Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797)
Erster Theil. Metaphysische Anfangsgründe der
Rechtslehre.
Vorrede.
Tafel der
Eintheilung der Rechtslehre.
Einleitung
in die Metaphysik der Sitten.
1. Von
dem Verhältniß der Vermögen des menschlichen Gemüths zu den Sittengesetzen.
2. Von
der Idee und der Nothwendigkeit einer Metaphysik der Sitten.
3. Von
der Eintheilung einer Metaphysik der Sitten.
4.
Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten.
Einleitung
in die Rechtslehre.
§ A. Was die Rechtslehre sei.
§ B. Was ist Recht?
§ C. Allgemeines Princip des Rechts.
§ D. Das Recht ist mit der Befugniß zu zwingen verbunden.
§ E. Das stricte Recht kann auch als die Möglichkeit eines mit
jedermanns Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden durchgängigen
wechselseitigen Zwanges vorgestellt werden.
Anhang zur Einleitung in die Rechtslehre.
Vom zweideutigen Recht.
( Ius aequivocum. )
1. Die Billigkeit. (
Aequitas. )
2. Das Nothrecht. (
Ius necessitatis. )
Eintheilung
der Rechtslehre. A. Allgemeine Eintheilung der Rechtspflichten.
Das angeborne Recht ist nur ein einziges.
Eintheilung der Metaphysik der Sitten überhaupt.
Der
Rechtslehre Erster Theil. Das Privatrecht.
Erstes Hauptstück. Von der Art etwas
Äußeres als das Seine zu haben.
§ 1-3.
§ 4. Exposition des Begriffs vom äußeren Mein und Dein.
§ 5. Definition des Begriffs des äußeren Mein und Dein.
§ 6. Deduction des Begriffs des bloß rechtlichen Besitzes eines äußeren
Gegenstandes ( possessio noumenon ).
§ 7. Anwendung des Princips der Möglichkeit des äußeren Mein und Dein
auf Gegenstände der Erfahrung.
§ 8. Etwas Äußeres als das Seine zu
haben, ist nur in einem rechtlichen Zustande, unter einer
öffentlich=gesetzgebenden Gewalt, d. i. im bürgerlichen Zustande, möglich.
§ 9. Im Naturzustande kann doch ein wirkliches, aber nur provisorisches
äußeres Mein und Dein statt haben.
Zweites
Hauptstück. Von der Art etwas Äußeres zu erwerben.
§ 10. Allgemeines Princip der äußeren Erwerbung.
Eintheilung der Erwerbung des äußeren Mein und Dein.
Erster
Abschnitt. Vom Sachenrecht.
§ 11. Was ist ein Sachenrecht?
§ 12. Die erste Erwerbung einer Sache kann keine andere als die des
Bodens sein.
§ 13. Ein jeder Boden kann
ursprünglich erworben werden, und der Grund der Möglichkeit dieser Erwerbung
ist die ursprüngliche Gemeinschaft des Bodens überhaupt.
§ 14. Der rechtliche Act dieser Erwerbung ist Bemächtigung ( occupatio
).
§ 15. Nur in einer bürgerlichen Verfassung kann etwas peremtorisch,
dagegen im Naturzustande zwar auch, aber nur provisorisch erworben werden.
§ 16. Exposition des Begriffs einer ursprünglichen Erwerbung des Bodens.
§ 17. Deduction des Begriffs der ursprünglichen Erwerbung.
Zweiter
Abschnitt. Vom persönlichen Recht.
§ 18-21.
Dritter
Abschnitt. Von dem auf dingliche Art persönlichen Recht.
§ 22-31.
1. Was ist Geld?
2. Was ist ein Buch?
Der Büchernachdruck ist von rechtswegen verboten.
Episodischer Abschnitt. Von der idealen Erwerbung eines äußeren
Gegenstandes der Willkür.
§ 32.
1. Die Erwerbungsart durch Ersitzung. § 33.
2. Die Beerbung. (
Acquisitio haereditatis. ) § 34.
3. Der Nachlaß eines
guten Namens nach dem Tode. ( Bona fama defuncti. ) § 35.
Drittes
Hauptstück. Von der subjectiv=bedingten Erwerbung durch den Ausspruch einer
öffentlichen Gerichtsbarkeit.
§ 36.
A. § 37.
Von dem
Schenkungsvertrag.
B. § 38.
Vom
Leihvertrag.
C. Von
der Wiedererlangung (Rückbemächtigung) des Verlornen ( vindicatio ).
§ 39.
D. Von
Erwerbung der Sicherheit durch Eidesablegung. ( Cautio iuratoria. )
§ 40.
Übergang von dem Mein und Dein im Naturzustande zu dem im rechtlichen
Zustande überhaupt.
§ 41.
§ 42.
Der
Rechtslehre Zweiter Theil. Das öffentliche Recht.
Des öffentlichen Rechts
Erster
Abschnitt. Das Staatsrecht.
§ 43-49.
Allgemeine Anmerkung von den rechtlichen Wirkungen aus der Natur des
bürgerlichen Vereins.
E. Vom Strafe und Begnadigungsrecht.
1.
2.
Von dem rechtlichen Verhältnisse
des Bürgers zum Vaterlande und zum Auslande.
§ 50-52.
Des öffentlichen Rechts
Zweiter
Abschnitt. Das Völkerrecht.
§ 53-61.
Des öffentlichen Rechts
Dritter
Abschnitt. Das Weltbürgerrecht.
§ 62.
Beschluß.
Anhang
erläuternder Bemerkungen zu den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre.
3. Beispiele.
4. Über die Verwechselung des dinglichen mit dem persönlichen Rechte.
Zusatz zur Erörterung der Begriffe des Strafrechts.
6. Vom Recht der Ersitzung.
7. Von der Beerbung.
8. Von den Rechten des Staats in Ansehung ewiger Stiftungen für seine
Unterthanen.
Beschluß.
Erster Theil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre.
Vorrede.
Auf die Kritik der praktischen Vernunft sollte das System, die Metaphysik der Sitten, folgen, welches in metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre und in eben solche für die Tugendlehre zerfällt (als ein Gegenstück der schon gelieferten metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft), wozu die hier folgende Einleitung die Form des Systems in beiden vorstellig und zum Theil anschaulich macht.
Die Rechtslehre als der erste Theil der Sittenlehre ist nun das, wovon ein aus der Vernunft hervorgehendes System verlangt wird, welches man die Metaphysik des Rechts nennen könnte. Da aber der Begriff des Rechts als ein reiner, jedoch auf die Praxis (Anwendung auf in der Erfahrung vorkommende Fälle) gestellter Begriff ist, mithin ein metaphysisches System desselben in seiner Eintheilung auch auf die empirische Mannigfaltigkeit jener Fälle Rücksicht nehmen müßte, um die Eintheilung vollständig zu machen (welches zur Errichtung eines Systems der Vernunft eine unerlaßliche Forderung ist), Vollständigkeit der Eintheilung des Empirischen aber unmöglich ist, und, wo sie versucht wird (wenigstens um ihr nahe zu kommen), solche Begriffe nicht als integrirende Theile in das System, sondern nur als Beispiele in die Anmerkungen kommen können: so wird der für den ersten Theil der Metaphysik der Sitten allein schickliche Ausdruck sein metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre: weil in Rücksicht auf jene Fälle der Anwendung nur Annäherung zum System, nicht dieses selbst erwartet werden kann. Es wird daher hiemit, so wie mit den (früheren) metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, auch hier gehalten werden: nämlich das Recht, was zum a priori entworfenen System gehört, in den Text, die Rechte aber, welche auf besondere Erfahrungsfälle bezogen werden, in zum Theil weitläuftige Anmerkungen zu bringen: weil sonst das, was hier Metaphysik ist, von dem, was empirische Rechtspraxis ist, nicht wohl unterschieden warden könnte.
Ich kann dem so oft gemachten Vorwurf der Dunkelheit, ja wohl gar einer geflissenen, den Schein tiefer Einsicht affectirenden Undeutlichkeit im philosophischen Vortrage nicht besser zuvorkommen oder abhelfen, als daß ich, was Herr Garve, ein Philosoph in der ächten Bedeutung des Worts, jedem, vornehmlich
dem philosophirenden Schriftsteller zur Pflicht macht, bereitwillig annehme
und meinerseits diesen Anspruch bloß auf die Bedingung einschränke, ihm nur
so weit Folge zu leisten, als es die Natur der Wissenschaft erlaubt, die zu berichtigen und zu erweitern ist.
Der weise Mann
fordert (in seinem Werk, vermischte Aufsätze betitelt, S. 352 u.
f.) mit Recht, eine jede philosophische Lehre müsse, wenn der Lehrer nicht
selbst in den Verdacht der Dunkelheit seiner Begriffe kommen soll - zur
Popularität (einer zur allgemeinen Mittheilung hinreichenden
Versinnlichung) gebracht werden können. Ich räume das gern ein, nur mit
Ausnahme des Systems einer Kritik des Vernunftvermögens selbst und alles
dessen, was nur durch dieser ihre Bestimmung beurkundet werden kann: weil es
zur Unterscheidung des Sinnlichen in unserem Erkenntniß vom
Übersinnlichen, dennoch aber der Vernunft Zustehenden gehört. Dieses kann
nie populär werden, so wie überhaupt keine formelle Metaphysik;
obgleich ihre Resultate für die gesunde Vernunft (eines Metaphysikers,
ohne es zu wissen) ganz einleuchtend gemacht werden können. Hier ist an
keine Popularität (Volkssprache) zu denken, sondern es muß auf
scholastische Pünktlichkeit, wenn sie auch Peinlichkeit gescholten würde, gedrungen
werden (denn es ist Schulsprache): weil dadurch allein die voreilige
Vernunft dahin gebracht werden kann, vor ihren dogmatischen
Behauptungen sich erst selbst zu verstehen.
Wenn aber Pedanten
sich anmaßen, zum Publicum (auf Kanzeln und in
Volksschriften) mit Kunstwörtern zu reden, die ganz für die Schule geeignet sind, so
kann das so wenig dem kritischen Philosophen zur Last fallen, als dem
Grammatiker der Unverstand des Wortklaubers (logodaedalus). Das Belachen kann
hier nur den Mann, aber nicht die Wissenschaft treffen.
Es klingt arrogant,
selbstsüchtig und für die, welche ihrem alten System noch nicht entsagt
haben, verkleinerlich, zu behaupten: daß vor dem Entstehen der
kritischen Philosophie es noch gar keine gegeben habe.
- Um nun über diese
scheinbare Anmaßung absprechen zu können, kommt es auf die Frage an:
ob es wohl mehr als eine Philosophie geben könne. Verschiedene
Arten zu philosophiren und zu den ersten Vernunftprincipien zurückzugehen, um
darauf mit mehr oder weniger Glück ein System zu gründen,
hat es nicht allein gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art,
deren jeder auch um die gegenwärtige sein Verdienst hat, geben; aber da
es doch, objectiv betrachtet, nur eine menschliche Vernunft geben kann: so kann
es auch nicht viel Philosophieen geben, d. i. es ist nur ein wahres
System derselben aus Principien möglich, so mannigfaltig und oft
widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophirt haben mag. So sagt
der Moralist mit Recht: es giebt nur Eine Tugend und Lehre
derselben, d. i. ein einziges System, das alle Tugendpflichten durch ein Princip
verbindet; der Chymist: es giebt nur eine Chemie (die nach
Lavoisier); der Arzneilehrer: es giebt nur Ein Princip zum System
der Krankheitseintheilung (nach Brown), ohne doch darum, weil das neue
System alle andere ausschließt, das Verdienst der älteren (Moralisten,
Chemiker und Arzneilehrer) zu schmälern: weil ohne dieser ihre
Entdeckungen, oder auch mißlungene Versuche wir zu jener Einheit des wahren
Princips der ganzen Philosophie in einem System nicht gelangt wären.
- Wenn also jemand ein System der Philosophie als sein eigenes
Fabrikat ankündigt, so ist es eben so viel, als ob er sagte: vor dieser
Philosophie sei gar keine andere noch gewesen. Denn wollte er einräumen, es wäre
eine andere (und wahre) gewesen, so würde es über dieselbe
Gegenstände zweierlei wahre Philosophieen gegeben haben, welches sich
widerspricht. - Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche
ankündigt, vor der es überall noch gar keine Philosophie gegeben habe, so thut sie
nichts anders, als was alle gethan haben, thun werden, ja thun
müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen.
Von minderer
Bedeutung, jedoch nicht ganz ohne alle Wichtigkeit wäre der Vorwurf: daß
ein diese Philosophie wesentlich unterscheidendes Stück doch nicht ihr
eigenes Gewächs, sondern etwa einer anderen Philosophie (oder Mathematik)
abgeborgt sei: dergleichen ist der Fund, den ein tübingscher Recensent
gemacht haben will, und der die Definition der Philosophie überhaupt angeht,
welche der Verfasser der Kritik d. r. V. für sein eigenes, nicht
unerhebliches Product ausgiebt, und die doch schon vor vielen Jahren von
einem Anderen fast mit denselben Ausdrücken gegeben worden sei.*) Ich
überlasse es einem jeden, zu beurtheilen, ob die Worte: intellectualis
quaedam constructio, den Gedanken der Darstellung eines gegebenen
Begriffs in einer Anschauung a priori hätten hervorbringen können,
wodurch auf einmal die Philosophie von der Mathematik ganz bestimmt
geschieden wird. Ich bin gewiß: Hausen selbst würde sich geweigert
haben, diese Erklärung seines Ausdruckes anzuerkennen; denn die Möglichkeit
einer Anschauung a priori, und daß der Raum eine solche und
nicht ein bloß der empirischen Anschauung (Wahrnehmung) gegebenes
Nebeneinandersein des Mannigfaltigen außer einander sei (wie Wolff ihn
erklärt), würde ihn schon aus dem Grunde abgeschreckt haben, weil er sich
hiemit in weit hinaussehende philosophische Untersuchungen
verwickelt gefühlt hätte. Die gleichsam durch den Verstand gemachte Darstellung
bedeutete dem scharfsinnigen Mathematiker nichts weiter, als
die einem Begriffe correspondirende (empirische) Verzeichnung einer Linie, bei der
bloß auf die Regel Acht gegeben, von den in der Ausführung
unvermeidlichen Abweichungen aber abstrahirt wird; wie man es in der
Geometrie auch an der Construction der Gleichungen wahrnehmen kann.
Von der
allermindesten Bedeutung aber in Ansehung des Geistes dieser Philosophie
ist wohl der Unfug, den einige Nachäffer derselben mit den Wörtern stiften,
die in der Kritik d. r. V. selbst nicht wohl durch andere gangbare zu ersetzen
sind, sie auch außerhalb derselben zum öffentlichen Gedankenverkehr zu
brauchen, und welcher allerdings gezüchtigt zu werden verdient, wie
Hr. Nicolai thut, wiewohl er über die gänzliche Entbehrung derselben in ihrem
eigenthümlichen Felde, gleich als einer überall bloß versteckten
Armseligkeit an Gedanken, kein Urtheil zu haben sich selbst bescheiden wird. -
Indessen läßt sich über den unpopulären Pedanten freilich viel
lustiger lachen, als über den unkritischen Ignoranten (denn in der That
kann der Metaphysiker, welcher seinem Systeme steif anhängt, ohne sich an
alle Kritik zu kehren, zur letzteren Classe gezählt werden, ob er zwar
nur willkürlich ignorirt, was er nicht aufkommen lassen will, weil es
zu seiner älteren Schule nicht gehört). Wenn aber nach Shaftesbury's
Behauptung es ein nicht zu verachtender Probirstein für die Wahrheit einer
(vornehmlich praktischen) Lehre ist, wenn sie das Belachen aushält, so müßte
wohl an den kritischen Philosophen mit der Zeit die Reihe kommen
zuletzt und so auch am besten zu lachen: wenn er die papierne Systeme
derer, die eine lange Zeit das große Wort führten, nach einander einstürzen
und alle Anhänger derselben sich verlaufen sieht: ein Schicksal, was
jenen unvermeidlich bevorsteht.
Gegen das Ende des
Buchs habe ich einige Abschnitte mit minderer Ausführlichkeit
bearbeitet, als in Vergleichung mit den vorhergehenden erwartet werden
konnte: theils weil sie mir aus diesen leicht gefolgert werden zu können
schienen, theils auch weil die letzte (das öffentliche Recht betreffende) eben
jetzt so vielen Discussionen unterworfen und dennoch so wichtig sind, daß sie
den Aufschub des entscheidenden Urtheils auf einige Zeit wohl
rechtfertigen können.
Die metaphysische
Anfangsgründe der Tugendlehre hoffe ich in Kurzem liefern
zu können.
Tafel
der
Eintheilung der Rechtslehre.
Erster
Theil.
Das
Privatrecht in Ansehung äußerer Gegenstände (Inbegriff derjenigen Gesetze, die
keiner äußeren Bekanntmachung bedürfen).
Erstes
Hauptstück.
Von
der Art etwas Äußeres als das Seine zu haben.
Zweites
Hauptstück.
Von
der Art etwas Äußeres zu erwerben.
Eintheilung
der äußeren Erwerbung.
Erster
Abschnitt.
Vom
Sachenrecht.
Zweiter
Abschnitt.
Vom
persönlichen Recht.
Dritter
Abschnitt.
Von
dem auf dingliche Art persönlichen Recht.
Episodischer
Abschnitt.
Von
der idealen Erwerbung.
Drittes
Hauptstück.
Von
der subjectiv=bedingten Erwerbung vor einer Gerichtsbarkeit.
Zweiter
Theil.
Das
öffentliche Recht (Inbegriff der Gesetze, die einer öffentlichen
Bekanntmachung
bedürfen).
Erster
Abschnitt.
Das
Staatsrecht.
Zweiter
Abschnitt.
Das
Völkerrecht.
Dritter
Abschnitt.
Das
Weltbürgerrecht.
Einleitung in die
Metaphysik der Sitten.
I. Von dem Verhältniß
der Vermögen des menschlichen Gemüths zu den
Sittengesetzen.
Begehrungsvermögen
ist das Vermögen durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu
sein. Das Vermögen
eines Wesens, seinen Vorstellungen
gemäß zu handeln, heißt das Leben.
Mit dem Begehren oder
Verabscheuen ist erstlich jederzeit Lust oder Unlust, deren
Empfänglichkeit man Gefühl nennt, verbunden; aber nicht immer
umgekehrt. Denn es kann eine Lust geben, welche mit gar keinem Begehren des
Gegenstandes, sondern mit der bloßen Vorstellung, die man sich von
einem Gegenstande macht (gleichgültig, ob das Object derselben existire
oder nicht), schon verknüpft ist. Auch geht zweitens nicht immer die Lust
oder Unlust an dem Gegenstande des Begehrens vor dem Begehren vorher
und darf nicht allemal als Ursache, sondern kann auch als Wirkung
desselben angesehen werden.
Man nennt aber die
Fähigkeit, Lust oder Unlust bei einer Vorstellung zu haben, darum Gefühl, weil beides das blos
Subjective im Verhältnisse
unserer Vorstellung und gar keine
Beziehung auf ein Object zum möglichen
Erkenntnisse desselben*) (nicht einmal dem Erkenntnisse unseres Zustandes) enthält;
da sonst selbst Empfindungen außer der Qualität, die ihnen der
Beschaffenheit des Subjects wegen anhängt (z. B. des Rothen, des Süßen u. s. w.),
doch auch als Erkenntnißstücke auf ein Object bezogen werden, die Lust oder
Unlust aber (am Rothen und Süßen) schlechterdings nichts am Objecte,
sondern lediglich Beziehung aufs Subject ausdrückt. Näher können Lust und
Unlust für sich und zwar eben um des angeführten Grundes Willen nicht
erklärt werden, sondern man kann allenfalls nur, was sie in
gewissen Verhältnissen für Folgen haben, anführen, um sie im Gebrauch
kennbar zu machen.
Man kann die Lust,
welche mit dem Begehren (des Gegenstandes, dessen Vorstellung
das Gefühl so afficirt) notwendig verbunden ist, praktische Lust
nennen: sie mag nun Ursache oder Wirkung vom Begehren sein. Dagegen würde
man die Lust, die mit dem Begehren des Gegenstandes nicht
nothwendig verbunden ist, die also im Grunde nicht eine Lust an der
Existenz des Objects der Vorstellung ist, sondern blos an der Vorstellung
allein haftet, blos contemplative Lust oder unthätiges Wohlgefallen nennen können.
Das Gefühl der letztern Art von Lust nennen wir Geschmack.
Von diesem wird also in einer praktischen Philosophie nicht als von einem
einheimischen Begriffe, sondern allenfalls nur episodisch die
Rede sein. Was aber die praktische Lust betrifft, so wird die Bestimmung
des Begehrungsvermögens, vor welcher diese Lust als Ursache
nothwendig vorhergehen muß, im engen Verstande Begierde, die habituelle
Begierde aber Neigung heißen, und weil die Verbindung der Lust mit dem
Begehrungsvermögen, sofern diese Verknüpfung durch den Verstand nach
einer allgemeinen Regel (allenfalls auch nur für das Subject) gültig zu
sein geurtheilt wird, Interesse heißt, so wird die praktische Lust in
diesem Falle ein Interesse der Neigung, dagegen wenn die Lust nur auf eine
vorhergehende Bestimmung des Begehrungsvermögens folgen kann, so wird
sie eine intellectuelle Lust und das Interesse an dem Gegenstande
ein Vernunftinteresse genannt werden müssen; denn wäre das Interesse
sinnlich und nicht blos auf reine Vernunftprincipien gegründet, so müßte
Empfindung mit Lust verbunden sein und so das Begehrungsvermögen
bestimmen können. Obgleich, wo ein blos reines Vernunftinteresse
angenommen werden muß, ihm kein Interesse der Neigung untergeschoben werden
kann, so können wir doch, um dem Sprachgebrauche gefällig zu sein,
einer Neigung selbst zu dem, was nur Object einer intellectuellen Lust
sein kann, ein habituelles Begehren aus reinem Vernunftinteresse einräumen, welche
alsdann aber nicht die Ursache, sondern die Wirkung des
letztern Interesse sein würde, und die wir die sinnenfreie Neigung (propensio
intellectualis) nennen könnten.
Noch ist die
Concupiscenz (das Gelüsten) von dem Begehren selbst als Anreiz zur
Bestimmung desselben zu unterscheiden. Sie ist jederzeit eine sinnliche, aber
noch zu keinem Act des Begehrungsvermögens gediehene Gemüthsbestimmung.
Das
Begehrungsvermögen nach Begriffen, sofern der Bestimmungsgrund desselben zur
Handlung in ihm selbst, nicht in dem Objecte angetroffen wird, heißt ein
Vermögen nach Belieben zu thun oder zu lassen. Sofern es mit
dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung
des Objects verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber damit nicht
verbunden, so heißt der Actus desselben ein Wunsch. Das
Begehrungsvermögen, dessen innerer Bestimmungsgrund, folglich selbst das Belieben
in der Vernunft des Subjects angetroffen wird, heißt der Wille. Der Wille
ist also das Begehrungsvermögen, nicht sowohl (wie die Willkür) in
Beziehung auf die Handlung, als vielmehr auf den Bestimmungsgrund der
Willkür zur Handlung betrachtet, und hat selber vor sich eigentlich
keinen Bestimmungsgrund, sondern ist, sofern sie die Willkür bestimmen
kann, die praktische Vernunft selbst.
Unter dem Willen kann
die Willkür, aber auch der bloße Wunsch enthalten sein,
sofern die Vernunft das Begehrungsvermögen überhaupt bestimmen kann. Die
Willkür, die durch reine Vernunft bestimmt werden kann, heißt die freie
Willkür. Die, welche nur durch Neigung (sinnlichen Antrieb, stimulus)
bestimmbar ist, würde thierische Willkür (arbitrium brutum) sein. Die
menschliche Willkür ist dagegen eine solche, welche durch Antriebe zwar
afficirt, aber nicht bestimmt wird, und ist also für sich (ohne
erworbene Fertigkeit der Vernunft) nicht rein, kann aber doch zu Handlungen
aus reinem Willen bestimmt werden. Die Freiheit der Willkür ist jene
Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe; dies ist
der negative Begriff derselben. Der positive ist: das Vermögen der reinen
Vernunft für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders
möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter
die Bedingung der Tauglichkeit der erstern zum allgemeinen Gesetze. Denn als
reine Vernunft, auf die Willkür unangesehen dieser ihres Objects
angewandt, kann sie als Vermögen der Principien (und hier praktischer
Principien, mithin als gesetzgebendes Vermögen), da ihr die Materie
des Gesetzes abgeht, nichts mehr als die Form der Tauglichkeit der
Maxime der Willkür zum allgemeinen Gesetze selbst zum obersten Gesetze und
Bestimmungsgrunde der Willkür machen und, da die Maximen des Menschen
aus subjectiven Ursachen mit jenen objectiven nicht von selbst
übereinstimmen, dieses Gesetz nur schlechthin als Imperativ des Verbots oder Gebots
vorschreiben.
Diese Gesetze der
Freiheit heißen zum Unterschiede von Naturgesetzen moralisch. So fern
sie nur auf bloße äußere Handlungen und deren Gesetzmäßigkeit gehen, heißen sie
juridisch; fordern sie aber auch, daß sie (die Gesetze) selbst
die Bestimmungsgründe der Handlungen sein sollen, so sind sie ethisch,
und alsdann sagt man: die Übereinstimmung mit den ersteren ist die
Legalität, die mit den zweiten die Moralität der Handlung. Die Freiheit, auf die
sich die erstern Gesetze beziehen, kann nur die Freiheit im
äußeren Gebrauche, diejenige aber, auf die sich die letztere beziehen, die
Freiheit sowohl im äußern als innern Gebrauche der Willkür sein, sofern sie
durch Vernunftgesetze bestimmt wird. So sagt man in der theoretischen
Philosophie: im Raume sind nur die Gegenstände äußerer Sinne, in der Zeit
aber alle, sowohl die Gegenstände äußerer als des inneren Sinnes: weil
die Vorstellungen beider doch Vorstellungen sind und sofern insgesammt
zum inneren Sinne gehören. Eben so, mag die Freiheit im äußeren
oder inneren Gebrauche der Willkür betrachtet werden, so müssen doch ihre
Gesetze, als reine praktische Vernunftgesetze für die freie Willkür
überhaupt, zugleich innere Bestimmungsgründe derselben sein: obgleich sie
nicht immer in dieser Beziehung betrachtet werden
II. Von der Idee und der
Nothwendigkeit einer Metaphysik der Sitten.
Daß man für die
Naturwissenschaft, welche es mit den Gegenständen äußerer Sinne zu thun
hat, Principien a priori haben müsse, und daß es möglich, ja
nothwendig sei, ein System dieser Principien unter dem Namen einer metaphysischen
Naturwissenschaft vor der auf besondere Erfahrungen angewandten, d. h.
der Physik, voranzuschicken, ist an einem andern Orte bewiesen worden.
Allein die letztere kann (wenigstens wenn es ihr darum zu thun ist, von
ihren Sätzen den Irrthum abzuhalten) manches Princip auf das Zeugniß der
Erfahrung als allgemein annehmen, obgleich das letztere, wenn es in
strenger Bedeutung allgemein gelten soll, aus Gründen a priori abgeleitet
werden müßte, wie Newton
das Princip der Gleichheit der Wirkung und
Gegenwirkung im Einflusse der Körper auf einander als auf Erfahrung
gegründet annahm und es gleichwohl über die ganze materielle Natur
ausdehnte. Die Chymiker gehen noch weiter und gründen ihre allgemeinste
Gesetze der Vereinigung und Trennung der Materien durch ihre eigene
Kräfte gänzlich auf Erfahrung und vertrauen gleichwohl auf ihre
Allgemeinheit und Nothwendigkeit so, daß sie in den mit ihnen angestellten
Versuchen keine Entdeckung eines Irrthums besorgen.
Allein mit den
Sittengesetzen ist es anders bewandt. Nur sofern sie als a priori
gegründet und nothwendig eingesehen werden können, gelten sie als Gesetze, ja
die Begriffe und Urtheile über uns selbst und unser Thun und Lassen bedeuten
gar nichts Sittliches, wenn sie das, was sich blos von der Erfahrung
lernen läßt, enthalten, und wenn man sich etwa verleiten läßt, etwas aus der
letztern Quelle zum moralischen Grundsatze zu machen, so geräth man
in Gefahr der gröbsten und verderblichsten Irrthümer.
Wenn die Sittenlehre
nichts als Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein,
zum Behuf derselben sich nach Principien a priori umzusehen. Denn so scheinbar es
immer auch lauten mag: daß die Vernunft noch vor der
Erfahrung einsehen könne, durch welche Mittel man zum dauerhaften Genuß
wahrer Freuden des Lebens gelangen könne, so ist doch alles, was man
darüber a priori lehrt, entweder tautologisch, oder ganz grundlos
angenommen. Nur die Erfahrung kann lehren, was uns Freude bringe. Die
natürlichen Triebe zur Nahrung, zum Geschlecht, zur Ruhe, zur Bewegung
und (bei der Entwickelung unserer Naturanlagen) die Triebe zur Ehre,
zur Erweiterung unserer Erkenntniß u. d. gl., können allein und einem
jeden nur auf seine besondere Art zu erkennen geben, worin er jene Freuden
zu setzen, ebendieselbe kann ihm auch die Mittel lehren, wodurch er
sie zu suchen habe. Alles scheinbare Vernünfteln a priori ist hier im
Grunde nichts, als durch Induction zur Allgemeinheit erhobene Erfahrung,
welche Allgemeinheit (secundum principia generalia, non universalia) noch
dazu so kümmerlich ist, daß man einem jeden unendlich viel Ausnahmen
erlauben muß, um jene Wahl seiner Lebensweise seiner besondern Neigung
und seiner Empfänglichkeit für die Vergnügen anzupassen und am
Ende doch nur durch seinen oder anderer ihren Schaden klug zu
werden.
Allein mit den Lehren
der Sittlichkeit ist es anders bewandt. Sie gebieten für
jedermann, ohne Rücksicht auf seine Neigungen zu nehmen: blos weil und sofern
er frei ist und praktische Vernunft hat. Die Belehrung in ihren Gesetzen ist
nicht aus der Beobachtung seiner selbst und der Thierheit in ihm,
nicht aus der Wahrnehmung des Weltlaufs geschöpft, von dem, was
geschieht und wie gehandelt wird (obgleich das deutsche Wort Sitten eben so
wie das lateinische mores nur Manieren und Lebensart bedeutet), sondern
die Vernunft gebietet, wie gehandelt werden soll, wenn gleich noch kein
Beispiel davon angetroffen würde, auch nimmt sie keine Rücksicht auf
den Vortheil, der uns dadurch erwachsen kann, und den freilich nur die
Erfahrung lehren könnte. Denn ob sie zwar erlaubt, unsern Vortheil auf alle uns
mögliche Art zu suchen, überdem auch sich, auf Erfahrungszeugnisse
fußend, von der Befolgung ihrer Gebote, vornehmlich wenn Klugheit dazu
kommt, im Durchschnitte größere Vortheile, als von ihrer Übertretung
wahrscheinlich versprechen kann, so beruht darauf doch nicht die
Autorität ihrer Vorschriften als Gebote, sondern sie bedient sich derselben (als
Rathschläge) nur als eines Gegengewichts wider die Verleitungen zum
Gegentheil, um den Fehler einer parteiischen Wage in der praktischen
Beurtheilung vorher auszugleichen und alsdann allererst dieser nach dem
Gewicht der Gründe a priori einer reinen praktischen Vernunft den
Ausschlag zu sichern.
Wenn daher ein System
der Erkenntniß a priori aus bloßen Begriffen Metaphysik heißt, so
wird eine praktische Philosophie, welche nicht Natur, sondern
die Freiheit der Willkür zum Objecte hat, eine Metaphysik der Sitten
voraussetzen und bedürfen: d. i. eine solche zu haben ist selbst Pflicht, und
jeder Mensch hat sie auch, obzwar gemeiniglich nur auf dunkle Art in
sich; denn wie könnte er ohne Principien a priori eine allgemeine
Gesetzgebung in sich zu haben glauben? So wie es aber in einer Metaphysik der
Natur auch Principien der Anwendung jener allgemeinen obersten Grundsätze
von einer Natur überhaupt auf Gegenstände der Erfahrung geben
muß, so wird es auch eine Metaphysik der Sitten daran nicht können
mangeln lassen, und wir werden oft die besondere Natur des Menschen,
die nur durch Erfahrung erkannt wird, zum Gegenstande nehmen müssen, um an
ihr die Folgerungen aus den allgemeinen moralischen
Principien zu zeigen, ohne daß jedoch dadurch der Reinigkeit der letzteren etwas
benommen, noch ihr Ursprung a priori dadurch zweifelhaft gemacht
wird. - Das will so viel sagen als: eine Metaphysik der Sitten kann nicht
auf Anthropologie gegründet, aber doch auf sie angewandt werden.
Das Gegenstück einer
Metaphysik der Sitten, als das andere Glied der Eintheilung der
praktischen Philosophie überhaupt, würde die moralische Anthropologie sein,
welche, aber nur die subjective, hindernde sowohl als begünstigende
Bedingungen der Ausführung der Gesetze der ersteren in der
menschlichen Natur, die Erzeugung, Ausbreitung und Stärkung moralischer
Grundsätze (in der Erziehung, der Schul= und Volksbelehrung) und dergleichen
andere sich auf Erfahrung gründende Lehren und Vorschriften
enthalten würde, und die nicht entbehrt werden kann, aber durchaus nicht
vor jener vorausgeschickt, oder mit ihr vermischt werden muß: weil man alsdann
Gefahr läuft, falsche oder wenigstens nachsichtliche moralische Gesetze
herauszubringen, welche das für unerreichbar vorspiegeln, was nur
eben darum nicht erreicht wird, weil das Gesetz nicht in seiner Reinigkeit
(als worin auch seine Stärke besteht) eingesehen und vorgetragen worden,
oder gar unächte oder unlautere Triebfedern zu dem, was an sich
pflichtmäßig und gut ist, gebraucht werden, welche keine sichere moralische Grundsätze
übrig lassen, weder zum Leitfaden der Beurtheilung, noch zur Disciplin
des Gemüths in der Befolgung der Pflicht, deren Vorschrift
schlechterdings nur durch reine Vernunft a priori gegeben werden muß.
Was aber die
Obereintheilung, unter welcher die eben jetzt erwähnte steht, nämlich die
der Philosophie in die theoretische und praktische, und daß diese keine
andere als die moralische Weltweisheit sein könne, betrifft, darüber habe ich mich schon anderwärts
(in der Kritik der Urtheilskraft) erklärt. Alles
Praktische, was nach Naturgesetzen möglich sein soll (die eigentliche
Beschäftigung der Kunst), hängt seiner Vorschrift nach gänzlich von der Theorie der Natur
ab; nur das Praktische nach Freiheitsgesetzen kann Principien
haben, die von keiner Theorie abhängig sind; denn über die Naturbestimmungen
hinaus giebt es keine Theorie. Also kann die Philosophie unter dem
praktischen Theile (neben ihrem theoretischen) keine technisch=, sondern
blos moralisch=praktische Lehre verstehen, und wenn die Fertigkeit
der Willkür nach Freiheitsgesetzen im Gegensatze der Natur hier auch Kunst
genannt werden sollte, so würde darunter eine solche Kunst
verstanden werden müssen, welche ein System der Freiheit gleich einem System
der Natur möglich macht; fürwahr eine göttliche Kunst, wenn wir im
Stande wären, das, was uns die Vernunft vorschreibt, vermittelst ihrer
auch völlig auszuführen und die Idee davon ins Werk zu richten.
III. Von der Eintheilung
einer Metaphysik der Sitten.*)
Zu aller Gesetzgebung
(sie mag nun innere oder äußere Handlungen und diese entweder a
priori durch bloße Vernunft, oder durch die Willkür eines andern
vorschreiben) gehören zwei Stücke: erstlich ein Gesetz, welches die Handlung,
die geschehen soll, objectiv als nothwendig vorstellt, d. i. welches die
Handlung zur Pflicht macht, zweitens eine Triebfeder, welche den
Bestimmungsgrund der Willkür zu dieser Handlung subjectiv mit der
Vorstellung des Gesetzes verknüpft; mithin ist das zweite Stück dieses:
daß das Gesetz die Pflicht zur Triebfeder macht. Durch das erstere
wird die Handlung als Pflicht vorgestellt, welches ein bloßes theoretisches
Erkenntniß der möglichen Bestimmung der Willkür, d. i. praktischer
Regeln, ist: durch das zweite wird die Verbindlichkeit so zu handeln mit einem
Bestimmungsgrunde der Willkür überhaupt im Subjecte verbunden.
Alle Gesetzgebung
also (sie mag auch in Ansehung der Handlung, die sie zur Pflicht macht,
mit einer anderen übereinkommen, z. B. die Handlungen mögen in allen Fällen
äußere sein) kann doch in Ansehung der Triebfedern
unterschieden sein. Diejenige, welche eine Handlung zur Pflicht und diese
Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das
Letztere nicht im Gesetze mit einschließt, mithin auch eine andere
Triebfeder als die Idee der Pflicht selbst zuläßt, ist juridisch. Man sieht
in Ansehung der letztern leicht ein, daß diese von der Idee der Pflicht
unterschiedene Triebfeder von den pathologischen Bestimmungsgründen
der Willkür der Neigungen und Abneigungen und unter diesen von
denen der letzteren Art hergenommen sein müsse, weil es eine Gesetzgebung,
welche nöthigend, nicht eine Anlockung, die einladend ist, sein soll.
Man nennt die bloße
Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung einer Handlung mit
dem Gesetze ohne Rücksicht auf die Triebfeder derselben die Legalität
(Gesetzmäßigkeit), diejenige aber, in welcher die Idee der Pflicht aus
dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist, die Moralität
(Sittlichkeit) derselben.
Die Pflichten nach
der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil
diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die Idee dieser Pflicht, welche
innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei,
und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebfeder bedarf, nur äußere
mit dem Gesetze verbinden kann. Die ethische Gesetzgebung dagegen
macht zwar auch innere Handlungen zu Pflichten, aber nicht etwa mit
Ausschließung der äußeren, sondern geht auf alles, was Pflicht ist,
überhaupt. Aber eben darum, weil die ethische Gesetzgebung die innere Triebfeder
der Handlung (die Idee der Pflicht) in ihr Gesetz mit
einschließt, welche Bestimmung durchaus nicht in die äußere Gesetzgebung
einfließen muß, so kann die ethische Gesetzgebung keine äußere (selbst nicht die
eines göttlichen Willens) sein, ob sie zwar die Pflichten, die auf einer
anderen, nämlich äußeren Gesetzgebung beruhen, als Pflichten in ihre Gesetzgebung
zu Triebfedern aufnimmt.
Hieraus ist zu
ersehen, daß alle Pflichten blos darum, weil sie Pflichten sind, mit zur Ethik
gehören, aber ihre Gesetzgebung ist darum nicht allemal in der Ethik
enthalten, sondern von vielen derselben außerhalb derselben. So gebietet die
Ethik, daß ich eine in einem Vertrage gethane Anheischigmachung,
wenn mich der
andere Theil gleich nicht dazu zwingen könnte, doch erfüllen müsse: allein sie nimmt
das Gesetz (pacta sunt servanda)
und die diesem correspondirende Pflicht
aus der Rechtslehre als gegeben an. Also
nicht in der Ethik, sondern im Ius liegt die Gesetzgebung, daß angenommene
Versprechen gehalten werden müssen. Die Ethik lehrt hernach nur, daß,
wenn die Triebfeder, welche die juridische Gesetzgebung mit jener Pflicht
verbindet, nämlich der äußere Zwang, auch weggelassen wird, die Idee der
Pflicht allein schon zur Triebfeder hinreichend sei. Denn wäre das nicht
und die Gesetzgebung selber nicht juridisch, mithin die aus ihr
entspringende Pflicht nicht eigentliche Rechtspflicht (zum Unterschiede von der
Tugendpflicht), so würde man die Leistung der Treue (gemäß seinem
Versprechen in einem Vertrage) mit den Handlungen des Wohlwollens und der
Verpflichtung zu ihnen in eine Classe setzen, welches durchaus nicht
geschehen muß. Es ist keine Tugendpflicht, sein Versprechen zu halten, sondern
eine Rechtspflicht, zu deren Leistung man gezwungen werden kann. Aber es
ist doch eine tugendhafte Handlung (Beweis der Tugend), es auch da
zu thun, wo kein Zwang besorgt werden darf. Rechtslehre und
Tugendlehre unterscheiden sich also nicht sowohl durch ihre verschiedene
Pflichten, als vielmehr durch die Verschiedenheit der Gesetzgebung, welche die eine oder
die andere Triebfeder mit dem Gesetze verbindet.
Die ethische
Gesetzgebung (die Pflichten mögen allenfalls auch äußere sein) ist diejenige,
welche nicht äußerlich sein kann; die juridische ist, welche auch äußerlich
sein kann. So ist es eine äußerliche Pflicht, sein vertragsmäßiges
Versprechen zu halten; aber das Gebot, dieses blos darum zu thun, weil
es Pflicht ist, ohne auf eine andere Triebfeder Rücksicht zu nehmen, ist blos
zur innern Gesetzgebung gehörig. Also nicht als besondere Art von
Pflicht (eine besondere Art Handlungen, zu denen man verbunden ist) -
denn es ist in der Ethik sowohl als im Rechte eine äußere Pflicht, -
sondern weil die Gesetzgebung im angeführten Falle eine innere ist und
keinen äußeren Gesetzgeber haben kann, wird die Verbindlichkeit zur Ethik gezählt.
Aus eben dem Grunde werden die Pflichten des Wohlwollens, ob
sie gleich äußere Pflichten (Verbindlichkeiten zu äußeren Handlungen) sind,
doch zur Ethik gezählt, weil ihre Gesetzgebung nur innerlich sein kann.
- Die Ethik hat freilich auch ihre besondern Pflichten (z. B. die gegen sich
selbst), aber hat doch auch mit dem Rechte Pflichten, aber nur nicht die
Art der Verpflichtung gemein. Denn Handlungen blos darum, weil es
Pflichten sind, ausüben und den Grundsatz der Pflicht selbst,
woher sie auch komme, zur hinreichenden Triebfeder der Willkür zu machen,
ist das Eigenthümliche der ethischen Gesetzgebung. So gibt es also zwar
viele direct=ethische Pflichten, aber die innere Gesetzgebung macht
auch die übrigen alle und insgesammt zu indirect= ethischen.
