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Johannes Zöschlin
(1566 - 1639)
Kanzler des Herzogtums Pfalz-Neuburg

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Johannes Zöschlin, Dr.jur., Kanzler des Herzogtums Pfalz-Neuburg
* Lauingen, um 1566
+ Wien, 2. Mai 1639

Vater: Johannes Zöschlin, Bürgermeister zu Lauingen (1533-1602). Mutter: Judith Laurer aus Augsburg (ca. 1535-1575).

Er besuchte das Gymnasium illustre in Lauingen, studierte später an der Universität von Dôle (Ostfrankreich) und erlangt in Straßburg die Magisterwürde. Anschließend studierte in Jena weiter und wurde zum Lizentiat beider Rechte ernannt. Bald tritt der junge Lizentiat in den Dienst des Fürstentums Neuburg. Dort ist er 1591 pfalzgräflicher Rat in der Regierungskanzlei. In Neuburg an der Donau vermählte er sich am 20. Februar 1592 mit Ursula Drechsel, der Tochter des Geheimrates Dr. Melchior Drechsel und seiner Frau, einer geborenen Kobolt, die ihrerseits wieder einer Ulmer Patrizierfamilie entstammte. Am 5. Februar 1593 ist der fähige Verwaltungsbeamte bereits Hofrat. 1605 erhob Kaiser Rudolf II. Zöschlin in den Reichsadelsstand und verlieh ihm zugleich oder etwas später die Wurde eines kaiserlichen Hofpfalzgrafen. 1608 wird der begabte Jurist bereits Geheimer Rat genannt. 1606 beraubt ihn der Tod auch seiner ersten Gattin, die verhältnismäßig früh stirbt. Am 15. Februar 1610 schließt Johann Zöschlin (Zeschlin), der inzwischen das Doktorat erworben hat und Vizekanzler geworden ist, eine zweite Ehe, und zwar mit Regina Jenisch. Diese gehörte einer angesehenen, ursprünglich aus Antwerpen stammenden Familie an und war die Witwe des wohlhabenden Augsburger Handelsherrn Sigmund Bechler. Ein lateinisches Gedicht über die zweite Hochzeit Zöschlins (Carmen de nuptiis secundis Joannis Zeschlini ... et Reginae Bechlerin Sponsae institutis).

Aus Dr. Gernot Ludwig: Gymnasium illustre, X.Teil, S.48-57:

"Der Bürgermeisterssohn Johann Zöschlin, der um 1566 zur Welt kam, trat 1576 als Zehnjähriger in das Lauinger Gymnasium illustre ein. Nachdem er hier die Grundlagen für seine Bildung gelegt hatte, wandte er sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu. Er bezog die Universität von Dôle (Ostfrankreich). Vor dem 11. Juli 1587 wurde ihm in Straßburg die akademische Würde eines Magisters der freien Künste zuerkannt. Aus diesem Anlaß richtete der damals in Straßburg lehrende Nikolaus Reusner (Lebenszeit 1545-1602) ein lateinisches Gedicht an den Lauinger Bürgermeister Johann Zöschlin ,,Über die neue Ehrung des Sohnes durch Beisatz eines Titels": .. Epaminonos, der bedeutendste Heerführer Theben und der tapferste Feldherr der Griechen, äußerte, er habe nichts Willkommeneres erlebt, als daß er, während seine Eltern beide noch lebten, in dem herrlichen Kampf bei Leuktra die hitzigsten Feinde besiegt habe. Wozu führe ich das denn ein? Zweifellos sollen die Kinder ihren Eltern so eine Freude machen. Denn dies ist einzig und allein eine sehr große Freude für die Eltern, wenn sie das Glück ihrer Kinder erleben, das diese durch Tüchtigkeit erreicht haben. So, o ehrenwertester Bürgermeister Zeschlin, du erhabene Zierde deiner Vaterstadt, ist es schon recht, daß du dich über das Glück deines Sohnes freust. Unter der Gunst der Götter schenkt die Tüchtigkeit, von der man vernommen hat, und die Bildung dieses Glück gleichsam als höchsten Preis diesem deinen Sohn, wobei Apoll und der ganze Musenchor ihm gewogen sind. Jener überwand nicht tapfer bewaffnete Feinde, aber er überwand doch mit angeborener Entschlossenheit Feinde, und zwar die Unkenntnis, die Roheit und die Gleichgültigkeit. Dafür trägt der schon feierlich zum Lehrer der Weisheit Erklärte mit Recht den Lorbeerkranz davon, dessen er würdig ist, als Ansporn für einen größeren Sieg in der Zukunft. O Sohn, des Vaters wert, o Vater, des Sohnes wert! O gemeinsame Freude des Vaters und des Sohnes!“

Der so gefeierte Magister läßt sich 1588 in die Matrikel der Universität Jena ein tragen. In dieser Stadt hatte 1583 schon Urban Zöschlin (Zeschlin) sein älterer Bruder studiert. Dies mag nebenbei eine Rolle gespielt haben; der eigentliche Grund jedoch, warum es Johann Zöschlin an die Saale zog war, daß Nikolaus Reusner 1588 einen Ruf an die Universität Jena erhielt. Reusner verlieh ihm dann auch im üblichen festlichen Rahmen den Grad eines Lizentiaten beider Rechte, des geistlichen und des weltlichen Rechts. Bei diesem Anlaß sprach Reusner über das rechte Verfahren die Jurisprudenz zu lehren und zu erlernen. In dieser Rede stellte er unter anderem den Kandidaten Johann Zöschlin seinem Professorenkollegen Dr. Liberius Hofmann vor, der wohl den Akt vorzunehmen hatte. Dabei streifte er nicht ohne merkliche Ergriffenheit den bisherigen Bildungsweg seines Schülers:

