Eindrucksvoller Besuch im Jüdischen Zentrum München
Natürlich war der Bus am Sonntag, den 21. Oktober 2007
bis auf den letzten Platz belegt: Ziel der Exkursion des
Fördervereins Jüdisches Museum Franken war das neue
Jüdische Zentrum Jakobsplatz in der Münchner Innenstadt.
Das Zentrum entstand in den letzten Jahren auf einer früheren
Brachfläche als bauliches Ensemble von Gemeindehaus,
Hauptsynagoge und Museum. Mit diesem bislang größten
jüdischen Neubauprojekt in Europa ist die Israelitische
Kultusgemeinde 68 Jahre nach der Zerstörung ihrer
Hauptsynagoge in die Mitte der Stadt, also des städtischen
Lebens zurückgekehrt.
Nach unserer reibungslosen Ankunft stand zunächst die
Besichtigung des Jüdischen Museums auf dem Programm.
Es war eine besondere Freude, dass uns der Gründungsdirektor,
Bernhard Purin, persönlich durch das Haus führte und die
Konzeption erläuterte. Danach soll das Museum weniger ein
Ort der Belehrung sein, als Information, Begegnung und
Auseinandersetzung anbieten und fördern.
Dementsprechend ist der Erdgeschossbereich - im Gegensatz
zur benachbarten Synagoge - nahezu rundum verglast,
gewissermaßen als begehbares Schaufenster angelegt:
neben einem weiträumigen Foyer mit Info- und Kassentheke
laden eine Cafeteria und die Literaturhandlung R. Salamander
ein zum Verweilen.
Bernhard Purin führte die aufmerksame Besuchergruppe aus
Fürth zunächst in das Untergeschoss, wo die Dauerausstellung
eingerichtet ist. Unter dem Titel Stimmen - Orte - Zeiten werden
in sieben Themenstationen Aspekte jüdischen Lebens in München
präsentiert. Dabei werden ganz unterschiedliche Formen der
Darstellung gewählt: ein interaktiver, begehbarer Stadtplan, rituelle
Sammlungsgegenstände, ein Comic über den ersten Besuch eines
Shoa-Überlebenden in München.
Die beiden Obergeschosse sind Wechselausstellungen vorbehalten:
Im Eröffnungsjahr heißt das Motto Sammelbilder - so etwa Gegenstände
aus der jüdischen Welt, die von den Wittelsbachern unter sehr
unterschiedlichen Umständen gesammelt wurden. In einer zweiten
Wechselausstellung wird die Geschichte Münchner jüdischer Familien
im Wechsel der Zeiten dargestellt; derzeit der Familie Wallach, die mit
Trachten und Volkskunst außerordentlich erfolgreich war.
Nach der äußerst informativen, mit Hintergrundwissen angereicherten
Führung hatten wir ausreichend Zeit, alle Einzelheiten im Museum zu
erkunden und uns für das weitere Programm zu stärken.
Am Nachmittag stand die Besichtigung der Hauptsynagoge Ohel Jakob
(hebr. Zelt Jakobs) an, was nur in Gruppen und nach langer
Voranmeldung möglich ist. Die Architektur der Synagoge
bezieht sich auf zwei Grunderfahrungen des Judentums:
Tempel und Zelt. So schwankt der bauliche Charakter zwischen
stabilen und fragilen Zuständen, die das Äußere wie den
Innenraum wesentlich bestimmen.
Wir betreten durch die Synagogentüren, auf denen eine
Inschrift auf die zehn Gebote hinweist, die Vorhalle und
gelangen dann in den von oben Licht durchfluteten Hauptraum,
in dem warme Holztöne dominieren. Vorlesepult und
Thoraschrein bestimmen den Hauptraum, an dessen
Südwand in deutlicher Trennung die Frauenempore
platziert ist.
Der Führer in der Synagoge, ein Mitglied der Gemeinde,
erläuterte die rituelle Einrichtung und die Schriften an den
Wänden, sprach aber vor allem erfreulich offen und unbefangen
über das Leben der Münchner Gemeinde, so dass unsere
Gruppe Parallelen und Unterschiede zur Situation in Fürth
erfahren konnte - das Fragen und Erklären wollte kaum ein
Ende finden. Danach gingen wir aus der Vorhalle ins
Untergeschoss zur Werktagssynagoge und Mikwe, vor allem
aber zum Gang der Erinnerung, der die Verbindung zum
Gemeindehaus herstellt. An diesem Ort des Erinnerns sind
die Namen aller während des Naziregimes ermordeten
Münchner Jüdinnen und Juden auf einer dreifach geschichteten,
hinterleuchteten Glaswand eingeschrieben. Der Erinnerungsort
ist dem geschäftigen Treiben entzogen, still - aber hell; denn
die Vergangenheit soll nicht im Dunkeln liegen.
Auf der Busrückfahrt am Abend war Zeit, die vielfältigen,
hochinteressanten Eindrücke aus dem Museum, der
Hauptsynagoge und dem baulichen Ensemble zu bewerten.
Wir haben das neue Jüdische Zentrum am Jakobsplatz als
einen lebhaften Ort der Begegnung und des Dialogs mitten
in der Stadt kennen gelernt.
Dr. Dieter Lölhöffel