IV. Vorbegriffe zur
Metaphysik der Sitten.
(Philosophia practica
universalis.)
Der Begriff der
Freiheit ist ein reiner Vernunftbegriff, der eben darum für die
theoretische Philosophie transscendent, d. i. ein solcher ist, dem kein angemessenes
Beispiel in irgend einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann, welcher
also keinen Gegenstand einer uns möglichen theoretischen
Erkenntniß ausmacht und schlechterdings nicht für ein constitutives, sondern lediglich als
regulatives und zwar nur bloß negatives Princip der
speculativen Vernunft gelten kann, im praktischen Gebrauch derselben aber seine
Realität durch praktische Grundsätze beweiset, die als Gesetze eine
Causalität der reinen Vernunft, unabhängig von allen empirischen Bedingungen (dem
Sinnlichen überhaupt) die Willkür zu bestimmen, und einen reinen
Willen in uns beweisen, in welchem die sittlichen Begriffe und Gesetze
ihren Ursprung haben.
Auf diesem (in
praktischer Rücksicht) positiven Begriffe der Freiheit gründen sich unbedingte
praktische Gesetze, welche moralisch heißen, die in Ansehung Unser,
deren Willkür sinnlich afficirt und so dem reinen Willen nicht von
selbst angemessen, sondern oft widerstrebend ist, Imperativen (Gebote oder Verbote)
und zwar kategorische (unbedingte) Imperativen sind, wodurch sie
sich von den technischen (den Kunst=Vorschriften), als die jederzeit nur
bedingt gebieten, unterscheiden, nach denen gewisse Handlungen erlaubt
oder unerlaubt, d. i. moralisch möglich oder unmöglich, einige derselben
aber, oder ihr Gegentheil moralisch nothwendig, d. i. verbindlich,
sind, woraus dann für jene der Begriff einer Pflicht entspringt, deren
Befolgung oder Übertretung zwar auch mit einer Lust oder Unlust von
besonderer Art (der eines moralischen Gefühls) verbunden ist, auf welche wir
aber [ weil sie nicht den Grund der praktischen Gesetze, sondern nur
die subjective Wirkung im Gemüth bei der Bestimmung unserer Willkür durch
jene betreffen und (ohne jener ihrer Gültigkeit oder Einflusse
objectiv, d. i. im Urtheil der Vernunft, etwas hinzuzuthun oder zu benehmen)
nach Verschiedenheit der Subjecte verschieden sein kann ] in
praktischen Gesetzen der Vernunft gar nicht Rücksicht nehmen.
Folgende Begriffe
sind der Metaphysik der Sitten in ihren beiden Theilen gemein.
Verbindlichkeit ist
die Nothwendigkeit einer freien Handlung unter einem kategorischen
Imperativ der Vernunft.
Der Imperativ ist
eine praktische Regel, wodurch die an sich zufällige Handlung nothwendig
gemacht wird. Er unterscheidet sich darin von einem
praktischen Gesetze, daß dieses zwar die Nothwendigkeit einer Handlung
vorstellig macht, aber ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob diese an
sich schon dem handelnden Subjecte (etwa einem heiligen Wesen)
innerlich nothwendig beiwohne, oder (wie dem Menschen) zufällig
sei; denn wo das erstere ist, da findet kein Imperativ statt. Also ist der
Imperativ eine Regel, deren Vorstellung die subjectiv=zufällige
Handlung nothwendig macht, mithin das Subject als ein solches, was
zur Übereinstimmung mit dieser Regel genöthigt (necessitirt) werden
muß, vorstellt. - Der kategorische (unbedingte) Imperativ ist
derjenige, welcher nicht etwa mittelbar, durch die Vorstellung eines
Zwecks, der durch die Handlung erreicht werden könne, sondern der
sie durch die bloße Vorstellung dieser Handlung selbst (ihrer Form),
also unmittelbar, als objectiv=nothwendig denkt und nothwendig
macht; dergleichen Imperativen keine andere praktische Lehre als
allein die, welche Verbindlichkeit vorschreibt (die der Sitten), zum
Beispiele aufstellen kann. Alle andere Imperativen sind technisch und
insgesammt bedingt. Der Grund der Möglichkeit kategorischer
Imperativen liegt aber darin: daß sie sich auf keine andere Bestimmung der
Willkür (wodurch ihr eine Absicht untergelegt werden kann), als
lediglich auf die Freiheit derselben beziehen.
Erlaubt ist eine
Handlung (licitum), die der Verbindlichkeit nicht entgegen ist; und
diese Freiheit, die durch keinen entgegengesetzten Imperativ eingeschränkt wird,
heißt die Befugniß (facultas moralis). Hieraus versteht sich von
selbst, was unerlaubt (illicitum) sei.
Pflicht ist diejenige
Handlung, zu welcher jemand verbunden ist. Sie ist also die
Materie der Verbindlichkeit, und es kann einerlei Pflicht (der Handlung nach)
sein, ob wir zwar auf verschiedene Art dazu verbunden werden können.
Der kategorische
Imperativ, indem er eine Verbindlichkeit in Ansehung gewisser
Handlungen aussagt, ist ein moralisch=praktisches Gesetz. Weil aber
Verbindlichkeit nicht bloß praktische Nothwendigkeit (dergleichen ein
Gesetz überhaupt aussagt), sondern auch Nöthigung enthält, so ist der
gedachte Imperativ entweder ein Gebot= oder Verbot=Gesetz,
nachdem die Begehung oder Unterlassung als Pflicht vorgestellt
wird. Eine Handlung, die weder geboten noch verboten ist, ist bloß
erlaubt, weil es in Ansehung ihrer gar kein die Freiheit (Befugniß)
einschränkendes Gesetz und also auch keine Pflicht giebt. Eine solche
Handlung heißt sittlich=gleichgültig (indifferens, adiaphoron, res merae
facultatis). Man kann fragen: ob es dergleichen gebe, und, wenn es
solche giebt, ob dazu, daß es jemanden freistehe, etwas nach
seinem Belieben zu thun oder zu lassen, außer
dem Gebotgesetze (lex praeceptiva, lex
mandati) und dem Verbotgesetze
(lex prohibitiva, lex vetiti) noch ein
Erlaubnißgesetz (lex
permissiva) erforderlich sei. Wenn
dieses ist, so würde die Befugniß nicht allemal eine
gleichgültige Handlung (adiaphoron) betreffen; denn zu einer
solchen, wenn man sie nach sittlichen Gesetzen betrachtet, würde kein besonderes
Gesetz erfordert werden.
That heißt eine
Handlung, sofern sie unter Gesetzen der Verbindlichkeit steht, folglich auch
sofern das Subject in derselben nach der Freiheit seiner Willkür
betrachtet wird. Der Handelnde wird durch einen solchen Act als Urheber der
Wirkung betrachtet, und diese zusammt der Handlung selbst können ihm
zugerechnet werden, wenn man vorher das Gesetz kennt, kraft welches
auf ihnen eine Verbindlichkeit ruht.
Person ist dasjenige
Subject, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die
moralische Persönlichkeit ist also nichts anders, als die Freiheit
eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen (die psychologische
aber bloß das Vermögen, sich der Identität seiner selbst in den
verschiedenen Zuständen seines Daseins bewußt zu werden), woraus dann folgt,
daß eine Person keinen anderen Gesetzen als denen, die sie (entweder
allein, oder wenigstens zugleich mit anderen) sich selbst giebt, unterworfen
ist.
Sache ist ein Ding,
was keiner Zurechnung fähig ist. Ein jedes Object der freien
Willkür, welches selbst der Freiheit ermangelt, heißt daher Sache (res
corporalis).
Recht oder unrecht
(rectum aut minus rectum) überhaupt ist eine That, sofern sie
pflichtmäßig oder pflichtwidrig (factum licitum aut illicitum) ist; die Pflicht
selbst mag ihrem Inhalte oder ihrem Ursprunge nach sein, von
welcher Art sie wolle. Eine pflichtwidrige That heißt Übertretung (reatus).
Eine unvorsetzliche
Übertretung, die gleichwohl zugerechnet werden kann, heißt bloße Verschuldung (culpa). Eine
vorsetzliche (d. i. diejenige, welche mit dem
Bewußtsein, daß sie Übertretung sei, verbunden ist) heißt Verbrechen
(dolus). Was nach äußeren Gesetzen recht ist, heißt gerecht
(iustum), was es nicht ist, ungerecht (iniustum).
Ein Widerstreit der
Pflichten (collisio officiorum s. obligationum) würde das Verhältniß
derselben sein, durch welches eine derselben die andere (ganz oder
zum Theil) aufhöbe. - Da aber Pflicht und Verbindlichkeit überhaupt Begriffe
sind, welche die objective praktische Nothwendigkeit gewisser Handlungen
ausdrücken, und zwei einander entgegengesetzte Regeln nicht zugleich
nothwendig sein können, sondern wenn nach einer derselben
zu handeln es Pflicht ist, so ist nach der entgegengesetzten zu handeln nicht
allein keine Pflicht, sondern sogar pflichtwidrig: so ist eine Collision
von Pflichten und Verbindlichkeiten gar nicht denkbar (obligationes
non colliduntur). Es können aber gar wohl zwei Gründe der
Verbindlichkeit (rationes obligandi), deren einer aber oder der andere zur
Verpflichtung nicht zureichend ist (rationes obligandi non obligantes), in einem
Subject und der Regel, die es sich vorschreibt, verbunden sein, da dann der
eine nicht Pflicht ist. - Wenn zwei solcher Gründe einander
widerstreiten, so sagt die praktische Philosophie nicht: daß die stärkere
Verbindlichkeit die Oberhand behalte (fortior obligatio vincit), sondern der
stärkere Verpflichtungsgrund behält den Platz (fortior obligandi
ratio vincit).
Überhaupt heißen die
verbindenden Gesetze, für die eine äußere Gesetzgebung möglich ist, äußere
Gesetze (leges externae). Unter diesen sind diejenigen, zu denen
die Verbindlichkeit auch ohne äußere Gesetzgebung a priori durch die
Vernunft erkannt werden kann, zwar äußere, aber natürliche Gesetze;
diejenigen dagegen, die ohne wirkliche äußere Gesetzgebung gar nicht verbinden
(also ohne die letztere nicht Gesetze sein würden), heißen positive
Gesetze. Es kann also eine äußere Gesetzgebung gedacht werden, die lauter
positive Gesetze enthielte; alsdann aber müßte doch ein natürliches
Gesetz vorausgehen, welches die Autorität des Gesetzgebers (d. i. die Befugniß,
durch seine bloße Willkür andere zu verbinden) begründete.
Der Grundsatz,
welcher gewisse Handlungen zur Pflicht macht, ist ein praktisches
Gesetz. Die Regel des Handelnden, die er sich selbst aus subjectiven Gründen
zum Princip macht, heißt seine Maxime; daher bei einerlei Gesetzen
doch die Maximen der Handelnden sehr verschieden sein können.
Der kategorische
Imperativ, der überhaupt nur aussagt, was Verbindlichkeit sei, ist: handle nach
einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz
gelten kann! - Deine Handlungen mußt du also zuerst nach ihrem
subjectiven Grundsatze betrachten: ob aber dieser Grundsatz auch objectiv gültig
sei, kannst du nur daran erkennen, daß, weil deine Vernunft ihn der
Probe unterwirft, durch denselben dich zugleich als allgemein
gesetzgebend zu denken, er sich zu einer solchen allgemeinen Gesetzgebung qualificire.
Die Einfachheit
dieses Gesetzes in Vergleichung mit den großen und mannigfaltigen
Folgerungen, die daraus gezogen werden können, imgleichen das gebietende Ansehen, ohne daß es doch
sichtbar eine Triebfeder
bei sich führt, muß freilich anfänglich
befremden. Wenn man aber in dieser Verwunderung
über ein Vermögen unserer Vernunft, durch die bloße Idee der
Qualification einer Maxime zur Allgemeinheit eines praktischen Gesetzes
die Willkür zu bestimmen, belehrt wird: daß eben diese praktischen Gesetze
(die moralischen) eine Eigenschaft der Willkür zuerst kund machen, auf die
keine speculative Vernunft weder aus Gründen a priori, noch durch
irgend eine Erfahrung gerathen hätte und, wenn sie darauf gerieth, ihre
Möglichkeit theoretisch durch nichts darthun könnte, gleichwohl aber jene
praktischen Gesetze diese Eigenschaft, nämlich die Freiheit, unwidersprechlich
darthun: so wird es weniger befremden, diese Gesetze gleich mathematischen
Postulaten unerweislich und doch apodiktisch zu finden, zugleich
aber ein ganzes Feld von praktischen Erkenntnissen vor sich eröffnet zu
sehen, wo die Vernunft mit derselben Idee der Freiheit, ja jeder
anderen ihrer Ideen des Übersinnlichen im Theoretischen alles schlechterdings
vor ihr verschlossen finden muß. Die Übereinstimmung einer Handlung mit
dem Pflichtgesetze ist die Gesetzmäßigkeit (legalitas) - die der
Maxime der Handlung mit dem Gesetze die Sittlichkeit (moralitas)
derselben. Maxime aber ist das subjective Princip zu handeln, was sich
das Subject selbst zur Regel macht (wie es nämlich handeln will).
Dagegen ist der Grundsatz der Pflicht das, was ihm die Vernunft
schlechthin, mithin objectiv gebietet (wie es handeln soll).
Der oberste Grundsatz
der Sittenlehre ist also: handle nach einer Maxime, die zugleich
als allgemeines Gesetz gelten kann. - jede Maxime, die sich hiezu nicht
qualificirt, ist der Moral zuwider.
Von dem Willen gehen
die Gesetze aus; von der Willkür die Maximen. Die letztere
ist im Menschen eine freie Willkür; der Wille, der auf nichts
Anderes, als bloß auf Gesetz geht, kann weder frei noch unfrei genannt
werden, weil er nicht auf Handlungen, sondern unmittelbar auf die
Gesetzgebung für die Maxime der Handlungen (also die praktische
Vernunft selbst) geht, daher auch schlechterdings nothwendig und selbst
keiner Nöthigung fähig ist. Nur die Willkür also kann frei
genannt werden.
Die Freiheit der
Willkür aber kann nicht durch das Vermögen der Wahl, für oder
wider das Gesetz zu handeln, (libertas indifferentiae) definirt werden - wie
es wohl einige versucht haben, - obzwar die Willkür als
Phänomen davon in der Erfahrung häufige Beispiele giebt. Denn
die Freiheit (so wie sie uns durchs moralische Gesetz allererst
kundbar wird) kennen wir nur als negative Eigenschaft in uns, nämlich durch
keine sinnliche Bestimmungsgründe zum Handeln genöthigt zu
werden. Als Noumen aber, d. i. nach dem Vermögen des Menschen
bloß als Intelligenz betrachtet, wie sie in Ansehung der
sinnlichen Willkür nöthigend ist, mithin ihrer positiven Beschaffenheit nach,
können wir sie theoretisch gar nicht darstellen. Nur das können wir
wohl einsehen: daß, obgleich der Mensch als Sinnenwesen der
Erfahrung nach ein Vermögen zeigt dem Gesetze nicht allein
gemäß, sondern auch zuwider zu wählen, dadurch doch nicht seine
Freiheit als intelligiblen Wesens definirt werden könne, weil
Erscheinungen kein übersinnliches Object (dergleichen doch die freie
Willkür ist) verständlich machen können, und daß die Freiheit nimmermehr darin gesetzt
werden kann, daß das
vernünftige Subject auch eine wider
seine (gesetzgebende) Vernunft streitende Wahl
treffen kann; wenn gleich die Erfahrung oft genug beweist, daß es
geschieht (wovon wir doch die Möglichkeit nicht begreifen können). - Denn ein
Anderes ist, einen Satz (der Erfahrung) einräumen, ein
Anderes, ihn zum Erklärungsprincip (des Begriffs der freien
Willkür) und allgemeinen Unterscheidungsmerkmal (vom arbitrio bruto s. servo) machen; weil das
Erstere
nicht behauptet, daß das Merkmal nothwendig
zum Begriff gehöre, welches doch zum
Zweiten erforderlich ist. - Die Freiheit in Beziehung auf die innere
Gesetzgebung der Vernunft ist eigentlich allein ein Vermögen; die
Möglichkeit von dieser abzuweichen ein Unvermögen. Wie kann nun jenes aus
diesem erklärt werden? Es ist eine Definition, die über
den praktischen Begriff noch die Ausübung desselben, wie sie
die Erfahrung lehrt, hinzuthut, eine Bastarderklärung (definitio hybrida),
welche den Begriff im falschen Lichte darstellt.
Gesetz (ein moralisch
praktisches) ist ein Satz, der einen kategorischen Imperativ (Gebot)
enthält. Der Gebietende (imperans) durch ein Gesetz ist der Gesetzgeber
(legislator). Er ist Urheber (autor) der Verbindlichkeit nach dem Gesetze,
aber nicht immer Urheber des Gesetzes. Im letzteren Fall würde das Gesetz
positiv (zufällig) und willkürlich sein. Das Gesetz, was uns a priori und
unbedingt durch unsere eigene Vernunft verbindet, kann auch als aus dem
Willen eines höchsten Gesetzgebers, d. i. eines solchen, der lauter
Rechte und keine Pflichten hat, (mithin dem göttlichen Willen) hervorgehend
ausgedrückt werden, welches aber nur die Idee von einem moralischen
Wesen bedeutet, dessen Wille für alle Gesetz ist, ohne ihn doch als Urheber
desselben zu denken.
Zurechnung
(imputatio) in moralischer Bedeutung ist das Urtheil, wodurch jemand als
Urheber (causa libera) einer Handlung, die alsdann That (factum) heißt
und unter Gesetzen steht, angesehen wird; welches, wenn es zugleich die
rechtlichen Folgen aus dieser That bei sich führt, eine rechtskräftige (imputatio iudiciaria s.
valida), sonst aber nur eine
beurtheilende Zurechnung (imputatio
diiudicatoria) sein würde. -
Diejenige (physische oder moralische)
Person, welche rechtskräftig zuzurechnen die Befugniß hat,
heißt der Richter oder auch der Gerichtshof (iudex s. forum).
Was jemand
pflichtmäßig mehr thut, als wozu er nach dem Gesetze gezwungen werden
kann, ist verdienstlich (meritum); was er nur gerade dem letzteren
angemessen thut, ist Schuldigkeit (debitum); was er endlich weniger thut,
als die letztere fordert, ist moralische Verschuldung (demeritum). Der
rechtliche Effect einer Verschuldung ist die Strafe (poena); der
einer verdienstlichen That Belohnung (praemium) (vorausgesetzt daß
sie, im Gesetz verheißen, die Bewegursache war); die Angemessenheit des
Verfahrens zur Schuldigkeit hat gar keinen rechtlichen Effect. - Die gütige
Vergeltung (remuneratio s. repensio benefica) steht zur That in gar
keinem Rechtsverhältniß.
Die guten oder
schlimmen Folgen einer schuldigen Handlung - imgleichen die
Folgen der Unterlassung einer verdienstlichen - können dem Subject
nicht zugerechnet werden (modus imputationis tollens).
Die guten Folgen
einer verdienstlichen - imgleichen die schlimmen Folgen
einer unrechtmäßigen Handlung können dem Subject zugerechnet werden
(modus imputationis ponens).
Subjectiv ist der
Grad der Zurechnungsfähigkeit (imputabilitas) der Handlungen nach
der Größe der Hindernisse zu schätzen, die dabei haben
überwunden werden müssen. - Je größer die Naturhindernisse (der Sinnlichkeit),
je kleiner das moralische Hinderniß (der Pflicht), desto
mehr wird die gute That zum Verdienst angerechnet; z. B. wenn ich einen
mir ganz fremden Menschen mit meiner beträchtlichen Aufopferung
aus großer Noth rette.
Dagegen: je kleiner das Naturhinderniß, je
größer das Hinderniß
aus Gründen der Pflicht, desto mehr
wird die Übertretung (als Verschuldung)
zugerechnet. - Daher der Gemüthszustand, ob das Subject die That im
Affect, oder mit ruhiger Überlegung verübt habe, in der
Zurechnung einen Unterschied macht, der Folgen hat.
Einleitung in die Rechtslehre.
§ A. Was die Rechtslehre
sei.
Der Inbegriff der
Gesetze, für welche eine äußere Gesetzgebung möglich ist, heißt die
Rechtslehre (Ius). Ist eine solche Gesetzgebung wirklich, so ist sie Lehre des
positiven Rechts, und der Rechtskundige derselben oder Rechtsgelehrte
(Iurisconsultus) heißt rechtserfahren (Iurisperitus), wenn er die äußern
Gesetze auch äußerlich, d. i. in ihrer Anwendung auf in der Erfahrung
vorkommende Fälle, kennt, die auch wohl Rechtsklugheit (Iurisprudentia)
werden kann, ohne beide zusammen aber bloße Rechtswissenschaft
(Iurisscientia) bleibt. Die letztere Benennung kommt der
systematischen Kenntniß der natürlichen Rechtslehre (Ius naturae) zu, wiewohl
der Rechtskundige in der letzteren zu aller positiven Gesetzgebung die
unwandelbaren Principien hergeben muß.
§ B. Was ist Recht?
Diese Frage möchte
wohl den Rechtsgelehrten, wenn er nicht in Tautologie verfallen,
oder statt einer allgemeinen Auflösung auf das, was in irgend einem Lande
die Gesetze zu irgend einer Zeit wollen, verweisen will, eben so in
Verlegenheit setzen, als die berufene Aufforderung: Was ist Wahrheit? den
Logiker. Was Rechtens sei (quid sit iuris), d. i. was die Gesetze an einem
gewissen Ort und zu einer gewissen Zeit sagen oder gesagt haben, kann er
noch wohl angeben: aber ob das, was sie wollten, auch recht sei, und
das allgemeine Kriterium, woran man überhaupt Recht sowohl als Unrecht
(iustum et iniustum) erkennen könne, bleibt ihm wohl verborgen, wenn er
nicht eine Zeit lang jene empirischen Principien verläßt, die Quellen jener
Urtheile in der bloßen Vernunft sucht (wiewohl ihm dazu jene Gesetze
vortrefflich zum Leitfaden dienen können), um zu einer möglichen
positiven Gesetzgebung die Grundlage zu errichten. Eine bloß empirische
Rechtslehre ist (wie der hölzerne Kopf in Phädrus' Fabel) ein Kopf, der schön
sein mag, nur Schade! daß er kein Gehirn hat.
Der Begriff des
Rechts, sofern er sich auf eine ihm correspondirende Verbindlichkeit
bezieht, (d. i. der moralische Begriff desselben) betrifft erstlich nur das
äußere und zwar praktische Verhältnis einer Person gegen eine andere,
sofern ihre Handlungen als Facta aufeinander (unmittelbar oder mittelbar)
Einfluß haben können. Aber zweitens bedeutet er nicht das
Verhältniß der Willkür auf den Wunsch (folglich auch auf das bloße
Bedürfniß) des Anderen, wie etwa in den Handlungen der Wohlthätigkeit oder
Hartherzigkeit, sondern lediglich auf die Willkür des Anderen.
Drittens, in diesem wechselseitigen Verhältniß der Willkür kommt auch gar nicht
die Materie der Willkür, d. i. der Zweck, den ein jeder mit dem Object,
was er will, zur Absicht hat, in Betrachtung, z. B. es wird nicht
gefragt, ob jemand bei der Waare, die er zu seinem eigenen Handel von mir kauft,
auch seinen Vortheil finden möge, oder nicht, sondern nur nach der Form im
Verhältniß der beiderseitigen Willkür, sofern sie bloß als frei
betrachtet wird, und ob durch die Handlung eines von beiden sich mit der
Freiheit des andern nach einem allgemeinen Gesetze zusammen vereinigen
lasse.
Das Recht ist also
der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit
der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit
zusammen vereinigt werden kann.
§ C. Allgemeines Princip
des Rechts.
"Eine jede
Handlung ist Recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür
eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen
bestehen kann." Wenn also meine
Handlung, oder überhaupt mein Zustand mit der Freiheit von
jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, so thut der mir
Unrecht, der mich
daran hindert; denn dieses Hinderniß (dieser Widerstand)
kann mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen nicht bestehen.
Es folgt hieraus
auch: daß nicht verlangt werden kann, daß dieses Princip aller Maximen
selbst wiederum meine Maxime sei, d. i. daß ich es mir zur Maxime
meiner Handlung mache; denn ein jeder kann frei sein, obgleich seine
Freiheit mir gänzlich indifferent wäre, oder ich im Herzen derselben
gerne Abbruch thun möchte, wenn ich nur durch meine äußere Handlung ihr
nicht Eintrag thue. Das Rechthandeln mir zur Maxime zu machen, ist
eine Forderung, die die Ethik an mich
thut.
Also ist das
allgemeine Rechtsgesetz: handle äußerlich so, daß der freie Gebrauch deiner
Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze
zusammen bestehen könne, zwar ein Gesetz, welches mir eine
Verbindlichkeit auferlegt, aber ganz und gar nicht erwartet, noch weniger fordert, daß
ich ganz um dieser Verbindlichkeit willen meine Freiheit auf jene Bedingungen
selbst einschränken solle, sondern die Vernunft sagt nur, daß sie in
ihrer Idee darauf eingeschränkt sei und von andern auch thätlich
eingeschränkt werden dürfe; und dieses sagt sie als ein Postulat, welches
gar keines Beweises weiter fähig ist. - Wenn die Absicht nicht ist
Tugend zu lehren, sondern nur, was recht sei, vorzutragen, so darf und soll man
selbst nicht jenes Rechtsgesetz als Triebfeder der Handlung
vorstellig machen.
§ D. Das Recht ist mit der
Befugniß zu zwingen verbunden.
Der Widerstand, der
dem Hindernisse einer Wirkung entgegengesetzt wird, ist eine
Beförderung dieser Wirkung und stimmt mit ihr zusammen. Nun ist alles, was
unrecht ist, ein Hinderniß der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen: der Zwang
aber ist ein Hinderniß oder Widerstand, der der Freiheit geschieht.
Folglich: wenn ein gewisser Gebrauch der Freiheit selbst ein Hinderniß
der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen (d. i. unrecht) ist, so ist der
Zwang, der diesem entgegengesetzt wird, als Verhinderung eines Hindernisses
der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammen
stimmend, d. i. recht: mithin ist mit dem Rechte zugleich eine Befugniß, den,
der ihm Abbruch thut, zu zwingen, nach dem Satze des
Widerspruchs verknüpft.
§ E. Das stricte Recht
kann auch als die Möglichkeit eines mit jedermanns Freiheit
nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden durchgängigen
wechselseitigen Zwanges vorgestellt werden.
Dieser Satz will so
viel sagen als: das Recht darf nicht als aus zwei Stücken, nämlich der
Verbindlichkeit nach einem Gesetze und der Befugniß dessen, der durch
seine Willkür den andern verbindet, diesen dazu zu zwingen,
zusammengesetzt gedacht werden, sondern man kann den Begriff des Rechts in der
Möglichkeit der Verknüpfung des allgemeinen wechselseitigen Zwanges mit
jedermanns Freiheit unmittelbar setzen. So wie nämlich das Recht
überhaupt nur das zum Objecte hat, was in Handlungen äußerlich ist, so ist
das stricte Recht, nämlich das, dem nichts Ethisches beigemischt
ist, dasjenige, welches keine andern Bestimmungsgründe der Willkür als bloß
die äußern fordert; denn alsdann ist es rein und mit keinen
Tugendvorschriften vermengt. Ein strictes (enges) Recht kann man also nur das
völlig äußere nennen. Dieses gründet sich nun zwar auf dem
Bewußtsein der Verbindlichkeit eines jeden nach dem Gesetze; aber die Willkür
darnach zu bestimmen, darf und kann es, wenn es rein sein soll, sich
auf dieses Bewußtsein als Triebfeder nicht berufen, sondern fußt sich
deshalb auf dem Princip der Möglichkeit eines äußeren Zwanges, der mit der
Freiheit von jedermann nach allgemeinen Gesetzen zusammen bestehen
kann. - Wenn also gesagt wird: ein Gläubiger hat ein Recht von dem
Schuldner die Bezahlung seiner Schuld zu fordern, so bedeutet das nicht,
er kann ihm zu Gemüthe führen, daß ihn seine Vernunft selbst zu dieser
Leistung verbinde, sondern ein Zwang, der jedermann nöthigt dieses zu
thun, kann gar wohl mit jedermanns Freiheit, also auch mit der
seinigen nach einem allgemeinen äußeren Gesetze zusammen bestehen: Recht und
Befugniß zu zwingen bedeuten also einerlei.
Das Gesetz eines mit
jedermanns Freiheit nothwendig zusammenstimmenden wechselseitigen
Zwanges unter dem Princip der allgemeinen Freiheit
ist gleichsam die Construction jenes Begriffs, d. i. Darstellung
desselben in einer reinen Anschauung a priori, nach der Analogie der
Möglichkeit freier Bewegungen der Körper unter dem Gesetze der
Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung. So wie wir nun in der
reinen Mathematik die Eigenschaften ihres Objects nicht
unmittelbar vom Begriffe ableiten, sondern nur durch die Construction des
Begriffs entdecken können, so ists nicht sowohl der Begriff des
Rechts, als vielmehr der unter allgemeine Gesetze gebrachte, mit ihm
zusammenstimmende durchgängig wechselseitige und gleiche Zwang, der
die Darstellung jenes Begriffs möglich macht. Dieweil aber diesem
dynamischen Begriffe noch ein bloß formaler in der reinen
Mathematik (z. B. der Geometrie) zum Grunde liegt: so hat die Vernunft
dafür gesorgt, den Verstand auch mit Anschauungen a priori zum Behuf
der Construction des Rechtsbegriffs so viel möglich zu
versorgen. - Das Rechte (rectum) wird als das Gerade theils dem
Krummen, theils dem Schiefen entgegen gesetzt. Das erste
ist die innere Beschaffenheit einer Linie von der Art, daß es
zwischen zwei gegebenen Punkten nur eine einzige, das zweite aber die
Lage zweier einander durchschneidenden oder zusammenstoßenden
Linien, von deren Art es auch nur eine einzige (die senkrechte)
geben kann, die sich nicht mehr nach einer Seite als der andern
hinneigt, und die den Raum von beiden Seiten gleich abtheilt, nach
welcher Analogie auch die Rechtslehre das Seine einem jeden (mit
mathematischer Genauigkeit) bestimmt wissen will, welches in der
Tugendlehre nicht erwartet werden darf, als welche einen gewissen Raum
zu Ausnahmen (latitudinem) nicht verweigern kann. - Aber ohne ins
Gebiet der Ethik einzugreifen, giebt es zwei Fälle, die auf
Rechtsentscheidung Anspruch machen, für die aber keiner, der sie
entscheide, ausgefunden werden kann, und die gleichsam in Epikur's
intermundia hingehören. - Diese müssen wir zuvörderst aus der eigentlichen
Rechtslehre, zu der wir bald schreiten wollen, aussondern,
damit ihre schwankenden Principien nicht auf die festen Grundsätze
der erstern Einfluß bekommen.
Anhang zur Einleitung in die
Rechtslehre.
Vom zweideutigen
Recht. (Ius aequivocum.)
Mit jedem Recht in
enger Bedeutung (ius strictum) ist die Befugniß zu zwingen verbunden.
Aber man denkt sich noch ein Recht im weiteren Sinne (ius
latum), wo die Befugniß zu zwingen durch kein Gesetz bestimmt
werden kann. - Dieser wahren oder vorgeblichen Rechte sind nun zwei: die
Billigkeit und das Nothrecht; von denen die erste ein Recht ohne Zwang,
das zweite einen Zwang ohne Recht annimmt, und man wird leicht
gewahr, diese Doppelsinnigkeit beruhe eigentlich darauf, daß es Fälle
eines bezweifelten Rechts giebt, zu deren Entscheidung kein Richter
aufgestellt werden kann.
I. Die Billigkeit. (Aequitas.)
Die Billigkeit
(objectiv betrachtet) ist keinesweges ein Grund zur Aufforderung bloß an
die ethische Pflicht Anderer (ihr Wohlwollen und Gütigkeit), sondern
der, welcher aus diesem Grunde etwas fordert, fußt sich auf sein Recht,
nur daß ihm die für den Richter erforderlichen Bedingungen mangeln, nach welchen
dieser bestimmen könnte, wie viel, oder auf welche Art dem
Anspruche desselben genug gethan werden könne. Der in einer auf gleiche
Vortheile eingegangenen Maskopei dennoch mehr gethan, dabei aber wohl gar
durch Unglücksfälle mehr verloren hat, als die übrigen Glieder,
kann nach der Billigkeit von der Gesellschaft mehr fordern, als bloß zu
gleichen Theilen mit ihnen zu gehen. Allein nach dem eigentlichen
(stricten) Recht, weil, wenn man sich in seinem Fall einen Richter denkt, dieser
keine bestimmte Angaben (data) hat, um, wie viel nach dem Contract ihm
zukomme, auszumachen, würde er mit seiner Forderung abzuweisen
sein. Der Hausdiener, dem sein bis zu Ende des Jahres laufender Lohn
in einer binnen der Zeit verschlechterten Münzsorte bezahlt wird, womit
er das nicht ausrichten kann, was er bei Schließung des Contracts sich
dafür anschaffen konnte, kann bei gleichem Zahlwerth, aber ungleichem
Geldwerth sich nicht auf sein Recht berufen, deshalb schadlos gehalten zu
werden, sondern nur die Billigkeit zum Grunde aufrufen (eine stumme
Gottheit, die nicht gehört werden kann): weil nichts hierüber im Contract
bestimmt war, ein Richter aber nach unbestimmten Bedingungen nicht
sprechen kann.
Hieraus folgt auch,
daß ein Gerichtshof der Billigkeit (in einem Streit anderer über
ihre Rechte) einen Widerspruch in sich schließe. Nur da, wo es die eigenen
Rechte des Richters betrifft, und in dem, worüber er für seine Person
disponiren kann, darf und soll er der Billigkeit Gehör geben; z. B. wenn die
Krone den Schaden, den Andre in ihrem Dienste erlitten haben, und
den sie zu vergüten angefleht wird, selber trägt, ob sie gleich nach dem
strengen Rechte diesen Anspruch unter der Vorschützung, daß sie solche auf
ihre eigene Gefahr übernommen haben, abweisen könnte.
Der Sinnspruch
(dictum) der Billigkeit ist nun zwar: "Das strengste Recht ist
das größte Unrecht" (summum ius summa iniuria); aber diesem Übel ist
auf dem Wege Rechtens nicht abzuhelfen, ob es gleich eine Rechtsforderung
betrifft, weil diese für das Gewissensgericht (forum poli) allein
gehört, dagegen jede Frage Rechtens vor das bürgerliche Recht (forum soli)
gezogen werden muß.
II. Das Nothrecht. (Ius necessitatis.)
Dieses vermeinte
Recht soll eine Befugniß sein, im Fall der Gefahr des Verlusts meines
eigenen Lebens einem Anderen, der mir nichts zu Leide that, das Leben
zu nehmen. Es fällt in die Augen, daß hierin ein Widerspruch der
Rechtslehre mit sich selbst enthalten sein müsse - denn es ist hier nicht von
einem ungerechten Angreifer auf mein Leben, dem ich durch Beraubung
des seinen zuvorkomme (ius inculpatae tutelae), die Rede, wo die
Anempfehlung der Mäßigung (moderamen) nicht einmal zum Recht, sondern
nur zur Ethik gehört, sondern von einer erlaubten Gewaltthätigkeit gegen
den, der keine gegen mich
ausübte.
Es ist klar: daß
diese Behauptung nicht objectiv, nach dem, was ein Gesetz vorschreiben,
sondern bloß subjectiv, wie vor Gericht die Sentenz gefällt werden würde,
zu verstehen sei. Es kann nämlich kein Strafgesetz geben, welches
demjenigen den Tod zuerkennte, der im Schiffbruche, mit einem Andern in
gleicher Lebensgefahr schwebend, diesen von dem Brette, worauf er
sich gerettet hat, wegstieße, um sich selbst zu retten. Denn die durchs
Gesetz angedrohte Strafe könnte doch nicht größer sein, als die des Verlusts
des Lebens des ersteren. Nun kann ein solches Strafgesetz die beabsichtigte
Wirkung gar nicht haben; denn die Bedrohung mit einem Übel, was noch
ungewiß ist, (dem Tode durch den richterlichen Ausspruch) kann die
Furcht vor dem Übel, was gewiß ist, (nämlich dem Ersaufen) nicht
überwiegen. Also ist die That der gewaltthätigen Selbsterhaltung nicht etwa als
unsträflich (inculpabile), sondern nur als unstrafbar (impunibile) zu
beurtheilen, und diese subjective Straflosigkeit wird durch eine
wunderliche Verwechselung von den Rechtslehrern für eine objective
(Gesetzmäßigkeit) gehalten.
Der Sinnspruch des
Nothrechts heißt: "Noth hat kein Gebot (necessitas non habet
legem)"; und gleichwohl kann es keine Noth geben, welche, was unrecht ist,
gesetzmäßig machte.
Man sieht: daß in
beiden Rechtsbeurtheilungen (nach dem Billigkeits= und dem Nothrechte)
die Doppelsinnigkeit (aequivocatio) aus der Verwechselung der
objectiven mit den subjectiven Gründen der Rechtsausübung (vor der Vernunft und
vor einem Gericht) entspringt, da dann, was jemand für sich
selbst mit gutem Grunde für recht erkennt, vor einem Gerichtshofe nicht
Bestätigung finden und, was er selbst an sich als unrecht beurtheilen muß, von
eben demselben Nachsicht erlangen
kann: weil der Begriff des
Rechts in diesen zwei Fällen nicht in einerlei Bedeutung ist genommen worden.
Eintheilung der
Rechtslehre. A. Allgemeine
Eintheilung der Rechtspflichten.
Man kann diese
Eintheilung sehr wohl nach dem Ulpian machen, wenn man seinen
Formeln einen Sinn unterlegt, den er sich dabei zwar nicht deutlich
gedacht haben mag, den sie aber doch verstatten daraus zu entwickeln, oder
hinein zu legen. Sie sind
folgende:
1) Sei ein rechtlicher Mensch (honeste vive). Die
rechtliche Ehrbarkeit
(honestas iuridica) besteht darin: im
Verhältniß zu Anderen
seinen Werth als den eines Menschen zu
behaupten, welche Pflicht durch den
Satz ausgedrückt wird: "Mache dich anderen nicht zum bloßen Mittel,
sondern sei für sie zugleich Zweck." Diese Pflicht wird im folgenden als
Verbindlichkeit aus dem Rechte der Menschheit in unserer eigenen
Person erklärt werden (Lex iusti).
2) Thue niemanden
Unrecht (neminem laede), und solltest du darüber auch aus aller
Verbindung mit andern heraus gehen und alle Gesellschaft meiden
müssen (Lex iuridica).
3) Tritt (wenn du das
letztere nicht vermeiden kannst) in eine Gesellschaft mit Andern, in
welcher Jedem das Seine erhalten werden kann (suum cuique
tribue). - Die letztere Formel, wenn sie so übersetzt würde: "Gieb Jedem das
Seine," würde eine Ungereimtheit
sagen; denn man kann niemanden etwas
geben, was er schon hat. Wenn sie also
einen Sinn haben soll, so müßte sie so lauten: "Tritt in einen
Zustand, worin Jedermann das Seine gegen jeden Anderen gesichert
sein kann" (Lex iustitiae).
Also sind obstehende
drei classische Formeln zugleich Eintheilungsprincipien des Systems der
Rechtspflichten in innere, äußere und in diejenigen, welche
die Ableitung der letzteren vom Princip der ersteren durch Subsumtion
enthalten.
B. Allgemeine
Eintheilung der Rechte.
1) Der Rechte, als
systematischer Lehren, in das Naturrecht, das auf lauter Principien
a priori beruht, und das positive (statutarische) Recht, was aus dem
Willen eines Gesetzgebers hervorgeht.
2) Der Rechte als
(moralischer) Vermögen Andere zu verpflichten, d. i. als einen
gesetzlichen Grund zu den letzteren (titulum), von denen die
Obereintheilung die in das angeborne und erworbene Recht ist, deren
ersteres dasjenige Recht ist, welches unabhängig von allem rechtlichen Act
jedermann von Natur zukommt; das zweite das, wozu ein solcher
Act erfordert wird.
Das angeborne Mein
und Dein kann auch das innere (meum vel tuum internum)
genannt werden; denn das äußere muß jederzeit erworben werden.
Das angeborne Recht ist nur ein einziges.
Freiheit
(Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür), sofern sie mit jedes
Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist
dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner
Menschheit zustehende Recht. - Die angeborne Gleichheit, d. i. die
Unabhängigkeit nicht zu mehrerem von Anderen verbunden zu werden, als wozu man
sie wechselseitig auch verbinden kann; mithin die Qualität des Menschen
sein eigener Herr (sui iuris) zu sein, imgleichen die eines
unbescholtenen Menschen (iusti), weil er vor allem rechtlichen Act keinem Unrecht
gethan hat; endlich auch die Befugniß, das gegen andere zu thun, was
an sich ihnen das Ihre nicht schmälert, wenn sie sich dessen nur nicht
annehmen wollen; dergleichen ist ihnen bloß seine Gedanken mitzutheilen, ihnen
etwas zu erzählen oder zu versprechen, es sei wahr und aufrichtig,
oder unwahr und unaufrichtig (veriloquium aut falsiloquium), weil es bloß auf
ihnen beruht, ob sie ihm glauben wollen oder nicht; *) - alle
diese Befugnisse liegen schon im Princip der angebornen Freiheit und sind
wirklich von ihr nicht (als Glieder der Eintheilung unter einem höheren
Rechtsbegriff) unterschieden.