„Und dies tue ich gewiß desto freudiger. je bestimmter und sicherer der ganze Plan und die ganze Beschaffenheit des Lebens und der Studien jenes jungen Mannes vor mir liegen. Diesen Lebensplan ließ er von klein auf niemals aus den Augen, zumal ich es ja selber war, der ihn anleitete und nach dem er sich richtete, ich, von dessen Seite er sich, soweit das in seiner Macht stand, nach seiner Meinung kaum jemals trennen durfte. Denn auch in Lauingen machte er sich zunächst hinlänglich kundig und zuverlässig in der Schule seiner Heimatstadt mit den Anfangsgründen der Wissenschaften vertraut. Und ebendort rückte er später auf dem Pfalzgräflichen Gymnasium alle Klassenstufen hindurch in erfolgreicher und rühmlicher Weise vor. Mit Eifer und Gründlichkeit eignete er sich die Lehren der Logik an. Und im Anschluß an diese Studien wurde er zu den öffentlichen Vorlesungen zugelassen. Er legte dadurch nicht nur für die Philosophie, sondern auch für die Rechtswissenschaft vortreffliche Grundlagen. So kam es, daß er vor sieben Jahren in Straßburg unter allgemeiner Zustimmung den höchsten Lorbeer der Philosophie erwarb und zum Magister der freien Künste ernannt wurde. Nach diesem Zeitpunkt war er ganz und gar der Rechtswissenschaft und der Beschäftigung mit der bürgerlichen Klugheit ergeben. An dem geordneten Studiengang, der kurz vorher erwähnt wurde, hielt er in vollkommener Weise fest, so wie er allen hohen Schulen vollauf seine Zuverlässigkeit und seinen Fleiß bewies, und zwar nicht nur dadurch, daß er unermüdlich öffentliche Vorlesungen hörte und bis zu diesem letzten Schulakt ohne jegliche Unterbrechung die Vorträge der Rechtslehrer besuchte. Und eben dadurch bezeugte er nicht nur deutlich, wie lernbegierig er war sondern auch wie abgeneigt er jeder Anmaßung und wie abgeneigt er dem Stolz der Überheblichkeit war; eine wie ehrenvolle Meinung er schließlich von seinen Lehrern hatte. Dabei war er sich indessen - was viele junge Leute nicht wissen wollen - darüber im klaren, daß das, was durch Lesen aufgenommen wird, sich viel tiefer einprägt, nachhaltiger haftet, sich im Gedächtnis leichter wieder einstellt, vollkommener nährt und stärker widerhallt. Außerdem stellte er fest, jenes Wort des Fabius, was alle Weisen einstimmig bekennen, sei sehr richtig.

Wer mit sehr vielen Menschen zusammenkommen und einmal mitten im politischen Leben stehen müsse, solle sich bereits von klein auf daran gewöhnen, die Menschen nicht zu fürchten und nicht in einem ungeselligen Leben zu einem blassen Stubenhocker zu werden; überhaupt blähe sich in der Abgeschiedenheit der Geist derjenigen, die niemanden hören oder um Rat fragen, in leerem Wahn auf oder er erschlaffe. Und er erkannte sehr richtig, daß die Studien, wenn sie an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen, in der Sonne dunkel daliegen und daß alles Neue gewöhnlich anstößig sei. Aber auch außer den Vorlesungen und den privaten wie öffentlichen Auskultationen hat eben dieser unser Kandidat in diesen späteren Jahren, als er schon etwas Vertrauen zur Wissenschaft hatte, mit Erlaubnis und mit der Ermächtigung des hochangesehenen Juristenkollegiums des öfteren nicht nur durch Diskussion und das Halten von Übungsreden, sondern auch durch Unterweisung und Wiederholung im privaten Justiniankolleg, das er selbst eine Zeitlang leitete, sowohl sich selbst als auch insbesondere andere junge Männer von wackerer Art höchst gewissenhaft geschult; und er verschaffte sich auf die beste Weise eine gediegene Vorbildung für die Praxis des Gemein- und besonders des Gerichtswesens und der Schule selber. Kurz - um nicht weiter abzuschweifen - er richtete sich nach der Lehre des Justinian und er erscheint so und in solchem Grade gebildet, daß uns die herrlichste Hoffnung erwärmt, es könne nach bereits erfolgtem Abschluß der gesetzlich festgelegten Aufgabe auch ein politisches Gemeinwesen - bei seinen Eltern, denen man glauben kann - richtig und umsichtig vor ihm geleitet werden. So also ist unser Kandidat im gehörigen Studiengang in einigen Jahren so weit vorgerückt; und nun vollends wurde er durch Spruch und Urteil des hochangesehenen Standes der Rechtsgelehrten bestimmungs- und satzungsgemäß in beiden Prüfungen öffentlich und privat für befähigt befunden.

Weil er nun glaubte auf herkömmliche und feierliche Weise für sich ein öffentliches Zeugnis seiner Gelehrsamkeit und den Titel der Ehrenränge, gleichsam als eine Art von Abzeichen für seinen Ruhm und als gebührenden Lohn für seine Tüchtigkeit, vornehmlich auf deine Fürsprache, o kundigster Fachmann, von unserem Juristenkollegium erbitten zu müssen, und zwar zu diesem Zeitpunkt, stimme ich, wie ich es soll, dem sehr ehrenhaften Verlangen des Kandidaten selbst und deiner überaus berechtigten Fürsprache aus eigenem Antriebe und aus freien Stücken zu. Und ich ermächtige dich entsprechend der Machtkommenheit, über die ich gegenwärtig verfüge, diesen anwesenden Kandidaten Magister Johannes Zeschlin aus Lauingen unter den üblichen Feierlichkeiten durch die Würde und die Auszeichnung des Lizentiats in beiden Rechten, im kirchlichen ebenso wie im kaiserlichen Recht, zu ehren und ihn zum Designatus oder zum sogenannten Lizentiaten beider Rechte zu erwählen, auszurufen und zu ernennen. Zugleich ermächtige ich dich, ihm auch die unbeschränkte Erlaubnis zu urteilen, die Rechtswissenschaft zu lehren und als Jurist beruflich tätig zu sein, und ihm außerdem die Möglichkeit zu verleihen, sich um die Abzeichen der höchsten Lehrbefähigung in beiden Rechten und um die anderen sich eben darauf beziehenden Gewohnheit- und Vorrechte zu bewerben und sie zu erlangen, schließlich aber ihm Gelegenheit zu bieten, alles andere zu vollziehen und zu tun, was sowohl die Beschaffenheit dieses Amtes als auch die besondere Bedingung der Stellung und die Notwendigkeit erfordern“.

