD-Unterstützung
im (Giftgas-)Völkermord an irakischen Kurden in
den Jahren 1983 bis 1991 eingesetzt worden waren.
In Folge der Öl-Krise von 1973 und der dadurch
entstandenen anti-orientalischen bzw. ausländerfeindlichen
Ressentiments reagierte die SPD/FDP-Regierung mit
einem Anwerbestopp und
Rückkehr-Programm für (kurdische)
Gastarbeiter aus der Türkei – angeblich wegen
deren schwierige Integration und wegen zu hoher
heimischer Arbeitslosigkeit. Die Erhöhung der Erdölpreise
und der Verbrauchsgüter bescherte westlichen
Banken großen Kapitalzufluß, der dann als
Kredite in Entwicklungsländer, darunter Länder
des Mittleren Ostens gingen. Die sogenannte
Schuldkrise der Dritten Welt ersteigerte die Überheblichkeit
Westdeutschlands. Die Türkei und später der Irak
gerieten zunehmend in die westdeutsche Falle.
Die
innenpolitisch problematisierte
Ausländerpolitik begann als außenpolitische
Antwort deutscher Bundesregierung auf
die Entwicklungen im Mittleren Osten und
spitzte sich seit 1978 mit dem NDP-Aufruf
„Deutschland den Deutschen“ in systematischer
Ausländer- bzw. Fremdenfeindlichkeit zu. Die
deutsche Linke, gedrängt vom kommunistischen
Osten, steuerte mit ihren demokratischen
Alternativen, insbesondere der Gewerkschaften,
Krichen und der späteren Grünen, dagegen und
forderte seither systematische
Integration und rechtliche Gleichstellung
von Ausländern in Deutschland, insbesondere der
hier geborenen Generation. Die ersten
Integrationsansätze sind also zu Ende der
sozial-liberalen Regierungszeit entstanden und
brachten positive
Folgen für die kurdische Integration in
Deutschland z.B. in Form von Vereinsgründungen
und Massenveranstaltungen. Außen- wie
innenpolitisch standen die Linken und die Rechten
mit ihren Entspannungs- bzw.
Konfrontationskursen solange gegeneinander,
bis es den letzten durch Regierungsübernahme in
Bonn gelang, die deutsche Politik es so
voranzutreiben, daß für die Kurden in
Deutschland die Integration immer ferner, der
radikale Nationalkampf aber immer näher rückte.
Eine
zweite Wende in den parteipolitischen
Vorstellungen über die Integration ausländischer
Wohnbevölkerung in Deutschland entstand, als
diese neue
Linke seit 1979/80 die regierende SPD schwächte
und u.a.
die Partei
der Grünen gründete,
parallel zu einer Zeit, als es in Folge der
Islamischen Revolution im Iran, dem Irakischen
Krieg gegen Iran, dem antikurdischen Militärputsch
in der Türkei
und Umsturzversuch in Syrien zum ersten großen
Zustrom aufenthalts- bzw. asylsuchender Ausländer,
darunter viele Kurden die BRD erreichte.
Diese Ereignisse wurden in Deutschland
durch politische Parteien, rechte wie linke,
entsprechend ihren Vorstellungen und ihren
Wahlzielen aufgenommen und öffentlich
polarisiert. Die dual geprägte politische
Landschaft Deutschlands stellte sich im Laufe der
Zeit entsprechend auf die ebenfalls sich dual
formierende kurdische politische Bewegung ein.