Die Absicht, weswegen
man eine solche Eintheilung in das System des Naturrechts
(sofern es das angeborne angeht) eingeführt hat, geht darauf hinaus, damit,
wenn über ein erworbenes Recht ein Streit entsteht und die Frage
eintritt, wem die Beweisführung (onus probandi) obliege, entweder von
einer bezweifelten That, oder, wenn diese ausgemittelt ist, von einem
bezweifelten Recht, derjenige, welcher diese Verbindlichkeit von sich ablehnt,
sich auf sein angebornes Recht der Freiheit (welches nun nach
seinen verschiedenen Verhältnissen specificirt wird) methodisch und gleich
als nach verschiedenen Rechtstiteln berufen könne.
Da es nun in Ansehung
des angebornen, mithin inneren Mein und Dein keine Rechte,
sondern nur Ein Recht giebt, so wird diese Obereintheilung als aus zwei dem
Inhalte nach äußerst ungleichen Gliedern bestehend in die
Prolegomenen geworfen und die Eintheilung der Rechtslehre bloß auf das äußere
Mein und Dein bezogen werden können.
Eintheilung der Metaphysik der
Sitten überhaupt.
I.
Alle Pflichten sind
entweder Rechtspflichten (officia iuris), d. i. solche, für welche
eine äußere Gesetzgebung möglich ist, oder Tugendpflichten (officia virtutis s.
ethica), für welche eine solche nicht möglich ist; - die letztern
können aber darum nur keiner äußeren Gesetzgebung unterworfen werden,
weil sie auf einen Zweck gehen, der (oder welchen zu haben) zugleich
Pflicht ist; sich aber einen Zweck vorzusetzen, das kann durch keine
äußerliche Gesetzgebung bewirkt werden (weil es ein innerer Act des Gemüths ist);
obgleich äußere Handlungen geboten werden mögen, die dahin führen,
ohne doch daß das Subject sie sich zum Zweck macht.
Warum wird aber die
Sittenlehre (Moral) gewöhnlich (namentlich vom Cicero) die Lehre
von den Pflichten und nicht auch von den Rechten betitelt?
da doch die einen sich auf die andern beziehen. - Der Grund ist
dieser: Wir kennen unsere eigene Freiheit (von der alle moralische
Gesetze, mithin auch alle Rechte sowohl als Pflichten ausgehen) nur durch
den moralischen Imperativ, welcher ein pflichtgebietender
Satz ist, aus welchem nachher das Vermögen, andere zu
verpflichten, d. i. der Begriff des Rechts, entwickelt werden kann.
II.
Da in der Lehre von
den Pflichten der Mensch nach der Eigenschaft seines
Freiheitsvermögens, welches ganz übersinnlich ist, also auch bloß nach seiner
Menschheit, als von physischen Bestimmungen unabhängiger Persönlichkeit, (homo
noumenon) vorgestellt werden kann und soll, zum Unterschiede von eben
demselben, aber als mit jenen Bestimmungen behafteten Subject, dem Menschen
(homo phaenomenon), so werden Recht und Zweck, wiederum
in dieser zwiefachen Eigenschaft auf die Pflicht bezogen, folgende Eintheilung
geben.
Eintheilung
nach
dem objectiven Verhältniß des Gesetzes zur Pflicht.
Pflicht
gegen sich selbst. 1. 3.
Vollkommene
Pflicht. 1. 2.
Pflicht
gegen Andere. 2. 4.
Unvollkommene
Pflicht. 3. 4.
(Rechts-)Pflicht.
1. 2.
(Tugend-)Pflicht.
3. 4.
1.
Das Recht der Menschheit in unserer eigenen Person.
2.
Das Recht der Menschen.
3.
Der Zweck der Menschheit in unserer Person.
4.
Der Zweck der Menschen.
III.
Da die Subjecte, in
Ansehung deren ein Verhältniß des Rechts zur Pflicht (es sei
statthaft oder unstatthaft) gedacht wird, verschiedne Beziehungen zulassen: so wird
auch in dieser Absicht eine Eintheilung vorgenommen werden können.
Eintheilung nach dem
subjectiven Verhältniß der Verpflichtenden und Verpflichteten
Eintheilung nach dem subjectiven
Verhältniß der Verpflichtenden und Verpflichteten
1. 2.
Das rechtliche Verhältniß des Das rechtliche Verhältniß des
Menschen zu Wesen, die weder
Recht Menschen zu Wesen, die sowohl Recht
noch
Pflicht haben. als Pflicht haben.
Vacat. Adest.
Denn das
sind vernunftlose Wesen, Denn es ist
ein Verhältniß von
die weder
uns verbinden, noch Menschen zu Menschen.
von welchen
wir können verbunden
werden.
3. 4.
Das rechtliche Verhältniß des Das rechtliche Verhältniß des
Menschen zu Wesen, die lauter
Menschen zu einem Wesen, was
Pflichten
und keine Rechte haben. lauter
Rechte und keine Pflicht hat
(Gott).
Vacat. Vacat.
Denn das
wären Menschen ohne Nämlich in
der bloßen Philosophie,
Persönlichkeit(Leibeigene,Sklaven). weil es kein Gegenstand möglicher
Erfahrung
ist.
Also findet sich nur
in No. 2 ein reales Verhältniß zwischen Recht und Pflicht. Der
Grund, warum es nicht auch in No. 4 angetroffen wird, ist: weil es eine
transscendente Pflicht sein würde, d. i. eine solche, der kein äußeres
verpflichtendes Subject correspondirend gegeben werden kann, mithin
das Verhältniß in theoretischer Rücksicht hier nur ideal, d. i. zu einem
Gedankendinge ist, was wir uns selbst, aber doch nicht durch seinen
ganz leeren, sondern in Beziehung auf uns selbst und die Maximen der inneren
Sittlichkeit, mithin in praktischer innerer Absicht fruchtbaren Begriff
machen, worin denn auch unsere ganze immanente (ausführbare) Pflicht
in diesem bloß gedachten Verhältnisse allein besteht.
Von
der Eintheilung der Moral, als eines Systems
der
Pflichten überhaupt.
^
Elementarlehre.
Methodenlehre.
^ ^
Rechtspflichten.
Tugendpflichten.
Didaktik. Ascetik.
^
Privatrecht.
Öffentliches R.,
und
so weiter, alles,
was nicht bloß die
Materialien, sondern auch die architektonische Form einer
wissenschaftlichen Sittenlehre enthält; wenn dazu die metaphysischen Anfangsgründe die
allgemeinen Principien vollständig ausgespürt haben.
Die oberste
Eintheilung des Naturrechts kann nicht (wie bisweilen geschieht) die in das
natürliche und gesellschaftliche, sondern muß die ins natürliche
und bürgerliche Recht sein: deren das erstere das Privatrecht, das
zweite das öffentliche Recht genannt wird. Denn dem Naturzustande ist
nicht der gesellschaftliche, sondern der bürgerliche entgegengesetzt: weil
es in jenem zwar gar wohl Gesellschaft geben kann, aber nur keine
bürgerliche (durch öffentliche Gesetze das Mein und Dein sichernde), daher das Recht in dem ersteren das
Privatrecht heißt.
Der
Rechtslehre Erster Theil. Das Privatrecht.
Der allgemeinen
Rechtslehre Erster Theil. Das Privatrecht vom äußeren Mein und
Dein überhaupt.
Erstes Hauptstück. Von der Art etwas
Äußeres als das Seine zu haben.
§ 1.
Das rechtlich Meine
(meum iuris) ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß
der Gebrauch, den ein Anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen
möchte, mich lädiren würde. Die subjective Bedingung der Möglichkeit des
Gebrauchs überhaupt ist der Besitz.
Etwas Äußeres aber
würde nur dann das Meine sein, wenn ich annehmen darf, es sei
möglich, daß ich durch den Gebrauch, den ein anderer von einer
Sache macht, in deren Besitz ich doch nicht bin, gleichwohl doch
lädirt werden könne. - Also widerspricht es sich selbst, etwas Äußeres als das
Seine zu haben, wenn der Begriff des Besitzes nicht einer
verschiedenen Bedeutung, nämlich des sinnlichen und des intelligiblen
Besitzes, fähig wäre, und unter dem einen der physische, unter dem andern aber
ein bloß rechtlicher Besitz ebendesselben Gegenstandes verstanden werden
könnte.
Der Ausdruck: ein
Gegenstand ist außer mir, kann aber entweder so viel bedeuten,
als: er ist ein nur von mir (dem Subject) unterschiedener, oder auch ein in
einer anderen Stelle (positus) im Raum oder in der Zeit
befindlicher Gegenstand. Nur in der ersteren Bedeutung genommen, kann der
Besitz als Vernunftbesitz gedacht werden; in der zweiten aber würde er
ein empirischer heißen müssen. - Ein intelligibler Besitz (wenn ein
solcher möglich ist) ist ein Besitz ohne Inhabung (detentio).
§ 2.
Rechtliches Postulat
der praktischen Vernunft. Es ist möglich, einen
jeden äußern Gegenstand meiner Willkür als das Meine zu haben;
d. i.: eine Maxime, nach welcher, wenn sie Gesetz würde, ein Gegenstand
der Willkür an sich (objectiv) herrenlos (res nullius) werden
müßte, ist rechtswidrig.
Denn ein Gegenstand
meiner Willkür ist etwas, was zu gebrauchen ich physisch in
meiner Macht habe. Sollte es nun doch rechtlich schlechterdings nicht in meiner Macht
stehen, d. i. mit der Freiheit von jedermann nach einem
allgemeinen Gesetz nicht zusammen bestehen können (unrecht sein),
Gebrauch von demselben zu machen: so würde die Freiheit sich selbst des
Gebrauchs ihrer Willkür in Ansehung eines Gegenstandes derselben berauben,
dadurch daß sie brauchbare Gegenstände außer aller Möglichkeit des
Gebrauchs setzte, d. i. diese in praktischer Rücksicht vernichtete und zur res nullius
machte; obgleich die Willkür formaliter im Gebrauch der Sachen
mit jedermanns äußeren Freiheit nach allgemeinen Gesetzen
zusammenstimmte. - Da nun die reine praktische Vernunft keine andere als formale
Gesetze des Gebrauchs der Willkür zum Grunde legt und also von der
Materie der Willkür, d. i. der übrigen Beschaffenheit des Objects, wenn es
nur ein Gegenstand der Willkür ist, abstrahirt, so kann sie in
Ansehung eines solchen Gegenstandes kein absolutes Verbot seines
Gebrauchs enthalten, weil dieses ein Widerspruch der äußeren Freiheit mit
sich selbst sein würde. - Ein Gegenstand meiner Willkür aber ist das,
wovon beliebigen Gebrauch zu machen ich das physische Vermögen
habe, dessen Gebrauch in meiner Macht (potentia) steht: wovon noch
unterschieden werden muß, denselben Gegenstand in meiner Gewalt (in
potestatem meam redactum) zu haben, welches nicht bloß ein Vermögen,
sondern auch einen Act der Willkür voraus setzt. Um aber etwas bloß
als Gegenstand meiner Willkür zu denken, ist hinreichend, mir bewußt zu sein,
daß ich ihn in meiner Macht habe. - Also ist es eine
Voraussetzung a priori der praktischen Vernunft einen jeden Gegenstand meiner
Willkür als objectiv mögliches Mein oder Dein anzusehen und zu behandeln.
Man kann dieses
Postulat ein Erlaubnißgesetz (lex permissiva) der praktischen Vernunft
nennen, was uns die Befugniß giebt, die wir aus bloßen Begriffen vom
Rechte überhaupt nicht herausbringen könnten: nämlich allen andern
eine Verbindlichkeit aufzulegen, die sie sonst nicht hätten, sich des
Gebrauchs gewisser Gegenstände unserer Willkür zu enthalten, weil wir zuerst sie
in unseren Besitz genommen haben. Die Vernunft will, daß dieses als
Grundsatz gelte, und das zwar als praktische Vernunft, die sich
durch dieses ihr Postulat a priori erweitert.
§ 3.
Im Besitze eines Gegenstandes muß derjenige
sein, der eine Sache
als das Seine zu haben behaupten will;
denn wäre er nicht in demselben: so könnte er nicht
durch den Gebrauch, den der andere ohne seine Einwilligung davon macht, lädirt
werden: weil, wenn diesen Gegenstand etwas außer ihm, was
mit ihm gar nicht rechtlich verbunden ist, afficirt, es ihn selbst (das
Subject) nicht afficiren und ihm unrecht thun könnte.
§ 4. Exposition des
Begriffs vom äußeren Mein und Dein.
Der äußeren
Gegenstände meiner Willkür können nur drei sein: 1) eine (körperliche)
Sache außer mir; 2) die Willkür eines anderen zu einer bestimmten That
(praestatio); 3) der Zustand eines Anderen in Verhältniß auf mich;
nach den Kategorien der Substanz, Causalität und Gemeinschaft
zwischen mir und äußeren Gegenständen nach Freiheitsgesetzen.
a) Ich kann einen
Gegenstand im Raume (eine körperliche Sache) nicht mein nennen,
außer wenn, obgleich ich nicht im physischen Besitz desselben bin,
ich dennoch in einem anderen wirklichen (also nicht
physischen) Besitz desselben zu sein behaupten darf. - So werde ich einen
Apfel nicht darum mein nennen, weil ich ihn in meiner Hand habe
(physisch besitze), sondern nur, wenn ich sagen kann: ich besitze
ihn, ob ich ihn gleich aus meiner Hand, wohin es auch sei, gelegt habe;
imgleichen werde ich von dem Boden, auf den ich mich gelagert
habe, nicht sagen können, er sei darum mein; sondern nur, wenn ich
behaupten darf, er sei immer noch in meinem Besitz, ob ich gleich
diesen Platz verlassen habe. Denn der, welcher mir im erstern Falle
(des empirischen Besitzes) den Apfel aus der Hand winden, oder
mich von meiner Lagerstätte wegschleppen wollte, würde mich zwar
freilich in Ansehung des inneren Meinen (der Freiheit), aber nicht
des äußeren Meinen lädiren, wenn ich nicht auch ohne Inhabung
mich im Besitz des Gegenstandes zu sein behaupten könnte; ich könnte
also diese Gegenstände (den Apfel und das Lager) auch nicht
mein nennen.
b) Ich kann die
Leistung von etwas durch die Willkür des Andern nicht mein nennen,
wenn ich bloß sagen kann, sie sei mit seinem Versprechen zugleich
(pactum re initum) in meinen Besitz gekommen, sondern nur, wenn ich
behaupten darf, ich bin im Besitz der Willkür des Andern
(diesen zur Leistung zu bestimmen), obgleich die Zeit der Leistung noch
erst kommen soll; das Versprechen des letzteren gehört demnach zur
Habe und Gut (obligatio activa), und ich kann sie zu dem
Meinen rechnen, aber nicht bloß, wenn ich das Versprochene (wie im
ersten Falle) schon in meinem Besitz habe, sondern auch, ob ich
dieses gleich noch nicht besitze. Also muß ich mich, als von dem auf
Zeitbedingung eingeschränkten, mithin vom empirischen Besitze
unabhängig, doch im Besitz dieses Gegenstandes zu sein denken
können.
c) Ich kann ein Weib,
ein Kind, ein Gesinde und überhaupt eine andere Person nicht
darum das Meine nennen, weil ich sie jetzt als zu meinem Hauswesen
gehörig befehlige, oder im Zwinger und in meiner Gewalt und
Besitz habe, sondern wenn ich, ob sie sich gleich dem Zwange entzogen
haben, und ich sie also nicht (empirisch) besitze, dennoch sagen kann,
ich besitze sie durch meinen bloßen Willen, so lange sie irgendwo
oder irgendwann existiren, mithin bloß=rechtlich; sie gehören also zu
meiner Habe nur alsdann, wenn und so fern ich das Letztere
behaupten kann.
§ 5. Definition des
Begriffs des äußeren Mein und Dein.
Die Namenerklärung,
d. i. diejenige, welche bloß zur Unterscheidung des Objects von allen
andern zureicht und aus einer vollständigen und bestimmten
Exposition des Begriffs hervorgeht, würde sein: Das äußere Meine ist
dasjenige außer mir, an dessen mir beliebigen Gebrauch mich zu hindern
Läsion (Abbruch an meiner Freiheit, die mit der Freiheit von
Jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann) sein würde. - Die
Sacherklärung dieses Begriffs aber, d. i. die, welche
auch zur Deduction desselben (der Erkenntniß der Möglichkeit des Gegenstandes)
zureicht, lautet nun so: Das äußere Meine ist dasjenige, in dessen
Gebrauch mich zu stören Läsion sein würde, ob ich gleich nicht im
Besitz desselben (nicht Inhaber des Gegenstandes) bin. - In irgend einem
Besitz des äußeren Gegenstandes muß ich sein, wenn der Gegenstand mein
heißen soll; denn sonst würde der, welcher diesen Gegenstand wider
meinen Willen afficirte, mich nicht zugleich afficiren, mithin auch nicht
lädiren. Also muß zu Folge des § 4 ein intelligibler Besitz (possessio
noumenon) als möglich vorausgesetzt werden, wenn es ein äußeres Mein oder
Dein geben soll; der empirische Besitz (Inhabung) ist alsdann nur
Besitz in der Erscheinung (possessio phaenomenon), obgleich der Gegenstand, den
ich besitze, hier nicht so, wie es in der transscendentalen Analytik geschieht,
selbst als Erscheinung, sondern als Sache an sich selbst
betrachtet wird; denn dort war es der Vernunft um das theoretische Erkenntniß der Natur
der Dinge und, wie weit sie reichen könne, hier aber ist es ihr
um praktische Bestimmung der Willkür nach Gesetzen der Freiheit zu thun,
der Gegenstand mag nun durch Sinne, oder auch bloß den reinen
Verstand erkennbar sein, und das Recht ist ein solcher reiner praktischer
Vernunftbegriff der Willkür unter Freiheitsgesetzen.
Eben darum sollte man
auch billig nicht sagen: ein Recht auf diesen oder jenen
Gegenstand, sondern vielmehr ihn bloß rechtlich besitzen; denn das Recht ist
schon ein intellectueller Besitz eines Gegenstandes, einen Besitz aber zu
besitzen, würde ein Ausdruck ohne Sinn sein.
§ 6. Deduction des
Begriffs des bloß rechtlichen Besitzes eines äußeren Gegenstandes
(possessio noumenon).
Die Frage: wie ist
ein äußeres Mein und Dein möglich? löst sich nun in diejenige
auf: wie ist ein bloß rechtlicher (intelligibler) Besitz möglich? und
diese wiederum in die dritte: wie ist ein synthetischer Rechtssatz a priori
möglich?
Alle Rechtssätze sind
Sätze a priori, denn sie sind Vernunftgesetze (dictamina rationis).
Der Rechtssatz a priori in Ansehung des empirischen
Besitzes ist
analytisch; denn er sagt nichts mehr, als was nach dem Satz des
Widerspruchs aus dem letzteren folgt, daß nämlich, wenn ich Inhaber einer
Sache (mit ihr also physisch verbunden) bin, derjenige, der sie wider meine
Einwilligung afficirt (z. B. mir den Apfel aus der Hand reißt), das
innere Meine (meine Freiheit) afficire und schmälere, mithin in seiner
Maxime mit dem Axiom des Rechts im geraden Widerspruch stehe. Der Satz von
einem empirischen rechtmäßigen Besitz geht also nicht über das
Recht einer Person in Ansehung ihrer selbst hinaus.
Dagegen geht der Satz
von der Möglichkeit des Besitzes einer Sache außer mir nach
Absonderung aller Bedingungen des empirischen Besitzes im Raum und Zeit
(mithin die Voraussetzung der Möglichkeit einer possessio noumenon)
über jene einschränkende Bedingungen hinaus, und weil er einen Besitz
auch ohne Inhabung als nothwendig zum Begriffe des äußeren Mein und
Dein statuirt, so ist er synthetisch, und nun kann es zur Aufgabe
für die Vernunft dienen, zu zeigen, wie ein solcher sich über den Begriff
des empirischen Besitzes erweiternde Satz a priori möglich sei.
Auf solche Weise ist
z. B. die Besitzung eines absonderlichen Bodens ein Act der
Privatwillkür, ohne doch eigenmächtig zu sein. Der Besitzer fundirt sich auf dem
angebornen Gemeinbesitze des Erdbodens und dem diesem a priori
entsprechenden allgemeinen Willen eines erlaubten Privatbesitzes auf
demselben (weil ledige Sachen sonst an sich und nach einem Gesetze zu
herrenlosen Dingen gemacht werden würden) und erwirbt durch die erste
Besitzung ursprünglich einen bestimmten Boden, indem er jedem Andern mit
Recht (iure) widersteht, der ihn im Privatgebrauch desselben hindern würde, obzwar
als im natürlichen Zustande nicht von rechtswegen (de iure), weil in
demselben noch kein öffentliches Gesetz existirt.
Wenn auch gleich ein
Boden als frei, d. i. zu jedermanns Gebrauch offen, angesehen oder
dafür erklärt würde, so kann man doch nicht sagen, daß er es von Natur
und ursprünglich, vor allem rechtlichen Act, frei sei, denn auch das
wäre ein Verhältniß zu Sachen, nämlich dem Boden, der jedermann seinen
Besitz verweigerte; sondern weil diese Freiheit des Bodens ein Verbot für
jedermann sein würde sich desselben zu bedienen; wozu ein gemeinsamer
Besitz desselben erfordert wird, der ohne Vertrag nicht statt finden
kann. Ein Boden aber, der nur durch diesen frei sein kann, muß wirklich im
Besitze aller derer (zusammen Verbundenen) sein, die sich wechselseitig
den Gebrauch desselben untersagen oder ihn suspendiren.
Diese ursprüngliche
Gemeinschaft des Bodens und hiemit auch der Sachen auf
demselben (communio fundi originaria) ist eine Idee, welche
objective (rechtlich praktische) Realität hat, und ist ganz und gar von der
uranfänglichen (communio primaeva) unterschieden, welche eine
Erdichtung ist: weil diese eine gestiftete Gemeinschaft hätte sein und aus
einem Vertrage hervorgehen müssen, durch den alle auf
den Privatbesitz Verzicht gethan, und ein jeder durch die Vereinigung
seiner Besitzung mit der jedes Andern jenen in einen
Gesammtbesitz verwandelt habe, und davon müßte uns die Geschichte einen
Beweis geben. Ein solches Verfahren aber als ursprüngliche Besitznehmung
anzusehen, und daß darauf jedes Menschen besonderer Besitz
habe gegründet werden können und sollen, ist ein Widerspruch.
Von dem Besitz
(possessio) ist noch der Sitz (sedes), und von der Besitznehmung des
Bodens in der Absicht ihn dereinst zu erwerben ist noch die
Niederlassung, Ansiedelung (incolatus), unterschieden, welche ein
fortdauernder Privatbesitz eines Platzes ist, der von der Gegenwart des
Subjects auf demselben abhängt. Von einer Niederlassung als
einem zweiten rechtlichen Act, der auf die Besitznehmung folgen, oder auch
ganz unterbleiben kann, ist hier nicht die Rede: weil sie kein
ursprünglicher, sondern von der Beistimmung Anderer abgeleiteter Besitz sein würde.
Der bloße physische Besitz (die
Inhabung) des Bodens ist schon ein Recht in einer
Sache, obzwar freilich noch nicht hinreichend, ihn als das Meine
anzusehen. Beziehungsweise auf Andere ist er, als (so viel man weiß)
erster Besitz, mit dem Gesetz der äußern Freiheit einstimmig und
zugleich in dem ursprünglichen Gesammtbesitz enthalten, der a priori den
Grund der Möglichkeit eines Privatbesitzes enthält; mithin den
ersten Inhaber eines Bodens in seinem Gebrauch desselben zu stören,
eine Läsion. Die erste Besitznehmung hat also einen Rechtsgrund
(titulus possessionis) für sich, welcher der ursprünglich gemeinsame Besitz
ist, und der Satz: wohl dem, der im Besitz ist (beati
possidentes)! weil Niemand verbunden ist, seinen Besitz zu beurkunden,
ist ein Grundsatz des natürlichen Rechts, der die erste
Besitznehmung als einen rechtlichen Grund zur Erwerbung aufstellt, auf den
sich jeder erste Besitzer fußen kann.
In einem
theoretischen Grundsatze a priori müßte nämlich (zu Folge der Kritik der
reinen Vernunft) dem gegebenen Begriff eine Anschauung a priori
untergelegt, mithin etwas zu dem Begriffe vom Besitz des
Gegenstandes hinzugethan werden; allein in diesem praktischen wird
umgekehrt verfahren, und alle Bedingungen der Anschauung, welche
den empirischen Besitz begründen, müssen weggeschafft (von ihnen abgesehen)
werden, um den Begriff des Besitzes über den empirischen
hinaus zu erweitern und sagen zu können: ein jeder äußere
Gegenstand der Willkür kann zu dem rechtlich Meinen gezählt
werden, den ich (und auch nur so fern ich ihn) in meiner Gewalt habe, ohne im Besitz desselben zu
sein.
Die Möglichkeit eines solchen Besitzes,
mithin die Deduction des Begriffs eines
nicht=empirischen Besitzes gründet sich auf dem rechtlichen Postulat
der praktischen Vernunft: "daß es Rechtspflicht sei, gegen Andere so
zu handeln, daß das Äußere (Brauchbare) auch das Seine von irgend
jemanden werden könne", zugleich mit der Exposition des letzteren
Begriffs, welcher das äußere Seine nur auf einen
nicht=physischen Besitz gründet, verbunden. Die Möglichkeit des letzteren aber
kann keinesweges für sich selbst bewiesen oder eingesehen werden
(eben weil es ein Vernunftbegriff ist, dem keine Anschauung
correspondirend gegeben werden kann), sondern ist eine unmittelbare Folge
aus dem gedachten Postulat. Denn wenn es nothwendig ist, nach
jenem Rechtsgrundsatz zu handeln, so muß auch die intelligibele
Bedingung (eines bloß rechtlichen Besitzes) möglich sein. - Es darf auch
niemand befremden, daß die theoretischen Principien des
äußeren Mein und Dein sich im Intelligibelen verlieren und kein erweitertes
Erkenntniß vorstellen: weil der Begriff der Freiheit, auf dem
sie beruhen, keiner theoretischen Deduction seiner Möglichkeit
fähig ist und nur aus dem praktischen Gesetze der Vernunft (dem
kategorischen Imperativ), als einem Factum derselben, geschlossen werden
kann.
§ 7. Anwendung des
Princips der Möglichkeit des äußeren Mein und Dein auf
Gegenstände der Erfahrung.
Der Begriff eines bloß
rechtlichen Besitzes ist kein empirischer (von Raum= und
Zeitbedingungen abhängiger) Begriff, und gleichwohl hat er praktische Realität,
d. i. er muß auf Gegenstände der Erfahrung, deren Erkenntniß von jenen
Bedingungen abhängig ist, anwendbar sein. - Das Verfahren mit dem
Rechtsbegriffe in Ansehung der letzteren, als des möglichen äußeren
Mein und Dein, ist folgendes: Der Rechtsbegriff, der bloß in der Vernunft
liegt, kann nicht unmittelbar auf Erfahrungsobjecte und auf den Begriff
eines empirischen Besitzes, sondern muß zunächst auf den
reinen Verstandesbegriff eines Besitzes überhaupt angewandt werden, so daß statt
der Inhabung (detentio), als einer empirischen Vorstellung des
Besitzes, der von allen Raumes= und Zeitbedingungen abstrahirende Begriff des Habens, und nur daß
der Gegenstand
als in meiner Gewalt (in potestate mea
positum esse) sei, gedacht werde; da dann der
Ausdruck des Äußeren nicht das Dasein in einem anderen Orte, als wo
ich bin, oder meiner Willensentschließung und Annahme als in einer
andern Zeit wie der des Angebots, sondern nur einen von mir
unterschiedenen Gegenstand bedeutet. Nun will die praktische Vernunft
durch ihr Rechtsgesetz, daß ich das Mein und Dein in der Anwendung auf
Gegenstände nicht nach sinnlichen Bedingungen, sondern abgesehen von
denselben, weil es eine Bestimmung der Willkür nach
Freiheitsgesetzen betrifft, auch den Besitz desselben denke, indem nur ein Verstandesbegriff
unter Rechtsbegriffe subsumirt werden kann. Also werde ich sagen:
ich besitze einen Acker, ob er zwar ein ganz anderer Platz ist, als worauf
ich mich wirklich befinde. Denn die Rede ist hier nur von einem
intellectuellen Verhältniß zum Gegenstande, so fern ich ihn in meiner Gewalt
habe (ein von Raumesbestimmungen unabhängiger Verstandesbegriff des
Besitzes), und er ist mein, weil mein zu desselben beliebigem Gebrauch
sich bestimmender Wille dem Gesetz der äußeren Freiheit nicht
widerstreitet. Gerade darin: daß abgesehen vom Besitz in der
Erscheinung (der Inhabung) dieses Gegenstandes meiner Willkür die
praktische Vernunft den Besitz nach Verstandesbegriffen, nicht nach empirischen,
sondern solchen, die a priori die Bedingungen desselben enthalten können,
gedacht wissen will, liegt der Grund der Gültigkeit eines solchen Begriffs vom
Besitze (possessio noumenon) als einer allgemeingeltenden Gesetzgebung; denn
eine solche ist in dem Ausdrucke enthalten: "Dieser äußere
Gegenstand ist mein," weil allen andern dadurch eine Verbindlichkeit
auferlegt wird, die sie sonst nicht hätten, sich des Gebrauchs desselben zu
enthalten.
Die Art also, etwas
außer mir als das Meine zu haben, ist die bloß rechtliche Verbindung
des Willens des Subjects mit jenem Gegenstande, unabhängig von dem
Verhältnisse zu demselben im Raum und in der Zeit, nach dem
Begriff eines intelligibelen Besitzes. - Ein Platz auf der Erde ist nicht darum
ein äußeres Meine, weil ich ihn mit meinem Leibe einnehme (denn es
betrifft hier nur meine äußere Freiheit, mithin nur den Besitz meiner
selbst, kein Ding außer mir, und ist also nur ein inneres Recht); sondern wenn
ich ihn noch besitze, ob ich mich gleich von ihm weg und an einen andern
Ort begeben habe, nur alsdann betrifft es mein äußeres Recht, und
derjenige, der die fortwährende Besetzung dieses Platzes durch meine
Person zur Bedingung machen wollte, ihn als das Meine zu haben, muß
entweder behaupten, es sei gar nicht möglich, etwas Äußeres als das Seine zu haben (welches dem
Postulat § 2 widerstreitet),
oder er verlangt, daß, um dieses zu können,
ich in zwei Orten zugleich
sei; welches denn aber so viel sagt,
als: ich solle an einem Orte sein und auch nicht sein,
wodurch er sich selbst widerspricht.
Dieses kann auch auf
den Fall angewendet werden, da ich ein Versprechen acceptirt habe; denn da
wird meine Habe und Besitz an dem Versprochenen dadurch nicht aufgehoben, daß der
Versprechende zu einer
Zeit sagte: diese Sache soll Dein sein,
eine Zeit hernach aber von ebenderselben Sache sagt: ich will
jetzt, die Sache solle nicht Dein sein. Denn es hat mit solchen
intellectuellen Verhältnissen die Bewandtniß, als ob jener ohne eine Zeit
zwischen beiden Declarationen seines Willens gesagt hätte: sie soll Dein
sein, und auch: sie soll nicht Dein sein, was sich dann selbst widerspricht.
Ebendasselbe gilt
auch von dem Begriffe des rechtlichen Besitzes einer Person, als zu der
Habe des Subjects gehörend (sein Weib, Kind, Knecht): daß nämlich diese
häusliche Gemeinschaft und der wechselseitige Besitz des Zustandes aller
Glieder derselben durch die Befugniß sich örtlich von einander zu trennen
nicht aufgehoben wird: weil es ein rechtliches Verhältniß ist, was sie
verknüpft, und das äußere Mein und Dein hier eben so wie in vorigen
Fällen gänzlich auf der Voraussetzung der Möglichkeit eines reinen
Vernunftbesitzes ohne Inhabung beruht.
Zur Kritik der
rechtlich=praktischen Vernunft im Begriffe des äußeren Mein und Dein
wird diese eigentlich durch eine Antinomie der Sätze über die
Möglichkeit eines solchen Besitzes genöthigt, d. i. nur durch eine
unvermeidliche Dialektik, in welcher Thesis und Antithesis beide auf die
Gültigkeit zweier einander widerstreitenden Bedingungen gleichen Anspruch
machen, wird die Vernunft auch in ihrem praktischen
(das Recht betreffenden) Gebrauch genöthigt, zwischen dem Besitz als
Erscheinung und dem bloß durch den Verstand denkbaren einen
Unterschied zu machen.
Der Satz heißt: Es
ist möglich, etwas Äußeres als das Meine zu haben, ob
ich gleich nicht im Besitz desselben bin.
Der Gegensatz: Es ist
nicht möglich, etwas Äußeres als das Meine zu haben,
wenn ich nicht im Besitz desselben bin.
Auflösung: Beide
Sätze sind wahr: der erstere, wenn ich den empirischen Besitz
(possessio phaenomenon), der andere, wenn ich unter diesem Wort den
reinen intelligibelen Besitz (possessio noumenon) verstehe. - Aber die
Möglichkeit eines intelligibelen Besitzes, mithin auch des
äußeren Mein und Dein läßt sich nicht einsehen, sondern muß aus dem
Postulat der praktischen Vernunft gefolgert werden,
wobei es noch besonders merkwürdig ist: daß diese ohne Anschauungen,
selbst ohne einer a priori zu bedürfen, sich durch bloße, vom Gesetz der
Freiheit berechtigte Weglassung empirischer Bedingungen erweitere
und so synthetische Rechtssätze a priori aufstellen kann,
deren Beweis (wie bald gezeigt werden soll) nachher in praktischer
Rücksicht auf analytische Art geführt werden kann.
§ 8. Etwas Äußeres als das
Seine zu haben, ist nur in einem rechtlichen Zustande,
unter einer öffentlich=gesetzgebenden Gewalt, d. i. im bürgerlichen
Zustande, möglich.
Wenn ich (wörtlich
oder durch die That) erkläre: ich will, daß etwas Äußeres das Meine
sein solle, so erkläre ich jeden Anderen für verbindlich, sich des Gegenstandes
meiner Willkür zu enthalten: eine Verbindlichkeit, die niemand ohne
diesen meinen rechtlichen Act haben würde. In dieser Anmaßung aber liegt
zugleich das Bekenntniß: jedem Anderen in Ansehung des äußeren Seinen
wechselseitig zu einer gleichmäßigen Enthaltung verbunden zu sein;
denn die Verbindlichkeit geht hier aus einer allgemeinen Regel des äußeren
rechtlichen Verhältnisses hervor. Ich bin also nicht verbunden,
das äußere Seine des Anderen unangetastet zu lassen, wenn mich
nicht jeder Andere dagegen auch sicher stellt, er werde in Ansehung des
Meinigen sich nach ebendemselben Princip verhalten; welche Sicherstellung
gar nicht eines besonderen rechtlichen Acts bedarf, sondern schon im
Begriffe einer äußeren rechtlichen Verpflichtung wegen der Allgemeinheit,
mithin auch der Reciprocität der Verbindlichkeit aus einer allgemeinen
Regel enthalten ist. - Nun kann der einseitige Wille in Ansehung eines
äußeren, mithin zufälligen Besitzes nicht zum Zwangsgesetz für jedermann dienen,
weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch thun würde.
Also ist nur ein jeden anderen verbindender, mithin collectiv
allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, welcher jedermann
jene Sicherheit leisten kann. - Der Zustand aber unter einer
allgemeinen äußeren (d. i. öffentlichen) mit Macht begleiteten Gesetzgebung ist der
bürgerliche. Also kann es nur im bürgerlichen Zustande ein äußeres
Mein und Dein geben.
Folgesatz: Wenn es
rechtlich möglich sein muß, einen äußeren Gegenstand als das
Seine zu haben: so muß es auch dem Subject erlaubt sein, jeden Anderen,
mit dem es zum Streit des Mein und Dein über ein solches Object kommt,
zu nöthigen, mit ihm zusammen in eine bürgerliche Verfassung zu treten.
§ 9. Im Naturzustande kann
doch ein wirkliches, aber nur provisorisches
äußeres Mein und Dein statt haben.
Das Naturrecht im
Zustande einer bürgerlichen Verfassung (d. i. dasjenige, was für
die letztere aus Principien a priori abgeleitet werden kann) kann durch die
statutarischen Gesetze der letzteren nicht Abbruch leiden, und so bleibt
das rechtliche Princip in Kraft: "Der, welcher nach einer Maxime
verfährt, nach der es unmöglich wird, einen Gegenstand meiner Willkür als
das Meine zu haben, lädirt mich"; denn bürgerliche Verfassung ist allein
der rechtliche Zustand, durch welchen jedem das Seine nur gesichert,
eigentlich aber nicht ausgemacht und bestimmt wird. - Alle Garantie setzt
also das Seine von jemanden (dem es gesichert wird) schon voraus. Mithin
muß vor der bürgerlichen Verfassung (oder von ihr abgesehen) ein
äußeres Mein und Dein als möglich angenommen werden und zugleich
ein Recht, jedermann, mit dem wir irgend auf eine Art in Verkehr kommen
könnten, zu nöthigen, mit uns in eine Verfassung zusammen zu treten,
worin jenes gesichert werden kann. - Ein Besitz in Erwartung und
Vorbereitung eines solchen Zustandes, der allein auf einem Gesetz des
gemeinsamen Willens gegründet werden kann, der also zu der Möglichkeit
des Letzteren zusammenstimmt, ist ein provisorisch= rechtlicher Besitz,
wogegen derjenige, der in einem solchen wirklichen Zustande angetroffen
wird, ein peremtorischer Besitz sein würde. - Vor dem Eintritt in
diesen Zustand, zu dem das Subject bereit ist, widersteht er denen
mit Recht, die dazu sich nicht bequemen und ihn in seinem einstweiligen
Besitz stören wollen: weil der Wille aller Anderen außer ihm selbst, der
ihm eine Verbindlichkeit aufzulegen denkt, von einem gewissen Besitz
abzustehen, bloß einseitig ist, mithin eben so wenig gesetzliche Kraft
(als die nur im allgemeinen Willen angetroffen wird) zum widersprechen
hat, als jener zum behaupten, indessen daß der letztere doch dies voraus hat,
zur Einführung und Errichtung eines bürgerlichen Zustandes
zusammenzustimmen. - Mit einem Worte: die Art, etwas Äußeres als das Seine
im Naturzustande zu haben, ist ein physischer Besitz, der die
rechtliche Präsumtion für sich hat, ihn durch Vereinigung mit dem Willen Aller
in einer öffentlichen Gesetzgebung zu einem rechtlichen zu
machen, und gilt in der Erwartung comparativ für einen rechtlichen.
Dieses Prärogativ des
Rechts aus dem empirischen Besitzstande nach der Formel: wohl
dem, der im Besitz ist (beati possidentes) besteht nicht darin:
daß, weil er die Präsumtion eines rechtlichen Mannes hat, er nicht
nöthig habe, den Beweis zu führen, er besitze etwas rechtmäßig
(denn das gilt nur im streitigen Rechte), sondern weil nach dem
Postulat der praktischen Vernunft jedermann das Vermögen zukommt,
einen äußeren Gegenstand seiner Willkür als das Seine zu haben,
mithin jede Inhabung ein Zustand ist, dessen Rechtmäßigkeit sich
auf jenem Postulat durch einen Act des vorhergehenden Willens gründet, und
der, wenn nicht ein älterer Besitz eines Anderen von
ebendemselben Gegenstande dawider ist, also vorläufig, nach dem Gesetz der
äußeren Freiheit jedermann, der mit mir nicht in den Zustand
einer öffentlich gesetzlichen Freiheit treten will, von aller Anmaßung
des Gebrauchs eines solchen Gegenstandes abzuhalten berechtigt, um dem Postulat der Vernunft gemäß
eine
Sache, die sonst praktisch vernichtet
sein würde, seinem Gebrauch zu unterwerfen.
Zweites Hauptstück. Von der Art etwas
Äußeres zu erwerben.
§ 10. Allgemeines Princip
der äußeren Erwerbung.
Ich erwerbe etwas,
wenn ich mache (efficio), daß etwas mein werde. - Ursprünglich mein ist
dasjenige Äußere, was auch ohne einen rechtlichen Act mein ist. Eine
Erwerbung aber ist ursprünglich diejenige, welche nicht von dem
Seinen eines Anderen abgeleitet ist.
Nichts Äußeres ist
ursprünglich mein; wohl aber kann es ursprünglich, d. i. ohne es von dem
Seinen irgend eines Anderen abzuleiten, erworben sein. - Der Zustand
der Gemeinschaft des Mein und Dein (communio) kann nie
als ursprünglich gedacht, sondern muß (durch einen äußeren rechtlichen
Act) erworben werden; obwohl der Besitz eines äußeren Gegenstandes
ursprünglich nur gemeinsam sein kann. Auch wenn man sich
(problematisch) eine ursprüngliche Gemeinschaft (communio mei et tui
originaria) denkt: so muß sie doch von der uranfänglichen (communio primaeva)
unterschieden werden, welche als in der ersten Zeit der
Rechtsverhältnisse unter Menschen gestiftet angenommen wird und nicht wie
die erstere auf Principien, sondern nur auf Geschichte gegründet werden
kann: wobei die letztere doch immer als erworben und abgeleitet (communio derivativa)
gedacht werden müßte.
Das Princip der
äußeren Erwerbung ist nun: Was ich (nach dem Gesetz der äußeren
Freiheit) in meine Gewalt bringe, und wovon als Object meiner Willkür
Gebrauch zu machen ich (nach dem Postulat der praktischen Vernunft)
das Vermögen habe: endlich, was ich (gemäß der Idee eines möglichen
vereinigten Willens) will, es solle mein sein, das ist mein.
