C. Bilder und Mythen der Regenbogenschlange
1. Beschreibung der Regenbogenschlange allgemein
Unabhängig von Zeit und Rasse stoßen wir überall auf der Welt auf den Glauben an schlangenähnliche Wesen, die in Wasserlöchern leben und die mit dem Regenbogen in Verbindung stehen. Der Schlange werden dort neben Verbindungen zur Unterwelt auch magische Kräfte, Orakelweisheit und Fruchtbarkeitssymbolik zugeschrieben.
Auch die Australier glauben an Wesen von riesiger Länge und Ausmaß, die in tiefen Wasserlöchern leben. Für gewöhnlich sind sie vielfarbig wie der Regenbogen, tragen eine Mähne und einen Bart und zusätzlich noch lange vorstehende Zähne, mit denen sie ihre Opfer töten.
Diese oder ähnliche Wesen tauchen nun in den verschiedenen Mythen auf. Sie sind sowohl biologisch als auch in ihrer Bedeutung zweigeteilt. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Zugang zu den Wasserlöchern, des in diesem Lande so wichtigen Wassers zu regeln. Dabei kommen sowohl ihr bedrohlicher als auch ihr menschenfreundlicher Aspekt zum Ausdruck, der sich darin äußert, dass immer nur die Personen eines dem Wasserloch zugeordneten Totemtieres von der Schlange Zugang zum Wasserloch erhalten, Fremde hingegen nur unter bestimmten Bedingungen zum Wasser gelassen werden. Bevor die Schlange jedoch das Wasserloch bewachen konnte, musste sie es in der Traumzeit erst einmal schaffen. Dies geschah indem sie auf die Erde spuckte. Außerdem gehen die Aborigines davon aus, dass die Schlange Regen macht wenn sie spuckt oder uriniert.
Ferner gilt die Schlange als göttliches Wesen, das eine wichtige Rolle bei der Initiation der Männer spielt, die von ihr Zeremonien erlernen usw.
Neben ihrer Bedeutung für die sozialen Belange der Bewohner hat die Regenbogenschlange aber noch eine metaphysische Komponente, die weitaus schwieriger zu erklären ist. Beispielsweise könnte die Zweigeschlechtlichkeit der Schlange ein Zeichen dafür sein, dass sie den Urzustand der Erde verkörpert, bevor diese in Himmel und Erde geteilt wurde, als Urmeer sozusagen, was auch seine Bestätigung in der Annahme findet, dass beim Kochen der Schlange eine riesige Überschwemmung verursacht wird, da sie voller Wasser ist.
2. Einteilung in vier Hauptregionen und deren klimatische Bedingungen
Mountford hat in dem Buch "The Rainbow Serpent" die Mythen über die Regenbogenschlange in vier verschiedenen Regionen Australiens unterschieden.
Süd- bis Westaustralien (6-21-15)
Es handelt sich hier um ein Gebiet, das außer in den Küstengebieten ständig regenarm ist. Vergleicht man die Orte, an denen es Regenbogenschlangen-Mythen gab, mit der Niederschlagskarte, so wird man feststellen, dass in den Küstenregionen vereinzelt Mythen auftauchen, wie z.B. in der Gegend um Perth, oder bei Adelade. Besonders zahlreich sind die Mythen aber auf dem Gebiet des Northern Territory im Macdonnellgebirge, also einem Gebiet, das nach der Niederschlagskarte besonders ungünstig im immer regenarmen Gebiet liegt. Landschaftlich sollte man erwähnen, dass hier der Amadeussee zu finden ist und der Djamantinja Fluß hier sein Quellgebiet hat. Woran es liegt, dass die Mythen in so unterschiedlicher Dichte auftreten und ob klimatische und landschaftliche Gegebenheiten Einfluss auf die von hier bekannten Mythen hatten, wird sich zeigen.
Victoria bis Cape York (8-39)
Das hier umrissene Gebiet wird auch australisches Bergland genannt und hat das ganze Jahr über zum Teil bis zu 3000 mm Niederschlag im Jahr, liegt also in einer sehr regenreichen Zone. (Sommerregen bei Brisbane und Frühlingsregen in der Gegend um Sydney). Entlang dieses Regenbandes finden sich auch wieder viele Schlangenmythen.
Arnhemland (49-61)
In diesem kleinen Gebiet des Arnhemlandes herrscht tropisches Klima mit ausgesprochen hohen Niederschlagsmengen während zwei Monaten des Jahres vor. Möglicherweise ist es unter anderem dieser starke Gegensatz zwischen Regen und Trockenzeit, der zu einer derartigen Vielfalt der Schlangenmythen geführt hat.
Nordwestaustralien (62)
zurück zur ÜbersichtIn den Kimberleys verändert sich die Niederschlagsmenge zu den zwei vorher genannten Gebieten kaum und trotzdem findet man hier keine Regenbogenschlangen-Mythen. Diese sind möglicherweise durch Fremdeinflüsse von Mythen über Wondjinas verdrängt worden. Im Prinzip behandeln beide Arten von Mythen das gleiche Thema, nur dass die Akteure hier nicht von Schlangen, sondern von Wondjinas verkörpert werden.
In den folgenden Punkten möchte ich jeweils Beispiele aus jeder Region vorstellen und versuchen die verschiedenen Aspekte, die der Schlange zugeschrieben werden, herauszustellen. Da zu jeder Mythe auch Bilder gehören, werde ich diese - soweit vorhanden - ergänzend dazu zeigen.