Bald tritt der junge Lizentiat in den Dienst des Fürstentums Neuburg. Dort ist er 1591 pfalzgräflicher Rat in der Regierungskanzlei. In Neuburg an der Donau vermählte er sich am 20. Februar 1592 mit Ursula Drechsel, der Tochter des Geheimrates Dr. Melchior Drechsel und seiner Frau, einer geborenen Kobolt, die ihrerseits wieder einer Ulmer Patrizierfamilie entstammte. Zur Hochzeit entboten gleich drei Lehrkräfte der Lauinger Fürstlichen Schule ihre poetischen Glückwünsche: Johannes Faber (Lebenszeit 1543-1603), Michael Fend (Lebenszeit 1553-1625) und Johannes Ortelius. Diesen drei Gratulanten schloß sich Michael Leonhard Röschingeder an:

„Hoch ragt ein Hügel empor. In seinem Schutze liegt Neuburg. Ruhelos wandert der Strom, plätschert die Donau vorbei. Dir ist willkommen die Stadt, berühmtester Fürst Ludwig Philipp. Herzog, vom Lande geliebt, stehst du in Gunst auch bei Gott. Zwischen den Priestern des Rechts, weit sichtbaren Leuchten, durch deren Ratschluß voll Leben und Kraft blühend die Heimat gedeiht, Ist als Jurist Zeschlin bekannter als andre geworden, Der seinem Alter und Rang eilte durch Leistung voraus".

Am 5. Februar 1593 ist der fähige Verwaltungsbeamte bereits Hofrat. In wenigen Jahren erwarb er sich das Vertrauen seines Landesherrn und des Erbprinzen. Als dieser, der junge Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, im August 1600 zu einer längeren Reise aufbricht, die ihn bis zum April 1601 zunächst an den Rhein und dann nach Frankreich und England führt, gehört zu seinen Begleitern auch der Lizentiat Zöschlin. Ihm diktiert Wolfgang Wilhelm sogar einen Teil der Berichte die er an seinen Vater, den Pfalzgrafen Philipp Ludwig sendet. Allerdings wird Johann Zöschlin am 24. Oktober 1600 mit dem Neuburger Landvogt Wolf Heinrich Lemble über Heidelberg wieder nach Neuburg (an der Donau) geschickt.

1604 hält sich Johannes Zöschlin als Geschäftsträger Wolfgang Wilhelms in Prag auf. Er wird am 27. Juni dieses Jahres beauftragt, über ,Zacharias Geizkofler (Lebenszeit 1560-1617) auszukundschaften, ob der Kaiser Rudolf II geneigt sei, von Wolfgang Wilhelm ein Gemälde als Geschenk anzunehmen. Zum hundertjährigen Jubiläum des Fürstentums Neuburg, das am 30 Juli 1605 in Neuburg festlich begangen wurde, verfaßte Zöschlin eine Jubilaumselegie (ELEGIA SAECVLARIS) „De bello Bauarico“, die er dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig, seinem allergnädigsten Herrn, widmet.

Im selben Jahre 1605, erhob Kaiser Rudolf II. Zöschlin in den Reichsadelsstand und verlieh ihm zugleich oder etwas später die Wurde eines kaiserlichen Hofpfalzgrafen. 1608 wird der begabte Jurist bereits Geheimer Rat genannt. 1606 beraubt ihn der Tod auch seiner ersten Gattin, die verhältnismäßig früh stirbt. Am 15. Februar 1610 schließt Johann Zöschlin (Zeschlin), der inzwischen das Doktorat erworben hat und Vizekanzler geworden ist, eine zweite Ehe, und zwar mit Regina Jenisch. Diese gehörte einer angesehenen, ursprünglich aus Antreffen stammenden Familie an und war die Witwe des wohlhabenden Augsburger Handelsherrn Sigmund Bechler. Ein lateinisches Gedicht über die zweite Hochzeit Zöschlins (Carmen de nuptiis secundis Joannis Zeschlini ... et Reginae Bechlerin Sponsae institutis), das 1610 in Lauingen gedruckt wurde, scheint leider verschollen zu sein. Wohl als Vermählungsgeschenk war ein silbervergoldetes Trinkgeschirr in Form einer Birne (31 Lot 1 Quäntchen Gewicht 33 f 46 kr) gedacht, das der Rat der Stadt Lauingen bei dem Goldschmied Christoph Weihenmayer (Lebenszeit 1588 - 1651) bestellte, um es dem einflußreichen Landsmann zu verehren

1610 ist er als herzoglich Neuburgischer Vizekanzler ständiger Begleiter des Erbprinzen Wilhelm auf dessen diplomatischen Reisen, alle im Zusammenhang mit der Jülich-Cleve-Bergschen Erbschaft, die ihn an den herzoglich Bayerischen Hof in München, den kurfürstlich und markgräflich Brandenburgischen Hof in Küstrin und sogar an den herzoglich Preußischen Hof in Königsberg führten. 1612 starb der bisherige Kanzler des Fürstentums Neuburg und wurde am 19. Mai dieses Jahres begraben. Ihm, dem Doktor beider Rechte Georg Ludwig Frölich (Fröhlich), folgte Zöschlin als Kanzler wohl unmittelbar.

Im Jahre 1613 veröffentlichte Zöschlin ein recht umfangreiches juristisches Werk über die „Rechtmäßige Vormundschaft in den Kurfürstenhäusern". Er wendet sich damit gegen die sechs einschlägigen Bücher des Rechtsgelehrten Dionysius Gothofredus und die entsprechenden Kommentare des Marquard Freher. Die Schrift wurde in Lauingen gedruckt. Die Auseinandersetzung Zöschlins mit Marquard Freher (Lebenszeit 1565-1614) scheint mit dessen Tode ihr Ende gefunden zu haben. Dagegen befehdete der Neuburger Kanzler den französischen Rechtslehrer Denis Godefroy (Lebenszeit 154~1622), der sich nach damaligem Brauch Dionysius Gothofredus nannte, mit einer weiteren Schrift, um seine eigene Ansicht beharrlich zu verteidigen. Diese Apologie erscheint im Jahre 1614 bei Matthaeus Schmidtz in Köln unter dem Titel „VINDICIAE TVTELARES SECVNDVM LEGEM“.