Die Momente
(attendenda) der ursprünglichen Erwerbung sind also: 1. Die
Apprehension eines Gegenstandes, der Keinem angehört, widrigenfalls sie der
Freiheit Anderer nach allgemeinen Gesetzen widerstreiten würde. Diese
Apprehension ist die Besitznehmung des Gegenstandes der Willkür im Raum
und der Zeit; der Besitz also, in den ich mich setze, ist
(possessio phaenomenon). 2. Die Bezeichnung (declaratio) des Besitzes dieses
Gegenstandes und des Acts meiner Willkür jeden Anderen davon
abzuhalten. 3. Die Zueignung (approbatio) als Act eines
äußerlich allgemein gesetzgebenden Willens (in der Idee), durch welchen
jedermann zur Einstimmung mit meiner Willkür verbunden wird. - Die
Gültigkeit des letzteren Moments der Erwerbung, als worauf der Schlußsatz: der
äußere Gegenstand ist mein, beruht, d. i. daß der Besitz als ein
bloß rechtlicher gültig (possessio noumenon) sei, gründet sich darauf:
daß, da alle diese Actus rechtlich sind, mithin aus der praktischen
Vernunft hervorgehen, und also in der Frage, was Rechtens ist, von den
empirischen Bedingungen des Besitzes abstrahirt werden kann, der Schlußsatz:
der äußere Gegenstand ist mein, vom sensibelen auf den intelligibelen
Besitz richtig geführt wird.
Die ursprüngliche
Erwerbung eines äußeren Gegenstandes der Willkür heißt Bemächtigung
(occupatio) und kann nicht anders, als an körperlichen Dingen
(Substanzen) statt finden. Wo nun eine solche statt findet, bedarf sie
zur Bedingung des empirischen Besitzes die Priorität der Zeit vor jedem
Anderen, der sich einer Sache bemächtigen will (qui prior tempore potior
iure). Sie ist als ursprünglich auch nur die Folge von einseitiger
Willkür; denn wäre dazu eine doppelseitige erforderlich, so würde sie von dem
Vertrag zweier (oder mehrerer) Personen, folglich von dem Seinen
Anderer abgeleitet sein. - Wie ein solcher Act der Willkür, als jener ist, das
Seine für jemanden begründen könne, ist nicht leicht einzusehen. -
Indessen ist die erste Erwerbung doch darum sofort nicht die ursprüngliche.
Denn die Erwerbung eines öffentlichen rechtlichen Zustandes durch
Vereinigung des Willens Aller zu einer allgemeinen Gesetzgebung wäre
eine solche, vor der keine vorhergehen darf, und doch wäre sie von dem
besonderen Willen eines jeden abgeleitet und allseitig: da eine ursprüngliche
Erwerbung nur aus dem einseitigen Willen hervorgehen kann.
Eintheilung der Erwerbung des
äußeren Mein und Dein.
1. Der Materie (dem
Objecte) nach erwerbe ich entweder eine körperliche Sache
(Substanz) oder die Leistung (Causalität) eines Anderen oder diese
andere Person selbst, d. i. den Zustand derselben, so fern ich ein Recht
erlange, über denselben zu verfügen (das Commercium mit derselben).
2. Der Form
(Erwerbungsart) nach ist es entweder ein Sachenrecht (ius reale) oder
persönliches Recht (ius personale) oder ein dinglich=persönliches
Recht (ius realiter personale) des Besitzes (obzwar nicht des Gebrauchs)
einer anderen Person als einer Sache.
3. Nach dem
Rechtsgrunde (titulus) der Erwerbung; welches eigentlich kein
besonderes Glied der Eintheilung der Rechte, aber doch ein Moment der Art ihrer
Ausübung ist: entweder durch den Act einer einseitigen oder doppelseitigen
oder allseitigen Willkür, wodurch etwas Äußeres (facto,
pacto, lege) erworben wird.
Erster Abschnitt. Vom Sachenrecht.
§ 11. Was ist ein
Sachenrecht?
Die gewöhnliche
Erklärung des Rechts in einer Sache (ius reale, ius in re), "es
sei das Recht gegen jeden Besitzer derselben", ist eine richtige
Nominaldefinition. - Aber was ist das, was da macht, daß ich mich wegen eines
äußeren Gegenstandes an jeden Inhaber desselben halten und ihn (per
vindicationem) nöthigen kann, mich wieder in Besitz desselben zu setzen? Ist dieses
äußere rechtliche Verhältniß meiner Willkür etwa ein unmittelbares
Verhältniß zu einem körperlichen Dinge? So müßte derjenige, welcher
sein Recht nicht unmittelbar auf Personen, sondern auf Sachen bezogen denkt,
es sich freilich (obzwar nur auf dunkele Art) vorstellen: nämlich, weil dem
Recht auf einer Seite eine Pflicht auf der andern correspondirt, daß
die äußere Sache, ob sie zwar dem ersten Besitzer abhanden gekommen,
diesem doch immer verpflichtet bleibe, d. i. sich jedem anmaßlichen
anderen Besitzer weigere, weil sie jenem schon verbindlich ist, und so mein
Recht gleich einem die Sache begleitenden und vor allem fremden
Angriffe bewahrenden Genius den fremden Besitzer immer an mich weise.
Es ist also ungereimt, sich Verbindlichkeit einer Person gegen Sachen
und umgekehrt zu denken, wenn es gleich allenfalls erlaubt werden mag,
das rechtliche Verhältniß durch ein solches Bild zu versinnlichen und
sich so auszudrücken.
Die Realdefiniton
würde daher so lauten müssen. Das Recht in einer Sache ist ein
Recht des Privatgebrauchs einer Sache, in deren (ursprünglichen, oder
gestifteten) Gesammtbesitze ich mit allen andern bin. Denn das Letztere ist
die einzige Bedingung, unter der es allein möglich ist, daß ich jeden
anderen Besitzer vom Privatgebrauch der Sache ausschließe (ius contra quemlibet huius rei possessorem),
weil, ohne einen
solchen Gesammtbesitz vorauszusetzen,
sich gar nicht denken läßt, wie ich, der ich doch nicht im
Besitz der Sache bin, von Andern, die es sind, und die sie brauchen, lädirt
werden könne. - Durch einseitige Willkür kann ich keinen Andern
verbinden, sich des Gebrauchs einer Sache zu enthalten, wozu er sonst keine
Verbindlichkeit haben würde: also nur durch vereinigte Willkür Aller in
einem Gesammtbesitz. Sonst müßte ich mir ein Recht in einer Sache so
denken: als ob die Sache gegen mich eine Verbindlichkeit hätte, und davon
allererst das Recht gegen jeden Besitzer derselben ableiten; welches eine
ungereimte Vorstellungsart ist.
Unter dem Wort:
Sachenrecht (ius reale) wird übrigens nicht bloß das Recht in einer
Sache (ius in re), sondern auch der Inbegriff aller Gesetze, die das
dingliche Mein und Dein betreffen, verstanden. - Es ist aber klar, daß ein
Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein äußeres Ding als das
Seine haben oder erwerben könnte: weil zwischen ihm als Person und
allen anderen äußeren Dingen als Sachen es gar kein Verhältniß der
Verbindlichkeit giebt. Es giebt also, eigentlich und buchstäblich
verstanden, auch kein (directes) Recht in einer Sache, sondern nur dasjenige wird so
genannt, was jemanden gegen eine Person zukommt, die mit allen Anderen
(im bürgerlichen Zustande) im gemeinsamen Besitz ist.
§ 12. Die erste Erwerbung
einer Sache kann keine andere als die des Bodens
sein.
Der Boden (unter
welchem alles bewohnbare Land verstanden wird) ist in Ansehung alles
Beweglichen auf demselben als Substanz, die Existenz des
Letzteren aber nur als Inhärenz zu betrachten, und so wie im theoretischen
Sinne die Accidenzen nicht außerhalb der Substanz existiren können, so kann im
praktischen das Bewegliche auf dem Boden nicht das Seine von
jemanden sein, wenn dieser nicht vorher als im rechtlichen Besitz desselben
befindlich (als das Seine desselben) angenommen wird.
Denn setzet, der
Boden gehöre niemanden an: so werde ich jede bewegliche Sache, die sich auf
ihm befindet, aus ihrem Platze stoßen können, um ihn selbst
einzunehmen, bis sie sich gänzlich verliert, ohne daß der Freiheit irgend eines
Anderen, der jetzt gerade nicht Inhaber desselben ist, dadurch Abbruch
geschieht; alles aber, was zerstört werden kann, ein Baum, Haus u. s. w., ist
(wenigstens der Materie nach) beweglich, und wenn man die Sache, die ohne
Zerstörung ihrer Form nicht bewegt werden kann, ein Immobile nennt, so
wird das Mein und Dein an jener nicht von der Substanz, sondern dem
ihr Anhängenden verstanden, welches nicht die Sache selbst ist.
§ 13. Ein jeder Boden kann
ursprünglich erworben werden, und der Grund der
Möglichkeit dieser Erwerbung ist die ursprüngliche
Gemeinschaft des Bodens überhaupt.
Was das erste
betrifft, so gründet sich dieser Satz auf dem Postulat der praktischen
Vernunft (§ 2); das zweite auf folgenden Beweis.
Alle Menschen sind
ursprünglich (d. i. vor allem rechtlichen Act der Willkür) im
rechtmäßigen Besitz des Bodens, d. i. sie haben ein Recht, da zu sein, wohin sie
die Natur, oder der Zufall (ohne ihren Willen) gesetzt hat. Dieser Besitz
(possessio), der vom Sitz (sedes) als einem willkürlichen, mithin erworbenen,
dauernden Besitz unterschieden ist, ist ein gemeinsamer Besitz
wegen der Einheit aller Plätze auf der Erdfläche als Kugelfläche:
weil, wenn sie eine unendliche Ebene wäre, die Menschen sich darauf so
zerstreuen könnten, daß sie in gar keine Gemeinschaft mit einander kämen, diese
also nicht eine nothwendige Folge von ihrem Dasein auf Erden
wäre. - Der Besitz aller Menschen auf Erden, der vor allem rechtlichen Act
derselben vorhergeht (von der Natur selbst constituirt ist), ist ein
ursprünglicher Gesammtbesitz (communio possessionis originaria), dessen
Begriff nicht empirisch und von Zeitbedingungen abhängig ist, wie
etwa der gedichtete, aber nie erweisliche eines uranfänglichen
Gesammtbesitzes (communio primaeva), sondern ein praktischer
Vernunftbegriff, der a priori das Princip enthält, nach welchem allein die
Menschen den Platz auf Erden nach Rechtsgesetzen gebrauchen können.
§ 14. Der rechtliche Act
dieser Erwerbung ist Bemächtigung (occupatio).
Die Besitznehmung
(apprehensio), als der Anfang der Inhabung einer körperlichen
Sache im Raume (possessionis physicae), stimmt unter keiner anderen
Bedingung mit dem Gesetz der äußeren Freiheit von jedermann (mithin a priori)
zusammen, als unter der der Priorität in Ansehung der Zeit, d. i. nur
als erste Besitznehmung (prior apprehensio), welche ein Act der
Willkür ist. Der Wille aber, die Sache (mithin auch ein bestimmter
abgetheilter Platz auf Erden) solle mein sein, d. i. die Zueignung
(appropriatio), kann in einer ursprünglichen Erwerbung nicht anders als einseitig
(voluntas unilateralis s. propria) sein. Die Erwerbung eines äußeren
Gegenstandes der Willkür durch einseitigen Willen ist die Bemächtigung.
Also kann die ursprüngliche Erwerbung desselben, mithin auch eines
abgemessenen Bodens nur durch Bemächtigung (occupatio) geschehen. -
Die Möglichkeit auf
solche Art zu erwerben läßt sich auf keine Weise einsehen, noch durch
Gründe darthun, sondern ist die unmittelbare Folge aus dem Postulat der
praktischen Vernunft. Derselbe Wille aber kann doch eine äußere
Erwerbung nicht anders berechtigen, als nur so fern er in einem a priori
vereinigten (d. i. durch die Vereinigung der Willkür Aller, die in ein
praktisches Verhältniß gegen einander kommen können) absolut gebietenden
Willen enthalten ist; denn der einseitige Wille (wozu auch der
doppelseitige, aber doch besondere Wille gehört) kann nicht jedermann eine
Verbindlichkeit auflegen, die an sich zufällig ist, sondern dazu wird ein
allseitiger, nicht zufällig, sondern a priori, mithin nothwendig vereinigter und darum
allein gesetzgebender Wille erfordert; denn nur nach dieses
seinem Princip ist Übereinstimmung der freien Willkür eines jeden mit der
Freiheit von jedermann, mithin ein Recht überhaupt, und also auch ein
äußeres Mein und Dein möglich.
§ 15. Nur in einer
bürgerlichen Verfassung kann etwas peremtorisch, dagegen
im Naturzustande zwar auch, aber nur provisorisch erworben
werden.
Die bürgerliche
Verfassung, obzwar ihre Wirklichkeit subjectiv zufällig ist, ist gleichwohl
objectiv, d. i. als Pflicht, nothwendig. Mithin giebt es in Hinsicht auf
dieselbe und ihre Stiftung ein wirkliches Rechtsgesetz der Natur, dem alle
äußere Erwerbung unterworfen ist.
Der empirische Titel
der Erwerbung war die auf ursprüngliche Gemeinschaft des
Bodens gegründete physische Besitznehmung (apprehensio physica), welchem,
weil dem Besitz nach Vernunftbegriffen des Rechts nur ein Besitz
in der Erscheinung untergelegt werden kann, der einer intellectuellen
Besitznehmung (mit Weglassung aller empirischen Bedingungen in Raum
und Zeit) correspondiren muß, und die den Satz gründet: "Was
ich nach Gesetzen der äußeren Freiheit in meine Gewalt bringe und will, es solle
mein sein, das wird mein."
Der Vernunfttitel der
Erwerbung aber kann nur in der Idee eines a priori
vereinigten (nothwendig zu vereinigenden) Willens Aller liegen, welche hier
als unumgängliche Bedingung (conditio sine qua non) stillschweigend vorausgesetzt
wird; denn durch einseitigen Willen kann Anderen eine
Verbindlichkeit, die sie für sich sonst nicht haben würden, nicht auferlegt
werden. - Der Zustand aber eines zur Gesetzgebung allgemein wirklich vereinigten
Willens ist der bürgerliche Zustand. Also nur in Conformität mit
der Idee eines bürgerlichen Zustandes, d. i. in Hinsicht auf ihn und seine
Bewirkung, aber vor der Wirklichkeit desselben (denn sonst wäre die
Erwerbung abgeleitet), mithin nur provisorisch kann etwas Äußeres
ursprünglich erworben werden. - Die peremtorische Erwerbung findet nur
im bürgerlichen Zustande statt.
Gleichwohl ist jene
provisorische dennoch eine wahre Erwerbung; denn nach dem
Postulat der rechtlich=praktischen Vernunft ist die Möglichkeit derselben, in welchem
Zustande die Menschen neben einander sein mögen, (also auch im
Naturzustande) ein Princip des Privatrechts, nach welchem jeder zu
demjenigen Zwange berechtigt ist, durch welchen es allein möglich wird, aus
jenem Naturzustande heraus zu gehen und in den bürgerlichen, der allein alle
Erwerbung peremtorisch machen kann, zu treten.
Es ist die Frage: wie
weit erstreckt sich die Befugniß der Besitznehmung eines Bodens? So
weit, als das Vermögen ihn in seiner Gewalt zu haben, d.
i. als der, so ihn sich zueignen will, ihn vertheidigen kann; gleich als ob
der Boden spräche: wenn ihr mich nicht beschützen könnt, so
könnt ihr mir auch nicht gebieten. Darnach müßte also auch der
Streit über das freie oder verschlossene Meer entschieden werden;
z. B. innerhalb der Weite, wohin die Kanonen reichen, darf niemand
an der Küste eines Landes, das schon einem gewissen Staat
zugehört, fischen, Bernstein aus dem Grunde der See holen u. dergl. -
Ferner: ist die Bearbeitung des Bodens (Bebauung, Beackerung, Entwässerung
u. dergl.) zur Erwerbung desselben nothwendig? Nein!
denn da diese Formen (der Specificirung) nur Accidenzen sind,
so machen sie kein Object eines unmittelbaren Besitzes aus und
können zu dem des Subjects nur gehören, so fern die Substanz vorher
als das Seine desselben anerkannt ist. Die Bearbeitung ist, wenn es auf die
Frage von der ersten Erwerbung ankommt, nichts weiter als ein
äußeres Zeichen der Besitznehmung, welches man durch
viele andere, die weniger Mühe kosten, ersetzen kann. - Ferner: darf
man wohl jemanden in dem Act seiner Besitznehmung hindern, so daß
keiner von beiden des Rechts der Priorität theilhaftig werde,
und so der Boden immer als keinem angehörig frei bleibe? Gänzlich
kann diese Hinderung nicht statt finden, weil der Andere, um dieses
thun zu können, sich doch auch selbst auf irgend einem benachbarten
Boden befinden muß, wo er also selbst behindert werden kann zu sein,
mithin eine absolute Verhinderung ein Widerspruch wäre; aber respectiv
auf einen gewissen (zwischenliegenden) Boden, diesen als
neutral zur Scheidung zweier benachbarten unbenutzt liegen zu lassen,
würde doch mit dem Rechte der Bemächtigung zusammen bestehen;
aber alsdann gehört wirklich dieser Boden Beiden
gemeinschaftlich und ist nicht herrenlos (res nullius) eben darum, weil er von beiden dazu gebraucht wird,
um sie von einander
zu scheiden. - Ferner kann man auf
einem Boden, davon kein Theil das Seine von
jemanden ist, doch eine Sache als die seine haben? Ja, wie in der
Mongolei jeder sein Gepäck, was er hat, liegen lassen, oder sein
Pferd, was ihm entlaufen ist, als das Seine in seinen Besitz bringen
kann, weil der ganze Boden dem Volk, der Gebrauch desselben also jedem
einzelnen zusteht; daß aber jemand eine bewegliche Sache auf dem
Boden eines Anderen als das Seine haben kann, ist zwar
möglich, aber nur durch Vertrag. - Endlich ist die Frage: können zwei
benachbarte Völker (oder Familien) einander widerstehen, eine
gewisse Art des Gebrauchs eines Bodens anzunehmen, z. B. die Jagdvölker
dem Hirtenvolk oder den Ackerleuten, oder diese den
Pflanzern u. dergl.? Allerdings; denn die Art, wie sie sich auf dem
Erdboden überhaupt ansässig machen wollen, ist, wenn sie sich
innerhalb ihrer Gränzen halten, eine Sache des bloßen Beliebens (res merae
facultatis).
Zuletzt kann noch
gefragt werden: ob, wenn uns weder die Natur noch der Zufall,
sondern bloß unser eigener Wille in Nachbarschaft mit einem Volk
bringt, welches keine Aussicht zu einer bürgerlichen Verbindung mit ihm
verspricht, wir nicht in der Absicht diese zu stiften und diese
Menschen (Wilde) in einen rechtlichen Zustand zu versetzen (wie
etwa die amerikanischen Wilden, die Hottentotten, die Neuholländer)
befugt sein sollten, allenfalls mit Gewalt, oder (welches nicht viel
besser ist) durch betrügerischen Kauf Colonien zu errichten und so
Eigenthümer ihres Bodens zu werden und ohne Rücksicht auf ihren
ersten Besitz Gebrauch von unserer Überlegenheit zu machen; zumal es
die Natur selbst (als die das Leere verabscheuet) so zu fordern
scheint, und große Landstriche in anderen Welttheilen an gesitteten
Einwohnern sonst menschenleer geblieben wären, die jetzt herrlich
bevölkert sind, oder gar auf immer bleiben müßten, und so der Zweck der
Schöpfung vereitelt werden würde. Allein man sieht durch diesen Schleier
der Ungerechtigkeit (Jesuitism), alle Mittel zu guten Zwecken zu
billigen, leicht durch; diese Art der Erwerbung des Bodens ist also
verwerflich.
Die Unbestimmtheit in
Ansehung der Quantität sowohl als der Qualität des äußeren
erwerblichen Objects macht diese Aufgabe (der einzigen
ursprünglichen äußeren Erwerbung) unter allen zur schwersten sie aufzulösen.
Irgend eine ursprüngliche Erwerbung des Äußeren aber muß es indessen
doch geben; denn abgeleitet kann nicht alle sein. Daher kann
man diese Aufgabe auch nicht als unauflöslich und als an sich
unmöglich aufgeben. Aber wenn sie auch durch den ursprünglichen
Vertrag aufgelöset wird, so wird, wenn dieser sich nicht aufs ganze
menschliche Geschlecht erstreckt, die Erwerbung doch immer nur
provisorisch bleiben.
§ 16. Exposition des
Begriffs einer ursprünglichen Erwerbung des Bodens.
Alle Menschen sind
ursprünglich in einem Gesammt=Besitz des Bodens der ganzen Erde (communio fundi
originaria) mit dem ihnen
von Natur zustehenden Willen (eines
jeden) denselben zu gebrauchen (lex iusti), der
wegen der natürlich unvermeidlichen Entgegensetzung der Willkür des Einen
gegen die des Anderen allen Gebrauch desselben aufheben würde, wenn nicht
jener zugleich das Gesetz für diese enthielte, nach welchem einem jeden
ein besonderer Besitz auf dem gemeinsamen Boden bestimmt werden kann
(lex iuridica). Aber das austheilende Gesetz des Mein und Dein eines
jeden am Boden kann nach dem Axiom der äußeren Freiheit nicht anders
als aus einem ursprünglich und a priori vereinigten Willen (der zu dieser
Vereinigung keinen rechtlichen Act voraussetzt), mithin nur im
bürgerlichen Zustande hervorgehen (lex iustitiae distributivae), der
allein, was recht, was rechtlich und was Rechtens ist, bestimmt. - In
diesem Zustand aber, d. i. vor Gründung und doch in Absicht auf
denselben, d. i. provisorisch, nach dem Gesetz der äußeren Erwerbung zu
verfahren, ist Pflicht, folglich auch rechtliches Vermögen des Willens jedermann
zu verbinden, den Act der Besitznehmung und Zueignung, ob er
gleich nur einseitig ist, als gültig anzuerkennen; mithin ist eine
provisorische Erwerbung des Bodens mit allen ihren rechtlichen Folgen möglich.
Eine solche Erwerbung
aber bedarf doch und hat auch eine Gunst des Gesetzes (lex
permissiva) in Ansehung der Bestimmung der Grenzen des
rechtlich=möglichen Besitzes für sich: weil sie vor dem rechtlichen Zustande vorhergeht und, als
bloß dazu einleitend, noch nicht peremtorisch ist, welche Gunst
sich aber nicht weiter erstreckt, als bis zur Einwilligung Anderer
(Theilnehmender) zu Errichtung des Letzteren, bei dem Widerstande derselben aber in
diesen (den bürgerlichen) zu treten, und so lange derselbe währt, allen
Effect einer rechtmäßigen Erwerbung bei sich führt, weil dieser Ausgang
auf Pflicht gegründet ist.
§ 17. Deduction des
Begriffs der ursprünglichen Erwerbung.
Wir haben den Titel
der Erwerbung in einer ursprünglichen Gemeinschaft des Bodens, mithin
unter Raums=Bedingungen eines äußeren Besitzes, die
Erwerbungsart aber in den empirischen Bedingungen der Besitznehmung
(apprehensio), verbunden mit dem Willen, den äußeren Gegenstand als den
seinen zu haben, gefunden. Nun ist noch nöthig die Erwerbung selbst, d.
i. das äußere Mein und Dein, was aus beiden gegebenen Stücken
folgt, nämlich den intelligibelen Besitz (possessio noumenon) des Gegenstandes,
nach dem, was sein Begriff enthält, aus den Principien der reinen
rechtlich=praktischen Vernunft zu entwickeln.
Der Rechtsbegriff vom
äußeren Mein und Dein, so fern es Substanz ist, kann,
was das Wort außer mir betrifft, nicht einen anderen Ort, als wo ich bin,
bedeuten: denn er ist ein Vernunftbegriff; sondern, da unter
diesem nur ein reiner Verstandesbegriff subsumirt werden kann, bloß etwas von
mir Unterschiedenes und den eines nicht empirischen Besitzes (der
gleichsam fortdauernden Apprehension), sondern nur den des in meiner
Gewalt Habens (die Verknüpfung desselben mit mir als subjective
Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs) des äußeren Gegenstandes, welcher
ein reiner Verstandesbegriff ist, bedeuten. Nun ist die Weglassung oder
das Absehen (Abstraction) von diesen sinnlichen Bedingungen des
Besitzes als eines Verhältnisses der Person zu Gegenständen, die keine
Verbindlichkeit haben, nichts anders als das Verhältniß einer Person zu
Personen, diese alle durch den Willen der ersteren, so fern er dem Axiom
der äußeren Freiheit, dem Postulat des Vermögens und der allgemeinen
Gesetzgebung des a priori als vereinigt gedachten Willens gemäß ist, in
Ansehung des Gebrauchs der Sachen zu verbinden, welches also der
intelligibele Besitz derselben, d. i. der durchs bloße Recht, ist,
obgleich der Gegenstand (die Sache, die ich besitze) ein Sinnenobject ist.
Daß die erste
Bearbeitung, Begränzung, oder überhaupt Formgebung eines Bodens keinen
Titel der Erwerbung desselben, d. i. der Besitz des
Accidens nicht einen Grund des rechtlichen Besitzes der Substanz abgeben
könne, sondern vielmehr umgekehrt das Mein und Dein nach der Regel
(accessorium sequitur suum principale) aus dem Eigenthum der
Substanz gefolgert werden müsse, und daß der, welcher an einen
Boden, der nicht schon vorher der seine war, Fleiß verwendet, seine Mühe
und Arbeit gegen den Ersteren verloren hat, ist für sich selbst
so klar, daß man jene so alte und noch weit und breit herrschende
Meinung schwerlich einer anderen Ursache zuschreiben kann, als der
ingeheim obwaltenden Täuschung, Sachen zu personificiren und, gleich als ob
jemand sie sich durch an sie verwandte Arbeit verbindlich machen
könne, keinem Anderen als ihm zu Diensten zu stehen,
unmittelbar gegen sie sich ein Recht zu denken; denn wahrscheinlicherweise
würde man auch nicht so leichten Fußes über die natürliche Frage
(von der oben schon Erwähnung geschehen) weggeglitten sein:
"Wie ist ein Recht in einer Sache möglich?" Denn das Recht gegen
einen jeden Besitzer einer Sache bedeutet nur die Befugniß der
besonderen Willkür zum Gebrauch eines Objects, so fern sie als im
synthetisch=allgemeinen Willen enthalten und mit dem Gesetz desselben
zusammenstimmend gedacht werden kann.
Was die Körper auf
einem Boden betrifft, der schon der meinige ist, so gehören sie,
wenn sie sonst keines Anderen sind, mir zu, ohne daß ich zu diesem Zweck
eines besonderen rechtlichen Acts bedürfte (nicht facto, sondern
lege); nämlich weil sie als der Substanz inhärirende Accidenzen betrachtet
werden können (iure rei meae), wozu auch Alles gehört,
was mit meiner Sache so verbunden ist, daß ein Anderer sie von dem
Meinen nicht trennen kann, ohne dieses selbst zu verändern (z. B.
Vergoldung, Mischung eines mir zugehörigen Stoffes mit andern
Materien, Anspülung oder auch Veränderung des anstoßenden
Strombettes und dadurch geschehende Erweiterung meines Bodens u. s.
w.). Ob aber der erwerbliche Boden sich noch weiter als das Land,
nämlich auch auf eine Strecke des Seegrundes hinaus (das Recht,
noch an meinen Ufern zu fischen, oder Bernstein herauszubringen u.
dergl.), ausdehnen lasse, muß nach ebendenselben Grundsätzen
beurtheilt werden. So weit ich aus meinem Sitze mechanisches
Vermögen habe, meinen Boden gegen den Eingriff anderer zu sichern
(z. B. so weit die Kanonen vom Ufer abreichen), gehört er zu meinem
Besitz, und das Meer ist bis dahin geschlossen (mare
clausum). Da aber auf dem weiten Meere selbst kein Sitz möglich
ist, so kann der Besitz auch nicht bis dahin ausgedehnt werden, und offene
See ist frei (mare liberum). Das
Stranden aber, es sei der Menschen oder der
ihnen zugehörigen
Sachen, kann als unvorsetzlich von dem
Strandeigenthümer nicht zum Erwerbrecht
gezählt werden: weil es nicht Läsion (ja überhaupt kein Factum) ist, und
die Sache, die auf einen Boden gerathen ist, der doch irgend einem
angehört, nicht als res nullius behandelt werden kann. Ein Fluß
dagegen kann, so weit der Besitz seines Ufers reicht, so gut
wie ein jeder Landboden unter obbenannten Einschränkungen ursprünglich von dem
erworben werden, der im Besitz beider Ufer ist.
Der äußere
Gegenstand, welcher der Substanz nach das Seine von jemanden ist, ist
dessen Eigenthum (dominium), welchem alle Rechte in dieser
Sache (wie Accidenzen der Substanz) inhäriren, über welche also der
Eigenthümer (dominus) nach Belieben verfügen kann (ius disponendi de re sua). Aber
hieraus folgt von selbst: daß ein solcher
Gegenstand nur eine körperliche Sache (gegen die man keine
Verbindlichkeit hat) sein könne, daher ein Mensch sein eigener Herr (sui
iuris), aber nicht Eigenthümer von sich selbst (sui dominus) (über
sich nach Belieben disponiren zu können), geschweige denn von anderen
Menschen sein kann, weil er der Menschheit in seiner eigenen
Person verantwortlich ist; wiewohl dieser Punkt, der zum Recht
der Menschheit, nicht dem der Menschen gehört, hier nicht seinen
eigentlichen Platz hat, sondern nur beiläufig zum besseren Verständniß
des kurz vorher Gesagten angeführt wird. - Es kann ferner zwei
volle Eigenthümer einer und derselben Sache geben ohne ein
gemeinsames Mein und Dein, sondern nur als gemeinsame Besitzer dessen, was
nur einem als das Seine zugehört, wenn von den
sogenannten Miteigenthümern (condomini) einem nur der ganze Besitz ohne
Gebrauch, dem Anderen aber aller Gebrauch der Sache sammt dem
Besitz zukommt, jener also (dominus directus) diesen (dominus
utilis) nur auf die Bedingung einer beharrlichen Leistung restringirt,
ohne dabei seinen Gebrauch zu limitiren.
Zweiter Abschnitt. Vom persönlichen
Recht.
§ 18.
Der Besitz der
Willkür eines Anderen, als Vermögen sie durch die meine nach
Freiheitsgesetzen zu einer gewissen That zu bestimmen, (das äußere Mein und Dein
in Ansehung der Causalität eines Anderen) ist ein Recht
(dergleichen ich mehrere gegen eben dieselbe Person oder gegen Andere haben kann):
der Inbegriff (das System) der Gesetze aber, nach welchen ich in diesem
Besitz sein kann, das persönliche Recht, welches nur ein einziges ist.
Die Erwerbung eines
persönlichen Rechts kann niemals ursprünglich und eigenmächtig sein
(denn eine solche würde nicht dem Princip der Einstimmung der Freiheit meiner
Willkür mit der Freiheit von jedermann gemäß, mithin Unrecht
sein). Eben so kann ich auch nicht durch rechtswidrige That eines Anderen
(facto iniusto alterius) erwerben; denn wenn diese Läsion mir
auch selbst widerfahren wäre, und ich von dem Anderen mit Recht
Genugthuung fordern kann, so wird dadurch doch nur das Meine
unvermindert erhalten, aber nichts über das, was ich schon vorher hatte,
erworben.
Erwerbung durch die
That eines Anderen, zu der ich diesen nach Rechtsgesetzen
bestimme, ist also jederzeit von dem Seinen des Anderen abgeleitet, und diese
Ableitung als rechtlicher Act kann nicht durch diesen als einen negativen
Act, nämlich der Verlassung, oder einer auf das Seine geschehenen
Verzichtthuung (per derelictionem aut renunciationem), geschehen, denn
dadurch wird nur das Seine Eines oder des Anderen aufgehoben, aber
nichts erworben, - sondern allein durch Übertragung (translatio), welche
nur durch einen gemeinschaftlichen Willen möglich ist,
vermittelst dessen der Gegenstand immer in die Gewalt des Einen oder des
Anderen kommt, alsdann einer seinem Antheile an dieser Gemeinschaft entsagt,
und so das Object durch Annahme desselben (mithin einen positiven Act
der Willkür) das Seine wird. - Die Übertragung seines Eigenthums an
einen Anderen ist die Veräußerung. Der Act der vereinigten
Willkür zweier Personen, wodurch überhaupt das Seine des Einen auf den
Anderen übergeht, ist der Vertrag.
§ 19.
In jedem Vertrage sind zwei vorbereitende und
zwei constituirende
rechtliche Acte der Willkür; die beiden
ersteren (die des Tractirens) sind das Angebot
(oblatio) und die Billigung (approbatio) desselben; die beiden
andern (nämlich des Abschließens) sind das Versprechen
(promissum) und die Annehmung (acceptatio). - Denn ein Anerbieten kann
nicht eher ein Versprechen heißen, als wenn ich vorher urtheile, das
Angebotene (oblatum) sei etwas, was dem Promissar angenehm sein könne;
welches durch die zwei erstern Declarationen angezeigt, durch diese allein
aber noch nichts erworben wird.
Aber weder durch den
besonderen Willen des Promittenten, noch den des Promissars
(als Acceptanten) geht das Seine des ersteren zu dem letzteren über,
sondern nur durch den vereinigten Willen beider, mithin so fern beider Wille
zugleich declarirt wird. Nun ist dies aber durch empirische Actus der
Declaration, die einander nothwendig in der Zeit folgen müssen und
niemals zugleich sind, unmöglich. Denn wenn ich versprochen habe und
der Andere nun acceptiren will, so kann ich während der Zwischenzeit (so
kurz sie auch sein mag) es mich gereuen lassen, weil ich vor der
Acceptation noch frei bin; so wie anderseits der Acceptant eben darum an seine auf
das Versprechen folgende Gegenerklärung auch sich nicht für gebunden
halten darf. - Die äußern Förmlichkeiten (solennia) bei Schließung des
Vertrags [ der Handschlag, oder die Zerbrechung eines von beiden Personen
angefaßten Strohhalms (stipula) ] und alle hin und her geschehene
Bestätigungen seiner vorherigen Erklärung beweisen vielmehr die Verlegenheit der
Paciscenten, wie und auf welche Art sie die immer nur aufeinander
folgenden Erklärungen als in einem Augenblicke zugleich existirend
vorstellig machen wollen, was ihnen doch nicht gelingt: weil es immer nur in
der Zeit einander folgende Actus sind, wo, wenn der eine Act ist, der
andere entweder noch nicht, oder nicht mehr ist.
Aber die
transscendentale Deduction des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag kann
allein alle diese Schwierigkeiten heben. In einem rechtlichen äußeren
Verhältnisse wird meine Besitznehmung der Willkür eines Anderen (und so
wechselseitig), als Bestimmungsgrund desselben zu einer That, zwar
erst empirisch durch Erklärung und Gegenerklärung der Willkür eines
jeden von beiden in der Zeit, als sinnlicher Bedingung der Apprehension,
gedacht, wo beide rechtliche Acte immer nur auf einander folgen: weil jenes
Verhältniß (als ein rechtliches) rein intellectuell ist, durch den Willen
als ein gesetzgebendes Vernunftvermögen jener Besitz als ein intelligibeler
(possessio noumenon) nach Freiheitsbegriffen mit Abstraction von
jenen empirischen Bedingungen als das Mein oder Dein vorgestellt; wo
beide Acte, des Versprechens und der Annehmung, nicht als aufeinander
folgend, sondern (gleich als pactum re initum) aus einem einzigen
gemeinsamen Willen hervorgehend (welches durch das Wort zugleich
ausgedrückt wird) und der Gegenstand (promissum) durch Weglassung der
empirischen Bedingungen nach dem Gesetz der reinen praktischen Vernunft
als erworben vorgestellt wird.
Daß dieses die wahre
und einzig mögliche Deduction des Begriffs der Erwerbung durch
Vertrag sei, wird durch die mühselige und doch immer vergebliche
Bestrebung der Rechtsforscher (z. B. Moses Mendelssohns in seinem
"Jerusalem") zur Beweisführung jener Möglichkeit hinreichend
bestätigt. - Die Frage war: warum soll ich mein Versprechen halten?
Denn daß ich es soll, begreift ein jeder von selbst. Es ist aber
schlechterdings unmöglich, von diesem kategorischen Imperativ noch einen
Beweis zu führen; eben so wie es für den Geometer unmöglich
ist, durch Vernunftschlüsse zu beweisen, daß ich, um ein Dreieck zu
machen, drei Linien nehmen müsse (ein analytischer Satz), deren zwei
aber zusammengenommen größer sein müssen, als die dritte (ein
synthetischer; beide aber a priori). Es ist ein Postulat der reinen (von allen
sinnlichen Bedingungen des Raumes und der Zeit, was den
Rechtsbegriff betrifft, abstrahirenden) Vernunft, und die Lehre der
Möglichkeit der Abstraction von jenen Bedingungen, ohne daß dadurch der
Besitz desselben aufgehoben wird, ist selbst die
Deduction des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag; so wie es in dem
vorigen Titel die Lehre von der Erwerbung durch Bemächtigung der
äußeren Sache war.
§ 20.
Was ist aber das
Äußere, das ich durch den Vertrag erwerbe? Da es nur die Causalität
der Willkür des Anderen in Ansehung einer mir versprochenen
Leistung ist, so erwerbe ich dadurch unmittelbar nicht eine äußere Sache, sondern
eine That desselben, dadurch jene Sache in meine Gewalt gebracht wird,
damit ich sie zu der meinen mache. - Durch den Vertrag also erwerbe
ich das Versprechen eines Anderen (nicht das Versprochene), und doch kommt etwas
zu meiner äußeren Habe hinzu; ich bin vermögender
(locupletior) geworden durch Erwerbung einer activen Obligation auf die
Freiheit und das Vermögen des Anderen. - Dieses mein Recht aber ist
nur ein persönliches, nämlich gegen eine bestimmte physische Person, und
zwar auf ihre Causalität (ihre Willkür) zu wirken, mir etwas
zu leisten, nicht ein Sachenrecht gegen diejenige moralische Person,
welche nichts anders als die Idee der a priori vereinigten Willkür
aller ist, und wodurch ich allein ein Recht gegen jeden Besitzer
derselben erwerben kann; als worin alles Recht in einer Sache besteht.
Die Übertragung des
Meinen durch Vertrag geschieht nach dem Gesetz der Stetigkeit (lex continui), d. i. der
Besitz des Gegenstandes
ist während diesem Act keinen
Augenblick unterbrochen, denn sonst würde ich in diesem
Zustande einen Gegenstand als etwas, das keinen Besitzer hat (res
vacua), folglich ursprünglich erwerben; welches dem Begriff des
Vertrages widerspricht. - Diese Stetigkeit aber bringt es mit sich,
daß nicht eines von beiden (promittentis et acceptantis) besonderer, sondern
ihr vereinigter Wille derjenige ist, welcher das Meine auf
den Anderen überträgt; also nicht auf die Art: daß der
Versprechende zuerst seinen Besitz zum Vortheil des Anderen verläßt
(derelinquit), oder seinem Recht entsagt (renunciat), und der Andere
sogleich darin eintritt, oder umgekehrt. Die Translation ist also ein Act, in
welchem der Gegenstand einen Augenblick beiden zusammen
angehört, so wie in der parabolischen Bahn eines geworfenen Steins
dieser im Gipfel derselben einen Augenblick als im Steigen und Fallen
zugleich begriffen betrachtet werden kann und so allererst von der
steigenden Bewegung zum Fallen übergeht.
§ 21.
Eine Sache wird in
einem Vertrage nicht durch Annehmung (acceptatio) des Versprechens,
sondern nur durch Übergabe (traditio) des Versprochenen
erworben. Denn alles Versprechen geht auf eine Leistung, und wenn das
Versprochene eine Sache ist, kann jene nicht anders entrichtet werden, als durch
einen Act, wodurch der Promissar vom Promittenten in den Besitz derselben
gesetzt wird, d. i. durch die Übergabe. Vor dieser also und dem Empfang
ist die Leistung noch nicht geschehen; die Sache ist von dem Einen zu
dem Anderen noch nicht übergegangen, folglich von diesem nicht erworben
worden, mithin das Recht aus einem Vertrage nur ein persönliches und
wird nur durch die Tradition ein dingliches Recht.
Der Vertrag, auf den
unmittelbar die Übergabe folgt (pactum re initum), schließt
alle Zwischenzeit zwischen der Schließung und Vollziehung aus und
bedarf keines besonderen noch zu erwartenden Acts, wodurch das
Seine des Einen auf den Anderen übertragen wird. Aber wenn
zwischen jenen Beiden noch eine (bestimmte oder unbestimmte) Zeit zur
Übergabe bewilligt ist, frägt sich: ob die Sache schon vor dieser
durch den Vertrag das Seine des Acceptanten geworden und das Recht des
Letzteren ein Recht in der Sache sei, oder ob noch ein
besonderer Vertrag, der allein die Übergabe betrifft, dazu kommen müsse, mithin
das Recht durch die bloße Acceptation nur ein persönliches sei und
allererst durch die Übergabe ein Recht in der Sache werde. - Daß es
sich hiemit wirklich so, wie das letztere besagt, verhalte, erhellt aus
nachfolgendem:
Wenn ich einen
Vertrag über eine Sache, z. B. über ein Pferd, das ich erwerben
will, schließe und nehme es zugleich mit in meinen Stall, oder sonst in
meinen physischen Besitz, so ist es mein (vi pacti re initi), und mein
Recht ist ein Recht in der Sache; lasse ich es aber in den Händen
des Verkäufers, ohne mit ihm darüber besonders auszumachen, in
wessen physischem Besitz (Inhabung) diese Sache vor meiner Besitznehmung
(apprehensio), mithin vor dem Wechsel des Besitzes sein solle:
so ist dieses Pferd noch nicht mein, und mein Recht, was ich erwerbe, ist
nur ein Recht gegen eine bestimmte Person, nämlich den
Verkäufer, von ihm in den Besitz gesetzt zu werden (poscendi
traditionem), als subjective Bedingung der Möglichkeit alles beliebigen
Gebrauchs desselben, d. i. mein Recht ist nur ein persönliches Recht, von jenem die Leistung des
Versprechens (praestatio),
mich in den Besitz der Sache zu setzen,
zu fordern. Nun kann ich, wenn der Vertrag
nicht zugleich die Übergabe (als pactum re initum) enthält,
mithin eine Zeit zwischen dem Abschluß desselben und der Besitznehmung
des Erworbenen verläuft, in dieser Zeit nicht anders zum Besitz
gelangen, als dadurch daß ich einen besonderen rechtlichen, nämlich
einen Besitzact (actum possessorium) ausübe, der einen besonderen
Vertrag ausmacht, und dieser ist: daß ich sage, ich werde die Sache
(das Pferd) abholen lassen, wozu der Verkäufer einwilligt. Denn daß
dieser eine Sache zum Gebrauche eines Anderen auf eigene Gefahr in
seine Gewahrsame nehmen werde, versteht sich nicht von
selbst, sondern dazu gehört ein besonderer Vertrag, nach welchem der
Veräußerer seiner Sache innerhalb der bestimmten Zeit noch immer
Eigenthümer bleibt (und alle Gefahr, die die Sache treffen möchte,
tragen muß), der Erwerbende aber nur dann, wenn er über diese
Zeit zögert, von dem Verkäufer dafür angesehen werden kann, als sei
sie ihm überliefert. Vor diesem Besitzact ist also alles durch den
Vertrag Erworbene nur ein persönliches Recht, und der Promissar
kann eine äußere Sache nur durch Tradition erwerben.
