Die verschollenen Schriften von Tao-hsin
ERSTER STEIN
Ein
Mann kam zu Tao-hsin, warf sich vor ihn auf den Boden und sagte "Lehre
mich die Wahrheit." Tao-hsin reagierte nicht, daraufhin der Mann "Sag
mir, wo ich suchen muss." Als er wieder keine Antwort bekam, flehte er
"Ist das Leben den wirklich so leer?" Tao-hsin schüttelte den Kopf.
Der Mann stand auf und ging.
Später
sagte Tao-hsin "Ich hätte nicken sollen."
Ein
Mann kam zu Tao-hsin und setzte sich ohne zu grüssen vor ihn. Tao-hsin fragte
ihn "Hast du eine Frage?" Der Mann schwieg. Tao-hsin weiter
"Hast du eine Antwort?" Der Mann schwieg. Daraufhin Tao-hsin
"Meine Fragen sind zu einfach." Der Mann schwieg weiter.
Tags
darauf traf Tao-hsin den Mann beim Essen. Nach dem Essen sprach Tao-hsin ihn an
"Du bist ein schlechter Schüler, und ein schlechter Lehrer." Daraufhin
der Mann "Warum?"
Ein
junger Mann kam zu Tao-hsin und sagte "Was soll ich machen, ich reise und
lerne, finde aber keine Ruhe. Ist Einsamkeit der Weg?" Tao-hsin antworte
"Ich kann dir nicht helfen." Der Mann verbeugt sich und geht.
Später
sagte Tao-hsin "Ich rede zu viel."
Einmal
sprach Tao-hsin zu seinen Schülern "Eine Schale voll Wasser zerspringt auf
dem harten Boden, Klirr."
Ein
Mann besuchte Tao-hsin und fragte ihn "Soll ich meine Frau achten" Tao-hsin
fragte zurück "Warum nicht?"
Später
sagte Tao-hsin "Behandle deine Umwelt wie deine Hand."
Ein
Mann kam zu Tao-hsin und sprach "Bitte hilf mir." Daraufhin Tao-hsin
"Was fehlt dir?" "Diese Frage ist die schwierigste. Bitte hilf
mir." Tao-hsin erwiderte "Dir fehlt nichts." Enttäuscht verliess
der Mann Tao-hsin. Was für ein schlechter Lehrer Tao-hsin war.
Ein
Mann fragte Tao-hsin beim Essen "Was ist die Wahrheit hinter allem."
Daraufhin Tao-hsin "Nicht die Küche."
Ein
gelehrter Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Träumt die Welt den
Menschen, oder der Mensch die Welt?" Tao-hsin trank ein Schluck Wein.
Ein
Dieb kam zu Tao-hsin und fragte "Was spricht gegen stehlen?" Daraufhin
Tao-hsin "Was spricht dafür?"
Ein
Priester trat vor Tao-hsin und sprach "Ich möchte Gutes tun, aber die
Menschen befolgen meine Ratschläge nicht." Tao-hsin schlug ihn ins Gesicht.
"Das tat gut!"
Ein
junger Mann trat vor Tao-hsin "Bitte gebt mir einen Fingerzeig." Tao-hsin
hob die vor ihm liegende Tasse auf und fragte den Mann "Wer hat diese
Tasse bewegt?"
Später
sagte Tao-hsin "Im Zirkus finde ich immer Arbeit."
Ein
Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Was ist wichtiger: die Vergangenheit,
die Gegenwart oder die Zukunft?" Tao-hsin trat zu dem Mann hin, schlug
ihn, setzte sich wieder und fragte "Was war schlimmer: mich kommen zu
sehen oder der Schmerz oder die Erinnerung daran?" Der Mann war sprachlos
und ging.
Später
sagte Tao-hsin "Aua!"
Ein
hoher Beamter besuchte Tao-hsin und fragte ihn "Darf ich meine Position
aufgeben und die Wahrheit suchen?" Tao-hsin antworte "Ja, das darfst
Du, aber du wirst die Wahrheit nie finden." Der Beamte war verwundert
"Was soll ich dann machen? Beamter bleiben?" Darauf Tao-hsin "So
geht es auch nicht." Der Mann sass verdutzt vor Tao-hsin. Der stand auf,
rannte zur Tür, rannte zurück und setzte sich wieder auf seinen Platz.