Am 20. September 1613 war Zöschlin als Brautwerber Herzog Wolfgang Wilhelms um die bayerische Prinzessin Magdalena am Münchner Hof erschienen. ,,Nach der in München prunkvoll gefeierten Hochzeit begleitete Zöschlin 1614 den Herzog in die Jülich-Berg'schen Lande am Niederrhein, nach Holland, ferner an den Hof des Königs James 1. Stuart in London, sowie nach Brüssel. wo ein Habsburger Erzherzog als Statthalter residierte.“

Da Wolfgang Wilhelm jedoch schon bei seiner Trauung am 11. November 1613 seine Rückkehr zur katholischen Kirche in Aussicht gestellt oder, wie behauptet wird, sogar insgeheim vollzogen hatte, fiel dem Kanzler die undankbare Aufgabe zu, ein treuer Diener zweier Herren zu bleiben, deren Wege sich zu scheiden begannen. Er wußte, wieviel er dem alternden kränkelnden Pfalzgrafen Philipp Ludwig verdankte, in dessen Auftrag er bereits 1606 als Rat und Abgesandter vom Januar bis Mai am Regensburger Reichstag teilgenommen hatte. Großmut und Huld des Landesfürsten gewährten ihm ja auch ein Deputat von 3000 Gulden. Andererseits rechnete der Erbprinz, der am 15. Mai 1614 in der Hauptkirche zu Düsseldorf öffentlich in die katholische Kirche zurückgetreten war gewiß damit, daß Zöschlin die Bürde seines Amtes weiterhin tragen werde. Der schicksalhafte Zwiespalt zwischen dem Landesvater, dessen Leben sich dem Ende zuneigt, und dem künftigen jungen Herrn erscheint dem Kanzler zeitweise unüberbrückbar.

Der Zufall hat ein Blatt gerettet, wohl ein Fragment aus der Kanzlei oder eine Aufzeichnung eines späteren Registrators, das Angaben über Briefe enthält, die zwischen dem 12. April und 1. Juli 1514 gewechselt wurden. Ein ernstes Zerwürfnis mit dem Erbprinzen verbittert Zöschlin und läßt ihn um seine Zukunft bangen:

„12. April 1614: Herzog Philipp Ludwig an Dr. Zöschlin: Belobung über das bisher Geleistete. Einige Erinnerungen in Hinsicht der Clevischen Stände. Verspricht Genugtuung (?) über das, was zwischen ihm, Zöschlin, und Herzog Wolfgang Wilhelm vorgegangen ist ... vnd daß Dr. Zöschlin von Düsseldorf nicht abziehen soll.

Eodem (= 12. April 1614): Herzog Philipp Ludwig an Johan Barthold v. Wonsheim. Hofmeister: Derselbe soll auf alle Weise trachten, die zwischen Herzog Wolfgang Wilhelm, und den Fürstl. Räthen, vorzüglich dem Kanzler Zöschlin vorwaltende Zwistigkeiten gütlich beyzulegen.

14/24. April: Dr. Marcell Dietrich Fürstl. Rath an Dr. und Kanzler Zöschlin ...: Bittet ihn um Gottes Willen, er soll für jetzt dissimuliren, und um des lieben Vaterlands willen, der gemeinen Wohlfahrt zum Besten, seinen Entschluß differiren.

7 17. Maij: Dr. Kanzler Zöschlin an Herzog Philipp Wilhelm (sic!): Verspricht, noch länger zu verbleiben und auszuharren ... neue Unruhen und gefährliche Aspekten in den dasigen Landen.

7. Junij St(ili) Nov(i): Kanzler Zöschlin an Herzog Philipp Ludwig: Bittet um Resolution auf sein Schreiben d. dto. 7/17. maij. Ist ihm unleidentlich, sich so beschimpft, und degradirt zu sehen, indem der ganze niederländische Rath mit papistischen Subiectis besetzt seyn muß. Einige Nachrichten, wie es darunten dermal aus(s)ieht.

14. Junij 1614: Herzog Philipp Ludwig an Kanzler Zöschlin: Prinz Wolfgang Wilhelm soll von der päpstlichen Liga abgemahnt werden etc.

1. Julij 1614: Kanzler Zöschlin an Pfalzgrafen Philipp Ludwig: Bittet nochmal Unterthänigst um Entlassung oder im entgegengesetzten Fall um einen Special Schutzbrief wider Gefahr, und Thätlichkeit, und um Verordnung, daß er in seinem jtzigen Logement, auch Amt vnd Expeditionen unbetrübt gelassen werde, und seine Besoldung, weil er hinfüro in den vntern Landen nichts mehr zu gewarten habe, Von Neuburg aus erhalte. Item um richtige Erklärung, was er zu gewarten habe, wenn er seines Dienstes halber in Unglück kommen, oder sonsten in Gefahr und Schaden gebracht wurde.“

Nicht lange, nachdem dieser Briefwechsel geführt worden war, am 12 August 1614, starb Pfalzgraf Philipp Ludwig. Sein Nachfolger Wolfgang Wilhelm konnte nun ungehindert daran gehen, seine eigenen politischen Vorstellungen zu verwirklichen und sein Land wieder dem katholischen Lager zuzuführen. Gleich am Johannistage (24. Juni) des Jahres 1615 sollte ein Religionsgespräch in Neuburg an der Donau eine möglichst große Menge von Zuhörern von der Richtigkeit der Lehren der alten Kirche überzeugen. Auch der geheime Rat und Kanzler Zöschlin wohnte dieser Veranstaltung bei. Er wird von einem zuverlässigen Zeugen zu diesem Zeitpunkt noch als Angehöriger der „Augspurgischen Confession“ bezeichnet.