Dritter Abschnitt. Von dem auf dingliche
Art persönlichen Recht.
§ 22.
Dieses Recht ist das
des Besitzes eines äußeren Gegenstandes als einer Sache und des
Gebrauchs desselben als einer Person. - Das Mein und Dein nach
diesem Recht ist das häusliche, und das Verhältniß in diesem Zustande ist
das der Gemeinschaft freier Wesen, die durch den wechselseitigen
Einfluß (der Person des einen auf das andere) nach dem Princip der
äußeren Freiheit (Causalität) eine Gesellschaft von Gliedern eines Ganzen
(in Gemeinschaft stehender Personen) ausmachen, welches das Hauswesen
heißt. - Die Erwerbungsart dieses Zustandes und in
demselben geschieht weder durch eigenmächtige That (facto), noch durch
bloßen Vertrag (pacto), sondern durchs Gesetz (lege), welches, weil es kein
Recht in einer Sache, auch nicht ein bloßes Recht gegen eine Person,
sondern auch ein Besitz derselben zugleich ist, ein über alles Sachen= und
persönliche hinaus liegendes Recht, nämlich das Recht der Menschheit in
unserer eigenen Person sein muß, welches ein natürliches Erlaubnißgesetz zur
Folge hat, durch dessen Gunst uns eine solche Erwerbung möglich
ist.
§ 23.
Die Erwerbung nach
diesem Gesetz ist dem Gegenstande nach dreierlei: Der Mann erwirbt ein
Weib, das Paar erwirbt Kinder und die Familie Gesinde. -
Alles dieses Erwerbliche ist zugleich unveräußerlich und das Recht des
Besitzers dieser Gegenstände das allerpersönlichste.
Des Rechts der
häuslichen Gesellschaft erster Titel: Das Eherecht.
§ 24.
Geschlechtsgemeinschaft (commercium sexuale)
ist der wechselseitige Gebrauch, den ein
Mensch von eines anderen Geschlechtsorganen und Vermögen macht
(usus membrorum et facultatum sexualium alterius), und entweder ein
natürlicher (wodurch seines Gleichen erzeugt werden kann), oder
unnatürlicher Gebrauch und dieser entweder an einer Person
ebendesselben Geschlechts, oder einem Thiere von einer anderen als der
Menschen=gattung; Welche Übertretungen der Gesetze, unnatürliche Laster (crimina carnis contra naturam), die
auch unnennbar
heißen, als Läsion der Menschheit in
unserer eigenen Person durch gar keine Einschränkungen
und Ausnahmen wider die gänzliche Verwerfung gerettet werden
können.
Die natürliche
Geschlechtsgemeinschaft ist nun entweder die nach der bloßen thierischen Natur (vaga libido, venus
volgivaga, fornicatio), oder
nach dem Gesetz. - Die letztere ist die Ehe
(matrimonium), d. i. die
verbindung zweier Personen verschiedenen
Geschlechts zum lebenswierigen
wechselseitigen Besitz ihrer
Geschlechtseigenschaften. - Der Zweck, Kinder zu erzeugen und zu
erziehen, mag immer ein Zweck der Natur sein, zu welchem sie die
Neigung der Geschlechter gegeneinander einpflanzte; aber daß der Mensch, der
sich verehlicht, diesen Zweck sich vorsetzen müsse, wird zur
Rechtmäßigkeit dieser seiner Verbindung nicht erfordert; denn sonst würde, wenn das
Kinderzeugen aufhört, die Ehe sich zugleich von selbst auflösen.
Es ist nämlich, auch
unter Voraussetzung der Lust zum wechselseitigen Gebrauch ihrer
Geschlechtseigenschaften, der Ehevertrag kein beliebiger, sondern durchs Gesetz
der Menschheit nothwendiger Vertrag, d. i. wenn Mann und Weib
einander ihren Geschlechtseigenschaften nach wechselseitig genießen wollen, so
müssen sie sich nothwendig verehlichen, und dieses ist nach Rechtsgesetzen
der reinen Vernunft nothwendig.
§ 25.
Denn der natürliche
Gebrauch, den ein Geschlecht von den Geschlechtsorganen des anderen macht,
ist ein Genuß, zu dem sich ein Theil dem anderen hingiebt. In
diesem Act macht sich ein Mensch selbst zur Sache, welches dem Rechte
der Menschheit an seiner eigenen Person widerstreitet. Nur unter der
einzigen Bedingung ist dieses möglich, daß, indem die eine Person von der
anderen gleich als Sache erworben wird, diese gegenseitig wiederum jene
erwerbe; denn so gewinnt sie wiederum sich selbst und stellt ihre
Persönlichkeit wieder her. Es
ist aber der Erwerb eines
Gliedmaßes am Menschen zugleich
Erwerbung der ganzen Person, - weil diese eine
absolute Einheit ist; - folglich ist die Hingebung und Annehmung eines Geschlechts zum
Genuß des andern nicht allein unter der Bedingung der Ehe
zulässig, sondern auch allein unter derselben möglich. Daß aber dieses persönliche Recht es doch
zugleich auf dingliche
Art sei, gründet sich darauf, weil,
wenn eines der Eheleute sich verlaufen, oder sich in eines
Anderen Besitz gegeben hat, das andere es jederzeit und unweigerlich
gleich als eine Sache in seine Gewalt zurückzubringen berechtigt ist.
§ 26.
Aus denselben Gründen
ist das Verhältniß der Verehlichten ein Verhältniß der
Gleichheit des Besitzes, sowohl der Personen, die einander wechselseitig
besitzen (folglich nur in Monogamie, denn in einer Polygamie gewinnt die
Person, die sich weggiebt, nur einen Theil desjenigen, dem sie ganz anheim
fällt, und macht sich also zur bloßen Sache), als auch der
Glücksgüter, wobei sie doch die Befugniß haben, sich, obgleich nur durch einen
besonderen Vertrag, des Gebrauchs eines Theils derselben zu begeben.
Daß der Concubinat
keines zu Recht beständigen Contracts fähig sei, so wenig
als die Verdingung einer Person zum einmaligen Genuß (pactum
fornicationis), folgt aus dem obigen Grunde. Denn was den letzteren
Vertrag betrifft: so wird jedermann gestehen, daß die Person, welche
ihn geschlossen hat, zur Erfüllung ihres Versprechen rechtlich nicht
angehalten werden könnte, wenn es ihr gereuete; und so fällt auch der
erstere, nämlich der des Concubinats, (als pactum turpe)
weg, weil dieser ein Contract der Verdingung (locatio-conductio)
sein würde und zwar eines Gliedmaßes zum Gebrauch eines Anderen,
mithin wegen der unzertrennlichen Einheit der Glieder an einer
Person diese sich selbst als Sache der Willkür des Anderen hingeben
würde; daher jeder Theil den eingegangenen Vertrag mit dem
anderen aufheben kann, so bald es ihm beliebt, ohne daß der andere
über Läsion seines Rechts gegründete Beschwerde führen kann. - Eben
dasselbe gilt auch von der Ehe an der linken Hand, um die
Ungleichheit des Standes beider Theile zur größeren Herrschaft des einen
Theils über den anderen zu benutzen; denn in der That ist sie nach
dem bloßen Naturrecht vom Concubinat nicht unterschieden und
keine wahre Ehe. - Wenn daher die Frage ist: ob es auch der
Gleichheit der Verehlichten als solcher widerstreite, wenn das Gesetz von
dem Manne in Verhältniß auf das Weib sagt: er soll dein Herr (er
der befehlende, sie der gehorchende Theil) sein, so kann dieses nicht
als der natürlichen Gleichheit eines Menschenpaares widerstreitend
angesehen werden, wenn dieser Herrschaft nur die natürliche Überlegenheit des Vermögens des
Mannes über das
weibliche in Bewirkung des
gemeinschaftlichen Interesse des Hauswesens und des darauf
gegründeten Rechts zum Befehl zum Grunde liegt, welches daher
selbst aus der Pflicht der Einheit und Gleichheit in Ansehung des
Zwecks abgeleitet werden kann.
§ 27.
Der Ehe=Vertrag wird
nur durch eheliche Beiwohnung (copula carnalis) vollzogen.
Ein Vertrag zweier Personen beiderlei Geschlechts mit dem geheimen
Einverständniß entweder sich der fleischlichen Gemeinschaft zu enthalten, oder
mit dem Bewußtsein eines oder beider Theile, dazu unvermögend zu
sein, ist ein simulirter Vertrag und stiftet keine Ehe; kann auch durch
jeden von beiden nach Belieben aufgelöset werden. Tritt aber das
Unvermögen nur nachher ein, so kann jenes Recht durch diesen
unverschuldeten Zufall nichts einbüßen.
Die Erwerbung einer
Gattin oder eines Gatten geschieht also nicht facto (durch die
Beiwohnung) ohne vorhergehenden Vertrag, auch nicht pacto (durch den
bloßen ehelichen Vertrag ohne nachfolgende Beiwohnung), sondern nur lege: d.
i. als rechtliche Folge aus der Verbindlichkeit in eine Geschlechtsverbindung
nicht anders, als vermittelst des wechselseitigen Besitzes der
Personen, als welcher nur durch den gleichfalls wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenthümlichkeiten
seine Wirklichkeit erhält, zu treten.
Des Rechts der
häuslichen Gesellschaft zweiter Titel: Das Elternrecht.
§ 28.
Gleichwie aus der
Pflicht des Menschen gegen sich selbst, d. i. gegen die Menschheit in
seiner eigenen Person, ein Recht (ius personale) beider Geschlechter
entsprang, sich als Personen wechselseitig einander auf dingliche Art durch Ehe zu
erwerben: so folgt aus der Zeugung in dieser Gemeinschaft eine
Pflicht der Erhaltung und Versorgung in Absicht auf ihr Erzeugniß, d. i.
die Kinder als Personen haben hiemit zugleich ein
ursprünglich=angebornes (nicht angeerbtes) Recht auf ihre Versorgung durch die Eltern, bis
sie vermögend sind, sich selbst zu erhalten; und zwar durchs Gesetz (lege)
unmittelbar, d. i. ohne daß ein besonderer rechtlicher Act dazu erforderlich
ist.
Denn da das Erzeugte
eine Person ist, und es unmöglich ist, sich von der Erzeugung
eines mit Freiheit begabten Wesens durch eine physische Operation einen
Begriff zu machen*): so ist es eine in praktischer Hinsicht ganz
richtige und auch nothwendige Idee, den Act der Zeugung als einen solchen
anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt
und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche That auf
den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren
Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen. - Sie können
ihr Kind nicht gleichsam als ihr Gemächsel (denn ein solches kann kein
mit Freiheit begabtes Wesen sein) und als ihr Eigenthum zerstören oder es
auch nur dem Zufall überlassen, weil an ihm nicht bloß ein Weltwesen,
sondern auch ein Weltbürger in einen Zustand herüber gezogen, der ihnen
nun auch nach Rechtsbegriffen nicht gleichgültig sein kann.
§ 29.
Aus dieser Pflicht
entspringt auch nothwendig das Recht der Eltern zur Handhabung und
Bildung des Kindes, so lange es des eigenen Gebrauchs seiner
Gliedmaßen, imgleichen des Verstandesgebrauchs noch nicht mächtig ist,
außer der Ernährung und Pflege es zu erziehen und sowohl pragmatisch,
damit es künftig sich selbst erhalten und fortbringen könne, als auch
moralisch, weil sonst die Schuld ihrer Verwahrlosung auf die Eltern fallen
würde, - es zu bilden; Alles bis zur Zeit der Entlassung (emancipatio), da
diese sowohl ihrem väterlichen Recht zu befehlen, als auch allem
Anspruch auf Kostenerstattung für ihre bisherige Verpflegung und Mühe entsagen,
wofür und nach vollendeter Erziehung sie der Kinder ihre
Verbindlichkeit (gegen die Eltern) nur als bloße Tugendpflicht, nämlich als
Dankbarkeit, in Anschlag bringen können.
Aus dieser
Persönlichkeit der erstern folgt nun auch, daß, da die Kinder nie als
Eigenthum der Eltern angesehen werden können, aber doch zum Mein und Dein
derselben gehören (weil sie gleich den Sachen im Besitz der Eltern
sind und aus jedes Anderen Besitz, selbst wider ihren Willen, in diesen
zurückgebracht werden können), das Recht der ersteren kein bloßes
Sachenrecht, mithin nicht veräußerlich (ius personalissimum), aber auch nicht ein
bloß persönliches, sondern ein auf dingliche Art persönliches Recht
ist.
Hiebei fällt also in
die Augen, daß der Titel eines auf dingliche Art persönlichen
Rechts in der Rechtslehre noch über dem des Sachen= und persönlichen
Rechts nothwendig hinzukommen müsse, jene bisherige Eintheilung also
nicht vollständig gewesen ist, weil, wenn von dem Recht der Eltern an den
Kindern als einem Stück ihres Hauses die Rede ist, jene sich nicht bloß
auf die Pflicht der Kinder berufen dürfen, zurückzukehren, wenn sie entlaufen
sind, sondern sich ihrer als Sachen (verlaufener Hausthiere) zu
bemächtigen und sie einzufangen berechtigt sind.
Des Rechts der
häuslichen Gesellschaft dritter Titel: Das Hausherren=Recht.
§ 30.
Die Kinder des
Hauses, die mit den Eltern zusammen eine Familie ausmachten, werden
auch ohne allen Vertrag der Aufkündigung ihrer bisherigen Abhängigkeit, durch
die bloße Gelangung zu dem Vermögen ihrer Selbsterhaltung (so
wie es theils als natürliche Volljährigkeit dem allgemeinen Laufe der Natur
überhaupt, theils ihrer besonderen Naturbeschaffenheit gemäß eintritt),
mündig (maiorennes), d. i. ihre eigene Herren (sui iuris),
und erwerben dieses Recht ohne besonderen rechtlichen Act, mithin bloß
durchs Gesetz (lege) - sind den Eltern für ihre Erziehung nichts schuldig, so
wie gegenseitig die letzteren ihrer Verbindlichkeit gegen diese auf
ebendieselbe Art loswerden, hiemit beide ihre natürliche Freiheit gewinnen
oder wieder gewinnen - die häusliche Gesellschaft aber, welche nach dem
Gesetz nothwendig war, nunmehr aufgelöset wird.
Beide Theile können
nun wirklich ebendasselbe Hauswesen, aber in einer anderen Form
der Verpflichtung, nämlich als Verknüpfung des Hausherren mit dem
Gesinde (den Dienern oder Dienerinnen des Hauses), mithin eben diese
häusliche Gesellschaft, aber jetzt als hausherrliche (societas herilis)
erhalten, durch einen Vertrag, durch den der erstere mit den mündig gewordenen
Kindern, oder, wenn die Familie keine Kinder hat, mit anderen
freien Personen (der Hausgenossenschaft) eine häusliche Gesellschaft stiften,
welche eine ungleiche Gesellschaft (des Gebietenden oder der Herrschaft
und der Gehorchenden, d. i. der Dienerschaft, imperantis et subiecti
domestici) sein würde.
Das Gesinde gehört
nun zu dem Seinen des Hausherrn und zwar, was die Form (den
Besitzstand) betrifft, gleich als nach einem Sachenrecht; denn der Hausherr
kann, wenn es ihm entläuft, es durch einseitige Willkür in seine
Gewalt bringen; was aber die Materie betrifft, d. i. welchen Gebrauch er
von diesen seinen Hausgenossen machen kann, so kann er sich nie als
Eigenthümer desselben (dominus servi) betragen: weil er nur durch
Vertrag unter seine Gewalt gebracht ist, ein Vertrag aber, durch den ein
Theil zum Vortheil des anderen auf seine ganze Freiheit Verzicht
thut, mithin aufhört, eine Person zu sein, folglich auch keine Pflicht hat,
einen Vertrag zu halten, sondern nur Gewalt anerkennt, in sich selbst
widersprechend, d. i. null und nichtig, ist. (Von dem Eigenthumsrecht gegen den, der sich
durch ein Verbrechen seiner Persönlichkeit verlustig gemacht
hat, ist hier nicht die Rede.)
Dieser Vertrag also
der Hausherrschaft mit dem Gesinde kann nicht von solcher
Beschaffenheit sein, daß der Gebrauch desselben ein Verbrauch sein würde, worüber
das Urtheil aber nicht bloß dem Hausherrn, sondern auch der
Dienerschaft (die also nie Leibeigenschaft sein kann) zukommt; kann also nicht auf
lebenslängliche, sondern allenfalls nur auf unbestimmte Zeit,
binnen der ein Theil dem anderen die Verbindung aufkündigen darf, geschlossen
werden. Die Kinder aber (selbst die eines durch sein Verbrechen zum
Sklaven Gewordenen) sind jederzeit frei. Denn frei geboren ist jeder
Mensch, weil er noch nichts verbrochen hat, und die Kosten der Erziehung
bis zu seiner Volljährigkeit können ihm auch nicht als eine Schuld
angerechnet werden, die er zu tilgen habe. Denn der Sklave müßte, wenn er
könnte, seine Kinder auch erziehen, ohne ihnen dafür Kosten zu
verrechnen; der Besitzer des Sklaven tritt also bei dieses seinem Unvermögen in
die Stelle seiner Verbindlichkeit.
Man sieht also auch
hier, wie unter beiden vorigen Titeln, daß es ein auf dingliche Art
persönliches Recht (der Herrschaft über das Gesinde) gebe: weil man sie
zurück holen und als das äußere Seine von jedem Besitzer abfordern kann, ehe
noch die Gründe, welche sie dazu vermocht haben mögen, und ihr Recht
untersucht werden dürfen.
Dogmatische
Eintheilung aller erwerblichen
Rechte aus Verträgen.
§ 31.
Von einer metaphysischen
Rechtslehre kann gefordert werden, daß sie a priori die Glieder
der Eintheilung (divisio logica) vollständig und bestimmt aufzähle und so ein
wahres System derselben aufstelle; statt dessen alle
empirische Eintheilung bloß fragmentarisch (partitio) ist und es ungewiß
läßt, ob es nicht noch mehr Glieder gebe, welche zur Ausfüllung der ganzen
Sphäre des eingetheilten Begriffs erfordert würden. - Eine
Eintheilung nach einem Princip a priori (im Gegensatz der empirischen) kann
man nun dogmatisch nennen.
Aller Vertrag besteht
an sich, d. i. objectiv betrachtet, aus zwei rechtlichen Acten:
dem Versprechen und der Annehmung desselben; die Erwerbung durch die
letztere (wenn es nicht ein pactum re initum ist, welches Übergabe
erfordert) ist nicht ein Theil, sondern die rechtlich nothwendige Folge
desselben. - Subjectiv aber erwogen, d. i. als Antwort auf die
Frage: ob jene nach der Vernunft nothwendige Folge (welche die Erwerbung
sein sollte) auch wirklich erfolgen (physische Folge sein) werde, dafür
habe ich durch die Annehmung des Versprechens noch keine
Sicherheit. Diese ist also, als äußerlich zur Modalität des Vertrages, nämlich
der Gewißheit der Erwerbung durch denselben, gehörend, ein
Ergänzungsstück zur Vollständigkeit der Mittel zur Erreichung der Absicht des
Vertrags, nämlich der Erwerbung. - Es treten zu diesem Behuf drei
Personen auf: der Promittent, der Acceptant und der Cavent; durch
welchen letzteren und seinen besonderen Vertrag mit dem Promittenten
der Acceptant zwar nichts mehr in Ansehung des Objects, aber doch
der Zwangsmittel gewinnt, zu dem Seinen zu gelangen.
Nach diesen
Grundsätzen der logischen (rationalen) Eintheilung giebt es nun eigentlich nur
drei einfache und reine Vertragsarten, der vermischten aber und empirischen,
welche zu den Principien des Mein und Dein nach bloßen
Vernunftgesetzen noch statutarische und conventionelle hinzuthun, giebt es
unzählige, sie liegen aber außerhalb dem Kreise der metaphysischen
Rechtslehre, die hier allein verzeichnet werden soll.
Alle Verträge nämlich
haben entweder A. einseitigen Erwerb (wohlthätiger
Vertrag), oder B. wechselseitigen (belästigter Vertrag), oder gar keinen
Erwerb, sondern nur C. Sicherheit des Seinen (der
einerseits wohlthätig, anderseits doch auch zugleich belästigend sein
kann) zur Absicht.
A. Der wohlthätige Vertrag (pactum gratuitum)
ist:
a) Die Aufbewahrung des anvertrauten
Guts (depositum), b) Das Verleihen
einer Sache (commodatum), c) Die Verschenkung
(donatio).
B. Der belästigte
Vertrag. I. Der
Veräußerungsvertrag (permutatio late sic dicta). A) Der Tausch
(permutatio stricte sic dicta). Waare gegen Waare. B) Der Kauf und
Verkauf (emtio venditio). Waare gegen Geld. C) Die Anleihe
(mutuum): Veräußerung einer Sache unter der Bedingung, sie nur
der Species nach wieder zu erhalten (z. B. Getreide gegen
Getreide, oder Geld gegen Geld).
II. Der
Verdingungsvertrag (locatio conductio). a. Die Verdingung
meiner Sache an einen Andern zum Gebrauch derselben (locatio
rei), welche, wenn sie nur in Specie wiedererstattet
werden darf, als belästigter Vertrag auch mit Verzinsung verbunden sein kann
(pactum usurarium). b. Der Lohnvertrag
(locatio operae), d. i. die Bewilligung des Gebrauchs meiner
Kräfte an einen Anderen für einen bestimmten Preis (merces). Der
Arbeiter nach diesem Vertrage ist der Lohndiener (mercennarius). g. Der
Bevollmächtigungsvertrag (mandatum): Die Geschäftsführung an der Stelle und im
Namen eines Anderen, welche, wenn sie bloß an des
Anderen Stelle, nicht zugleich in seinem (des Vertretenen) Namen
geführt wird, Geschäftsführung ohne Auftrag (gestio
negotii), wird sie aber im Namen des Anderen verrichtet, Mandat
heißt, das hier als Verdingungsvertrag ein belästigter Vertrag
(mandatum onerosum) ist.
C. Der Zusicherungsvertrag
(cautio). a) Die Verpfändung
und Pfandnehmung zusammen (pignus). b) Die Gutsagung für
das Versprechen eines Anderen (fideiussio). c) Die persönliche
Verbürgung (praestatio obsidis).
In dieser Tafel aller
Arten der Übertragung (translatio) des Seinen auf einen
Anderen finden sich Begriffe von Objecten oder Werkzeugen dieser
Übertragung vor, welche ganz empirisch zu sein und selbst ihrer
Möglichkeit nach in einer metaphysischen Rechtslehre eigentlich nicht
Platz haben, in der die Eintheilungen nach Principien a priori
gemacht werden müssen, mithin von der Materie des Verkehrs (welche
conventionell sein könnte) abstrahirt und bloß auf die Form gesehen
werden muß, dergleichen der Begriff des Geldes im Gegensatz
mit aller anderen veräußerlichen Sache, nämlich der Waare, im Titel
des Kaufs und Verkaufs, oder der eines Buchs ist. -
Allein es wird sich zeigen, daß jener Begriff des größten und
brauchbarsten aller Mittel des Verkehrs der Menschen mit Sachen, Kauf und
Verkauf (Handel) genannt, imgleichen der eines Buchs, als das
des größten Verkehrs der Gedanken, sich doch in lauter
intellectuelle Verhältnisse auflösen lasse und so die Tafel der reinen Verträge
nicht durch empirische Beimischung verunreinigen dürfe.
I. Was ist Geld?
Geld ist eine Sache,
deren Gebrauch nur dadurch möglich ist, daß man sie
veräußert. Dies ist eine gute Namenerklärung desselben (nach Achenwall),
nämlich hinreichend zur Unterscheidung dieser Art Gegenstände der
Willkür von allen andern; aber sie giebt uns keinen Aufschluß über die
Möglichkeit einer solchen Sache. Doch sieht man so viel daraus: daß
erstlich diese Veräußerung im Verkehr nicht als Verschenkung, sondern als zur
wechselseitigen Erwerbung (durch ein pactum onerosum)
beabsichtigt ist; zweitens daß, da es als ein (in einem Volke)
allgemein beliebtes bloßes Mittel des Handels, was an sich keinen Werth
hat, im Gegensatz einer Sache als Waare (d. i. desjenigen, was einen solchen hat
und sich auf das besondere Bedürfniß eines oder des anderen im
Volk bezieht) gedacht wird, es alle Waare repräsentirt.
Ein Scheffel Getreide
hat den größten directen Werth als Mittel zu menschlichen
Bedürfnissen. Man kann damit Thiere futtern, die uns zur Nahrung, zur Bewegung
und zur Arbeit an unserer statt, und dann auch vermittelst desselben
also Menschen vermehren und erhalten, welche nicht allein jene
Naturproducte immer wieder erzeugen, sondern auch durch Kunstproducte allen
unseren Bedürfnissen zu Hülfe kommen können: zur Verfertigung unserer
Wohnung, Kleidung, ausgesuchten Genusse und aller Gemächlichkeit
überhaupt, welche die Güter der Industrie ausmachen. Der Werth des Geldes
ist dagegen nur indirect. Man kann es selbst nicht genießen, oder
als ein solches irgend wozu unmittelbar gebrauchen; aber doch ist es ein
Mittel, was unter allen Sachen von der höchsten Brauchbarkeit ist.
Hierauf läßt sich
vorläufig eine Realdefinition des Geldes gründen: es ist das allgemeine
Mittel den Fleiß der Menschen gegen einander zu
verkehren, so: daß der Nationalreichthum, in sofern er vermittelst des
Geldes erworben worden, eigentlich nur die Summe des Fleißes ist, mit dem
Menschen sich untereinander lohnen, und welcher durch das in dem Volk
umlaufende Geld repräsentirt wird.
Die Sache nun, welche
Geld heißen soll, muß also selbst so viel Fleiß gekostet haben,
um sie hervorzubringen, oder auch anderen Menschen in die Hände zu
schaffen, daß dieser demjenigen Fleiß, durch welchen die Waare (in Natur=
oder Kunstproducten) hat erworben werden müssen, und gegen
welchen jener ausgetauscht wird, gleich komme. Denn wäre es leichter den
Stoff, der Geld heißt, als die Waare anzuschaffen, so käme mehr Geld zu
Markte, als Waare feil steht, und weil der Verkäufer mehr Fleiß auf seine Waare verwenden müßte, als
der Käufer, dem das
Geld schneller zuströmt: so würde der
Fleiß in Verfertigung der Waare und so das Gewerbe
überhaupt mit dem Erwerbfleiß, der den öffentlichen Reichthum zu Folge
hat, zugleich schwinden und verkürzt werden. - Daher können Banknoten
und Assignaten nicht für Geld angesehen werden, ob sie gleich eine
Zeit hindurch die Stelle desselben vertreten: weil es beinahe gar keine Arbeit
kostet, sie zu verfertigen, und ihr Werth sich bloß auf die Meinung der
ferneren Fortdauer der bisher gelungenen Umsetzung derselben in
Baarschaft gründet, welche bei einer etwanigen Entdeckung, daß die letztere
nicht in einer zum leichten und sicheren Verkehr hinreichenden Menge da sei,
plötzlich verschwindet und den Ausfall der Zahlung unvermeidlich macht.
- So ist der Erwerbfleiß derer, welche die Gold= und Silberbergwerke
in Peru oder Neumexico anbauen, vornehmlich bei den so vielfältig
mißlingenden Versuchen eines vergeblich angewandten Fleißes im Aufsuchen
der Erzgänge, wahrscheinlich noch größer, als der auf Verfertigung der
Waaren in Europa verwendete und würde als unvergolten, mithin von selbst
nachlassend, jene Länder bald in Armuth sinken lassen, wenn
nicht der Fleiß Europens dagegen, eben durch diese Materialien gereizt,
sich proportionirlich zugleich erweiterte, um bei jenen die Lust zum Bergbau
durch ihnen angebotene Sachen des Luxus beständig rege zu erhalten: so
daß immer Fleiß gegen Fleiß in Concurrenz kommen.
Wie ist es aber
möglich, daß das, was anfänglich Waare war, endlich Geld ward? Wenn ein
großer und machthabender Verthuer einer Materie, die er anfangs bloß
zum Schmuck und Glanz seiner Diener (des Hofes) brauchte (z. B. Gold,
Silber, Kupfer, oder eine Art schöner Muschelschalen, Kauris, oder auch wie
in Kongo eine Art Matten, Makuten genannt, oder wie am
Senegal Eisenstangen und auf der Guineaküste selbst Negersklaven),
d. i. wenn ein Landesherr die Abgaben von seinen Unterthanen in dieser
Materie (als Waare) einfordert und die, deren Fleiß in Anschaffung
derselben dadurch bewegt werden soll, mit eben denselben nach Verordnungen des
Verkehrs unter und mit ihnen überhaupt (auf einem Markt oder
einer Börse) wieder lohnt. - Dadurch allein hat (meinem Bedünken
nach) eine Waare ein gesetzliches Mittel des Verkehrs des Fleißes der
Unterthanen unter einander und hiemit auch des Staatsreichthums, d.
i. Geld, werden können.
Der intellectuelle
Begriff, dem der empirische vom Gelde untergelegt ist, ist also der von
einer Sache, die, im Umlauf des Besitzes Begriffen (permutatio publica),
den Preis aller anderen Dinge (Waaren) bestimmt, unter welche letztere
sogar Wissenschaften, so fern sie Anderen nicht umsonst gelehrt werden,
gehören: dessen Menge also in einem Volk die Begüterung (opulentia) desselben ausmacht. Denn Preis
(pretium) ist das
öffentliche Urtheil über den Werth
(valor) einer Sache in Verhältniß auf die
proportionirte Menge desjenigen, was das allgemeine stellvertretende Mittel der
gegenseitigen Vertauschung des Fleißes (des Umlaufs) ist. - Daher werden,
wo der Verkehr groß ist, weder Gold noch Kupfer für
eigentliches Geld, sondern nur für Waare gehalten: weil von dem ersteren zu
wenig, vom anderen zu viel da ist, um es leicht in Umlauf zu bringen und
dennoch in so kleinen Theilen zu haben, als zum Umsatz gegen Waare,
oder eine Menge derselben im kleinsten Erwerb nöthig ist. Silber
(weniger oder mehr mit Kupfer versetzt) wird daher im großen Verkehr der
Welt für das eigentliche Material des Geldes und den Maßstab der
Berechnung aller Preise genommen; die übrigen Metalle (noch viel mehr also
die unmetallischen Materien) können nur in einem Volk von kleinem
Verkehr statt finden. - Die erstern beiden, wenn sie nicht bloß gewogen, sondern
auch gestempelt, d. i. mit einem Zeichen, für wie viel sie gelten
sollen, versehen worden, sind gesetzliches Geld, d. i. Münze.
"Geld ist also
(nach Adam Smith) derjenige Körper, dessen Veräußerung das Mittel und
zugleich der Maßstab des Fleißes ist, mit welchem Menschen und Völker
unter einander Verkehr treiben." - Diese Erklärung führt den
empirischen Begriff des Geldes dadurch auf den intellectuellen hinaus, daß sie nur
auf die Form der wechselseitigen Leistungen im belästigten
Vertrage sieht (und von dieser ihrer Materie abstrahirt), und so auf Rechtsbegriff
in der Umsetzung des Mein und Dein (commutatio late sic
dicta) überhaupt, um die obige Tafel einer dogmatischen Eintheilung a priori,
mithin der Metaphysik des Rechts als eines Systems angemessen
vorzustellen.
II. Was ist ein Buch?
Ein Buch ist eine
Schrift (ob mit der Feder oder durch Typen, auf wenig oder viel
Blättern verzeichnet, ist hier gleichgültig), welche eine Rede vorstellt, die
jemand durch sichtbare Sprachzeichen an das Publicum hält. - Der, welcher
zu diesem in seinem eigenen Namen spricht, heißt der Schriftsteller
(autor). Der, welcher durch eine Schrift im Namen eines Anderen (des
Autors) öffentlich redet, ist der Verleger. Dieser, wenn er es mit Jenes
seiner Erlaubniß thut, ist der rechtmäßige; thut er es aber ohne dieselbe,
der unrechtmäßige Verleger, d. i. der Nachdrucker. Die Summe aller
Copeien der Urschrift (Exemplare) ist der Verlag.
Der Büchernachdruck
ist von rechtswegen verboten.
Schrift ist nicht
unmittelbar Bezeichnung eines Begriffs (wie etwa ein Kupferstich,
der als Porträt, oder ein Gypsabguß, der als die Büste eine bestimmte
Person vorstellt), sondern eine Rede ans Publicum, d. i. der
Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. - Dieser aber, nämlich der
Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius, den Drucker) nicht in
seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben);
sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er also nur durch eine
ihm von dem letzteren ertheilte Vollmacht (mandatum) berechtigt ist. - Nun
spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen Verlag zwar auch im
Namen des Schriftstellers, aber ohne dazu Vollmacht von
demselben zu haben (gerit se mandatarium absque mandato); folglich
begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin einzig rechtmäßigen)
Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vortheils, den der letztere aus
dem Gebrauch seines Rechts ziehen konnte und wollte (furtum usus);
also ist der Büchernachdruck von rechtswegen verboten.
Die Ursache des
rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten Anblick so stark
auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, liegt darin: daß das
Buch einerseits ein körperliches Kunstproduct (opus mechanicum)
ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich im rechtmäßigen
Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran ein Sachenrecht statt
hat: andrerseits aber ist das Buch auch bloße Rede des Verlegers
ans Publicum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom Verfasser zu haben,
öffentlich nicht nachsprechen darf (praestatio operae), ein persönliches
Recht, und nun besteht der Irrthum darin, daß beides mit einander
verwechselt wird.
Die Verwechselung des
persönlichen Rechts mit dem Sachenrecht ist noch in einem
anderen, unter den Verdingungsvertrag gehörigen Falle (B, II, a), nämlich
dem der Einmiethung (ius incolatus), ein Stoff zu Streitigkeiten. - Es
frägt sich nämlich: ist der Eigenthümer, wenn er sein an jemanden
vermiethetes Haus (oder seinen Grund) vor Ablauf der Miethszeit an einen
Anderen verkauft, verbunden, die Bedingung der fortdauernden Miethe
dem Kaufcontracte beizufügen, oder kann man sagen: Kauf bricht
Miethe (doch in einer durch den Gebrauch bestimmten Zeit der
Aufkündigung)? - Im ersteren Fall hätte das Haus wirklich eine Belästigung
(onus) auf sich liegend, ein Recht in dieser Sache, das der Miether sich an
derselben (dem Hause) erworben hätte; welches auch wohl geschehen kann
(durch Ingrossation des Miethscontracts auf das Haus), aber alsdann
kein bloßer Miethscontract sein würde, sondern wozu noch ein anderer
Vertrag (dazu sich nicht viel Vermiether verstehen würden) hinzukommen müßte.
Also gilt der Satz: "Kauf bricht Miethe", d. i. das volle Recht in
einer Sache (das Eigenthum) überwiegt alles persönliche Recht, was mit ihm nicht
zusammen bestehen kann; wobei doch die Klage aus dem Grunde
des letzteren dem Miether offen bleibt, ihn wegen des aus der
Zerreißung des Contracts entspringenden Nachtheils schadenfrei zu halten.
Episodischer
Abschnitt. Von der idealen
Erwerbung eines äußeren Gegenstandes der Willkür.
§ 32.
Ich nenne diejenige
Erwerbung ideal, die keine Causalität in der Zeit enthält, mithin
eine bloße Idee der reinen Vernunft zum Grunde hat. Sie ist
nichtsdestoweniger wahre, nicht eingebildete Erwerbung und heißt nur darum
nicht real, weil der Erwerbact nicht empirisch ist, indem das Subject von
einem Anderen, der entweder noch nicht ist (von dem man bloß die
Möglichkeit annimmt, daß er sei), oder, indem dieser eben aufhört zu sein,
oder, wenn er nicht mehr ist, erwirbt, mithin die Gelangung zum
Besitz eine bloße praktische Idee der Vernunft ist. - Es sind die drei
Erwerbungsarten: 1) durch Ersitzung, 2) durch Beerbung, 3) durch
unsterbliches Verdienst (meritum immortale), d. i. der Anspruch auf den
guten Namen nach dem Tode. Alle drei können zwar nur im öffentlichen
rechtlichen Zustande ihren Effect haben, gründen sich aber nicht nur auf
der Constitution desselben und willkürlichen Statuten, sondern sind auch a
priori im Naturzustande und zwar nothwendig zuvor denkbar, um hernach
die Gesetze in der bürgerlichen Verfassung darnach einzurichten (sunt
iuris naturae).
I. Die Erwerbungsart
durch Ersitzung. § 33.
Ich erwerbe das
Eigenthum eines Anderen bloß durch den langen Besitz (usucapio);
nicht weil ich dieses seine Einwilligung dazu rechtmäßig voraussetzen darf
(per consensum praesumtum), noch weil ich, da er nicht
widerspricht, annehmen kann, er habe seine Sache aufgegeben (rem derelictam),
sondern weil, wenn es auch einen wahren und auf diese Sache als Eigenthümer
Anspruch Machenden (Prätendenten) gäbe, ich ihn doch bloß durch
meinen langen Besitz ausschließen, sein bisheriges Dasein ignoriren und
gar, als ob er zur Zeit meines Besitzes nur als Gedankending
existirte, verfahren darf: wenn ich gleich von seiner Wirklichkeit sowohl, als der
seines Anspruchs hinterher benachrichtigt sein möchte. - Man nennt
diese Art der Erwerbung nicht ganz richtig die durch Verjährung (per
praescriptionem); denn die Ausschließung ist nur als die Folge von
jener anzusehen; die Erwerbung muß vorhergegangen sein. - Die
Möglichkeit auf diese Art zu erwerben ist nun zu beweisen.
Wer nicht einen
beständigen Besitzact (actus possessorius) einer äußeren Sache, als
der seinen, ausübt, wird mit Recht als einer, der (als Besitzer) gar nicht
existirt, angesehen; denn er kann nicht über Läsion klagen, so lange er
sich nicht zum Titel eines Besitzers berechtigt, und wenn er sich hinten nach,
da schon ein Anderer davon Besitz genommen hat, auch dafür erklärte,
so sagt er doch nur, er sei ehedem einmal Eigenthümer gewesen, aber nicht,
er sei es noch, und der Besitz sei ohne einen continuirlichen rechtlichen Act
ununterbrochen geblieben. - Es kann also nur ein rechtlicher und
zwar sich continuirlich erhaltender und documentirter Besitzact sein, durch
welchen er bei einem langen Nichtgebrauch sich das Seine sichert.
Denn setzet: die
Versäumung dieses Besitzacts hätte nicht die Folge, daß ein Anderer auf
seinen gesetzmäßigen und ehrlichen Besitz (possessio bonae fidei) einen zu Recht beständigen
(possessio irrefragabilis) gründe
und die Sache, die in seinem Besitz
ist, als von ihm erworben ansehe, so würde gar keine
Erwerbung peremtorisch (gesichert), sondern alle nur provisorisch (einstweilig) sein:
weil die Geschichtskunde ihre Nachforschung bis zum ersten
Besitzer und dessen Erwerbact hinauf zurückzuführen nicht vermögend ist. - Die
Präsumtion, auf welcher sich die Ersitzung (usucapio) gründet, ist also
nicht bloß rechtmäßig (erlaubt, iusta) als Vermuthung, sondern auch
rechtlich (praesumtio iuris et de iure) als Voraussetzung nach Zwangsgesetzen
(suppositio legalis): wer seinen Besitzact zu documentiren
verabsäumt, hat seinen Anspruch auf den dermaligen Besitzer verloren,
wobei die Länge der Zeit der Verabsäumung (die gar nicht bestimmt werden
kann und darf) nur zum Behuf der Gewißheit dieser Unterlassung
angeführt wird. Daß aber ein bisher unbekannter Besitzer, wenn jener
Besitzact (es sei auch ohne seine Schuld) unterbrochen worden, die Sache
immer wiedererlangen (vindiciren) könne (dominia rerum incerta
facere), widerspricht dem obigen Postulat der rechtlich= praktischen Vernunft.
Nun kann ihm aber,
wenn er ein Glied des gemeinen Wesens ist, d. i. im bürgerlichen
Zustande, der Staat wohl seinen Besitz (stellvertretend) erhalten, ob dieser
gleich als Privatbesitz unterbrochen war, und der jetzige Besitzer
darf seinen Titel der Erwerbung bis zur ersten nicht beweisen, noch auch
sich auf den der Ersitzung gründen. Aber im Naturzustande ist der letztere
rechtmäßig, nicht eigentlich eine Sache dadurch zu erwerben, sondern
ohne einen rechtlichen Act sich im Besitz derselben zu erhalten: welche
Befreiung von Ansprüchen dann auch Erwerbung genannt zu werden pflegt. -
Die Präscription des älteren Besitzers gehört also zum Naturrecht
(est iuris naturae).
II. Die Beerbung. (Acquisitio
haereditatis.) § 34.