Später
sagte Tao-hsin "Verstehe oder nicht, beides ist fatal."
ZWEITER STEIN
Als
ein Mann Tao-hsin besuchte bemerkte er "Mit der Natur und nicht gegen sie
leben ist mein einziger Weg." Tao-hsin schwieg. Der Mann fragte "Was
ist dein Weg?" Tao-hsin schwieg.
Später
sagte Tao-hsin zu Hung-jen "Wer auf einem Hügel steht, besteigen ungern
einen anderen Berg."
Hung-jen
bat Tao-hsin "Bring mich bitte zum Fuss des Berges und zeig mir die
Spitze" Daraufhin Tao-hsin "Für den einen Schritt brauchst du keine
Hilfe. Für den einen Blick gibt es keine Hilfe."
Ein
Mann trat vor Tao-hsin und sprach "Ich habe alles gelesen und einige
Klarheit erhalten. Und doch fehlt mir etwas. Kannst Du mir sagen was es
ist?" Daraufhin Tao-hsin "Ja, das kann ich." Der Mann verbeugte
sich und ging.
Später
fragte Hung-jen "War er ein guter Schüler?"
Ein
Mann kam zu Hung-jen und fragte ihn "Was ist der Weg deines Lehrers?"
Hung-jen antwortete "Ich weiss es nicht."
Später
fragte Hung-jen Tao-hsin "Was ist Dein Weg?" Der Lehrer antwortete
"Ich weiss es nicht."
Ein
berühmter Gelehrter kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Gibt es ein Leben
davor und danach?" Tao-hsin fragte zurück "Wirst du sterben? Was
denkst du?" Der Gelehrte schien unzufrieden mir der Antwort und zog sich
zurück.
Später
beim Essen traf der Gelehrte Tao-hsins Schüler Hung-jen und sprach ihn an
"Dein Lehrer ist schlecht. Suche dir besser einen neuen." Daraufhin
fragte Hung-jen "Wirst du sterben?"
Jahre
später kam der Gelehrte zurück und trat erneut vor Tao-hsin und sprach
"Ich wurde geboren und ich werde sterben, bitte beantworte meine Frage:
Gibt es ein Leben davor und danach?" Tao-hsin sagte "Noch nie ist ein
Mensch geboren worden oder gestorben."
Ein
weiser Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Darf ich in meiner Welt
leben?" Tao-hsin antwortete "Geh weg und komm zurück."
Ein
Gelehrter trat vor Tao-hsin und sprach ihn an "Sag mir deine Wahrheit."
Tao-hsin sagte "Für einmal will ich sprechen, so hört alle gut zu, aber erzählt
es nicht weiter und behaltet es für euch: Da ist nichts."
Später
sagte Tao-hsin zu Hung-jen "Was für ein Theater!"
Ein
Mann kam zu Tao-hsin und sprach "Bitte helft mir, ich bin arm und habe
kaum genug zum essen." Tao-hsin sagte "Wenn Du arm bist, gehe zu
einem Geldverleiher. Wenn du Hunger hast, sprich mit einem Koch." Der Mann
blickte hilflos, daraufhin Tao-hsin "Komm, ich zeig dir den Weg."
Ein
Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Wie kann ich reich werden?" Darauf
Tao-hsin "Du bist schon reich."
"Wie
meint dein Lehrer das", fragte der Mann später Hung-jen, "ich besitze
doch kaum mehr als die Kleider, die ich trage." Hung-jen sagte "Frag
den Lehrer noch mal."
Also
trat der Mann wieder vor Tao-hsin und stellte ihm die Frage erneut "Wie
kann ich reich werden?" Tao-hsin sprach zum Mann "Wie es mir scheint,
bis du sehr gierig. Aber wenn du möchtest, geben ich Dir gerne alles was Du
hier siehst. Darf ich dich nur bitten, mir für die kommende Nacht in deinem
Haus ein Platz zum schlafen zu geben?" Der Mann war sehr überrascht und
entschuldigte sich.
DRITTER STEIN
Ein
Besucher fragte Tao-hsin "Was ist über dem Himmel und unter der
Erde?" Tao-hsin antwortete "Melocoton!"