Der Rat der Stadt Gundelfingen, deren Pfleger er war, hatte dem Kanzler 1610 nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden (Xanten) ein Trinkgeschirr verehrt. Zöschlin mußte aber - als Absentpfleger - nicht ständig in Gundelfingen tätig sein, sondern hatte nur einen Pflegeverwalter zu bestellen und zu besolden. Immerhin ließ er seine Tochter Jakobine, die seiner Ehe mit Ursula Drechsel entsprossen war, in Gundelfingen heiraten, wo sie 1616 Sigmund Weis(s)land (Lebenszeit 1583 - 1620), den Sohn des aus Isny gebürtigen Juristen Leo Wei(s)land (Lebenszeit 1546-1619), ehelichte.

Seiner Vaterstadt hatte Zöschlin einen vergoldeten Becher verkauft, den deren Vertreter am 1. April 1615 dem neuen Landesherrn zum Regierungsantritt überreichtten. Religiös schien der Kanzler noch zu schwanken, was ihn ins Zwielicht geraten ließ und dazu führte, daß die ihm vorher so wohl gesinnte Pfalzgräfin Witwe Anna im Jahre 1617 die Protestanten in Lauingen - darunter noch Zöschlins eigene Verwandte - warnen ließ, ihm dem Zöschlin nicht zu trauen. Im gleichen Jahre forderte Zöschlin im Namen des Herzogs die Herausgabe der Lauinger Pfarrkirche und Fürstengruft an die Katholiken, was natürlich die Pfalzgräfin, deren Gatte in der Gruft beigesetzt war, aufs höchste erbitterte. Immer wieder aber erschütterte den Kanzler die Gewissensnot der Bürger. So brache er es zum Beispiel nicht übers Herz, die beiden evangelischen Geistlichen aus der Stadt Gundelfingen zu schaffen, obwohl ihm dies, als dem zuständigen Pfleger, befohlen worden war. Sein Bericht vom 7. August 1617 besagt, er habe diesen Befehl dem Rat eröffnet. Der Pfarrer Johann Seitz sei damit zufrieden gewesen, da er bereits eine Berufung nach Regensburg erhalten habe: Bürgermeister und Rat aber hätten mit so vielen Tränen um Einstellung der Exekution gebeten, daß er ihnen solches nicht habe abschlagen können. Er empfahl schließlich, den Bitten der Bürgerschaft um Belassung ihrer Religionsdiener zu willfahren und bat, „auf den widrigen Fall“, ihn mit diesem Befehl und dessen Ausführung zu verschonen, mit der Begründung: „denn ich sonsten bei ihnen nichts zu amtieren wüßte und etwa von einem und andern zu meiner höchsten Betrübnis hören müßte, als ob ich ihnen dasjenige nicht halte, so ich und andere Kommissarii ihnen zugesagt“. Im November 1617 bekannte sich Johannes Zöschlin, nachdem er vier Jahre gezaudert hatte, in Neuburg an der Donau zur katholischen Kirche. Dabei waren Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm mit seiner Gemahlin und zwei Jesuiten zugegen. Es dürfte sich dabei um Anton Welser und Jakob Reihing (Lebenszeit 1579 - 1628) gehandelt haben. Vor allem Reihing, der später selbst evangelisch wurde, veranlaßte den Kanzler, sich vom Luthertum abzuwenden. Zeschlin besiegelte seinen Übertritt Ende Dezember 1617 im Jesuitenkollegium in Würzburg, wohin ihn sein Sohn Philipp Heinrich begleitet hatte, dadurch, daß er im dortigen Gotteshaus öffentlich kommunizierte. Nach Würzburg war der Kanzler im Gefolge Wolfgang Wilhelms gekommen, der im Begriffe war, sich nach Düsseldorf zu begeben.

Die nunmehr endgültige Rückkehr Zöschlins zur katholische Kirche und wohl auch seine Mitwirkung bei der Rekatholisierung des Fürstentums Pfalz-Neuburg, bewogen einen seiner früheren Glaubensgenossen, eine Schmähschrift gegen den Kanzler zu verfassen. Der Autor gab sich dabei für einen alten Freund und Studiengefährten des Lauingers aus und widmete das Werk ironisch den beiden Jesuiten Anton Welser und Jakob Reihing. In einer späteren, von leidenschaftlicher Parteinahme nicht ganz freien Darstellung, heißt es: ,,Ein gewissenloser Mensch, wie es dergleichen zu allen Zeiten gibt, von Seelengalle und Giftfülle strotzend, ließ sich den unerhört verbrecherischen Gedanken beigehen, ein scheußliches Sündenregister zusammenzuschreiben, die niederträchtigsten und obscönsten Schamlosigkeiten in dasselbe aufzunehmen und es im Ausland unter dem falschen Namen Amandus Boncompagnon in Lothringen drucken zu lassen, mit dem Vorgeben, der Kanzler von Zeschlin habe dieses Sündenbekenntniß einem Jesuiten abgelegt, und er, Mastigia und Verbero, wie ihn Zeschlin nennt, habe es von dem Original des Convertiten wörtlich abgeschrieben und in Druck gegeben".