Die Beerbung ist die
Übertragung (translatio) der Habe und des Guts eines Sterbenden
auf den Überlebenden durch Zusammenstimmung des Willens beider. -
Die Erwerbung des Erbnehmers (haeredis instituti) und die Verlassung
des Erblassers (testatoris), d. i. dieser Wechsel des Mein und Dein,
geschieht in einem Augenblick (articulo mortis), nämlich da der
letztere eben aufhört zu sein, und ist also eigentlich keine Übertragung
(translatio) im empirischen Sinn, welche zwei Actus nach einander, nämlich wo der eine
zuerst seinen Besitz verläßt, und darauf der Andere darin
eintritt, voraussetzt; sondern eine ideale Erwerbung. - Da die Beerbung ohne Vermächtniß (dispositio
ultimae voluntatis) im
Naturzustande nicht gedacht werden
kann, und, ob es ein Erbvertrag (pactum
successorium), oder einseitige Erbeseinsetzung (testamentum) sei, es bei der
Frage, ob und wie gerade in demselben Augenblick, da das Subject
aufhört zu sein, ein Übergang des Mein und Dein möglich sei, ankommt, so muß
die Frage: wie ist die Erwerbart durch Beerbung möglch? Von den
mancherlei möglichen Formen ihrer Ausführung (die nur in einem gemeinen
Wesen statt finden) unabhängig untersucht werden.
"Es ist möglich,
durch Erbeseinsetzung zu erwerben." - Denn der Erblasser Cajus
verspricht und erklärt in seinem letzten Willen dem Titius, der nichts
von jenem Versprechen weiß, seine Habe solle im Sterbefall auf diesen übergehen,
und bleibt also, so lange er lebt, alleiniger Eigenthümer
derselben. Nun kann zwar durch den bloßen einseitigen Willen nichts auf den
Anderen übergehen: sondern es wird über dem Versprechen noch Annehmung
(acceptatio) des anderen Theils dazu erfordert und ein gleichzeitiger Wille
(voluntas simultanea), welcher jedoch hier mangelt; denn so lange Cajus
lebt, kann Titius nicht ausdrücklich acceptiren, um dadurch zu erwerben:
weil jener nur auf den Fall des Todes versprochen hat (denn sonst wäre
das Eigenthum einen Augenblick gemeinschaftlich, welches nicht der
Wille des Erblassers ist). - Dieser aber erwirbt doch stillschweigend ein
eigenthümliches Recht an der Verlassenschaft als ein Sachenrecht, nämlich
ausschließlich sie zu acceptiren (ius in re iacente), daher diese in dem gedachten Zeitpunkt
haereditas iacens heißt. Da nun
jeder Mensch nothwendigerweise (weil er
dadurch wohl gewinnen, nie aber verlieren kann) ein
solches Recht, mithin auch stillschweigend acceptirt und Titius nach dem Tode
des Cajus in diesem Falle ist, so kann er die Erbschaft durch Annahme des
Versprechens erwerben, und sie ist nicht etwa mittlerweile ganz
herrenlos (res nullius), sondern nur erledigt (res vacua) gewesen: weil er
ausschließlich das Recht der Wahl hatte, ob er die hinterlassene Habe zu
der seinigen machen wollte, oder nicht.
Also sind die
Testamente auch nach dem bloßen Naturrecht gültig (sunt iuris naturae);
welche Behauptung aber so zu verstehen ist, daß sie fähig
und würdig seien im bürgerlichen Zustande (wenn dieser dereinst
eintritt) eingeführt und sanctionirt zu werden. Denn nur dieser (der
allgemeine Wille in demselben) bewahrt den Besitz der Verlassenschaft
während dessen, daß diese zwischen der Annahme und der Verwerfung
schwebt und eigentlich keinem angehört.
III.
Der Nachlaß eines guten Namens nach dem Tode.
(Bona fama defuncti.)
§ 35.
Daß der Verstorbene nach seinem Tode (wenn er
also nicht mehr ist)
noch etwas besitzen könne, wäre eine
Ungereimtheit zu denken, wenn der Nachlaß eine Sache
wäre. Nun ist aber der gute Name ein angebornes äußeres, obzwar bloß
ideales Mein oder Dein, was dem Subject als einer Person anhängt, von
deren Natur, ob sie mit dem Tode gänzlich aufhöre zu sein, oder immer
noch als solche übrig bleibe, ich abstrahiren kann und muß, weil ich im
rechtlichen Verhältniß auf andere jede Person bloß nach ihrer Menschheit,
mithin als homo noumenon wirklich betrachte, und so ist jeder Versuch,
ihn nach dem Tode in übele falsche Nachrede zu bringen, immer bedenklich;
obgleich eine gegründete Anklage desselben gar wohl statt findet (mithin
der Grundsatz: de mortuis nihil nisi bene, unrichtig ist), weil gegen den
Abwesenden, welcher sich nicht vertheidigen kann, Vorwürfe auszustreuen ohne die
größte Gewißheit derselben wenigstens ungroßmüthig ist.
Daß durch ein
tadelloses Leben und einen dasselbe beschließenden Tod der Mensch einen
(negativ=) guten Namen als das Seine, welches ihm übrig bleibt,
erwerbe, wenn er als homo phaenomenon nicht mehr existirt, und daß die
Überlebenden (angehörige, oder fremde) ihn auch vor Recht zu
vertheidigen befugt sind (weil unerwiesene Anklage sie insgesammt wegen ähnlicher
Begegnung auf ihren Sterbefall in Gefahr bringt), daß er, sage
ich, ein solches Recht erwerben könne, ist eine sonderbare, nichtsdestoweniger
unläugbare Erscheinung der a priori gesetzgebenden Vernunft, die ihr
Gebot und Verbot auch über die Grenze des Lebens hinaus
erstreckt. - Wenn jemand von einem Verstorbenen ein Verbrechen verbreitet,
das diesen im Leben ehrlos, oder nur verächtlich gemacht haben würde:
so kann ein jeder, welcher einen Beweis führen kann, daß diese
Beschuldigung vorsetzlich unwahr und gelogen sei, den, welcher jenen in böse
Nachrede bringt, für einen Calumnianten öffentlich erklären, mithin ihn
selbst ehrlos machen; welches er nicht thun dürfte, wenn er nicht mit
Recht voraussetzte, daß der Verstorbene dadurch beleidigt wäre, ob er gleich
todt ist, und daß diesem durch jene Apologie Genugthuung widerfahre, ob er
gleich nicht mehr existirt.*) Die Befugniß, die Rolle des Apologeten
für den Verstorbenen zu spielen, darf dieser auch nicht beweisen; denn
jeder Mensch maßt sie sich unvermeidlich an, als nicht bloß zur
Tugendpflicht (ethisch betrachtet), sondern sogar zum Recht der Menschheit überhaupt
gehörig: und es bedarf hiezu keiner besonderen persönlichen Nachtheile, die etwa
Freunden und Anverwandten aus einem solchen Schandfleck
am Verstorbenen erwachsen dürften, um jenen zu einer solchen Rüge zu berechtigen.
- Daß also eine solche ideale Erwerbung und ein Recht des
Menschen nach seinem Tode gegen die Überlebenden gegründet sei, ist
nicht zu streiten, obschon die Möglichkeit desselben keiner Deduction fähig ist.
Drittes Hauptstück. Von der subjectiv=bedingten
Erwerbung durch den Ausspruch einer öffentlichen
Gerichtsbarkeit.
§ 36.
Wenn unter Naturrecht
nur das nicht=statutarische, mithin lediglich das a priori durch
jedes Menschen Vernunft erkennbare Recht verstanden wird, so wird nicht bloß
die zwischen Personen in ihrem wechselseitigen Verkehr unter einander geltende Gerechtigkeit
(iustitia commutativa),
sondern auch die austheilende (iustitia
distributiva), so wie sie nach ihrem Gesetze a priori
erkannt werden kann, daß sie ihren Spruch (sententia) fällen müsse,
gleichfalls zum Naturrecht gehören.
Die moralische
Person, welche der Gerechtigkeit vorsteht, ist der Gerichtshof (forum) und im
Zustande ihrer Amtsführung das Gericht (iudicium): alles nur
nach Rechtsbedingungen a priori gedacht, ohne, wie eine solche
Verfassung wirklich einzurichten und zu organisiren sei (wozu Statute, also
empirische Principien, gehören), in Betrachtung zu ziehen.
Die Frage ist also
hier nicht bloß: was ist an sich recht, wie nämlich hierüber ein jeder
Mensch für sich zu urtheilen habe, sondern: was ist vor einem
Gerichtshofe recht, d. i. was ist Rechtens? Und da giebt es vier Fälle, wo beiderlei
Urtheile verschieden und entgegengesetzt ausfallen und dennoch neben
einander bestehen können: weil sie aus zwei verschiedenen, beiderseits wahren
Gesichtspunkten gefällt werden, die eine nach dem Privatrecht, die
andere nach der Idee des öffentlichen Rechts; - sie sind: 1) der
Schenkungsvertrag (pactum donationis). 2) Der Leihevertrag (commodatum). 3) Die Wiedererlangung
(vindicatio). 4) Die
Vereidigung (iuramentum).
Es ist ein gewöhnlicher Fehler der
Erschleichung (vitium subreptionis) der
Rechtslehrer, dasjenige rechtliche Princip, was ein Gerichtshof zu seinem
eigenen Behuf (also in subjectiver Absicht) anzunehmen befugt, ja sogar verbunden ist, um über jedes
Einem zustehende
Recht zu sprechen und zu richten, auch
objectiv für das, was an sich selbst recht
ist, zu halten: da das erstere doch von dem letzteren sehr unterschieden
ist. - Es ist daher von nicht geringer Wichtigkeit, diese specifische
Verschiedenheit kennbar und darauf aufmerksam zu machen.
A. § 37.
Von dem
Schenkungsvertrag.
Dieser Vertrag
(donatio), wodurch ich das Mein, meine Sache (oder mein Recht),
unvergolten (gratis) veräußere, enthält ein Verhältniß von mir, dem
Schenkenden (donans), zu einem Anderen, dem Beschenkten (donatarius), nach
dem Privatrecht, wodurch das Meine auf diesen durch Annehmung des
letzteren (donum) übergeht. - Es ist aber nicht zu präsumiren, daß ich hiebei
gemeint sei, zu der Haltung meines Versprechens gezwungen zu werden
und also auch meine Freiheit umsonst wegzugeben und gleichsam mich
selbst wegzuwerfen (nemo suum iactare praesumitur), welches doch nach dem
Recht im bürgerlichen Zustande geschehen würde; denn da kann der zu Beschenkende mich zu
Leistung des Versprechens
zwingen. Es müßte also, wenn die Sache
vor Gericht käme, d. i. nach einem öffentlichen
Recht, entweder präsumirt werden, der Verschenkende willigte zu diesem Zwange
ein, welches ungereimt ist, oder der Gerichtshof sehe in seinem Spruch
(Sentenz) gar nicht darauf, ob jener die Freiheit, von seinem
Versprechen abzugehen, hat vorbehalten wollen, oder nicht, sondern auf
das, was gewiß ist, nämlich das Versprechen und die Acceptation des
Promissars. Wenn also gleich der Promittent, wie wohl vermuthet werden
kann, gedacht hat, daß, wenn es ihn noch vor der Erfüllung gereuet, das
Versprechen gethan zu haben, man ihn daran nicht binden könne: so
nimmt doch das Gericht an, daß er sich dieses ausdrücklich hätte vorbehalten
müssen und, wenn er es nicht gethan hat, zu Erfüllung des Versprechens
könne gezwungen werden, und dieses Princip nimmt der Gerichtshof
darum an, weil ihm sonst das Rechtsprechen unendlich erschwert, oder gar
unmöglich gemacht werden würde.
B. § 38.
Vom Leihvertrag.
In diesem Vertrage
(commodatum), wodurch ich jemanden den unvergoltenen Gebrauch des Meinigen
erlaube, wo, wenn dieses eine Sache ist, die Paciscenten
darin übereinkommen, daß dieser mir eben dieselbe Sache wiederum in
meine Gewalt bringe, kann der Empfänger des Geliehenen (commodatarius) nicht
zugleich präsumiren, der Eigenthümer desselben (commodans) nehme
auch alle Gefahr (casus) des möglichen Verlustes der Sache, oder ihrer
ihm nützlichen Beschaffenheit über sich, der daraus, daß er sie in den
Besitz des Empfängers gegeben hat, entspringen könnte. Denn es versteht sich
nicht von selbst, daß der Eigenthümer außer dem Gebrauch seiner
Sache, den er dem Lehnsempfänger bewilligt, (dem von demselben
unzertrennlichen Abbruche derselben) auch die Sicherstellung wider allen Schaden,
der ihm daraus entspringen kann, daß er sie aus seiner eigenen
Gewahrsame gab, erlassen habe; sondern darüber müßte ein besonderer
Vertrag gemacht werden. Es kann also nur die Frage sein: wem von beiden, dem
Lehnsgeber oder Lehnsempfänger, es obliegt, die Bedingung der
Übernehmung der Gefahr, die der Sache zustoßen kann, dem Leihevertrag
ausdrücklich beizufügen, oder, wenn das nicht geschieht, von wem man die
Einwilligung zur Sicherstellung des Eigenthums des Lehnsgebers
(durch die Zurückgabe derselben oder ein Äquivalent) präsumiren könne. Von
dem Darleiher nicht: weil man nicht präsumiren kann, er habe mehr
umsonst eingewilligt, als den bloßen Gebrauch der Sache (nämlich
nicht auch noch obenein die Sicherheit des Eigenthums selber zu
übernehmen), aber wohl von dem Lehnsnehmer: weil er da nichts mehr leistet, als
gerade im Vertrage enthalten ist.
Wenn ich, z. B. bei
einfallendem Regen, in ein Haus eintrete und erbitte mir einen
Mantel zu leihen, der aber, etwa durch unvorsichtige Ausgießung
abfärbender Materien aus dem Fenster, auf immer verdorben, oder wenn er, indem
ich ihn in einem anderen Hause, wo ich eintrete, ablege, mir gestohlen wird,
so muß doch die Behauptung jedem Menschen als ungereimt
auffallen, ich hätte nichts weiter zu thun, als jenen, so wie er ist,
zurückzuschicken, oder den geschehenen Diebstahl nur zu melden; allenfalls sei es
noch eine Höflichkeit den Eigenthümer dieses Verlustes wegen zu beklagen, da er aus seinem Recht
nichts fordern könne. - Ganz
anders lautet es, wenn ich bei der
Erbittung dieses Gebrauchs zugleich auf den Fall, daß die
Sache unter meinen Händen verunglückte, mir zum voraus erbäte, auch
diese Gefahr zu übernehmen, weil ich arm und den Verlust zu ersetzen
unvermögend wäre. Niemand wird das letztere überflüssig und lächerlich
finden, außer etwa, wenn der Anleihende ein bekanntlich vermögender und
wohldenkender Mann wäre, weil es alsdann beinahe Beleidigung
sein würde, die großmüthige Erlassung meiner Schuld in diesem
Falle nicht zu präsumiren.
Da nun über das Mein
und Dein aus dem Leihvertrage, wenn (wie es die Natur dieses
Vertrages so mit sich bringt) über die mögliche Verunglückung (casus), die die
Sache treffen möchte, nichts verabredet worden, er also, weil die
Einwilligung nur präsumirt worden, ein ungewisser Vertrag (pactum incertum)
ist, das Urtheil darüber, d. i. die Entscheidung, wen das Unglück
treffen müsse, nicht aus den Bedingungen des Vertrages an sich selbst,
sondern wie sie allein vor einem Gerichtshofe, der immer nur auf das
Gewisse in jenem sieht (welches hier der Besitz der Sache als Eigenthum
ist), entschieden werden kann, so wird das Urtheil im Naturzustande, d.
i. nach der Sache innerer Beschaffenheit, so lauten: der Schade aus der
Verunglückung einer geliehenen Sache fällt auf den Beliehenen (casum
sentit commodatarius); dagegen im bürgerlichen, also vor einem
Gerichtshofe, wird die Sentenz so ausfallen: der Schade fällt auf den
Anleiher (casum sentit dominus), und zwar aus dem Grunde
verschieden von dem Ausspruche der bloßen gesunden Vernunft, weil ein öffentlicher
Richter sich nicht auf Präsumtionen von dem, was der eine oder
andere Theil gedacht haben mag, einlassen kann, sondern der, welcher sich
nicht die Freiheit von allem Schaden an der geliehenen Sache durch einen
besonderen angehängten Vertrag ausbedungen hat, diesen selbst
tragen muß. - Also ist der Unterschied zwischen dem Urtheile, wie es ein
Gericht fällen müßte, und dem, was die Privatvernunft eines jeden für sich
zu fällen berechtigt ist, ein durchaus nicht zu übersehender Punkt in Berichtigung
der Rechtsurtheile.
C. Von der
Wiedererlangung (Rückbemächtigung) des Verlornen (vindicatio).
§ 39.
Daß eine fortdauernde
Sache, die mein ist, mein bleibe, ob ich gleich nicht in der
fortdauernden Inhabung derselben bin, und von selbst ohne einen rechtlichen Act
(derelictionis vel alienationis) mein zu sein nicht aufhöre, und daß mir
ein Recht in dieser Sache (ius reale), mithin gegen jeden Inhaber, nicht
bloß gegen eine bestimmte Person (ius personale) zusteht, ist aus dem
obigen klar. Ob aber dieses
Recht auch von jedem
Anderen als ein für sich fortdauerndes
Eigenthum müsse angesehen werden, wenn ich demselben
nur nicht entsagt habe, und die Sache in dem Besitz eines Anderen
ist, das ist nun die Frage.
Ist die Sache mir
abhanden gekommen (res amissa) und so von einem Anderen auf
ehrliche Art (bona fide), als ein vermeinter Fund, oder durch förmliche
Veräußerung des Besitzers, der sich als Eigenthümer führt, an mich
gekommen, obgleich dieser nicht Eigenthümer ist, so frägt sich, ob, da ich von
einem Nichteigenthümer (a non domino) eine Sache nicht erwerben kann,
ich durch jenen von allem Recht in dieser Sache ausgeschlossen werde und bloß ein
persönliches gegen den unrechtmäßigen Besitzer übrig behalte. - Das
letztere ist offenbar der Fall, wenn die Erwerbung bloß nach ihren
inneren berechtigenden Gründen (im Naturzustande), nicht nach der
Convenienz eines Gerichtshofes beurtheilt wird.
Denn alles
Veräußerliche muß von irgend jemand können erworben werden. Die
Rechtmäßigkeit der Erwerbung aber beruht gänzlich auf der Form, nach welcher
das, was im Besitz eines Anderen ist, auf mich übertragen und von mir
angenommen wird, d. i. auf der Förmlichkeit des rechtlichen Acts des Verkehrs
(commutatio) zwischen dem Besitzer der Sache und dem Erwerbenden,
ohne daß ich fragen darf, wie jener dazu gekommen sei: weil dieses
schon Beleidigung sein würde (quilibet praesumitur bonus, donec etc.).
Gesetzt nun, es ergäbe sich in der Folge, daß jener nicht
Eigenthümer sei, sondern ein Anderer, so kann ich nicht sagen, daß dieser sich
geradezu an mich halten könnte (so wie auch an jeden Anderen, der Inhaber
der Sache sein möchte). Denn ich habe ihm nichts entwandt, sondern z.
B. das Pferd, was auf öffentlichem Markte feil geboten wurde, dem Gesetze gemäß (titulo emti venditi)
erstanden: weil der Titel
der Erwerbung meinerseits unbestritten
ist, ich aber (als Käufer) den Titel des Besitzes des
Anderen (des Verkäufers) nachzusuchen - da diese Nachforschung in der aufsteigenden
Reihe ins Unendliche gehen würde - nicht verbunden, ja
sogar nicht einmal befugt bin. Also bin ich durch den gehörig=betitelten
Kauf nicht der bloß putative, sondern der wahre Eigenthümer des
Pferdes geworden.
Hierwider erheben
sich aber folgende Rechtsgründe: Alle Erwerbung von einem, der nicht
Eigenthümer der Sache ist (a non domino), ist null und nichtig. Ich kann
von dem Seinen eines Anderen nicht mehr auf mich ableiten, als er
selbst rechtmäßig gehabt hat, und ob ich gleich, was die Form der
Erwerbung (modus acquirendi) betrifft, ganz rechtlich verfahre, wenn ich
ein gestohlen Pferd, was auf dem Markte feil steht, erhandle, so fehlt
doch der Titel der Erwerbung; denn das Pferd war nicht das Seine des
eigentlichen Verkäufers. Ich mag immer ein ehrlicher Besitzer desselben
(possessor bonae fidei) sein, so bin ich doch nur ein sich dünkender
Eigenthümer (dominus putativus), und der wahre Eigenthümer hat ein
Recht der Wiedererlangung (rem suam vindicandi).
Wenn gefragt wird,
was (im Naturzustande) unter Menschen nach Principien der
Gerechtigkeit im Verkehr derselben untereinander (iustitia commutativa) in
Erwerbung äußerer Sachen an sich Rechtens sei, so muß man eingestehen:
daß, wer dieses zur Absicht hat, durchaus nöthig habe, noch
nachzuforschen, ob die Sache, die er erwerben will, nicht schon einem Anderen
angehöre; nämlich, wenn er gleich die formalen Bedingungen der Ableitung der
Sache von dem Seinen des Anderen genau beobachtet (das Pferd
auf dem Markte ordentlich erhandelt) hat, er dennoch höchstens nur
ein persönliches Recht in Ansehung einer Sache (ius ad rem) habe
erwerben können, so lange es ihm noch unbekannt ist, ob nicht ein Anderer
(als der Verkäufer) der wahre Eigenthümer derselben sei; so daß, wenn
sich einer vorfindet, der sein vorhergehendes Eigenthum daran documentiren
könnte, dem vermeinten neuen Eigenthümer nichts übrig bliebe, als den
Nutzen, so er als ehrlicher Besitzer bisher daraus gezogen hat, bis auf
diesen Augenblick rechtmäßig genossen zu haben. - Da nun in der Reihe
der von einander ihr Recht ableitenden sich dünkenden Eigenthümer den
schlechthin ersten (Stammeigenthümer) auszufinden mehrentheils
unmöglich ist: so kann kein Verkehr mit äußeren Sachen, so gut er auch mit den
formalen Bedingungen dieser Art von Gerechtigkeit (iustitia
commutativa) übereinstimmen möchte, einen sicheren Erwerb gewähren.
Hier tritt nun
wiederum die rechtlich=gesetzgebende Vernunft mit dem Grundsatz der
distributiven Gerechtigkeit ein, die Rechtmäßigkeit des Besitzes, nicht wie
sie an sich in Beziehung auf den Privatwillen eines jeden (im natürlichen
Zustande), sondern nur wie sie vor einem Gerichtshofe in einem durch den
allgemein=vereinigten Willen entstandenen Zustande (in einem
bürgerlichen) abgeurtheilt werden würde, zur Richtschnur anzunehmen: wo
alsdann die Übereinstimmung mit den formalen Bedingungen der Erwerbung, die an
sich nur ein persönliches Recht begründen, zu Ersetzung der
materialen Gründe (welche die Ableitung von dem Seinen eines vorhergehenden
prätendirenden Eigenthümers begründen) als hinreichend postulirt wird, und
ein an sich persönliches Recht, vor einen Gerichtshof gezogen,
als ein Sachenrecht gilt, z. B. daß das Pferd, was auf öffentlichem,
durchs Polizeigesetz geordnetem Markt jedermann feil steht, wenn alle
Regeln des Kaufs und Verkaufs genau beobachtet worden, mein Eigenthum
werde (so doch, daß dem wahren Eigenthümer das Recht bleibt, den
Verkäufer wegen seines ältern, unverwirkten Besitzes in Anspruch zu
nehmen), und mein sonst persönliches Recht in ein Sachenrecht, nach
welchem ich das Meine, wo ich es finde, nehmen (vindiciren) darf, verwandelt
wird, ohne mich auf die Art, wie der Verkäufer dazu gekommen,
einzulassen.
Es geschieht also nur
zum Behuf des Rechtsspruchs vor einem Gerichtshofe (in favorem iustitiae
distributivae), daß das Recht in Ansehung einer Sache nicht,
wie es an sich ist (als ein persönliches), sondern wie es am leichtesten und
sichersten abgeurtheilt werden kann (als Sachenrecht), doch
nach einem reinen Princip a priori angenommen und behandelt werde. -
Auf diesem gründen sich nun nachher verschiedene statutarische Gesetze
(Verordnungen), die vorzüglich zur Absicht haben, die Bedingungen,
unter denen allein eine Erwerbungsart rechtskräftig sein soll, so zu
stellen, daß der Richter das Seine einem jeden am leichtesten und
unbedenklichsten zuerkennen könne: z. B. in dem Satz: Kauf bricht
Miethe, wo, was der Natur des Vertrags nach, d. i. an sich, ein Sachenrecht
ist, (die Miethe) für ein bloß persönliches und umgekehrt, wie in dem obigen
Fall, was an sich bloß ein persönliches Recht ist, für ein
Sachenrecht gilt; wenn die Frage ist, auf welche Principien ein Gerichtshof im
bürgerlichen Zustande anzuweisen sei, um in seinen Aussprüchen wegen des
einem jeden zustehenden Rechts am sichersten zu gehen.
D. Von Erwerbung der
Sicherheit durch Eidesablegung. (Cautio iuratoria.)
§ 40.
Man kann keinen
anderen Grund angeben, der rechtlich Menschen verbinden könnte, zu
glauben und zu bekennen, daß es Götter gebe, als den, damit sie einen
Eid schwören und durch die Furcht vor einer allsehenden obersten Macht, deren
Rache sie feierlich gegen sich aufrufen mußten, im Fall daß
ihre Aussage falsch wäre, genöthigt werden könnten, wahrhaft im Aussagen
und treu im Versprechen zu sein. Daß man hiebei nicht auf die
Moralität dieser beiden Stücke, sondern bloß auf einen blinden Aberglauben
derselben rechnete, ist daraus zu ersehen, daß man sich von ihrer bloßen
feierlichen Aussage vor Gericht in Rechtssachen keine Sicherheit
versprach, obgleich die Pflicht der Wahrhaftigkeit in einem Fall, wo es auf das
Heiligste, was unter Menschen nur sein kann, (aufs Recht der Menschen)
ankommt, jedermann so klar einleuchtet, mithin bloße Märchen den
Bewegungsgrund ausmachen: wie z. B. das unter den Rejangs, einem heidnischen
Volk auf Sumatra, welche nach Marsdens Zeugniß bei den
Knochen ihrer verstorbenen Anverwandten schwören, ob sie gleich gar nicht
glauben, daß es noch ein Leben nach dem Tode gebe, oder der Eid der
Guineaschwarzen bei ihrem Fetisch, etwa einer Vogelfeder, auf die sie sich
vermessen, daß sie ihnen den Hals brechen solle u. dergl.. Sie glauben, daß eine
unsichtbare Macht, sie mag nun Verstand haben oder nicht, schon
ihrer Natur nach diese Zauberkraft habe, die durch einen solchen Aufruf in
That versetzt wird. - Ein solcher Glaube, dessen Name Religion ist,
eigentlich aber Superstition heißen sollte, ist aber für die Rechtsverwaltung
unentbehrlich, weil, ohne auf ihn zu rechnen, der Gerichtshof nicht genugsam im
Stande wäre, geheim gehaltene Facta auszumitteln und recht zu sprechen.
Ein Gesetz, das hiezu verbindet, ist also offenbar nur zum
Behuf der richtenden Gewalt gegeben.
Aber nun ist die
Frage: worauf gründet man die Verbindlichkeit, die jemand vor
Gericht haben soll, eines Anderen Eid als zu Recht gültigen Beweisgrund der
Wahrheit seines Vorgebens anzunehmen, der allem Hader ein Ende mache,
d. i. was verbindet mich rechtlich, zu glauben, daß ein Anderer (der
Schwörende) überhaupt Religion habe, um mein Recht auf seinen Eid
ankommen zu lassen? Imgleichen umgekehrt: kann ich überhaupt verbunden
werden, zu schwören? Beides ist an sich unrecht. Aber in Beziehung auf
einen Gerichtshof, also im bürgerlichen Zustande, wenn man annimmt, daß
es kein anderes Mittel giebt, in gewissen Fällen hinter die
Wahrheit zu kommen, als den Eid, muß von der Religion
vorausgesetzt werden, daß sie jeder habe, um sie als ein Nothmittel (in casu
necessitatis) zum Behuf des rechtlichen Verfahrens vor einem Gerichtshofe zu
gebrauchen, welcher diesen Geisteszwang (tortura spiritualis) für ein
behenderes und dem abergläubischen Hange der Menschen
angemesseneres Mittel der Aufdeckung des Verborgenen und sich darum für berechtigt
hält, es zu gebrauchen. - Die gesetzgebende Gewalt handelt aber im
Grunde unrecht, diese Befugniß der richterlichen zu ertheilen: weil
selbst im bürgerlichen Zustande ein Zwang zu Eidesleistungen der unverlierbaren
menschlichen Freiheit zuwider ist.
Wenn die Amtseide,
welche gewöhnlich promissorisch sind, daß man nämlich den
ernstlichen Vorsatz habe, sein Amt pflichtmäßig zu verwalten, in
assertorische verwandelt würden, daß nämlich der Beamte
etwa zu Ende eines Jahres (oder mehrerer) verbunden wäre, die Treue
seiner Amtsführung während desselben zu beschwören: so würde
dieses Theils das Gewissen mehr in Bewegung bringen, als der
Versprechungseid, welcher hinterher noch immer den inneren Vorwand übrig
läßt, man habe bei dem besten Vorsatz die Beschwerden nicht
voraus gesehen, die man nur nachher während der Amtsverwaltung
erfahren habe, und die Pflichtübertretungen würden auch, wenn
ihre Summirung durch Aufmerker bevorstände, mehr Besorgniß der
Anklage wegen erregen, als wenn sie bloß eine nach der anderen
(über welche die vorigen vergessen sind) gerügt würden. - Was aber
das Beschwören des Glaubens (de credulitate) betrifft, so kann
dieses gar nicht von einem Gericht verlangt werden. Denn erstlich
enthält es in sich selbst einen Widerspruch: dieses Mittelding
zwischen Meinen und Wissen, weil es so etwas ist, worauf man wohl zu
wetten, keinesweges aber darauf zu schwören sich getrauen kann.
Zweitens begeht der Richter, der solchen Glaubenseid dem Parten ansinnte, um etwas zu seiner Absicht
Gehöriges,
gesetzt es sei auch das gemeine Beste,
auszumitteln, einen großen Verstoß an der
Gewissenhaftigkeit des Eidleistenden, theils durch den Leichtsinn, zu
dem er verleitet und wodurch der Richter seine eigene Absicht
vereitelt, theils durch Gewissensbisse, die ein Mensch fühlen muß, der heute
eine Sache, aus einem gewissen Gesichtspunkt betrachtet, sehr
wahrscheinlich, morgen aber, aus einem anderen, ganz unwahrscheinlich
finden kann, und lädirt also denjenigen, den er zu einer solchen
Eidesleistung nöthigt.
Übergang von dem Mein
und Dein im Naturzustande zu dem im rechtlichen
Zustande überhaupt.
§ 41.
Der rechtliche
Zustand ist dasjenige Verhältniß der Menschen unter einander, welches die
Bedingungen enthält, unter denen allein jeder seines Rechts theilhaftig
werden kann, und das formale Princip der Möglichkeit desselben, nach der
Idee eines allgemein gesetzgebenden Willens betrachtet, heißt die öffentliche
Gerechtigkeit, welche in Beziehung entweder auf die Möglichkeit,
oder Wirklichkeit, oder Nothwendigkeit des Besitzes der Gegenstände (als
der Materie der Willkür) nach Gesetzen in die beschützende (iustitia tutatrix),
die wechselseitig erwerbende (iustitia commutativa) und die
austheilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva) eingetheilt werden
kann. - Das Gesetz sagt hiebei erstens bloß, welches Verhalten
innerlich der Form nach recht ist (lex iusti); zweitens, was als Materie noch
auch äußerlich gesetzfähig, d. i. dessen Besitzstand rechtlich ist (lex
iuridica); drittens, was und wovon der Ausspruch vor einem
Gerichtshofe in einem besonderen Falle unter dem gegebenen Gesetze diesem gemäß,
d. i. Rechtens ist (lex iustitiae), wo man denn auch jenen
Gerichtshof selbst die Gerechtigkeit eines Landes nennt, und, ob eine solche
sei oder nicht sei, als die wichtigste unter allen rechtlichen Angelegenheiten
gefragt werden kann.
Der nicht=rechtliche
Zustand, d. i. derjenige, in welchem keine austheilende Gerechtigkeit ist,
heißt der natürliche Zustand (status naturalis). Ihm wird nicht der
gesellschaftliche Zustand (wie Achenwall meint), und der ein
künstlicher (status artificialis) heißen könnte, sondern der bürgerliche (status
civilis) einer unter einer distributiven Gerechtigkeit stehenden
Gesellschaft entgegen gesetzt; denn es kann auch im Naturzustande rechtmäßige
Gesellschaften (z. B. eheliche, väterliche, häusliche überhaupt und andere beliebige
mehr) geben, von denen kein Gesetz a priori gilt: "Du sollst in
diesen Zustand treten", wie es wohl vom rechtlichen Zustande gesagt werden kann,
daß alle Menschen, die mit einander (auch unwillkürlich) in
Rechtsverhältnisse kommen können, in diesen Zustand treten sollen.
Man kann den ersteren
und zweiten Zustand den des Privatrechts, den letzteren und
dritten aber den des öffentlichen Rechts nennen. Dieses enthält nicht
mehr oder andere Pflichten der Menschen unter sich, als in jenem gedacht
werden können; die Materie des Privatrechts ist eben dieselbe in
beiden. Die Gesetze des letzteren betreffen also nur die rechtliche Form ihres
Beisammenseins (Verfassung), in Ansehung deren diese Gesetze
nothwendig als öffentliche gedacht werden müssen.
Selbst der
bürgerliche Verein (unio civilis) kann nicht wohl eine Gesellschaft genannt
werden; denn zwischen dem Befehlshaber (imperans) und dem Unterthan
(subditus) ist keine Mitgenossenschaft; sie sind nicht Gesellen,
sondern einander untergeordnet, nicht beigeordnet, und die sich einander
beiordnen, müssen sich eben deshalb untereinander als
gleich ansehen, so fern sie unter gemeinsamen Gesetzen stehen. Jener Verein
ist also nicht sowohl als macht vielmehr eine Gesellschaft.
§ 42.
Aus dem Privatrecht im natürlichen Zustande
geht nun das Postulat
des öffentlichen Rechts hervor: du
sollst im Verhältnisse eines unvermeidlichen Nebeneinanderseins
mit allen anderen aus jenem heraus in einen rechtlichen Zustand,
d. i. den einer austheilenden Gerechtigkeit übergehen. - Der Grund davon
läßt sich analytisch aus dem Begriffe des Rechts im äußeren Verhältniß
im Gegensatz der Gewalt (violentia) entwickeln. Niemand ist
verbunden, sich des Eingriffs in den Besitz des Anderen zu enthalten, wenn
dieser ihm nicht gleichmäßig auch Sicherheit giebt, er werde eben
dieselbe Enthaltsamkeit gegen ihn beobachten. Er darf also nicht
abwarten, bis er etwa durch eine traurige Erfahrung von der entgegengesetzten
Gesinnung des letzteren belehrt wird; denn was sollte ihn verbinden,
allererst durch Schaden klug zu werden, da er die Neigung der Menschen
überhaupt über andere den Meister zu spielen (die Überlegenheit
des Rechts anderer nicht zu achten, wenn sie sich der Macht oder List nach
diesen überlegen fühlen) in sich selbst hinreichend wahrnehmen kann, und
es ist nicht nöthig, die wirkliche Feindseligkeit abzuwarten; er ist zu einem
Zwange gegen den befugt, der ihm schon seiner Natur nach damit
droht. (quilibet praesumitur malus, donec securitatem dederit oppositi.)
Bei dem Vorsatze, in
diesem Zustande äußerlich gesetzloser Freiheit zu sein und zu
bleiben, thun sie einander auch gar nicht unrecht, wenn sie sich
untereinander befehden; denn was dem Einen gilt, das gilt auch wechselseitig dem
Anderen, gleich als durch eine Übereinkunft (uti partes de iure suo
disponunt, ita ius est): aber überhaupt thun sie im höchsten Grade daran unrecht*)
in einem Zustande sein und bleiben zu wollen, der kein rechtlicher
ist, d. i. in dem Niemand des Seinen wider Gewaltthätigkeit sicher ist.
Der Rechtslehre Zweiter Theil. Das öffentliche
Recht.
Erster Abschnitt. Das Staatsrecht.
Des öffentlichen Rechts
Erster Abschnitt. Das Staatsrecht.
§ 43.
Der Inbegriff der
Gesetze, die einer allgemeinen Bekanntmachung bedürfen, um einen
rechtlichen Zustand hervorzubringen, ist das öffentliche Recht. - Dieses ist
also ein System von Gesetzen für ein Volk, d. i. eine Menge von
Menschen, oder für eine Menge von Völkern, die, im wechselseitigen Einflusse gegen
einander stehend, des rechtlichen Zustandes unter einem sie
vereinigenden Willen, einer Verfassung (constitutio), bedürfen, um dessen,
was Rechtens ist, theilhaftig zu werden. - Dieser Zustand der Einzelnen
im Volke in Verhältniß untereinander heißt der bürgerliche (status
civilis) und das Ganze derselben in Beziehung auf seine eigene Glieder
der Staat (civitas), welcher seiner Form wegen, als verbunden durch das
gemeinsame Interesse Aller, im rechtlichen Zustande zu sein, das gemeine
Wesen (res publica latius sic dicta) genannt wird, in Verhältniß
aber auf andere Völker eine Macht (potentia) schlechthin heißt
(daher das Wort Potentaten), was sich auch wegen (anmaßlich)
angeerbter Vereinigung ein Stammvolk (gens) nennt und so unter dem allgemeinen
Begriffe des öffentlichen Rechts nicht bloß das Staats=, sondern auch
ein Völkerrecht (ius gentium) zu denken Anlaß giebt: welches dann,
weil der Erdboden eine nicht gränzenlose, sondern sich selbst schließende
Fläche ist, beides zusammen zu der Idee eines Völkerstaatsrechts (ius gentium) oder
des Weltbürgerrechts (ius cosmopoliticum) unumgänglich
hinleitet: so daß, wenn unter diesen drei möglichen Formen des
rechtlichen Zustandes es nur einer an dem die äußere Freiheit durch
Gesetze einschränkenden Princip fehlt, das Gebäude aller übrigen unvermeidlich
untergraben werden und endlich einstürzen muß.
§ 44.
Es ist nicht etwa die
Erfahrung, durch die wir von der Maxime der Gewaltthätigkeit der
Menschen belehrt werden und ihrer Bösartigkeit, sich, ehe eine äußere
machthabende Gesetzgebung erscheint, einander zu befehden, also nicht etwa ein
Factum, welches den öffentlich gesetzlichen Zwang nothwendig macht, sondern, sie
mögen auch so gutartig und rechtliebend gedacht werden, wie man will,
so liegt es doch a priori in der Vernunftidee eines solchen
(nicht=rechtlichen) Zustandes, daß, bevor ein öffentlich gesetzlicher Zustand errichtet
worden, vereinzelte Menschen, Völker und Staaten niemals vor
Gewaltthätigkeit gegen einander sicher sein können, und zwar aus jedes seinem
eigenen Recht zu thun, was ihm recht und gut dünkt, und hierin von der
Meinung des Anderen nicht abzuhängen; mithin das Erste, was ihm zu
beschließen obliegt, wenn er nicht allen Rechtsbegriffen entsagen will, der
Grundsatz sei: man müsse aus dem Naturzustande, in welchem jeder seinem
eigenen Kopfe folgt, herausgehen und sich mit allen anderen (mit denen in
Wechselwirkung zu gerathen er nicht vermeiden kann) dahin
vereinigen, sich einem öffentlich gesetzlichen äußeren Zwange zu unterwerfen, also
in einen Zustand treten, darin jedem das, was für das Seine anerkannt
werden soll, gesetzlich bestimmt und durch hinreichende Macht (die nicht die
seinige, sondern eine äußere ist) zu Theil wird, d. i. er solle
vor allen Dingen in einen bürgerlichen Zustand treten. Zwar durfte sein
natürlicher Zustand nicht eben darum ein Zustand der Ungerechtigkeit
(iniustus) sein, einander nur nach dem bloßen Maße seiner Gewalt zu
begegnen; aber es war doch ein Zustand der Rechtlosigkeit (status iustitia
vacuus), wo, wenn das Recht streitig (ius controversum) war, sich kein
kompetenter Richter fand, rechtskräftig den Ausspruch zu thun, aus welchem
nun in einen rechtlichen zu treten ein jeder den Anderen mit
Gewalt antreiben darf: weil, obgleich nach jedes seinen Rechtsbegriffen etwas
Äußeres durch Bemächtigung oder Vertrag erworben werden kann, diese
Erwerbung doch nur provisorisch ist, so lange sie noch nicht
die Sanction eines öffentlichen Gesetzes für sich hat, weil sie durch keine
öffentliche (distributive) Gerechtigkeit bestimmt und durch keine dies
Recht ausübende Gewalt gesichert ist.
Wollte man vor
Eintretung in den bürgerlichen Zustand gar keine Erwerbung, auch
nicht einmal provisorisch für rechtlich erkennen, so würde jener selbst
unmöglich sein. Denn der Form nach enthalten die Gesetze über das
Mein und Dein im Naturzustande ebendasselbe, was die im
bürgerlichen vorschreiben, so fern dieser bloß nach reinen Vernunftbegriffen
gedacht wird: nur daß im letzteren die Bedingungen angegeben werden,
unter denen jene zur Ausübung (der distributiven Gerechtigkeit gemäß)
gelangen. - Es würde also, wenn es im Naturzustande auch
nicht provisorisch ein äußeres Mein und Dein gäbe, auch keine
Rechtspflichten in Ansehung desselben, mithin auch kein Gebot
geben, aus jenem Zustande herauszugehen.
§ 45.
Ein Staat (civitas)
ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen.