Ein
reicher, alter Händler traf Tao-hsin und fragte ihn "Mein Geld kann ich
nicht mit in den Tod nehmen, aber meine Kinder können gut davon leben. Habe ich
das richtige getan?" Tao-hsin gab zurück "Das Geld, wer hat es dir
gegeben?"
Ein
junger Mann besuchte Tao-hsin und fragte ihn "Ich suche den Weg. Kannst du
mir helfen?" Tao-hsin antwortet "Nein ich kann dir nicht helfen, aber
komm doch morgen wieder vorbei."
Ein
Tag später kam der Mann wieder und frage "Ich suche den Weg. Kannst du mir
helfen?" Tao-hsin antwortet "Nein ich kann dir nicht helfen, aber
komm doch morgen wieder vorbei."
Am
nächsten Tag trat der junge Mann wieder vor Tao-hsin und wollte seine Frage
erneut stellen. Tao-hsin unterbrach ihn aber gleich und sagte "Du kennst
die Antwort, warum stellst du die Frage?"
Ein
Schüler trat vor Tao-hsin und sagte "Ich bin schon lange hier, arbeite und
lerne hart. Und doch scheine ich nicht den richtigen Zugang zu finden. Was soll
ich tun?" Tao-hsin fragte "Wer bis du?" Daraufhin der Schüler
"Mich kenne ich, aber wer sind die anderen?" Tao-hsin rannte zu ihm
hin, schlug ihm ins Gesicht und schrie ihn an "Das ist keine Frage, das
ist keine Antwort, das ist nichts!" Der Schüler war erst verdutzt, lächelt
dann.
Bei
einem Spaziergang sagte Hung-jen zu seinen Lehrer "Alles ist richtig,
alles." Daraufhin schlug ihn Tao-hsin mit dem Stock.
Als
Hung-jen später Tao-hsin darauf ansprach sagte dieser "War der Stock in
deinem Kopf oder auf deinem Kopf?"
Bei
einem Spaziergang sagte Tao-hsin zu seinen Schülern "Der Berg ist nicht
schwer, der Himmel nicht oben, der Vogel in Ruhe."
VIERTER STEIN
Ein
Mann trat vor Tao-hsin und fragte ihn "Darf ich den Weg suchen, ohne
Rücksicht auf meine Familie?" Tao-hsin antwortete "Nein." Der
Mann fragte weiter "Dann muss ich meine Suche beenden?" Tao-hsin
antwortete wieder "Nein."
Später
fragte der Mann Hung-jen nach dem Sinn der Antworten. Hung-jen riet ihm, ein
zweites Mal seinen Lehrer aufzusuchen.
Also
ging der Mann erneut zu Tao-hsin und fragte "Darf ich den Weg suchen, ohne
Rücksicht auf meine Familie?" Tao-hsin antwortete "Ja." Der Mann
fragte überrascht weiter "Dann muss ich meine Suche nicht beenden?" Tao-hsin
"Doch."
Ein
Schüler trat vor Tao-hsin "Bitte erklär mir das Wesen der Liebe." Tao-hsin
antwortet "Keine Lust."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Dass ich Schüler habe, macht mich sehr traurig."
Ein
Gelehrter trat vor Tao-hsin und fragte ihn "Was haltest du von meiner
Thesen, dass Geist und Körper immer eine Einheit bilden sollten?" Tao-hsin
erwiderte "Bevor du diesen Raum betreten hast, hast du dir versucht vorzustellen
wie ich aussehen und was ich sagen würde?" Der Gelehrte schwieg.
Ein
Schüler eines angesehenen Lehrers besuchte Tao-hsin und fragte ihn "Mein
Lehrer lehrt uns die Meditation und Konzentration. Gibt es darüber hinaus noch
etwas anderes?" Tao-hsin erwiderte "Offensichtlich."
Als
Tao-hsin spazieren ging, fragte er einen seiner Begleiter, Hung-jen, "Ruhe
oder Bewegung?" Hung-jen antworte nicht gleich, woraufhin Tao-hsin sagte
"Keine Ruhe, keine Bewegung."
Später
fragte ein anderer Schüler Hung-jen, was der Lehrer damit sagen wollte. Hung-jen
sagte "Ich denke er wollte uns sagen, dass der Geist immer aktiv ist, und
doch in sich ruht."