In Kurdistan war der Barzani-Aufstand 1974/75 von
Irak, Türkei und BRD gleichermaßen bekämpft
worden. Das
Pakt der regierenden deutschen und türkischen
Linken schloß
nunmehr die ebenfalls regierende
Baath-Partei Iraks mit ein und bildete mit dem
Ostblock eine lose internationale Linksfront, die
für soziale, aber gegen nationale Lösung der
kurdischen Frage im Mittleren Osten stand. An
dieser „linken“ Grundposition hat sich
bis jetzt nichts geändert. Diese Tatsache und die
ebenfalls proarabische, antikurdische Position des
kommunistischen Ostblocks bestärkte nur die
militante, linksnationale, anti-kommunistische und
anfänglich wohl auch anti-sozialdemokratische
nordkurdische Erhebung, die mit der Gründung der
PKK 1978 eine neue Qualität im deutsch-kurdischen
Verhältnis im nachhinein erzwungen hatte. Die
linksnationale Militanz der PKK umfaßte alsbald
auch andere Teile Kurdistans und diente zur
Abgrenzung gegenüber dem Iranischen Islamismus
und dem Sowjet-Kommunismus gleichermaßen. Genau
aus diesem Grunde wurde sie in Deutschland durch
den Staat aufgenommen und von der konservativen
Gesellschaft sporadisch unterstützt. Die stets
aufsteigende PKK-Macht mündete dann 1999 in dem
Versuch der Selbstaufgabe hin zu einer
Integrationspartei ganz im Sinne türkischer und
deutscher Linksnationalen, die gerade die Macht in
ihren Ländern übernommen haben. Das Ziel und die
Art der heimatgebundenen
und volksbefreierischen Arbeit der PKK
sowie der PDK und PUK hatten anders als die PSK
mit ihren Komkar-Vereinen
in Deutschland keine
Integration im Sinn. Die PKK mobilisierte
die kurdische Wohnbevölkerung in Deutschland
ausschließlich für ihre nationale,
integrationsfremde Ziele. Das paßte genau ins
wahlpolitische Konzept
der rechten nationalkonservativen Parteien
in der BRD. Die linksnationalen Kurden und die
rechtsnationalen Deutschen
hatten also als die maßgebenden
politischen Kräfte die kurdische Integration in
Deutschland im
Sinne der Sozialdemokratie und insbesondere der
Partei der Grünen behindert. Das war der
Hauptgrund der feindlichen Haltung der Grünen
gegenüber der PKK. In den letzten 20 Jahren
trimmte eigentlich
nur die PSK mit ihren deutschlandweiten
Komkar-Vereinen ihre kurdischen Klientel
auf die Integration in die deutsche Staats-
und Gesellschaftsordnung ein; ihre Arbeit wurde
und wird daher ununterbrochen durch den deutschen
Staat unterstützt. Die PKK sowie die PDK und die
PUK schwenken erst seit Ende der 90er Jahre auf
den gleichen Kurs ein – wenn auch mit anderer
Qualität.
Die
letzten zwei Jahrzehnte der kurdischen Integration
in Deutschland standen also sowohl auf kurdischer
wie auch auf deutscher Seite im Spannungsfeld
zwischen Pro und Kontra. Der bisher erreichte
Integrationsstand für kurdische Wohnbevölkerung
in Deutschland liegt quantitativ wie qualitativ um
vielfacher zurück hinter dem der Türken, der
Araber oder Perser. Diese haben das Privileg,
anders als Kurden
zu Staatsvölkern zu gehören. Es besteht
großer Nachholbedarf. Eine allseitige
Neueinstellung ist dringend geboten. Die
Inhaftierung Ocalans, der neue Friedenskurs der
PKK und der Wahlsieg der deutschen und türkischen
Linksnationalen läßt Chancen offen für neue
Debatten über neue Möglichkeiten kurdischer
Integration in Deutschland. Die regierenden
Sozialdemokarten und Grünen könnten gemeinsam
mit den türkischen und kurdischen Links- wie
Rechtsnationalen zeitgemäße Konzepte zur
kurdischen, sozialen wie nationalen Integration in
Deutschland, Europa und Mittelosten erarbeiten und
umsetzen. Eher daß diese Chance durch rechte
nationalkonservative, einschließlich religiös
begründeter Organisationen, die assimilatorisch
oder integrationsfeindlich gesinnt sind, schon
wieder bedrängt wird, und dadurch kriegerische
Konflikte von neuem ausgelöst werden,
müßen alsbald durch kurdische, türkische
und deutsche Beteiligte Entscheidungen und
Ergebnisse vorliegen, die sofort gesetzeskraft
gelten müssen. Die Modifizierung des PKK-Verbotes
ist hierzu notwendig.
4.
Perspektive kurdischer Integration in
Deutschland:
Die deutsche, insbesondere die
gewerkschaftliche und kirchliche Öffentlichkeit
begann sich mit dem Integrationsproblem der
Ausländer zu beschäftigen, als es ab
Mitte der siebziger Jahre zu vermehrter
Familienzusammenführung
bzw. als es zu der
ersten Generation der in Deutschland
geborenen Ausländer kam. Der spätere Zustrom von
Asylsuchenden politisierte die öffentliche
Diskussion; seither ist eine
Pro- und eine Contra-Front zur Integration
von Ausländern in Deutschland erkennbar, eine
Situation, die bei innen- und manchmal außenpolitischer
Entscheidung propagandistisch ausgeschlachtet wird
– auf Kosten von Ausländern, also auch Kurden.
Auf die öffentliche Forderung nach Integration
reagierte der deutsche Staat seit Mitte der 80er
Jahre mit vielen Maßnahmen, darunter
integrationsförderende wie Vereinsgründungen,
die von publizistischen und wissenschaftlichen
Untersuchungen begleitet wurden. Mitte der 90er
kamen Deutsche zu dem Ergebnis, daß alle
Integrationsbemühungen
gescheitert
waren. Ich nenne dies die deutsche
Integrationsthese.