So fern diese als Gesetze a priori nothwendig, d. i. aus Begriffen des
äußeren Rechts überhaupt von selbst folgend, (nicht statutarisch) sind,
ist seine Form die Form eines Staats überhaupt, d. i. der Staat in der
Idee, wie er nach reinen Rechtsprincipien sein soll, welche jeder
wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im Inneren) zur
Richtschnur (norma) dient.
Ein jeder Staat
enthält drei Gewalten in sich, d. i. den allgemein vereinigten Willen in
dreifacher Person (trias politica): die Herrschergewalt (Souveränität) in der
des Gesetzgebers, die vollziehende Gewalt in der des Regierers
(zu Folge dem Gesetz) und die rechtsprechende Gewalt (als
Zuerkennung des Seinen eines jeden nach dem Gesetz) in der Person
des Richters (potestas legislatoria, rectoria et iudiciaria) gleich den drei
Sätzen in einem praktischen Vernunftschluß: dem Obersatz, der das
Gesetz jenes Willens, dem Untersatz, der das Gebot des Verfahrens nach
dem Gesetz, d. i. das Princip der Subsumtion unter denselben, und dem
Schlußsatz, der den Rechtsspruch (die Sentenz) enthält, was im vorkommenden
Falle Rechtens ist.
§ 46.
Die gesetzgebende
Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen. Denn da von
ihr alles Recht ausgehen soll, so muß sie durch ihr Gesetz
schlechterdings niemand unrecht thun können. Nun ist es, wenn jemand etwas
gegen einen Anderen verfügt, immer möglich, daß er ihm dadurch
unrecht thue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließt (denn
volenti non fit iniuria). Also kann nur der übereinstimmende und vereinigte Wille
Aller, so fern ein jeder über Alle und Alle über einen jeden
ebendasselbe beschließen, mithin nur der allgemein vereinigte Volkswille
gesetzgebend sein.
Die zur Gesetzgebung
vereinigten Glieder einer solchen Gesellschaft (societas civilis),
d. i. eines Staats, heißen Staatsbürger (cives), und die rechtlichen, von
ihrem Wesen (als solchem) unabtrennlichen Attribute derselben sind
gesetzliche Freiheit, keinem anderen Gesetz zu gehorchen, als zu welchem er
seine Beistimmung gegeben hat; bürgerliche Gleichheit, keinen Oberen im Volk
in Ansehung seiner zu erkennen, als nur einen solchen, den er
eben so rechtlich zu verbinden das moralische Vermögen hat, als dieser ihn
verbinden kann; drittens das Attribut der bürgerlichen
Selbstständigkeit, seine Existenz und Erhaltung nicht der Willkür eines Anderen
im Volke, sondern seinen eigenen Rechten und Kräften als Glied
des gemeinen Wesens verdanken zu können, folglich die bürgerliche
Persönlichkeit, in Rechtsangelegenheiten durch keinen Anderen vorgestellt
werden zu dürfen.
Nur die Fähigkeit der
Stimmgebung macht die Qualification zum Staatsbürger aus;
jene aber setzt die Selbstständigkeit dessen im Volk voraus, der
nicht bloß Theil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben,
d. i. aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit anderen handelnder
Theil desselben, sein will. Die letztere Qualität macht aber die
Unterscheidung des activen vom passiven Staatsbürger nothwendig, obgleich
der Begriff des letzteren mit der Erklärung des Begriffs von
einem Staatsbürger überhaupt im Widerspruch zu stehen scheint. -
Folgende Beispiele können dazu dienen, diese Schwierigkeit
zu heben: Der Geselle bei einem Kaufmann oder bei einem Handwerker;
der Dienstbote (nicht der im Dienste des Staats steht); der
Unmündige (naturaliter vel civiliter); alles Frauenzimmer und
überhaupt jedermann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach
der Verfügung Anderer (außer der des Staats) genöthigt ist, seine
Existenz (Nahrung und Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen
Persönlichkeit, und seine Existenz ist gleichsam nur Inhärenz. - Der
Holzhacker, den ich auf meinem Hofe anstelle, der Schmied in
Indien, der mit seinem Hammer, Ambos und Blasbalg in die Häuser geht,
um da in Eisen zu arbeiten, in Vergleichung mit dem europäischen Tischler
oder Schmied, der die Producte aus dieser Arbeit als
Waare öffentlich feil stellen kann; der Hauslehrer in Vergleichung mit
dem Schulmann, der Zinsbauer in Vergleichung mit dem Pächter u.
dergl. sind blos Handlanger des gemeinen Wesens, weil sie von anderen
Individuen befehligt oder beschützt werden müssen, mithin keine
bürgerliche Selbstständigkeit besitzen.
Diese Abhängigkeit
von dem Willen Anderer und Ungleichheit ist gleichwohl
keinesweges der Freiheit und Gleichheit derselben als Menschen, die
zusammen ein Volk ausmachen, entgegen: vielmehr kann bloß den
Bedingungen derselben gemäß dieses Volk ein Staat werden und in eine
bürgerliche Verfassung eintreten. In dieser Verfassung aber das Recht der
Stimmgebung zu haben, d. i. Staatsbürger, nicht bloß
Staatsgenosse zu sein, dazu qualificiren sich nicht alle mit gleichem
Recht. Denn daraus, daß sie
fordern können, von
allen Anderen nach Gesetzen der
natürlichen Freiheit und Gleichheit als passive Theile
des Staats behandelt zu werden, folgt nicht das Recht, auch als
active Glieder den Staat selbst zu behandeln, zu organisiren oder zu
Einführung gewisser Gesetze mitzuwirken: sondern nur daß, welcherlei
Art die positiven Gesetze, wozu sie stimmen, auch sein möchten,
sie doch den natürlichen der Freiheit und der dieser angemessenen
Gleichheit Aller im Volk, sich nämlich aus diesem passiven Zustande zu
dem activen empor arbeiten zu können, nicht zuwider sein müssen.
§ 47.
Alle jene drei
Gewalten im Staate sind Würden und als wesentliche aus der Idee eines
Staats überhaupt zur Gründung desselben (Constitution) nothwendig
hervorgehend, Staatswürden. Sie enthalten das Verhältnis eines allgemeinen
Oberhaupts (der, nach Freiheitsgesetzen betrachtet, kein
Anderer als das vereinigte Volk selbst sein kann) zu der vereinzelten Menge
ebendesselben als Unterthans, d. i. des Gebietenden (imperans) gegen den
Gehorsamenden (subditus). - Der Act, wodurch sich das Volk
selbst zu einem Staat constituirt, eigentlich aber nur die Idee desselben,
nach der die Rechtmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist der
ursprüngliche Contract, nach welchem alle (omnes et singuli) im
Volk ihre äußere Freiheit aufgeben, um sie als Glieder eines
gemeinen Wesens, d. i. des Volks als Staat betrachtet (universi), sofort
wieder aufzunehmen, und man kann nicht sagen: der Staat, der Mensch im
Staate habe einen Theil seiner angebornen äußeren Freiheit
einem Zwecke aufgeopfert, sondern er hat die wilde, gesetzlose Freiheit gänzlich
verlassen, um seine Freiheit überhaupt in einer gesetzlichen
Abhängigkeit, d. i. in einem rechtlichen Zustande, unvermindert wieder zu finden,
weil diese Abhängigkeit aus seinem eigenen gesetzgebenden Willen entspringt.
§ 48.
Die drei Gewalten im
Staate sind also erstlich einander, als so viel moralische
Personen, beigeordnet (potestates coordinatae), d. i. die eine ist das
Ergänzungsstück der anderen zur Vollständigkeit (complementum ad sufficientiam) der
Staatsverfassung; aber zweitens auch einander
untergeordnet (subordinatae), so daß eine nicht zugleich die Function der anderen,
der sie zur Hand geht, usurpiren kann, sondern ihr eigenes Princip hat,
d. i. zwar in der Qualität einer besonderen Person, aber doch unter der
Bedingung des Willens einer oberen gebietet; drittens durch Vereinigung
beider jedem Unterthanen sein Recht ertheilend.
Von diesen Gewalten,
in ihrer Würde betrachtet, wird es heißen: der Wille des
Gesetzgebers(legislatoris) in Ansehung dessen, was das äußere Mein und Dein
betrifft, ist untadelig (irreprehensibel), das Ausführungs=Vermögen
des Oberbefehlshabers (summi rectoris) unwiderstehlich
(irresistibel) und der Rechtsspruch des obersten Richters (supremi iudicis)
unabänderlich (inappellabel).
§ 49.
Der Regent des Staats
(rex, princeps) ist diejenige (moralische oder physische )
Person, welcher die ausübende Gewalt (potestas executoria) zukommt: der Agent
des Staats, der die Magisträte einsetzt, dem Volk die Regeln
vorschreibt, nach denen ein jeder in demselben dem Gesetze gemäß (durch
Subsumtion eines Falles unter demselben) etwas erwerben, oder das Seine
erhalten kann. Als moralische Person betrachtet, heißt er das Directorium, die Regierung. Seine
Befehle an das Volk und die
Magisträte und ihre Obere (Minister), welchen die Staatsverwaltung (gubernatio) obliegt,
sind Verordnungen, Decrete (nicht Gesetze); denn sie
gehen auf Entscheidung in einem besonderen Fall und werden als
abänderlich gegeben. Eine Regierung, die zugleich gesetzgebend wäre, würde
despotisch zu nennen sein im Gegensatz mit der patriotischen, unter
welcher aber nicht eine väterliche (regimen paternale), als die am meisten
despotische unter allen (Bürger als Kinder zu behandeln), sondern
vaterländische (regimen civitatis et patriae) verstanden wird, wo der Staat
selbst (civitas) seine Unterthanen zwar gleichsam als Glieder einer
Familie, doch zugleich als Staatsbürger, d. i. nach Gesetzen ihrer
eigenen Selbstständigkeit, behandelt, jeder sich selbst besitzt und nicht vom
absoluten Willen eines Anderen neben oder über ihm abhängt.
Der Beherrscher des
Volks (der Gesetzgeber) kann also nicht zugleich der Regent sein, denn
dieser steht unter dem Gesetz und wird durch dasselbe folglich von einem
Anderen, dem Souverän, verpflichtet. Jener kann diesem auch
seine Gewalt nehmen, ihn absetzen, oder seine Verwaltung reformiren, aber ihn
nicht strafen (und das bedeutet allein der in England gebräuchliche
Ausdruck: der König, d. i. die oberste ausübende Gewalt, kann nicht
unrecht thun); denn das wäre wiederum ein Act der ausübenden Gewalt,
der zu oberst das Vermögen dem Gesetze gemäß zu zwingen zusteht, die
aber doch selbst einem Zwange unterworfen wäre; welches sich
widerspricht.
Endlich kann weder
der Staatsherrscher noch der Regierer richten, sondern nur Richter
als Magisträte einsetzen. Das Volk richtet sich selbst durch diejenigen
ihrer Mitbürger, welche durch freie Wahl, als Repräsentanten desselben, und zwar
für jeden Act besonders dazu ernannt werden. Denn der Rechtsspruch
(die Sentenz) ist ein einzelner Act der öffentlichen Gerechtigkeit
(iustitiae distributivae) durch einen Staatsverwalter (Richter oder Gerichtshof) auf
den Unterthan, d. i. einen, der zum Volk gehört, mithin mit keiner
Gewalt bekleidet ist, ihm das Seine zuzuerkennen (zu ertheilen). Da nun ein jeder im Volk diesem
Verhältnisse nach (zur
Obrigkeit) bloß passiv ist, so würde
eine jede jener beiden Gewalten in dem, was sie über den
Unterthan im streitigen Falle des Seinen eines jeden beschließen, ihm
unrecht thun können: weil es nicht das Volk selbst thäte und, ob schuldig oder
nichtschuldig, über seine Mitbürger ausspräche; auf welche
Ausmittelung der That in der Klagsache nun der Gerichtshof das Gesetz anzuwenden
und vermittelst der ausführenden Gewalt einem jeden das Seine zu
Theil werden zu lassen die richterliche Gewalt hat. Also kann nur das
Volk durch seine von ihm selbst abgeordnete Stellvertreter (die Jury) über jeden
in demselben, obwohl nur mittelbar, richten. - Es wäre auch unter
der Würde des Staatsoberhaupts, den Richter zu spielen, d. i. sich
in die Möglichkeit zu versetzen, Unrecht zu thun und so in den Fall der
Appellation (a rege male informato ad regem melius informandum) zu gerathen.
Also sind es drei
verschiedene Gewalten (potestas legislatoria, executoria, iudiciaria), wodurch
der Staat (civitas) seine Autonomie hat, d. i. sich selbst nach
Freiheitsgesetzen bildet und erhält. - In ihrer Vereinigung besteht das Heil des
Staats (salus reipublicae suprema lex est); worunter man nicht
das Wohl der Staatsbürger und ihre Glückseligkeit verstehen muß; denn
die kann vielleicht (wie auch Rousseau behauptet) im Naturzustande,
oder auch unter einer despotischen Regierung viel behaglicher und
erwünschter ausfallen: sondern den Zustand der größten Übereinstimmung der
Verfassung mit Rechtsprincipien versteht, als nach welchem zu streben
uns die Vernunft durch einen kategorischen Imperativ verbindlich macht.
Allgemeine Anmerkung von den rechtlichen
Wirkungen aus der Natur des bürgerlichen Vereins.
A. Der Ursprung der
obersten Gewalt ist für das Volk, das unter derselben steht, in praktischer
Absicht unerforschlich: d. i. der Unterthan soll nicht über
diesen Ursprung, als ein noch in Ansehung des ihr schuldigen Gehorsams zu
bezweifelndes Recht (ius controversum), werkthätig vernünfteln. Denn da das Volk, um rechtskräftig
über die oberste
Staatsgewalt (summum imperium) zu
urtheilen, schon als unter einem allgemein
gesetzgebenden Willen vereint angesehen werden muß, so kann und darf es nicht
anders urtheilen, als das gegenwärtige Staatsoberhaupt (summus imperans) es
will. - Ob ursprünglich ein wirklicher Vertrag der
Unterwerfung unter denselben (pactum subiectionis civilis) als ein Factum vorher
gegangen, oder ob die Gewalt vorherging, und das Gesetz nur
hintennach gekommen sei, oder auch in dieser Ordnung sich habe folgen sollen:
das sind für das Volk, das nun schon unter dem bürgerlichen Gesetze steht, ganz
zweckleere und doch den Staat mit Gefahr bedrohende
Vernünfteleien; denn wollte der Unterthan, der den letzteren Ursprung nun
ergrübelt hätte, sich jener jetzt herrschenden Autorität widersetzen, so würde er nach den
Gesetzen derselben, d. i. mit allem Recht, bestraft, vertilgt, oder (als
vogelfrei, exlex) ausgestoßen werden. - Ein Gesetz, das so heilig
(unverletzlich) ist, daß es praktisch auch nur in Zweifel zu ziehen,
mithin seinen Effect einen Augenblick zu suspendiren schon ein Verbrechen
ist, wird so vorgestellt, als ob es nicht von Menschen, aber doch von irgend
einem höchsten, tadelfreien Gesetzgeber herkommen müsse, und das ist
die Bedeutung des Satzes: "Alle Obrigkeit ist von Gott," welcher
nicht einen Geschichtsgrund der bürgerlichen Verfassung, sondern eine Idee als
praktisches Vernunftprincip aussagt: der jetzt bestehenden gesetzgebenden Gewalt
gehorchen zu sollen, ihr Ursprung mag sein, welcher er
wolle.
Hieraus folgt nun der
Satz: der Herrscher im Staat hat gegen den Unterthan lauter
Rechte und keine (Zwangs=)Pflichten. - Ferner, wenn das Organ des Herrschers,
der Regent, auch den Gesetzen zuwider verführe, z. B. mit Auflagen,
Recrutirungen u. dergl. wider das Gesetz der Gleichheit in
Vertheilung der Staatslasten, so darf der Unterthan dieser Ungerechtigkeit zwar
Beschwerden (gravamina), aber keinen Widerstand entgegensetzen.
Ja es kann auch
selbst in der Constitution kein Artikel enthalten sein, der es einer
Gewalt im Staat möglich machte, sich im Fall der Übertretung der
Constitutionalgesetze durch den obersten Befehlshaber ihm zu widersetzen, mithin
ihn einzuschränken. Denn der, welcher die Staatsgewalt einschränken soll,
muß doch mehr, oder wenigstens gleiche Macht haben, als derjenige,
welcher eingeschränkt wird, und als ein rechtmäßiger Gebieter, der den
Unterthanen befähle, sich zu widersetzen, muß er sie auch schützen können und
in jedem vorkommenden Fall rechtskräftig urtheilen, mithin öffentlich den
Widerstand befehligen können. Alsdann ist aber nicht jener, sondern dieser
der oberste Befehlshaber; welches sich widerspricht. Der Souverän verfährt
alsdann durch seinen Minister zugleich als Regent, mithin despotisch,
und das Blendwerk, das Volk durch die Deputirte desselben die einschränkende
Gewalt vorstellen zu lassen (da es eigentlich nur die gesetzgebende
hat), kann die Despotie nicht so verstecken, daß sie aus den Mitteln, deren
sich der Minister bedient, nicht hervorblickte. Das Volk, das durch seine
Deputirte (im Parlament) repräsentirt wird, hat an diesen Gewährsmännern
seiner Freiheit und Rechte Leute, die für sich und ihre Familien und
dieser ihre vom Minister abhängige Versorgung in Armeen, Flotte und
Civilämtern lebhaft interessirt sind, und die (statt des Widerstandes
gegen die Anmaßung der Regierung, dessen öffentliche Ankündigung ohnedem
eine dazu schon vorbereitete Einhelligkeit im Volk bedarf, die aber im
Frieden nicht erlaubt sein kann) vielmehr immer bereit sind, sich
selbst der Regierung in die Hände zu spielen. - Also ist die sogenannte
gemäßigte Staatsverfassung, als Constitution des innern Rechts des Staats,
ein Unding und, anstatt zum Recht zu gehören, nur ein Klugheitsprincip,
um so viel als möglich dem mächtigen Übertreter der Volksrechte seine
willkürliche Einflüsse auf die Regierung nicht zu erschweren, sondern unter dem
Schein einer dem Volk verstatteten Opposition zu bemänteln.
Wider das
gesetzgebende Oberhaupt des Staats giebt es also keinen rechtmäßigen
Widerstand des Volks; denn nur durch Unterwerfung unter seinen
allgemein=gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher Zustand möglich; also kein Recht des
Aufstandes (seditio), noch weniger des Aufruhrs (rebellio), am
allerwenigsten gegen ihn als einzelne Person (Monarch) unter dem Vorwande
des Mißbrauchs seiner Gewalt (tyrannis) Vergreifung an seiner Person, ja
an seinem Leben (monarchomachismus sub specie
tyrannicidii). Der geringste Versuch hiezu ist Hochverrath (proditio eminens),
und der Verräther dieser Art kann als einer, der sein Vaterland umzubringen
versucht (parricida), nicht minder als mit dem Tode bestraft
werden. - - Der Grund der Pflicht des Volks einen, selbst den für
unerträglich ausgegebenen Mißbrauch der obersten Gewalt dennoch zu ertragen
liegt darin: daß sein Widerstand wider die höchste Gesetzgebung selbst
niemals anders als gesetzwidrig, ja als die ganze gesetzliche Verfassung
zernichtend gedacht werden muß. Denn um zu demselben befugt zu sein, müßte
ein öffentliches Gesetz vorhanden sein, welches diesen Widerstand des
Volks erlaubte, d. i. die oberste Gesetzgebung enthielte eine Bestimmung in
sich, nicht die oberste zu sein und das Volk als Unterthan in einem
und demselben Urtheile zum Souverän über den zu machen, dem es
unterthänig ist; welches sich widerspricht und wovon der Widerspruch durch die
Frage alsbald in die Augen fällt: wer denn in diesem Streit
zwischen Volk und Souverän Richter sein sollte (denn es sind rechtlich
betrachtet doch immer zwei verschiedene moralische Personen); wo sich dann zeigt,
daß das erstere es in seiner eigenen Sache sein will.*)
Eine Veränderung der
(fehlerhaften) Staatsverfassung, die wohl bisweilen nöthig sein
mag - kann also nur vom Souverän selbst durch Reform, aber nicht
vom Volk, mithin durch Revolution verrichtet werden, und wenn sie
geschieht, so kann jene nur die ausübende Gewalt, nicht die
gesetzgebende treffen. - In einer Staatsverfassung, die so beschaffen ist, daß das Volk durch seine Repräsentanten
(im Parlament)
jener und dem Repräsentanten derselben
(dem Minister) gesetzlich widerstehen kann - welche dann
eine eingeschränkte Verfassung heißt -, ist gleichwohl kein
activer Widerstand (der willkürlichen Verbindung des Volks die Regierung zu
einem gewissen thätigen Verfahren zu zwingen, mithin selbst einen Act der
ausübenden Gewalt zu begehen), sondern nur ein negativer Widerstand, d. i.
Weigerung des Volks (im Parlament), erlaubt, jener in den
Forderungen, die sie zur Staatsverwaltung nöthig zu haben vorgiebt,
nicht immer zu willfahren; vielmehr wenn das letztere geschähe, so wäre es
ein sicheres Zeichen, daß das Volk verderbt, seine Repräsentanten erkäuflich und das
Oberhaupt in der Regierung durch seinen Minister despotisch,
dieser selber aber ein Verräther des Volks sei.
Übrigens, wenn eine
Revolution einmal gelungen und eine neue Verfassung gegründet
ist, so kann die Unrechtmäßigkeit des Beginnens und der Vollführung
derselben die Unterthanen von der Verbindlichkeit, der neuen Ordnung der
Dinge sich als gute Staatsbürger zu fügen, nicht befreien, und sie
können sich nicht weigern, derjenigen Obrigkeit ehrlich zu gehorchen, die jetzt
die Gewalt hat. Der entthronte Monarch (der jene Umwälzung überlebt)
kann wegen seiner vorigen Geschäftsführung nicht in Anspruch genommen,
noch weniger aber gestraft werden, wenn er, in den Stand eines
Staatsbürgers zurückgetreten, seine und des Staats Ruhe dem Wagstück
vorzieht, sich von diesem zu entfernen, um als Prätendent das Abenteuer der Wiedererlangung desselben, es
sei durch ingeheim
angestiftete Gegenrevolution, oder
durch Beistand anderer Mächte, zu bestehen. Wenn er
aber das letztere vorzieht, so bleibt ihm, weil der Aufruhr, der ihn aus
seinem Besitz vertrieb, ungerecht war, sein Recht an demselben
unbenommen. Ob aber andere Mächte das Recht haben, sich diesem
verunglückten Oberhaupt zum besten in ein Staatenbündniß zu vereinigen, bloß
um jenes vom Volk begangene Verbrechen nicht ungeahndet, noch als Skandal für
alle Staaten bestehen zu lassen, mithin eine in jedem anderen
Staat durch Revolution zu Stande gekommene Verfassung in ihre alte mit
Gewalt zurückzubringen berechtigt und berufen seien, das gehört zum Völkerrecht.
B. Kann der Beherrscher
als Obereigenthümer (des Bodens), oder muß er nur als
Oberbefehlshaber in Ansehung des Volks durch Gesetze betrachtet werden? Da der Boden
die oberste Bedingung ist, unter der allein es möglich ist,
äußere Sachen als das Seine zu haben, deren möglicher Besitz und Gebrauch
das erste erwerbliche Recht ausmacht, so wird von dem Souverän, als
Landesherren, besser als Obereigenthümer (dominus territorii), alles
solche Recht abgeleitet werden müssen. Das Volk, als die Menge der
Unterthanen, gehört ihm auch zu (es ist sein Volk), aber nicht ihm als
Eigenthümer (nach dem dinglichen), sondern als Oberbefehlshaber (nach dem
persönlichen Recht). - Dieses Obereigenthum ist aber nur eine Idee des
bürgerlichen Vereins, um die nothwendige Vereinigung des Privateigenthums
aller im Volk unter einem öffentlichen allgemeinen Besitzer zu
Bestimmung des besonderen Eigenthums nicht nach Grundsätzen der Aggregation (die
von den Theilen zum Ganzen empirisch fortschreitet),
sondern dem nothwendigen formalen Princip der Eintheilung (Division des Bodens)
nach Rechtsbegriffen vorstellig zu machen. Nach diesen
kann der Obereigenthümer kein Privateigenthum an irgend einem Boden
haben (denn sonst machte er sich zu einer Privatperson), sondern dieses gehört
nur dem Volk (und zwar nicht collectiv, sondern distributiv
genommen) zu; wovon doch ein nomadisch=beherrschtes Volk auszunehmen ist,
als in welchem gar kein Privateigenthum des Bodens statt findet.
- Der Oberbefehlshaber kann also keine Domänen, d. i. Ländereien zu
seiner Privatbenutzung (zu Unterhaltung des Hofes), haben. Denn weil es
alsdann auf sein eigen Gutbefinden ankäme, wie weit sie ausgebreitet
sein sollten, so würde der Staat Gefahr laufen, alles Eigenthum des Bodens
in den Händen der Regierung zu sehen und alle Unterthanen als
grundunterthänig (glebae adscripti) und Besitzer von dem, was immer
nur Eigenthum eines Anderen ist, folglich aller Freiheit beraubt
(servi) anzusehen. - Von einem Landesherrn kann man sagen: er besitzt
nichts (zu eigen), außer sich selbst; denn wenn er neben einem anderen
im Staat etwas zu eigen hätte, so würde mit diesem ein Streit möglich
sein, zu dessen Schlichtung kein Richter wäre. Aber man kann auch sagen:
er besitzt alles; weil er das Befehlshaberrecht über das Volk hat
(jedem das Seine zu Theil kommen zu lassen), dem alle äußere Sachen
(divisim) zugehören.
Hieraus folgt: daß es
auch keine Corporation im Staat, keinen Stand und orden geben
könne, der als Eigenthümer den Boden zur alleinigen Benutzung
den folgenden Generationen (ins Unendliche) nach gewissen Statuten
überliefern könne. Der Staat kann sie zu aller Zeit aufheben, nur unter
der Bedingung, die Überlebenden zu entschädigen. Der Ritterorden (als
Corporation, oder auch bloß Rang einzelner, vorzüglich beehrter
Personen), der Orden der Geistlichkeit, die Kirche genannt, können nie
durch diese Vorrechte, womit sie begünstigt worden, ein auf Nachfolger
übertragbares Eigenthum am Boden, sondern nur die einstweilige
Benutzung desselben erwerben. Die Comthureien auf einer, die Kirchengüter auf
der anderen Seite können, wenn die öffentliche Meinung wegen der Mittel,
durch die Kriegsehre den Staat wider die Lauigkeit in
Vertheidigung desselben zu schützen, oder die Menschen in demselben durch
Seelmessen, Gebete und eine Menge zu bestellender Seelsorger, um sie vor dem ewigen
Feuer zu bewahren, anzutreiben, aufgehört hat, ohne Bedenken
(doch unter der vorgenannten Bedingung) aufgehoben werden. Die, so hier
in die Reform fallen, können nicht klagen, daß ihnen ihr Eigenthum
genommen werde; denn der Grund ihres bisherigen Besitzes lag nur in der
Volksmeinung und mußte auch, so lange diese fortwährte, gelten.
So bald diese aber erlosch, und zwar auch nur in dem Urtheil derjenigen,
welche auf Leitung desselben durch ihr Verdienst den größten Anspruch
haben, so mußte, gleichsam als durch eine Appellation desselben an den
Staat (a rege male informato ad regem melius informandum), das vermeinte
Eigenthum aufhören.
Auf diesem
ursprünglich erworbenen Grundeigenthum beruht das Recht des
Oberbefehlshabers, als Obereigenthümers (des Landesherrn), die Privateigenthümer
des Bodens zu beschatzen, d. i. Abgaben durch die Landtaxe, Accise und
Zölle, oder Dienstleistung (dergleichen die Stellung der Mannschaft zum
Kriegsdienst ist) zu fordern: so doch, daß das Volk sich selber
beschatzt, weil dieses die einzige Art ist, hiebei nach Rechtsgesetzen zu verfahren, wenn es
durch das Corps der Deputirten desselben geschieht, auch als
gezwungene (von dem bisher bestandenen Gesetz abweichende) Anleihe nach dem
Majestätsrechte, als in einem Falle, da der Staat in Gefahr
seiner Auflösung kommt, erlaubt ist.
Hierauf beruht auch
das Recht der Staatswirthschaft, des Finanzwesens und der Polizei,
welche letztere die öffentliche Sicherheit, Gemächlichkeit und Anständigkeit
besorgt (denn daß das Gefühl für diese (sensus decori)
als negativer Geschmack durch Bettelei, Lärmen auf Straßen, Gestank,
öffentliche Wollust (venus volgivaga), als Verletzungen des moralischen
Sinnes, nicht abgestumpft werde, erleichtert der Regierung gar sehr ihr
Geschäfte, das Volk durch Gesetze zu lenken).
Zu Erhaltung des
Staats gehört auch noch ein drittes: nämlich das Recht der Aufsicht
(ius inspectionis), daß ihm nämlich keine Verbindung, die aufs öffentliche
Wohl der Gesellschaft (publicum) Einfluß haben kann, (von Staats=
oder Religions=Illuminaten) verheimlicht, sondern, wenn es von der
Polizei verlangt wird, die Eröffnung ihrer Verfassung nicht geweigert
werde. Die aber der Untersuchung der Privatbehausung eines jeden ist nur
ein Nothfall der Polizei, wozu sie durch eine höhere Autorität in jedem
besonderen Falle berechtigt werden muß.
C. Dem Oberbefehlshaber
steht indirect, d. i. als Übernehmer der Pflicht des Volks,
das Recht zu, dieses mit Abgaben zu seiner (des Volks) eigenen Erhaltung zu
belasten, als da sind: das Armenwesen, die Findelhäuser und das
Kirchenwesen, sonst milde oder fromme Stiftungen genannt.
Der allgemeine
Volkswille hat sich nämlich zu einer Gesellschaft vereinigt, welche sich
immerwährend erhalten soll, und zu dem Ende sich der inneren Staatsgewalt
unterworfen, um die Glieder dieser Gesellschaft, die es selbst nicht
vermögen, zu erhalten. Von Staatswegen ist also die Regierung berechtigt, die
Vermögenden zu nöthigen, die Mittel der Erhaltung derjenigen, die es
selbst den nothwendigsten Naturbedürfnissen nach nicht sind, herbei zu
schaffen: weil ihre Existenz zugleich als Act der Unterwerfung unter den Schutz und
die zu ihrem Dasein nöthige Vorsorge des gemeinen Wesens ist,
wozu sie sich verbindlich gemacht haben, auf welche der Staat nun sein
Recht gründet, zur Erhaltung ihrer Mitbürger das Ihrige beizutragen.
Das kann nun geschehen: durch Belastung des Eigenthums der Staatsbürger,
oder ihres Handelsverkehrs, oder durch errichtete Fonds und deren
Zinsen; nicht zu Staats= (denn der ist reich), sondern zu Volksbedürfnissen,
aber nicht bloß durch freiwillige Beiträge (weil hier nur vom Rechte
des Staats gegen das Volk die Rede ist), worunter einige gewinnsüchtige
sind (als Lotterien, die mehr Arme und dem öffentlichen Eigenthum gefährliche
machen, als sonst sein würden, und die also nicht erlaubt sein
sollten), sondern zwangsmäßig, als Staatslasten. Hier frägt sich nun: ob
die Versorgung der Armen durch laufende Beiträge, so daß jedes
Zeitalter die Seinigen ernährt, oder durch nach und nach gesammelte Bestände und
überhaupt fromme Stiftungen (dergleichen Wittwenhäuser,
Hospitäler u. dergl. sind) und zwar jenes nicht durch Bettelei, welche mit der
Räuberei nahe verwandt ist, sondern durch gesetzliche Auflage ausgerichtet
werden soll. - Die erstere Anordnung muß für die einzige dem Rechte
des Staats angemessene, der sich niemand entziehen kann, der zu leben
hat, gehalten werden: weil sie nicht (wie von frommen Stiftungen zu
besorgen ist), wenn sie mit der Zahl der Armen anwachsen, das Armsein zum
Erwerbmittel für faule Menschen machen und so eine ungerechte Belästigung
des Volks durch die Regierung sein würden.
Was die Erhaltung der
aus Noth oder Scham ausgesetzten, oder wohl gar darum ermordeten
Kinder betrifft, so hat der Staat ein Recht, das Volk mit der Pflicht zu
belasten, diesen, obzwar unwillkommenen Zuwachs des Staatsvermögens nicht
wissentlich umkommen zu lassen. Ob dieses aber durch Besteurung der
Hagestolzen beiderlei Geschlechts (worunter die vermögende Ledige
verstanden werden), als solche, die daran doch zum Theil Schuld
sind, vermittelst dazu errichteter Findelhäuser, oder auf andere Art mit Recht
geschehen könne (ein anderes Mittel es zu verhüten möchte es aber
schwerlich geben), ist eine Aufgabe, deren Lösung, ohne entweder wider das
Recht, oder die Moralität zu verstoßen, bisher noch nicht gelungen ist.
Da auch das
Kirchenwesen, welches von der Religion als innerer Gesinnung, die ganz
außer dem Wirkungskreise der bürgerlichen Macht ist, sorgfältig
unterschieden werden muß (als Anstalt zum öffentlichen Gottesdienst für das Volk, aus welchem
dieser auch seinen Ursprung hat, es sei Meinung oder
Überzeugung), ein wahres Staatsbedürfniß wird, sich auch als Unterthanen einer
höchsten unsichtbaren Macht, der sie huldigen müssen, und die mit
der bürgerlichen oft in einen sehr ungleichen Streit kommen kann, zu
betrachten: so hat der Staat das Recht, nicht etwa der inneren
Constitutionalgesetzgebung, das Kirchenwesen nach seinem Sinne, wie es ihm
vortheilhaft dünkt, einzurichten, den Glauben und gottesdienstliche Formen (ritus) dem
Volk vorzuschreiben oder zu befehlen (denn dieses muß gänzlich
den Lehrern und Vorstehern, die es sich selbst gewählt hat, überlassen
bleiben), sondern nur das negative Recht den Einfluß der öffentlichen
Lehrer auf das sichtbare, politische gemeine Wesen, der der öffentlichen Ruhe
nachtheilig sein möchte, abzuhalten, mithin bei dem inneren Streit, oder
dem der verschiedenen Kirchen unter einander die bürgerliche Eintracht
nicht in Gefahr kommen zu lassen, welches also ein Recht der Polizei
ist. Daß eine Kirche einen gewissen Glauben und welchen sie haben,
oder daß sie ihn unabänderlich erhalten müsse und sich nicht selbst
reformiren dürfe, sind Einmischungen der obrigkeitlichen Gewalt, die unter ihrer Würde
sind: weil sie sich dabei, als einem Schulgezänke, auf den Fuß der
Gleichheit mit ihren Unterthanen einläßt (der Monarch sich zum
Priester macht), die ihr geradezu sagen können, daß sie hievon nichts
verstehe; vornehmlich was das letztere, nämlich das Verbot innerer Reformen,
betrifft; - denn was das gesammte Volk nicht über sich selbst beschließen
kann, das kann auch der Gesetzgeber nicht über das Volk beschließen. Nun kann
aber kein Volk beschließen, in seinen den Glauben betreffenden
Einsichten (der Aufklärung) niemals weiter fortzuschreiten, mithin auch sich in
Ansehung des Kirchenwesens nie zu reformieren: weil dies der Menschheit
in seiner eigenen Person, mithin dem höchsten Recht desselben entgegen
sein würde. Also kann es auch keine obrigkeitliche Gewalt über das Volk
beschließen. - - Was aber die Kosten der Erhaltung des Kirchenwesens
betrifft, so können diese aus eben derselben Ursache nicht dem Staat,
sondern müssen dem Theil des Volks, der sich zu einem oder dem anderen
Glauben bekennt, d. i. nur der Gemeine, zu Lasten kommen.
D. Das Recht des
obersten Befehlshabers im Staat geht auch 1) auf Vertheilung der
Ämter, als mit einer Besoldung verbundener Geschäftsführung; 2) der Würden, die
als Standeserhöhungen ohne Sold, d. i. Rangertheilung des
Oberen (der zum Befehlen) in Ansehung der Niedrigern (die, obzwar als
freie und nur durchs öffentliche Gesetz verbindliche, doch jenen zu
gehorsamen zum Voraus bestimmt sind), bloß auf Ehre fundirt sind - und 3)
außer diesem (respectiv=wohlthätigen) Recht auch aufs Strafrecht.
Was ein bürgerliches
Amt anlangt, so kommt hier die Frage vor: hat der Souverän das Recht, einem, dem er ein Amt
gegeben, es nach seinem
Gutbefinden (ohne ein Verbrechen von
Seiten des letzteren) wieder zu nehmen? Ich sage:
nein! Denn was der vereinigte Wille des Volks über seine bürgerliche
Beamte nie beschließen wird, das kann auch das Staatsoberhaupt über ihn nicht
beschließen. Nun will das Volk (das die Kosten tragen soll, welche
die Ansetzung eines Beamten ihm machen wird) ohne allen Zweifel, daß dieser
seinem ihm auferlegten Geschäfte völlig gewachsen sei; welches aber
nicht anders, als durch eine hinlängliche Zeit hindurch fortgesetzte
Vorbereitung und Erlernung desselben, über der er diejenige versäumt, die er zur
Erlernung eines anderen ihn nährenden Geschäfts hätte verwenden
können, geschehen kann; mithin würde in der Regel das Amt mit Leuten
versehen werden, die keine dazu erforderliche Geschicklichkeit und durch Übung
erlangte Reife Urtheilskraft erworben hätten; welches der Absicht des
Staats zuwider ist, als zu welcher auch erforderlich ist, daß jeder vom
niedrigeren Amte zu höheren (die sonst lauter untauglichen in die Hände fallen
würden) steigen, mithin auch auf lebenswierige Versorgung müsse rechnen können.
Die Würde betreffend,
nicht bloß die, welche ein Amt bei sich führen mag, sondern auch
die, welche den Besitzer auch ohne besondere Bedienungen zum Gliede eines
höheren Standes macht, ist der Adel, der, vom bürgerlichen
Stande, in welchem das Volk ist, unterschieden, den männlichen Nachkommen
anerbt, durch diese auch wohl den weiblichen unadlicher Geburt, nur so, daß
die adlich Geborne ihrem unadlichen Ehemann nicht umgekehrt
diesen Rang mittheilt, sondern selbst in den bloß bürgerlichen (des
Volks) zurückfällt. - Die Frage ist nun: ob der Souverän einen Adelstand, als
einen erblichen Mittelstand zwischen ihm und den übrigen
Staatsbürgern, zu gründen berechtigt sei. In dieser Frage kommt es nicht
darauf an: ob es der Klugheit des Souveräns wegen seines oder des Volks
Vortheils, sondern nur, ob es dem Rechte des Volks gemäß sei, einen
Stand von Personen über sich zu haben, die zwar selbst Unterthanen, aber
doch in Ansehung des Volks geborne Befehlshaber (wenigstens
privilegirte) sind. - - Die Beantwortung derselben geht nun hier eben so wie
vorher aus dem Princip hervor: "Was das Volk (die ganze Masse der
Unterthanen) nicht über sich selbst und seine Genossen beschließen kann, das kann auch
der Souverän nicht über das Volk beschließen." Nun ist ein
angeerbter Adel ein Rang, der vor dem Verdienst vorher geht und
dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein Gedankending ohne
alle Realität. Denn wenn der Vorfahr Verdienst hatte, so konnte er
dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben, sondern diese mußten
es sich immer selbst erwerben, da die Natur es nicht so fügt, daß das
Talent und der Wille, welche Verdienste um den Staat möglich machen, auch
anarten. Weil nun von keinem Menschen angenommen werden kann, er werde
seine Freiheit wegwerfen, so ist es unmöglich, daß der allgemeine
Volkswille zu einem solchen grundlosen Prärogativ
zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend machen. - - Wenn
indessen gleich eine solche Anomalie in das Maschinenwesen einer
Regierung von alten Zeiten (des Lehnswesens, das fast gänzlich auf
den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Unterthanen, die mehr als
Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa ein Erbprofessor),
sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich
ertheilten erblichen Vorzugs nicht anders, als durch
Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich wiederum gut machen,
und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde dem Titel nach
fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung die Eintheilung in
Souverän, Adel und Volk der einzigen natürlichen in Souverän und Volk
Platz gemacht haben wird.
Ohne alle Würde kann
nun wohl kein Mensch im Staate sein, denn er hat wenigstens die
des Staatsbürgers; außer wenn er sich durch sein eigenes Verbrechen darum
gebracht hat, da er dann zwar im Leben erhalten, aber zum bloßen
Werkzeuge der Willkür eines Anderen (entweder des Staats, oder eines
anderen Staatsbürgers) gemacht wird. Wer nun das letztere ist (was er
aber nur durch Urtheil und Recht werden kann), ist ein Leibeigner (servus in
sensu stricto) und gehört zum Eigenthum (dominium) eines
Anderen, der daher nicht bloß sein Herr (herus), sondern auch sein Eigenthümer
(dominus) ist, der ihn als eine Sache veräußern und nach Belieben
(nur nicht zu schandbaren Zwecken) brauchen und über seine
Kräfte, wenn gleich nicht über sein Leben und Gliedmaßen verfügen (disponiren)
kann. Durch einen Vertrag kann sich niemand zu einer
solchen Abhängigkeit verbinden, dadurch er aufhört, eine Person zu sein;
denn nur als Person kann er einen Vertrag machen. Nun scheint es zwar,
ein Mensch könne sich zu gewissen, der Qualität nach erlaubten, dem Grad
nach aber unbestimmten Diensten gegen einen Andern (für Lohn,
Kost oder Schutz) verpflichten durch einen Verdingungsvertrag (locatio conductio),
und er werde dadurch bloß Unterthan (subiectus), nicht Leibeigner
(servus); allein das ist nur ein falscher Schein. Denn wenn sein Herr
befugt ist, die Kräfte seines Unterthans nach Belieben zu benutzen, so kann
er sie auch (wie es mit den Negern auf den Zuckerinseln der Fall ist)
erschöpfen bis zum Tode oder der Verzweiflung, und jener hat sich seinem
Herrn wirklich als Eigenthum weggegeben; welches unmöglich ist. - Er
kann sich also nur zu der Qualität und dem Grade nach bestimmten
Arbeiten verdingen: entweder als Tagelöhner, oder ansässiger Unterthan; im
letzteren Fall, daß er theils für den Gebrauch des Bodens seines Herrn
statt des Tagelohns Dienste auf demselben Boden, theils für die eigene
Benutzung desselben bestimmte Abgaben (einen Zins) nach einem
Pachtvertrage leistet, ohne sich dabei zum Gutsunterthan (glebae adscriptus)
zu machen, als wodurch er seine Persönlichkeit einbüßen würde, mithin eine
Zeit= oder Erbpacht gründen kann. Er mag nun aber auch durch
sein Verbrechen ein persönlicher Unterthan geworden sein, so kann diese
Unterthänigkeit ihm doch nicht anerben, weil er sie sich nur durch
seine eigene Schuld zugezogen hat, und eben so wenig kann der von einem
Leibeigenen Erzeugte wegen der Erziehungskosten, die er gemacht hat, in
Anspruch genommen werden, weil Erziehung eine absolute Naturpflicht der
Eltern und, im Falle daß diese Leibeigene waren, der Herren ist,
welche mit dem Besitz ihrer Unterthanen auch die Pflichten derselben übernommen
haben.