Als
Tao-hsin von diesem Gespräch erfuhr, liess er Hung-jen zu sich rufen und sagte
"Du bis ein guter Schüler, aber ein schlechter Lehrer." Daraufhin
fragte Hung-jen "Was hättest du an meiner Stelle geantwortet?" Tao-hsin
erwiderte "Keine Ruhe, keine Bewegung."
Ein
gelehrter und reicher Mann trat vor Tao-hsin und fragte nach dem Sinn des Lebens.
Tao-hsin erwiderte "Ich sage es dir, du darfst es aber unter keinen
Umständen jemandem weitererzählen: Der Sinn des Lebens ist Wissen und
Wohlstand." Der Mann war sehr glücklich, bedankte sich und ging.
Ein
Wanderer besuchte Tao-hsin und erbat ein Nachtlager. Tao-hsin wies ihn ab.
Ein
berühmter Gelehrter besuchte Tao-hsin und fragte ihn "Was ist deine
Lehre." Tao-hsin antwortete "Keine Lehre." Der Gelehrte beharrte
"Was ist die Essenz, was der Kern deiner Aussagen?" Tao-hsin erwiderte
"Die Frucht hat keinen Kern und keine Schale und schmeckt sehr süss."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Keine Geburt, kein Leben, kein Tod."
Tao-hsin
kam ans Bett eines todkranken, alten Mannes und half bei der Pflege. Als der
Mann ihn um ein tröstendes Wort bat, liess Tao-hsin alle Anwesenden den Raum
verlassen, setzte sich zum Alten und nahm seine Hand. "Ich erfülle dir
jeden Wunsch, jeden. Bitte sprich." Der Mann starb.
Ein
junger Schüler trat vor Tao-hsin und sprach "Ich will es verstehen und
erfahren. Bitte hilf mir." Tao-hsin sagte "In deiner Frage sprichst
du von 'ich' und von 'es'. Was bedeuten diese Worte? Beantworte mir meine Frage
und ich beantworte dir deine."
Der
Schüler trat Wochen später wieder vor Tao-hsin und sagte "'ich' das ist
meine Geist und 'es' ist die ihn umgebende Welt." Tao-hsin erwiderte
"Nein, das ist es nicht."
Der
Schüler trat Monate später vor Tao-hsin und sagte "'ich' und 'es' sind
eins: Es ist alles und doch nichts." Tao-hsin erwiderte "Nein, das
ist es nicht."
Jahre
später trat der Schüler vor Tao-hsin und bedankte sich herzlich für den Rat,
den er vor Jahren erhalten hatte.
Ein
Gelehrter begab sich zu Tao-hsin und fragte ihn "Was ist die Wahrheit?"
Tao-hsin erwiderte "Ein Wort - und kein Wort."
FÜNFTER STEIN
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Die Freiheit des Himmels, eines Baumes, eines
Steines ist die Messlatte."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Du erwachst eines Morgens und alles, Haus,
Menschen, Sonne, der Boden, alles ist verschwunden."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Was sieht ein Käfers, was fühlt er? Und ein
Adler? Und ein Staubkorn?"
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Stell dir vor, die ganze Welt wäre in deinem
Kopf."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "An einem Sommertag, wenn die Luft ganz klar
ist, sei dankbar."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Betrachte ein Gegenstand wie wenn es das erste
Mal wäre. Erst von weitem und dann von ganz nahe: jede Pore, jedes Staubkorn.
Von unten und oben und auch von innen heraus. Betrachte auf diese Weise
Menschen - und dich selbst."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Lege dich hin und fühle dich ganz leicht, gewichtlos.
Und dann ganz schwer."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Stell dir vor, die Welt um dich wird immer
dunkler bis alles pechschwarz ist. Und dann mach wieder Licht. Beleuchte die
Welt in deiner Farbe."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Stelle dir dein Herz, dein Gehirn vor. Und
dann: Stelle dir vor, dein Körper wäre eine leere Hülle."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Alles gehört dir."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Empfinde das Bewusstsein eines jeden Menschen,
Tieres, Dinges wie dein eigenes."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Stell dir vor, die Welt wird immer kleiner und
kleiner, bis sie nur noch aus dem dich direkt umgebenden Raum besteht."