Um glaubwürdiger zu wirken, erkennt der angebliche Boncompagnon die treuen Dienste Zöschlins an, die dieser Pfalzgraf Philipp Ludwig geleistet habe. Auch unterschlägt er die vielseitige Begabung des Kanzlers nicht. Er scheint den gewandten Redner, den gebildeten Philosophen, Dichter, Politiker und Theologen zu achten. Tatsächlich war Johann Zöschlin schon in ganz jungen Jahren an der Lauinger Fürstlichen Schule als Redner aufgetreten. Er bewies damals, am 26. März 1580, innerhalb des vorgesehenen Problemkreises ,,Ob das Leben ein Gut oder ein Übel ist", daß das Leben ein Übel sei. Er führte unter anderem aus: ,,Welche Laster stürmen nun gar bereits auf den Knaben und den jungen Mann ein? Ihn, den eben die Schlechtigkeit seines Charakters zum Bösen lockt, verführt bald der Teufel, bald verführen ihn verworfene Gefährten. Von ihnen wird er oft zu unedler Kurzweil. zu Mord, Diebstahl, Raub, außerdem zu unzähligen anderen Übeltaten verleitet. Leute, die diese Verbrechen begehen, büßen, von der Behörde aufgegriffen, nach den Gesetzen und nach der Entscheidung des Gerichts: Sie enden entweder durch den Strang, werden enthauptet, durch das Rad zerschmettert oder sie erleiden den Feuertod. Und wenn irgend jemand wirklich geeignet erscheint, eine höhere Schulbildung zu erhalten, mit wie großer Sorgfalt und mit wie großer Umsicht muß er unterwiesen werden, um von den Verweisen, Drohungen. allzu kränkenden Worten, ja selbst Schlägen ganz zu schweigen, mit denen er oftmals zur Erfüllung seiner Pflicht angetrieben werden muß? Mit wie großem Eifer muß er durch Übungen geschult, unter wieviel Schweiß und Anstrengung muß er gezähmt werden, bis er die Kenntnis irgendeiner Kunst, sei es einer freien Kunst, sei es einer handwerklichen Fertigkeit, erlangt und bis er richtig ins Berufsleben eingeführt wird? Fertigkeiten und Kenntnisse sind nämlich nicht angeboren, sondern man eignet sie sich durch den langen Umgang mit den betreffenden Gegenständen, durch wiederholte Übung und durch dauernde eifrige Beschäftigung mit ihnen an".

Nun freilich hatte sich Zöschlin nicht mehr in der Schule zu bewähren, sondern er mußte den öffentlich gegen ihn erhobenen Beschuldigungen entgegentreten. Daher bot er alle Kräfte auf, um sich vor aller Welt zu rechtfertigen. Sicherlich hatten ihm nicht wenige Zeitgenossen vorgeworfen, sich allzu gefügig und grundsatzlos den geänderten Umständen angepaßt zu haben. Ihnen will er erläutern, was ihn zur Veröffentlichung einer Verteidigungsschrift bewog:

,,Wiewohl gewichtige Gründe vorliegen, die mich vor einem billigen Richterstuhle entschuldigen würden, wenn ich dem Verleumder mit Stillschweigen begegnete, so sind dennoch die Gründe, die mich zur entgegengesetzten Handlungsweise hinreißen, viel zahlreicher und entscheidender, besonders wenn es sich darum handelt, neue sectische Meinungen zu widerlegen und die Weiterverbreitung von Irrthümern zu verhindern. Einem Irrthum nicht widerstehen, heißt dem Scheine nach ihn gutheißen, und die Wahrheit nicht vertheidigen, sie unterdrücken lassen. Die verkehrten Menschen nicht nach Möglichkeit unschädlich machen, ist nichts anders als sie in Schutz nehmen. Meines Erachtens durfte ich um so weniger schweigen als ich wußte, daß man mich nicht allein mit Beschuldigungen überhäufte sondern auch den Verdacht auf mich zu ziehen suchte, als hatte ich nicht aus Überzeugung und gutem Gewissen, sondern aus Heuchelei den katholischen Glauben angenommen. Gleichwie die Verunglimpfungen mir nicht gleichgültig seyn können, ebenso glaubt ich meinem guten Rufe und meiner Ehre schuldig zu seyn, durch mein öffentliches Bekenntniß dem bösen Argwohn den Schein abzuziehen und für die Nachkommen schaft meine Unschuld in das hellste Licht zu stellen.

Zöschlin gliedert seine Rechtfertigungsschrift übersichtlich. „Mein Vorhaben ist folgender Maßen zu Werk zu gehen: E r s t e n s werde ich auf den Namen eines anonymen Gegners hindeuten, ihm zu Gemüth fuhren welch eines schweren Verbrechens und welcher Strafe er sich schuldig gemacht, indem er mir ein falsches Sündenbekenntniß angedichtet und veröffentlicht hat; z w e i t e n s werde ich die gräulichen Ehrenkränkungen und Schmähungen, womit er mich angegriffen zurückweisen und widerlegen; d r i t t e n s werde ich in Bezug auf alle Streitpunkte das wahrhafte Bekenntniß meines katholischen Glaubens darlegen, die zahllosen Irrthümer des Widersachers vernichten, die Beweggründe meiner Bekehrung auseinander legen und dadurch alle Jene, die dennoch Sinn für die echte Lehre, und Sehnsucht nach eigener Beseligung haben, dahin vermögen, daß sie allem Sectenwesen entsagen und sich zur katholischen Religion bekennen“.