Meines Versuches der Widerlegung der
deutschen These über die angebliche
„gescheiterte Integration“ von Ausländern
bzw. Fremden in die deutsche Gesellschaft lege ich
zugrunde, daß die Ausgangsposition der deutschen
Thesenurheber der vorhandenen, also auch der
geschichtlich entwickelten
deutschen Integrationsrealität verfremdet
bzw. angefeindet liegt. Es gilt im deutschen
Volkshause, also im Staat Deutschland, das
Grundprinzip der sozialen Bindung zwischen
Staatsvolk und Bürger auf der Grundlage der
Rechte und Pflichte aufrechtzuerhalten. Die zwei
Komponente, Bürger und Staat bestimmen die
Sozialität und Kulturität, auf deren Grundlage
sich Gesetze berufen und auf deren Normen
sich dann Einzelne beziehen. Der Bürger
gehört dem Volk und diesem gehört der Staat
(also das Land) und nach offizieller deutscher
Sicht sind Volk und Staat
Konstante – ein logischer Widerspruch mit
der Erkenntnis über Mensch und Welt.
Ein
Fremder, Ausländer, der ins deutsche Land kommt,
wird hier entsprechend den Gesetzen des Staates
und den Gepflogenheiten des Volkes
aufgenommen. Er wird also vom Staate nach
Einhaltung dessen Gesetze und vom Volke nach
dessen Werten behandelt. Volk steht in Deutschland
dem Staat loyal gegenüber und der Staat versucht
dem Volke dienlich zu sein. Die Politisierung
dieser Verbundenheit
führt zur Abgrenzung nach außen (Ausländern)
und Ausgrenzung (von Fremden) im Inland . Dieser
Mechanismus negiert die Integration von Fremden
und erkennt ausschließlich Einfügung bzw.
Assimilation als Lösung an. Dauerhafte Negation
vorhandener Realität erzeugt Unruhe. Solange Ausländer
freiwillig, also nicht mit Zwang nach Deutschland
kommen, um hier zu verbleiben, und solange
Deutschland Ausländern
viele Rechte und Pflichten zugesteht, die
eigentlich dem Staatsvolk vorbehalten sind,
findet eine Entwicklung statt, die die
Voraussetzungen für die Integration legt.
Ein gesamtgesellschaftlicher Zustand liegt somit
vor, von dem der Fremde freiwillig Gebrauch machen
kann. In diesem Sinne ist in Deutschland also ein
freiwilliger Integrationsprozeß
vorhanden und kann von sich aus
weiterlaufen, wenn er
nicht (durch Drittfaktor) gestört wird.
Die soziale Integration der Kurden findet in
Deutschland statt; eine nationale Integration ist
im Entstehen. Die freiheitlich demokratische
Grundordnung begünstigt die Entfaltung des
kurdischen Nationalismus.
Der
Erfolg kurdischer Integration in Deutschland ist
abhängig vom Erfolg des europäischen wie auch
mittelöstlichen Integrationsprozesses. Um dies zu
erreichen stelle ich
zum Schluß folgende Forderungen an die
deutsche wie auch kurdische Seite:
·
Deutschland
müßte die ausschließlich völkisch
(nationalrassistisch) begründete Konstante des
Staatsverständnisses eigenmächtig
entkräften und relativieren. Eine Reform
der Verfassung, des politischen Denkens wird
folgen und das
ist sehr nötig und wichtig für den Rest
der Welt.
·
Die
deutsche Bundesregierung muß in Familienzusammenführung
und im
Asylverfahren als die einzigen Möglichkeiten zur
Einwanderung einsehen und diese so anerkennen oder
dafür eine Einwanderungsregelung treffen.
·
Deutsche
müßten einsehen, daß wenn 90 Mio. Deutschstämmige
im Ausland beheimatet sind, eine Beheimatung von
Ausländern, Fremden in Deutschland möglich sein
muß.
·
Der
deutsche Staat müßte ihre bisherige restriktive
und reaktionäre Einbürgerungspraxis aufgeben
bzw. liberalisieren, damit Ausländern, so auch
Kurden die Mitwirkung am Staat und Gesellschaft
zugänglich wird.
·
Deutschland
muß die besondere Lage der im Mittleren Osten
bedrohten Kurden einkalkulieren, sie innen- wie außenpolitisch
als Ansprechpartner akzeptieren und ihnen in
Deutschland die (nationalen) Rechte einer selbstständigen
Volksgruppe zugestehen und auf den völkerrechtlich
abgesicherten Nationalstatus der Kurden im
Mittelosten hinarbeiten.
Deutsche
Entscheidungsträger müßten die Kurdologie, eine
effektive Integrationsmaßnahme, als selbstständiges
wissenschaftliches Disziplin anerkennen und fördern.
|