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Was weisst du sicher?"
Tao-hsin
sprach zu seinen Schülern "Nimm die Welt freudig und sanft auf, wie ein
Kind sein Spielzeug."
SECHSTER STEIN
Ein
Schüler wollte Tao-hsin verlassen, und trat vor diesen, um sich zu verabschieden.
Tao-hsin fragte ihn "Warum gehst du?" Der Schüler antwortete
"Ich habe hier alles gelernt und möchte jetzt auf Wanderschaft gehen und
die Suche fortsetzen." Daraufhin erwiderte Tao-hsin "Wenn du alles gelernt
hast, kannst du mir sicher eine Frage beantworten: Wenn du gehst, verlasse ich
dich oder du mich?" Der Schüler stockte.
Tao-hsin
sagte später "Hätte er alles gelernt, wäre er geblieben"
Einmal
trat Tao-hsin vor seine Schüler und weinte.
Ein
Schüler fragte Tao-hsin "Wer hat die Welt erschaffen?" Tao-hsin antwortet
"Ich."
Später
sagte Tao-hsin lachend zu Hung-jen "Du natürlich auch."
Als
ein alter, gelehrter Mann Tao-hsin fragte "Hat all das Suchen nach dem Weg
einen Sinn?" antwortete dieser "Wer sucht wird nichts finden, wer
nicht sucht wird auch nichts finden. Was ist der Ausweg?" Der Gelehrte war
verdutzt und verliess Tao-hsin.
Später
sagte Tao-hsin "Bereits haben."
Hung-jen
fragte Tao-hsin "Was unterscheidet ein Schüler von einem Lehrer?" Tao-hsin
antwortete "Der Schüler hat die letzte Stufe nicht erreicht, der Lehrer
hat sie vergessen."
Später
fragte Hung-jen seinen Lehrer "Was ist die letzte Stufe?" Tao-hsin
antwortete "Freiheit."
Bei
einem Spaziergang fragte Tao-hsin seine Schülern "Kann jemand von euch
einen Berg versetzten?" Alle schwiegen, so sprach Tao-hsin "Es ist
sehr einfach."
Ein
alter Mann bat Tao-hsin "Erzähl mir bitte vom Tod." Tao-hsin erwiderte
"Es geht sehr lange, fast ewig und ist das schönste am Leben. Man ist dabei
sehr glücklich." Der Mann gab ungläubig zurück "Das freut mich sehr,
aber warum weisst du das?" Tao-hsin antwortete "Ich sterbe."
Ein
Gelehrter trat vor Tao-hsin und fragte diesen "Hat deine Schule Regeln?"
Tao-hsin antwortet "Ja, sie hat Regeln." "Und welche sind
das?" fragte der Mann weiter. "Ich kenne sie nicht."
Hung-jen
fragte seinen Lehrer Tao-hsin "Ich werde eines Tages von hier weggehen.
Wann wir das sein?" Tao-hsin antwortete "Es ist bereits geschehen."
Tao-hsins letzte Worte waren "Danke."
SIEBTER STEIN
Tao-hsin
sprach zu den Schülern "Die Luft ist durchsichtig, der Regen tötet nicht,
die Sonne ist nicht zu gross und nicht zu klein - alles ist genau
richtig."
Ein
berühmter Gelehrter trat vor Tao-hsin und fragte "Man hört viel von dem
Lehrer Tao-hsin. Wer ist er?" Tao-hsin zeigte auf Hung-jen.
Ein
Mann fragte Tao-hsin "Ist Geld und Besitz erstrebenswert?" Tao-hsin
"Einigen gehört die ganze Welt, anderen nur ein Teil davon."
Ein
junger Mann kam zu Tao-hsin und bat um Aufnahme. Tao-hsin sah, dass er ein Buch
dabei hatte und sagte "Du darfst bleiben, das Buch musst du allerdings
verkaufen und den Erlös einem Bedürftigen geben."
Der
Mann willigte ein, machte aber vor dem Verkauf eine flüchtige Kopie einiger
Teile des Buches. Basierend auf diesen Notizen schrieb er im Geheimen ein neues
Buch.
Kurz
bevor er die Arbeit beenden konnte, wurde er entdeckt und zu Tao-hsin gebracht.