Immerhin verrät der dickleibige Band auch einige Einzelheiten aus dem Leben Zöschlins. Er betont zum Beispiel, daß ihm das Amt eines Pflegers von Gundelfingen bereits von dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig zugesagt worden sei. Ebenso sei er nicht bevorzugt als Kanzler berufen worden, sondern sei als Vizekanzler nach dem Tode Dr. Georg Ludwig Fröhlichs in diese Stellung nachgerückt. Besonders ausführlich geht Zöschlin auf seine Hofmark Schwenningen ein, die er 1617 um 40.000 Gulden erworben hatte: ,,Und in keiner anderen Absicht ließ ich mich in die Zahl der adeligen Landsassen des Herzogtums Neuburg eintragen. als in der, daß ich auf diesem Landgute. das ich mit meinem eigenen Gelde erworben habe, die freie Ausübung meiner Religion hätte. Das wird sogar der Verkäufer selbst, der edle Johannes Kaspar von Gundelsheim. gern bestätigen, der noch unter den Lebenden ist; auch die Akten der Neuburger Kanzlei werden bezeugen, daß ich die Übergabe jenes nicht gemeinen Landgutes und der Burg Kalteneck nur unter der Bedingung annehmen wollte, daß mir das Kirchenpatronatsrecht dieses Ortes und die freie Religionsausübung überlassen würde ... Es ist auch eine ganz offenkundige Lüge, daß mein Gegner sagt, ich hätte jene Güter und Besitzungen zum größten Teil mit dem Gelde der in der Nachbarschaft wohnenden Juden gekauft. Der Kaufpreis wurde nämlich, sogar noch vor der vollständigen Übergabe, dem Verkäufer gezahlt, und zwar allein aus meinem Vermögen und aus der Mitgift meiner Gattin ohne jeglichen Beistand anderer. Ausgenommen war jene Geldsumme, die dem Verkäufer auf Grund des Kaufvertrages im Verlaufe von zehn Jahren zu zahlen gewesen wäre. Der Verkäufer hätte aber dieses Geld lieber gleich bar in der Hand gehabt. Er konnte nämlich auf andere Weise seinen geldlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Obwohl also jener ganze Geldbetrag der ersten fälligen Zahlung von mir erlegt worden war - er belief sich auf 25 000 Gulden - war er (vom Verkäufer) schon zur Schuldentilgung verwendet worden. Daher ließ ich mich schließlich durch Bitten erweichen - ich tat es dem Verkäufer zuliebe und aus reinem Mitleid -, den Restbetrag des vereinbarten Kaufpreises der in den folgenden zehn Jahren in zehn Jahresraten zu zahlen gewesen wäre, auch sofort zu begleichen. Da mir (jedoch) zum damaligen Zeitpunkte die Summe nicht vollständig zur Verfügung stand, die Lage des Verkäufers aber keinen Aufschub du duldete, bestreite ich meinerseits nicht, daß ich so viel Geld, wie der Verkäufer begehrte von einem Juden in der Nachbarschaft lieh, was der Fürst wußte und wozu er seine Zustimmung gab. Und welche Verfehlung habe ich bitte dabei begangen? Denn mit den Juden, die den Schutz des römischen Rechts genießen, ist nicht jeder Handelsverkehr untersagt .. Und das muß ich jenem Juden rühmend nachsagen, daß er bei der Vergabe dieses Darlehens so wohlwollend und gefällig war, daß er außer den rechtmäßigen Zinsen nichts forderte und auch die teilweise Abzahlung der Schuld, zu welchem Zeitpunkt auch immer sie ihm angeboten wurde, nicht zurückwies. Diese erfolgte bis jetzt, und jenes mein Landgut ist bereits von jeglicher Verschuldung völlig frei".

Von seinem Großvater Johannes Zöschlin (Zeschlin) berichtet der Kanzler, er sei bis zu seinem letzten Atemzuge überzeugter Anhänger der römisch-katholischen Kirche gewesen. Sein Vater Johann Zöschlin habe sich, wie er von ihm selbst wisse, mit dem Gedanken getragen, aus seiner Vaterstadt Lauingen in eine Gegend auszuwandern, in der es erlaubt sei, sich zur römisch-katholischen Kirche zu bekennen. Der rechtschaffene Vater des Kanzlers sei überdies von den Lauinger Superintendenten beim Kirchenrat in Neuburg angezeigt worden, weil er die Katholiken, die in der Nähe lebten, mehr, als es recht sei, begünstige.

Daß das Herz des gelehrten Juristen auch tieferer Empfindungen fähig war, beweist ein Erlebnis aus dem Mannesalter des Kanzlers: „Als ich mich einmal in München viel mit dem ehrwürdigen Jesuitenpater Dr. Jakob Keller unterhielt und er mich wiederholt aufforderte, gewissenhaft und aufmerksam die Bücher der Bekenntnisse des heiligen Augustinus zu lesen, die ich damals zufällig zur Hand hatte und die ich doch auch schon früher als Lutheraner nicht nur einmal gelesen hatte, kam es mir im Schlaf, der mich lind umfing, vor, als hörte ich eine menschliche Stimme in meine Ohren flüstern: Bleib und lies! Als ich dann um die Morgendämmerung erwachte, aufstand und auf Grund der vorher oft gehörten Worte nach den erwähnten Büchern der Bekenntnisse griff, verfiel ich von ungefähr zufällig darauf, das zwölfte Kapitel des achten Buches zu lesen. In ihm erzählt Augustinus, er habe einmal, hingestreckt unter einem Feigenbaum, eine ganz ähnliche Stimme vernommen, die zu ihm sprach: Nimm und lies, nimm und lies. Diese Ähnlichkeit der Worte. die nicht viel anders lauteten als diejenigen, die ich gehört hatte, erquickte mich wunderbar, denn ich zweifelte in keiner Weise daran. daß dies eines guten Schutzgeistes Weckruf sei, darauf gerichtet, daß ich beim Luthertum bliebe, die Heilige Schrift läse und mich auf keine Weise davon losreißen ließe. Pater Keller, dem ich diesen lieblichen Traum berichtete, begann mit mir über die Deutung dieser Worte zu streiten, indem er den Sinn dieser Worte so erklärte, ich sollte an demjenigen Ort bleiben, an dem ich diese Worte gehört hatte, und sollte lesen ...“.

Jeder unnötigen Gewaltanwendung war Zöschlin abgeneigt: „Doch das verspreche ich ..., daß ich, was meine Stimme und meinen Rat anlangt, niemals etwas tun werde, was nach dem Blut der Ungerechten zu dürsten scheint. Denn es verträgt sich nicht mit meiner Wesensart, daß ich dazu rate, daß man das mit Waffengewalt gewinnen soll, was auf dem Rechtsweg erreicht werden kann". Diesem Grundsatz blieb er auch als Herr seiner Hofmark Schwenningen, soweit es an ihm lag, treu: „Die Katholisierung des Ortes ging schwer vor sich; denn die Angehörigen und Diener des Kanzlers Zeschlin blieben offene oder geheime Lutheraner und wirkten der katholischen Bestrebungen, so viel sie konnten, entgegen. Der Kanzler selbst zögerte mit der Präsentation eines katholischen Pfarrers und duldete noch im Jahre 1619 den Prädicanten in Schwenningen; erst den nachdrücklichen Vorstellungen Bischof Heinrichs beim Pfalzgrafen gelang es, daß Zeschlin am 16. Januar 1629 einen katholischen Pfarrer, Georg Pflaumer, auf Schwenningen präsentierte. Aber noch im Jahre 1631 gab es daselbst mehrere hartnäckige Lutheraner; an ihrer Spitze standen des Kanzlers Sohn, Philipp Heinrich von Zeschlin, der nie in die Kirche ging und kein Sacrament empfing, und der herrschaftliche Verwalter. Einige derselben mußten auswandern und ließen sich in Oppertshofen und Brachstadt nieder".

Den ehrfürchtigen und unbeirrbaren Glauben an Wunder teilte Zöschlin mit vielen Zeitgenossen. Besonders beeindruckten ihn die überraschende Heilung eines Gelähmten an einem Marienaltar. die Errettung eines dem Tode Geweihten aus Henkershand in Staab bei Pilsen, wobei er den dem Leben Wiedergegebenen selbst sah, und die Erscheinung eines geheimnisvollen Schimmelreiters in der für Tilly siegreichen Schlacht bei Wimpfen im Jahre 1622.

Im übrigen besitzen Zeschlins Apologie nach fachkundigem Urteil „fast die Eigenschaft eines kirchengeschichtlichen und dogmatischen Lehrbuches“ dessen Verfasser „durch seine seltene und gediegene Gelehrsamkeit sich nicht allein als Rechtskundiger, sondern auch als Schriftforscher und Patrolog zu erkennen gibt". Der geplante zweite Band des über das Persönliche weit hinausgehenden Werkes sollte beweisen, daß von den Lutheranern vieles gelehrt wurde, was mit der Schrift und der Tradition entschieden im Widerspruch stehe und schon früher mit dem Bann belegt worden sei. Es sollte zudem überhaupt die Augsburgische Konfession widerlegt werden. Dieser Fortsetzungs- und Abschlußband scheint nie erschienen zu sein. Vielleicht bezieht sich Ströllers Notiz auf ihn: „Im Jahre 1630 hat er (Zöschlin) auf Befehl des Herzogs (Wolfgang Wilhelms) sein gedrucktes(?) Werk mit dem Herrn von Labrique conferiern müßen". Möglicherweise hat der einflußreiche geheime Rat Simon Labrique von der Veröffentlichung des abschließenden Teiles abgeraten, oder die Kriegsfackel leuchtete zu grell in die Gelehrtenstube des Kanzlers. Die dienstliche Stellung des Lauingers war unerschüttert: „Johann Zeschlin war immer die Hauptperson im Rate Wolfgang Wilhelms und wurde als der gelehrteste Jurist seines Hofes von ihm mit der Abfassung juristischer Deduktionen und den wichtigsten politischen Sendungen betraut". Der Lauinger Stadtrat ist sich dessen bewußt und verehrt zum Beispiel 1629 einem Sohn des Neuburger Kanzlers ,,auf die Hochzeit" ein Trinkgeschirr.

Als das Fürstentum Neuburg immer mehr unter dem Kriege zu leiden hatte, zog sich Zöschlin 1632, anscheinend schon leidend, vor den Schweden ins Ausland zurück, wo er vermutlich diplomatische Aufträge seines Herrn zu erledigen hatte. Allerdings hält er sich 1633 wieder in Neuburg an der Donau auf. Ein Bericht aus dieser Stadt, der am 25. Juni 1633 erstattet wurde meldet sogar: „... und haben sie granaten in das Schloß geschossen und ist dißerthalb der Obriste Kanzler Zöschlin etc. in Lebensgefahr gestanden". 1634 lebte Zöschlin nachweisbar in Wien. Dort starb er am 2. Mai 1639 im Alter von dreiundsiebzig Jahren nach längerem, schweren Leiden. Angeblich hatten ihn Kaufverhandlungen dahin geführt, da er sein Gut an Hackenberg, den Kammerdiener des Kaisers, veräußern wollte.

Zöschlins Witwe wohnte vom Jahre 1640 an in Gundelfingen, in der ihr zustehenden Pflegerswohnung im dortigen Schloß. Dem Kanzler folgte als Ortsherr von Schwenningen 1639 sein Sohn Philipp Heinrich, der stark verschuldet war und bald (1640) ohne männliche Erben verschied. Er hatte - wie sein Vater - das Lauinger Gymnasium illustre besucht, war später Neuburgischer Hofrat und hatte den Kanzler als einziger Sohn überlebt. Georg Zeschlin, ein Vetter des Juristen, bzw. ein Bruderssohn des Bürgermeisters Johann Zöschlin, hatte ebenfalls die Lauinger Fürstliche Schule durchlaufen und war 1602 pfalzgräflicher Sekretär, 1618 bejaht er - nun schon Pfennigmeister - die Rekatholisierung Gundelfingens. Er wird als Pfennigmeister zu Neuburg zum Beispiel noch am 14. März 1625 erwähnt. Seine Nachkommen standen noch längere Zeit in öttingenschen Diensten. So schaltete und waltete Ludwig Albrecht von Zöschlin vom 27. März 1683 bis zum Jahre 1690 als Oberamtmann auf der Harburg im Ries.

Von seinen Brüdern hatte der Kanzler Zöschlin manche ins Grab sinken gesehen, so den Pfarrer Urban Zöschlin, dessen Leben vor dem 23. April 1609 endete und Emanuel Zöschlin, der mit Hinterlassung vieler Schulden am 19. Oktober 1611 starb. Er war seinem Vater 1602 als Besitzer der von diesem 1591 gegründeten Papier- und Ölmühle gefolgt. Sie bildete den Kern der späteren Ortschaft Zöschlingsweiler, die den Namen des Geschlechtes der Zöschlin bis heute bewahrt hat. [Seine drei Töchter heirateten alle in die nahe Reichstadt Giengen, aus der ihre Mutter stammte: Ursula heiratete den Ratsherrnsohn, Bierbrauer und Metzger-Zunftmeister Martin Böckh, deren Sohn Simon Böckh Prediger in Giengen wurde; Jakobina heiratete den Giengener Prediger Esaias Edelmann; Anna Maria heiratete den Schmied und späteren Bürgermeister Johann Nüsseler]“.


Hier nach Giengen: Einhorn.jpg

Erstellt von Ulrich Stark , der hiermit seinen 9xUr-Großonkel vorstellt.
Erstellt am 05.02.1998, letzte Aktualisierung am 03.03.1999.