Nachdem ihm der Sachverhalt erklärt wurde sagte Tao-hsin "Es gibt nur eine
Erklärung für dein Verhalten. Es freut mich sehr, einen Schüler wie dich bei
mir zu haben."
In
den nächsten Tagen beendete der Schüler das Buch, verkaufte es und spendete den
Erlos einem Bedürftigen.
Als
Tao-hsin einen Schüler beim Rezitieren einer überlieferten Schrift traf, fragte
er ihn "Was tust du da?" Der Schüler antwortete "Ich wiederhole immerzu
einen heiligen Text." Tao-hsin fragte weiter "Warum tust du
das?" Der Schüler erklärte "Ich löse mich so von störenden Gedanken
und suche Versenkung." Tao-hsin zerriss die Schrift.
Später
sagte Tao-hsin "Ein schlechtes Buch liesst man einmal, ein gutes nie."
Ein
armer Mann kam zu Tao-hsin und bat um Almosen. Tao-hsin lies ihm einen schweren
Sack Reis bringen. Da der Mann diesen nicht alleine tragen konnte, schenkte Tao-hsin
ihm ein Pferd.
Ein
Mann kam zu Tao-hsin uns klage "Ich bin alleine, was soll ich tun?" Tao-hsin
erwiderte "Lehre deine Erkenntnis."
Ein
junger Man kam zu Tao-hsin und bat um Aufnahme. Tao-hsin fragte nach dem Grund.
"Ruhig schlafen und klar sehen." antwortete Hung-jen.
Ein
Gelehrter kam zu Tao-hsin und fragte "Was ist deine Lehre?" Tao-hsin
sagte "Nicht sprechen."
Ein
Gelehrter trat vor Tao-hsin und fragte "Was ist deine Lehre?" Tao-hsin
sagte "Warum stellst du diese Frage?" Der Gelehrte antwortete
"Ich habe viele gelesen und bin viel gereist, habe aber keinen Frieden
gefunden." Tao-hsin erwiderte "Mach ein Tag lang das Gegenteil von
allem was du bisher getan hast."
ACHTER STEIN
Als
ein Händler Tao-hsin bat sein neues Haus zu segnen, erwiderte dieser "Ich
kann gerne zu dem Haus sprechen, ich bezweifle aber, dass es mich
versteht."
Ein
berühmter Gelehrter trat vor Tao-hsin und sagte "Der erste Schritt ist die
Selbsterkenntnis. Der zweite Schritt ist die Freiheit von Geburt und Tod. Der
dritte Schritt ist das Verstehen von Innen und Aussen. Was hältst du von dieser
Lehre?" Tao-hsin antwortete "Nichts."
Ein
Händler schenkte Tao-hsin ein prachtvoll dekoriertes, rotes Gewand, welches von
Priestern bei bestimmten Anlässen getragen wird.
In
einem Dorf nahe Tao-hsins Schule ist der Stolz eines Bettlers ein warmer
Mantel, schlicht und ohne Verzierungen aber aus auffällig rotem Stoff.
Tao-hsin
sagte einmal lachend zu dem Bettler "Du hast mir ein schönes Geschenk gemacht!"
Ein
Schuler trat vor Tao-hsin und sagte "Gestern traf mich ein Blitz und alles
wurde klar. Leider verliert sich diese Klarheit. Bitte hilf mir!" Tao-hsin
erwiderte "Eine Sekunde nach der Geburt, eine Sekunde vor dem Tod. Was
siehst du?"
Tao-hsin
sprach zu seinen Schüler "Mein Leben ist wie ein Schachspiel, der Gegner
ist gut. Jeden meiner Züge scheint er zu kennen, immer ist er mir einen Schritt
voraus. Je besser ich werde, je mehr ich kämpfe, über das Spiel lerne: Der Gegner
wird auch immer besser. Und auf einmal erkannte ich: Ich spiele gegen mich
selber. Mit dieser Erkenntnis konnte ich nicht besser spielen, aber freier."
Tao-hsin
sagte auch "Der Weg zur Erkenntnis ist lang, sie selber ist kurz, erfrischend
und irreversibel."
Ein
Schüler fragte Tao-hsin "Was bleibt?" Tao-hsin antwortete
"Nichts" und lachte herzhaft.