E. Vom Straf= und
Begnadigungsrecht.
I.
Das Strafrecht ist
das Recht des Befehlshabers gegen den Unterwürfigen, ihn wegen seines
Verbrechens mit einem Schmerz zu belegen. Der Oberste im Staate
kann also nicht bestraft werden, sondern man kann sich nur seiner
Herrschaft entziehen. - Diejenige Übertretung des öffentlichen Gesetzes, die den,
welcher sie begeht, unfähig macht, Staatsbürger zu sein, heißt
Verbrechen schlechthin (crimen), aber auch ein öffentliches Verbrechen (crimen publicum); daher das erstere
(das Privatverbrechen)
vor die Civil=, das andere vor die
Criminalgerechtigkeit gezogen wird. - Veruntreuung, d. i.
Unterschlagung der zum Verkehr anvertrauten Gelder oder Waaren,
Betrug im Kauf und Verkauf bei sehenden Augen des Anderen sind
Privatverbrechen. Dagegen sind: falsch Geld oder falsche Wechsel zu machen,
Diebstahl und Raub u. dergl. öffentliche Verbrechen, weil das gemeine
Wesen und nicht bloß eine einzelne Person dadurch gefährdet wird. - Sie könnten
in die der niederträchtigen Gemüthsart (indolis abiectae)
und die der gewaltthätigen (indolis violentae) eingetheilt werden.
Richterliche Strafe
(poena forensis), die von der natürlichen (poena naturalis),
dadurch das Laster sich selbst bestraft und auf welche der Gesetzgeber gar
nicht Rücksicht nimmt, verschieden, kann niemals bloß als Mittel ein
anderes Gute zu befördern für den Verbrecher selbst, oder für die bürgerliche
Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden,
weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß als Mittel zu
den Absichten eines Anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des
Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborne Persönlichkeit
schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurtheilt
werden kann. Er muß vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran
gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine
Mitbürger zu ziehen. Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und wehe
dem! welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre durchkriecht, um
etwas aufzufinden, was durch den Vortheil, den es verspricht,
ihn von der Strafe, oder auch nur einem Grade derselben entbinde nach dem
pharisäischen Wahlspruch: "Es ist besser, daß ein Mensch sterbe,
als daß das ganze Volk verderbe;" denn wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es
keinen Werth mehr, daß Menschen auf Erden leben. - Was
soll man also von dem Vorschlage halten: einem Verbrecher auf den
Tod das Leben zu erhalten, wenn er sich dazu verstände, an sich gefährliche
Experimente machen zu lassen, und so glücklich wäre gut durchzukommen;
damit die Ärzte dadurch eine neue, dem gemeinen Wesen ersprießliche
Belehrung erhielten? Ein Gerichtshof würde das medicinische Collegium,
das diesen Vorschlag thäte, mit Verachtung abweisen; denn die
Gerechtigkeit hört auf eine zu sein, wenn sie sich für irgend einen Preis
weggiebt.
Welche Art aber und
welcher Grad der Bestrafung ist es, welche die öffentliche
Gerechtigkeit sich zum Princip und Richtmaße macht? Kein anderes, als das
Princip der Gleichheit, (im Stande des Züngleins an der Wage der
Gerechtigkeit) sich nicht mehr auf die eine, als auf die andere Seite
hinzuneigen. Also: was für unverschuldetes Übel du einem Anderen im Volk
zufügst, das thust du dir selbst an. Beschimpfst du ihn, so
beschimpfst du dich selbst; bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst; schlägst du
ihn, so schlägst du dich selbst; tödtest du ihn, so tödtest du dich selbst. Nur
das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis) aber, wohl zu verstehen,
vor den Schranken des Gerichts (nicht in deinem Privaturtheil), kann die Qualität und
Quantität der Strafe bestimmt angeben; alle andere sind hin
und her schwankend und können anderer sich einmischenden Rücksichten wegen
keine Angemessenheit mit dem Spruch der reinen und strengen
Gerechtigkeit enthalten. - Nun scheint es zwar, daß der Unterschied der
Stände das Princip der Wiedervergeltung Gleiches mit Gleichem nicht
verstatte; aber wenn es gleich nicht nach dem Buchstaben möglich sein kann, so
kann es doch der Wirkung nach respective auf die
Empfindungsart der Vornehmeren immer geltend bleiben. - So hat z. B. Geldstrafe
wegen einer Verbalinjurie gar kein Verhältniß zur Beleidigung, denn der
des Geldes viel hat, kann diese sich wohl einmal zur Lust erlauben;
aber die Kränkung der Ehrliebe des Einen kann doch dem Wehthun des
Hochmuths des Anderen sehr gleich kommen: wenn dieser nicht allein
öffentlich abzubitten, sondern jenem, ob er zwar niedriger ist, etwa zugleich
die Hand zu küssen durch Urtheil und Recht genöthigt würde. Eben so wenn
der gewaltthätige Vornehme für die Schläge, die er dem niederen, aber
schuldlosen Staatsbürger zumißt, außer der Abbitte noch zu einem
einsamen und beschwerlichen Arrest verurtheilt würde, weil hiemit, außer der
Ungemächlichkeit, noch die Eitelkeit des Thäters schmerzhaft angegriffen und so
durch Beschämung Gleiches mit Gleichem gehörig vergolten würde. -
Was heißt das aber: "Bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst"?
Wer da stiehlt, macht aller Anderer Eigenthum unsicher; er beraubt
sich also (nach dem Recht der Wiedervergeltung) der Sicherheit alles
möglichen Eigenthums; er hat nichts und kann auch nichts erwerben, will aber
doch leben; welches nun nicht anders möglich ist, als daß ihn Andere
ernähren. Weil dieses aber der Staat nicht umsonst thun wird, so muß er
diesem seine Kräfte zu ihm beliebigen Arbeiten (Karren= oder Zuchthausarbeit)
überlassen und kommt auf gewisse Zeit, oder nach Befinden auch auf
immer in den Sklavenstand. - Hat er aber gemordet, so muß er sterben. Es
giebt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit. Es ist
keine Gleichartigkeit zwischen einem noch so kummervollen Leben
und dem Tode, also auch keine Gleichheit des Verbrechens und der
Wiedervergeltung, als durch den am Thäter gerichtlich vollzogenen, doch von
aller Mißhandlung, welche die Menschheit in der leidenden Person zum
Scheusal machen könnte, befreieten Tod. - Selbst wenn sich die bürgerliche
Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflösete (z. B. das eine Insel bewohnende Volk
beschlösse auseinander zu
gehen und sich in alle Welt zu
zerstreuen), müßte der letzte im Gefängniß befindliche Mörder
vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine
Thaten werth sind, und die Blutschuld nicht auf dem Volke hafte, das auf
diese Bestrafung nicht gedrungen hat: weil es als Theilnehmer an dieser
öffentlichen Verletzung der Gerechtigkeit betrachtet werden kann.
Diese Gleichheit der
Strafen, die allein durch die Erkenntniß des Richters auf den Tod
nach dem strengen Wiedervergeltungsrechte möglich ist, offenbart sich
daran, daß dadurch allein proportionirlich mit der inneren Bösartigkeit
der Verbrecher das Todesurtheil über alle (selbst wenn es nicht einen
Mord, sondern ein anderes nur mit dem Tode zu tilgendes Staatsverbrechen
beträfe) ausgesprochen wird. - Setzet: daß, wie in der letzten
schottischen Rebellion, da verschiedene Theilnehmer an derselben (wie Balmerino und
andere) durch ihre Empörung nichts als eine dem Hause Stuart
schuldige Pflicht auszuüben glaubten, andere dagegen Privatabsichten
hegten, von dem höchsten Gericht das Urtheil so gesprochen worden wäre: ein
jeder solle die Freiheit der Wahl zwischen dem Tode und der Karrenstrafe
haben; so sage ich: der ehrliche Mann wählt den Tod, der Schelm aber die
Karre; so bringt es die Natur des menschlichen Gemüths mit sich.
Denn der erstere kennt etwas, was er noch höher schätzt, als selbst das Leben:
nämlich die Ehre; der andere hält ein mit Schande bedecktes Leben doch
immer noch für besser, als gar nicht zu sein (animam praeferre pudori.
Iuven.). Der erstere ist nun ohne Widerrede weniger strafbar als der
andere, und so werden sie durch den über alle gleich verhängten Tod ganz
proportionirlich bestraft, jener gelinde nach seiner Empfindungsart und dieser hart nach
der seinigen; da hingegen, wenn durchgängig auf die Karrenstrafe
erkannt würde, der erstere zu hart, der andere für seine
Niederträchtigkeit gar zu gelinde bestraft wäre; und so ist auch hier im Ausspruche über
eine im Complot vereinigte Zahl von Verbrechern der beste Ausgleicher
vor der öffentlichen Gerechtigkeit der Tod. - Überdem hat man nie gehört,
daß ein wegen Mordes zum Tode Verurtheilter sich beschwert hätte,
daß ihm damit zu viel und also unrecht geschehe; jeder würde ihm ins
Gesicht lachen, wenn er sich dessen äußerte. - Man müßte sonst annehmen,
daß, wenn dem Verbrecher gleich nach dem Gesetz nicht unrecht
geschieht, doch die gesetzgebende Gewalt im Staat diese Art von Strafe zu
verhängen nicht befugt und, wenn sie es thut, mit sich selbst im Widerspruch sei.
So viel also der
Mörder sind, die den Mord verübt, oder auch befohlen, oder dazu mitgewirkt
haben, so viele müssen auch den Tod leiden; so will es die
Gerechtigkeit als Idee der richterlichen Gewalt nach allgemeinen, a priori begründeten
Gesetzen. - Wenn aber doch die Zahl der Complicen (correi) zu
einer solchen That so groß ist, daß der Staat, um keine solche
Verbrecher zu haben, bald dahin kommen könnte, keine Unterthanen mehr zu haben, und
sich doch nicht auflösen, d. i. in den noch viel ärgeren, aller
äußeren Gerechtigkeit entbehrenden Naturzustand übergehen (vornehmlich nicht
durch das Spectakel einer Schlachtbank das Gefühl des Volks abstumpfen)
will, so muß es auch der Souverän in seiner Macht haben, in diesem
Nothfall (casus necessitatis) selbst den Richter zu machen (vorzustellen) und
ein Urtheil zu sprechen, welches statt der Lebensstrafe eine andere den
Verbrechern zuerkennt, bei der die Volksmenge noch erhalten wird, dergleichen die
Deportation ist: dieses selbst aber nicht als nach einem
öffentlichen Gesetz, sondern durch einen Machtspruch, d. i. einen Act des
Majestätsrechts, der als Begnadigung nur immer in einzelnen Fällen ausgeübt
werden kann. Hiegegen hat nun der
Marchese Beccaria aus theilnehmender Empfindelei einer affectirten
Humanität (compassibilitas) seine Behauptung der Unrechtmäßigkeit
aller Todesstrafe aufgestellt: weil sie im ursprünglichen bürgerlichen Vertrage
nicht enthalten sein könnte; denn da hätte jeder im Volk
einwilligen müssen, sein Leben zu verlieren, wenn er etwa einen Anderen
(im Volk) ermordete; diese Einwilligung aber sei unmöglich, weil Niemand über sein
Leben disponiren könne. Alles Sophisterei und Rechtsverdrehung.
Strafe erleidet
jemand nicht, weil er sie, sondern weil er eine strafbare Handlung gewollt hat;
denn es ist keine Strafe, wenn einem geschieht, was er will, und es
ist unmöglich, gestraft werden zu wollen. - Sagen: ich will
gestraft werden, wenn ich jemand ermorde, heißt nichts mehr als: ich
unterwerfe mich sammt allen Übrigen den Gesetzen, welche natürlicherweise,
wenn es Verbrecher im Volk giebt, auch Strafgesetze sein werden. Ich als
Mitgesetzgeber, der das Strafgesetz dictirt, kann unmöglich dieselbe Person sein,
die als Unterthan nach dem Gesetz bestraft wird; denn als ein
solcher, nämlich als Verbrecher, kann ich unmöglich eine Stimme in der
Gesetzgebung haben (der Gesetzgeber ist heilig). Wenn ich also ein Strafgesetz
gegen mich als einen Verbrecher abfasse, so ist es in mir die reine
rechtlich=gesetzgebende Vernunft (homo noumenon), die mich als einen des
Verbrechens Fähigen, folglich als eine andere Person (homo phaenomenon) sammt
allen übrigen in einem Bürgerverein dem Strafgesetze unterwirft. Mit
andern Worten: nicht das Volk (jeder einzelne in demselben), sondern
das Gericht (die öffentliche Gerechtigkeit), mithin ein anderer als der
Verbrecher dictirt die Todesstrafe, und im Socialcontract ist gar nicht das
Versprechen enthalten, sich strafen zu lassen und so über sich selbst und sein
Leben zu disponiren. Denn wenn der Befugniß zu strafen ein
Versprechen des Missethäters zum Grunde liegen müßte, sich strafen lassen
zu wollen, so müßte es diesem auch überlassen werden, sich straffällig zu
finden, und der Verbrecher würde sein eigener Richter sein. - Der
Hauptpunkt des Irrthums (proton pseudos) dieses Sophisms besteht darin: daß
man das eigene Urtheil des Verbrechers (das man seiner Vernunft
nothwendig zutrauen muß), des Lebens verlustig werden zu müssen, für einen
Beschluß des Willens ansieht, es sich selbst zu nehmen, und so sich
die Rechtsvollziehung mit der Rechtsbeurtheilung in einer und derselben
Person vereinigt vorstellt.
Es giebt indessen
zwei todeswürdige Verbrechen, in Ansehung deren, ob die Gesetzgebung
auch die Befugniß habe, sie mit der Todesstrafe zu belegen, noch
zweifelhaft bleibt.Zu beiden verleitet das Ehrgefühl. Das eine ist das der Geschlechtsehre, das
andere der Kriegsehre
und zwar der wahren Ehre, welche jeder
dieser zwei Menschenclassen als Pflicht obliegt. Das
eine Verbrechen ist der mütterliche Kindesmord (infanticidium
maternale); das andere der Kriegsgesellenmord commilitonicidium), das Duell. - Da die
Gesetzgebung die Schmach einer unehelichen Geburt
nicht wegnehmen und eben so wenig den Fleck, welcher aus dem Verdacht der
Feigheit, der auf einen untergeordneten Kriegsbefehlshaber fällt, welcher einer
verächtlichen Begegnung nicht eine über die Todesfurcht
erhobene eigene Gewalt entgegensetzt, wegwischen kann: so scheint es, daß
Menschen in diesen Fällen sich im Naturzustande befinden und Tödtung
(homicidium), die alsdann nicht einmal Mord (homicidium dolosum) heißen müßte,
in beiden zwar allerdings strafbar sei, von der obersten
Macht aber mit dem Tode nicht könne bestraft werden. Das uneheliche auf
die Welt gekommene Kind ist außer dem Gesetz (denn das heißt Ehe),
mithin auch außer dem Schutz desselben geboren. Es ist in das gemeine Wesen
gleichsam eingeschlichen (wie verbotene Waare), so daß dieses seine
Existenz (weil es billig auf diese Art nicht hätte existiren sollen), mithin auch
seine Vernichtung ignoriren kann, und die Schande der Mutter, wenn ihre
uneheliche Niederkunft bekannt wird, kann keine Verordnung heben. -
Der zum Unter=Befehlshaber eingesetzte Kriegesmann, dem ein Schimpf
angethan wird, sieht sich eben sowohl durch die öffentliche Meinung
der Mitgenossen seines Standes genöthigt, sich Genugthuung und, wie im
Naturzustande, Bestrafung des Beleidigers nicht durchs Gesetz, vor
einem Gerichtshofe, sondern durch das Duell, darin er sich selbst der
Lebensgefahr aussetzt, zu verschaffen, um seinen Kriegsmuth zu beweisen, als
worauf die Ehre seines Standes wesentlich beruht, sollte es auch mit der
Tödtung seines Gegners verbunden sein, die in diesem Kampfe, der
öffentlich und mit beiderseitiger Einwilligung, doch auch ungern geschieht, eigentlich
nicht Mord (homicidium dolosum) genannt werden kann. - - Was
ist nun in beiden (zur Criminalgerechtigkeit gehörigen) Fällen Rechtens? -
Hier kommt die Strafgerechtigkeit gar sehr ins Gedränge:
entweder den Ehrbegriff (der hier kein Wahn ist) durchs Gesetz für nichtig zu
erklären und so mit dem Tode zu strafen, oder von dem Verbrechen die
angemessene Todesstrafe wegzunehmen, und so entweder grausam oder nachsichtig zu sein. Die
Auflösung dieses Knotens ist: daß der
kategorische Imperativ der Strafgerechtigkeit (die gesetzwidrige Tödtung eines Anderen
müsse mit dem Tode bestraft werden) bleibt, die Gesetzgebung selber
aber (mithin auch die bürgerliche Verfassung), so lange noch als barbarisch
und unausgebildet, daran Schuld ist, daß die Triebfedern der Ehre im Volk
(subjectiv) nicht mit den Maßregeln zusammen treffen wollen, die
(objectiv) ihrer Absicht gemäß sind, so daß die öffentliche, vom Staat ausgehende
Gerechtigkeit in Ansehung der aus dem Volk eine
Ungerechtigkeit wird.
II.
Das Begnadigungsrecht
(ius aggratiandi) für den Verbrecher, entweder der
Milderung oder gänzlichen Erlassung der Strafe, ist wohl unter allen Rechten
des Souveräns das schlüpfrigste, um den Glanz seiner Hoheit zu beweisen
und dadurch doch im hohen Grade unrecht zu thun. - In Ansehung der
Verbrechen der Unterthanen gegen einander steht es schlechterdings ihm
nicht zu, es auszuüben; denn hier ist Straflosigkeit (impunitas criminis) das größte Unrecht gegen
die letztern. Also nur bei einer Läsion, die ihm
selbst widerfährt, (crimen laesae maiestatis) kann er davon
Gebrauch machen. Aber auch da nicht einmal, wenn durch Ungestraftheit dem
Volk selbst in Ansehung seiner Sicherheit Gefahr erwachsen könnte. - Dieses
Recht ist das einzige, was den Namen des Majestätsrechts
verdient.
Von dem rechtlichen
Verhältnisse des Bürgers zum Vaterlande und zum Auslande.
§ 50.
Das Land
(territorium), dessen Einsassen schon durch die Constitution, d. i. ohne einen
besonderen rechtlichen Act ausüben zu dürfen (mithin durch die Geburt),
Mitbürger eines und desselben gemeinen Wesens sind, heißt das
Vaterland; das, worin sie es ohne diese Bedingung nicht sind, das Ausland,
und dieses, wenn es einen Theil der Landesherrschaft überhaupt ausmacht,
heißt die Provinz (in der Bedeutung, wie die Römer dieses Wort
brauchten), welche, weil sie doch keinen coalisirten Theil des Reichs
(imperii) als Sitz von Mitbürgern, sondern nur eine Besitzung desselben
als eines Unterhauses ausmacht, den Boden des herrschenden Staats
als Mutterland (regio domina) verehren muß.
1) Der Unterthan
(auch als Bürger betrachtet) hat das Recht der Auswanderung; denn
der Staat könnte ihn nicht als sein Eigenthum zurückhalten. Doch
kann er nur seine fahrende, nicht die liegende Habe mit herausnehmen,
welches alsdann doch geschehen würde, wenn er seinen bisher besessenen
Boden zu verkaufen und das Geld dafür mit sich zu nehmen befugt wäre.
2) Der Landesherr hat
das Recht der Begünstigung der Einwanderung und Ansiedelung
Fremder (Colonisten), obgleich seine Landeskinder dazu scheel sehen
möchten; wenn ihnen nur nicht das Privateigenthum derselben am Boden
gekürzt wird.
3) Ebenderselbe hat
auch im Falle eines Verbrechens des Unterthans, welches alle
Gemeinschaft der Mitbürger mit ihm für den Staat verderblich macht, das Recht der
Verbannung in eine Provinz im Auslande, wo er keiner Rechte
eines Bürgers theilhaftig wird, d. i. zur Deportation.
4) Auch das der
Landesverweisung überhaupt (ius exilii), ihn in die weite Welt, d.
i. ins Ausland überhaupt (in der altdeutschen Sprache Elend genannt), zu
schicken; welches, weil der Landesherr ihm nun allen Schutz entzieht, so
viel bedeutet, als ihn innerhalb seinen Grenzen vogelfrei zu machen.
§ 51.
Die drei Gewalten im
Staat, die aus dem Begriff eines gemeinen Wesens überhaupt (res
publica latius dicta) hervorgehen, sind nur so viel Verhältnisse des vereinigten, a priori aus
der Vernunft abstammenden
Volkswillens und eine reine Idee von
einem Staatsoberhaupt, welche objective praktische
Realität hat. Dieses Oberhaupt (der Souverän) aber ist so fern nur ein
(das gesammte Volk vorstellendes) Gedankending, als es noch an einer
physischen Person mangelt, welche die höchste Staatsgewalt vorstellt und dieser
Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft. Das Verhältniß der
ersteren zum letzteren ist nun auf dreierlei verschiedene Art
denkbar: entweder daß Einer im Staate über alle, oder daß Einige, die
einander gleich sind, vereinigt, über alle andere, oder daß Alle zusammen
über einen jeden, mithin auch über sich selbst gebieten, d. i. die Staatsform
ist entweder autokratisch, oder aristokratisch, oder demokratisch.
(Der Ausdruck monarchisch statt autokratisch ist nicht dem
Begriffe, den man hier will, angemessen; denn Monarch ist der,
welcher die höchste, Autokrator aber oder Selbstherrscher der, welcher alle
Gewalt hat; dieser ist der Souverän, jener repräsentirt ihn
bloß). - Man wird leicht gewahr, daß die autokratische Staatsform die einfachste sei, nämlich von
Einem (dem Könige) zum
Volke, mithin wo nur Einer der
Gesetzgeber ist. Die aristokratische ist schon aus zwei
Verhältnissen zusammengesetzt: nämlich dem der Vornehmen (als Gesetzgeber) zu
einander, um den Souverän zu machen, und dann das dieses
Souveräns zum Volk; die demokratische aber die allerzusammengesetzteste, nämlich den Willen
Aller zuerst zu vereinigen, um daraus ein Volk, dann
den der Staatsbürger, um ein gemeines Wesen zu bilden, und dann
diesem gemeinen Wesen den Souverän, der dieser vereinigte Wille selbst ist,
vorzusetzen.*) Was die Handhabung des Rechts im Staat betrifft, so
ist freilich die einfachste auch zugleich die beste, aber, was das Recht selbst
anlangt, die gefährlichste fürs Volk in Betracht des Despotismus, zu dem sie so sehr einladet. Das
Simplificiren ist zwar im
Maschinenwerk der Vereinigung des Volks durch
Zwangsgesetze die vernünftige
Maxime: wenn nämlich alle im Volk passiv sind
und Einem, der
über sie ist, gehorchen; aber das giebt
keine Unterthanen als Staatsbürger. Was die Vertröstung,
womit sich das Volk befriedigen soll, betrifft, daß nämlich die
Monarchie (eigentlich hier Autokratie) die beste Staatsverfassung sei,
wenn der Monarch gut ist (d. i. nicht bloß den Willen, sondern auch
die Einsicht dazu hat): gehört zu den tautologischen Weisheitssprüchen und
sagt nichts mehr als: die beste Verfassung ist die, durch welche der
Staatsverwalter zum besten Regenten gemacht wird, d. i. diejenige,
welche die beste ist.
§ 52.
Der Geschichtsurkunde
dieses Mechanismus nachzuspüren, ist vergeblich, d. i. man
kann zum Zeitpunkt des Anfangs der bürgerlichen Gesellschaft nicht
herauslangen (denn die Wilden errichten kein Instrument ihrer Unterwerfung
unter das Gesetz, und es ist auch schon aus der Natur roher Menschen
abzunehmen, daß sie es mit der Gewalt angefangen haben werden). Diese
Nachforschung aber in der Absicht anzustellen, um allenfalls die jetzt
bestehende Verfassung mit Gewalt abzüandern, ist sträflich. Denn diese Umänderung
müßte durchs Volk, welches sich dazu rottirte, also nicht
durch die Gesetzgebung, geschehen; Meuterei aber in einer schon
bestehenden Verfassung ist ein Umsturz aller bürgerlich=rechtlichen Verhältnisse, mithin
alles Rechts, d. i. nicht Veränderung der bürgerlichen
Verfassung, sondern Auflösung derselben, und dann der Übergang in die bessere nicht
Metamorphose, sondern Palingenesie, welche einen neuen
gesellschaftlichen Vertrag erfordert, auf den der vorige (nun aufgehobene) keinen Einfluß hat. -
Es muß aber dem Souverän doch möglich sein, die bestehende
Staatsverfassung zu ändern, wenn sie mit der Idee des ursprünglichen
Vertrags nicht wohl vereinbar ist, und hiebei doch diejenige Form bestehen zu
lassen, die dazu, daß das Volk einen Staat ausmache, wesentlich gehört.
Diese Veränderung kann nun nicht darin bestehen, daß der Staat sich
von einer dieser drei Formen zu einer der beiden anderen selbst
constituirt, z. B. daß die Aristokraten einig werden, sich einer Autokratie zu
unterwerfen, oder in eine Demokratie verschmelzen zu wollen, und so
umgekehrt; gleich als ob es auf der freien Wahl und dem Belieben des
Souveräns beruhe, welcher Verfassung er das Volk unterwerfen wolle. Denn selbst
dann, wenn er sich zu einer Demokratie umzüandern beschlösse, würde er
doch dem Volk unrecht thun können, weil es selbst diese
Verfassung verabscheuen könnte und eine der zwei übrigen für sich zuträglicher
fände.
Die Staatsformen sind
nur der Buchstabe (littera) der ursprünglichen Gesetzgebung im
bürgerlichen Zustande, und sie mögen also bleiben, so lange sie, als zum
Maschinenwesen der Staatsverfassung gehörend, durch alte und lange
Gewohnheit (also nur subjectiv) für nothwendig gehalten werden. Aber der
Geist jenes ursprünglichen Vertrages (anima pacti originarii) enthält
die Verbindlichkeit der constituirenden Gewalt, die Regierungsart jener
Idee angemessen zu machen und so sie, wenn es nicht auf einmal
geschehen kann, allmählich und continuirlich dahin zu verändern, daß sie
mit der einzig rechtmäßigen Verfassung, nämlich der einer reinen
Republik, ihrer Wirkung nach zusammenstimme, und jene alte empirische
(statutarische) Formen, welche bloß die Unterthänigkeit des Volks zu bewirken
dienten, sich in die ursprüngliche (rationale) auflösen, welche allein die
Freiheit zum Princip, ja zur Bedingung alles Zwanges macht, der zu
einer rechtlichen Verfassung im eigentlichen Sinne des Staats
erforderlich ist und dahin auch dem Buchstaben nach endlich führen wird. - Dies
ist die einzige bleibende Staatsverfassung, wo das Gesetz
selbstherrschend ist und an keiner besonderen Person hängt; der letzte Zweck alles
öffentlichen Rechts, der Zustand, in welchem allein jedem das Seine
peremtorisch zugetheilt werden kann; indessen daß, so lange jene Staatsformen dem
Buchstaben nach eben so viel verschiedene mit der obersten Gewalt
bekleidete moralische Personen vorstellen sollen, nur ein provisorisches
inneres Recht und kein absolut=rechtlicher Zustand der bürgerlichen
Gesellschaft zugestanden werden kann.
Alle wahre Republik
aber ist und kann nichts anders sein, als ein repräsentatives System
des Volks, um im Namen desselben, durch alle Staatsbürger
vereinigt, vermittelst ihrer Abgeordneten (deputirten) ihre Rechte zu
besorgen. Sobald aber ein Staatsoberhaupt der Person nach (es mag sein
König, Adelstand, oder die ganze Volkszahl, der demokratische Verein) sich auch
repräsentiren läßt, so repräsentirt das vereinigte Volk nicht bloß den
Souverän, sondern es ist dieser selbst; denn in ihm (dem Volk)
befindet sich ursprünglich die oberste Gewalt, von der alle Rechte der
Einzelnen, als bloßer Unterthanen (allenfalls als Staatsbeamten), abgeleitet werden
müssen, und die nunmehr errichtete Republik hat nun nicht mehr
nöthig, die Zügel der Regierung aus den Händen zu lassen und sie denen
wieder zu übergeben, die sie vorher geführt hatten, und die nun alle neue
Anordnungen durch absolute Willkür wieder vernichten könnten.
Es war also ein
großer Fehltritt der Urtheilskraft eines mächtigen Beherrschers zu
unserer Zeit, sich aus der Verlegenheit wegen großer Staatsschulden
dadurch helfen zu wollen, daß er es dem Volk übertrug, diese Last
nach dessen eigenem Gutbefinden selbst zu übernehmen und zu vertheilen; da
es denn natürlicherweise nicht allein die gesetzgebende
Gewalt in Ansehung der Besteurung der Unterthanen, sondern auch in Ansehung
der Regierung in die Hände bekam: nämlich zu
verhindern, daß diese nicht durch Verschwendung oder Krieg neue
Schulden machte, mithin die Herrschergewalt des Monarchen gänzlich
verschwand (nicht bloß suspendirt wurde) und aufs Volk überging,
dessen gesetzgebenden Willen nun das Mein und Dein jedes Unterthans
unterworfen wurde. Man kann auch nicht sagen: daß dabei ein
stillschweigendes, aber doch vertragsmäßiges Versprechen der
Nationalversammlung, sich nicht eben zur Souveränität zu constituiren,
sondern nur dieser ihr Geschäfte zu administriren, nach verrichtetem
Geschäfte aber die Zügel des Regiments dem Monarchen wiederum in seine
Hände zu überliefern, angenommen werden müsse; denn ein
solcher Vertrag ist an sich selbst null und nichtig. Das Recht der
obersten Gesetzgebung im gemeinen Wesen ist kein veräußerliches,
sondern das allerpersönlichste Recht. Wer es hat, kann nur durch den
Gesammtwillen des Volks über das Volk, aber nicht über den
Gesammtwillen selbst, der der Urgrund aller öffentlichen Verträge ist,
disponiren. Ein Vertrag, der das Volk verpflichtete, seine Gewalt wiederum
zurückzugeben, würde demselben nicht als
gesetzgebender Macht zustehen und doch das Volk verbinden, welches nach dem
Satze: Niemand kann zweien Herren dienen, ein Widerspruch ist.
Des öffentlichen Rechts
Zweiter Abschnitt. Das Völkerrecht.
§ 53.
Die Menschen, welche
ein Volk ausmachen, können als Landeseingeborne nach der Analogie der Erzeugung von einem
gemeinschaftlichen
Elterstamm (congeniti) vorgestellt
werden, ob sie es gleich nicht sind: dennoch aber in
intellectueller und rechtlicher Bedeutung, als von einer gemeinschaftlichen
Mutter (der Republik) geboren, gleichsam eine Familie (gens, natio)
ausmachen, deren Glieder (Staatsbürger) alle ebenbürtig sind und mit denen,
die neben ihnen im Naturzustande leben möchten, als unedlen keine
Vermischung eingehen, obgleich diese (die Wilden) ihrerseits sich wiederum wegen
der gesetzlosen Freiheit, die sie gewählt haben, vornehmer dünken, die
gleichfalls Völkerschaften, aber nicht Staaten ausmachen. Das Recht
der Staaten in Verhältniß zu einander [ welches nicht ganz richtig im
Deutschen das Völkerrecht genannt wird, sondern vielmehr das Staatenrecht (ius publicum
civitatum) heißen sollte ] ist
nun dasjenige, was wir unter dem Namen
des Völkerrechts zu betrachten haben: wo ein Staat,
als eine moralische Person, gegen einen anderen im Zustande der
natürlichen Freiheit, folglich auch dem des beständigen Krieges betrachtet,
theils das Recht zum Kriege, theils das im Kriege, theils das, einander zu nöthigen, aus diesem
Kriegszustande herauszugehen,
mithin eine den beharrlichen Frieden
gründende Verfassung, d. i. das Recht nach
dem Kriege, zur Aufgabe macht, und führt nur das Unterscheidende von dem des Naturzustandes
einzelner Menschen
oder Familien (im Verhältniß gegen einander)
von dem der Völker bei
sich, daß im Völkerrecht nicht bloß ein
Verhältniß eines Staats gegen
den anderen im Ganzen, sondern auch
einzelner Personen des einen gegen einzelne des anderen,
imgleichen gegen den ganzen anderen Staat selbst in Betrachtung kommt;
welcher Unterschied aber vom Recht Einzelner im bloßen Naturzustande
nur solcher Bestimmungen bedarf, die sich aus dem Begriffe des
letzteren leicht folgern lassen.
§ 54.
Die Elemente des
Völkerrechts sind: 1) daß Staaten, im äußeren Verhältniß gegen
einander betrachtet, (wie gesetzlose Wilde) von Natur in einem
nicht=rechtlichen Zustande sind; 2) daß dieser Zustand ein Zustand des Krieges (des Rechts
des Stärkeren), wenn gleich nicht wirklicher Krieg und immerwährende
wirkliche Befehdung (Hostilität) ist, welche (indem sie es beide nicht
besser haben wollen), obzwar dadurch keinem von dem Anderen unrecht
geschieht, doch an sich selbst im höchsten Grade unrecht ist, und aus welchem
die Staaten, welche einander benachbart sind, auszugehen verbunden sind; 3)
daß ein Völkerbund nach der Idee eines ursprünglichen gesellschaftlichen
Vertrages nothwendig ist, sich zwar einander nicht in die einheimische
Mißhelligkeiten derselben zu mischen, aber doch gegen Angriffe
der äußeren zu schützen; 4) daß die Verbindung doch keine souveräne
Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern nur eine
Genossenschaft (Föderalität) enthalten müsse; eine Verbündung, die zu aller Zeit
aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit erneuert werden muß,
- ein Recht in subsidium eines anderen und ursprünglichen Rechts, den Verfall
in den Zustand des wirklichen Krieges derselben
untereinander von sich abzuwehren (foedus Amphictyonum).
§ 55.
Bei jenem
ursprünglichen Rechte zum Kriege freier Staaten gegen einander im
Naturzustande (um etwa einen dem rechtlichen sich annähernden Zustand zu stiften)
erhebt sich zuerst die Frage: welches Recht hat der Staat gegen
seine eigene Unterthanen sie zum Kriege gegen andere Staaten zu
brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden, oder aufs Spiel zu
setzen: so daß es nicht von dieser ihrem eigenen Urtheil abhängt, ob sie in
den Krieg ziehen wollen oder nicht, sondern der Oberbefehl des Souveräns sie
hineinschicken darf?
Dieses Recht scheint
sich leicht darthun zu lassen; nämlich aus dem Rechte mit dem Seinen
(Eigenthum) zu thun, was man will. Was jemand aber der Substanz
nach selbst gemacht hat, davon hat er ein unbestrittenes Eigenthum. - Hier ist
also die Deduction, so wie sie ein bloßer Jurist abfassen würde.
Es giebt mancherlei
Naturproducte in einem Lande, die doch, was die Menge derselben
von einer gewissen Art betrifft, zugleich als Gemächsel (artefacta) des
Staats angesehen werden müssen, weil das Land sie in solcher
Menge nicht liefern würde, wenn es nicht einen Staat und eine ordentliche
machthabende Regierung gäbe, sondern die Bewohner im Stande der Natur
wären. - Haushühner (die nützlichste Art des Geflügels), Schafe, Schweine, das
Rindergeschlecht u. a. m. würden entweder aus Mangel an Futter,
oder der Raubthiere wegen in dem Lande, wo ich lebe, entweder
gar nicht, oder höchst sparsam anzutreffen sein, wenn es darin nicht eine
Regierung gäbe, welche den Einwohnern ihren Erwerb und Besitz sicherte.
- Eben das gilt auch von der Menschenzahl, die eben so wie in den
amerikanischen Wüsten, ja selbst dann, wenn man diesen den größten Fleiß
(den jene nicht haben) beilegte, nur gering sein kann. Die Einwohner würden
nur sehr dünn gesäet sein, weil keiner derselben sich mit sammt seinem
Gesinde auf einem Boden weit verbreiten könnte, der immer in Gefahr
ist, von Menschen oder wilden und Raubthieren verwüstet zu werden;
mithin sich für eine so große Menge von Menschen, als jetzt auf einem
Lande leben, kein hinlänglicher Unterhalt finden würde. - - So wie man nun
von Gewächsen (z. B. den Kartoffeln) und von Hausthieren, weil
sie, was die Menge betrifft, ein Machwerk der Menschen sind, sagen kann, daß
man sie gebrauchen, verbrauchen und verzehren (tödten lassen) kann:
so, scheint es, könne man auch von der obersten Gewalt im Staat, dem
Souverän sagen, er habe das Recht, seine Unterthanen, die dem größten Theil
nach sein eigenes Product sind, in den Krieg wie auf eine Jagd und
zu einer Feldschlacht wie auf eine Lustpartie zu führen.
Dieser Rechtsgrund
aber (der vermuthlich den Monarchen auch dunkel vorschweben mag) gilt
zwar freilich in Ansehung der Thiere, die ein Eigenthum des
Menschen sein können, will sich aber doch schlechterdings nicht auf den
Menschen, vornehmlich als Staatsbürger, anwenden lassen, der im Staat immer
als mitgesetzgebendes Glied betrachtet werden muß (nicht bloß als
Mittel, sondern auch zugleich als Zweck an sich selbst), und der also zum
Kriegführen nicht allein überhaupt, sondern auch zu jeder besondern
Kriegserklärung vermittelst seiner Repräsentanten seine freie Beistimmung
geben muß, unter welcher einschränkenden Bedingung allein der Staat über
seinen gefahrvollen Dienst disponiren kann.
Wir werden also wohl
dieses Recht von der Pflicht des Souveräns gegen das Volk (nicht
umgekehrt) abzuleiten haben; wobei dieses dafür angesehen werden muß,
daß es seine Stimme dazu gegeben habe, in welcher Qualität es,
obzwar passiv (mit sich machen läßt), doch auch selbstthätig ist und den Souverän
selbst vorstellt.
§ 56.
Im natürlichen
Zustande der Staaten ist das Recht zum Kriege (zu Hostilitäten) die
erlaubte Art, wodurch ein Staat sein Recht gegen einen anderen Staat
verfolgt, nämlich, wenn er von diesem sich lädirt glaubt, durch eigene
Gewalt: weil es durch einen Proceß (als durch den allein die
Zwistigkeiten im rechtlichen Zustande ausgeglichen werden) in jenem Zustande nicht
geschehen kann. - Außer der thätigen Verletzung (der ersten
Aggression, welche von der ersten Hostilität unterschieden ist) ist es die Bedrohung.
Hiezu gehört entweder eine zuerst vorgenommene Zurüstung, worauf
sich das Recht des Zuvorkommens (ius praeventionis) gründet, oder auch
bloß die fürchterlich (durch Ländererwerbung) anwachsende Macht
(potentia tremenda) eines anderen Staats. Diese ist eine Läsion des
Mindermächtigen bloß durch den Zustand vor aller That des
Übermächtigen, und im Naturzustande ist dieser Angriff allerdings
rechtmäßig. Hierauf gründet sich also das Recht des Gleichgewichts aller einander thätig
berührenden Staaten.
Was die thätige
Verletzung betrifft, die ein Recht zum Kriege giebt, so gehört dazu
die selbstgenommene Genugthuung für die Beleidigung des einen Volks durch
das Volk des anderen Staats, die Wiedervergeltung (retorsio), ohne eine
Erstattung (durch friedliche Wege) bei dem anderen Staate zu
suchen, womit der Förmlichkeit nach der Ausbruch des Krieges ohne
vorhergehende Aufkündigung des Friedens (Kriegsankündigung) eine Ähnlichkeit hat:
weil, wenn man einmal ein Recht im Kriegszustande
finden will, etwas Analogisches mit einem Vertrag angenommen werden muß, nämlich
Annahme der Erklärung des anderen Theils, daß beide ihr
Recht auf diese Art suchen wollen.
§ 57.
Das Recht im Kriege ist gerade das im
Völkerrecht, wobei die meiste
Schwierigkeit ist, um sich auch nur
einen Begriff davon zu machen und ein Gesetz in diesem
gesetzlosen Zustande zu denken (inter arma silent leges), ohne sich
selbst zu widersprechen; es müßte denn dasjenige sein: den Krieg nach
solchen Grundsätzen zu führen, nach welchen es immer noch möglich bleibt,
aus jenem Naturzustande der Staaten (im äußeren Verhältniß gegen
einander) herauszugehen und in einen rechtlichen zu treten.
Kein Krieg
unabhängiger Staaten gegen einander kann ein Strafkrieg (bellum punitivum)
sein. Denn Strafe findet nur im Verhältnisse eines Obern
(imperantis) gegen den Unterworfenen (subditum) statt, welches Verhältniß
nicht das der Staaten gegen einander ist. - Aber auch weder ein
Ausrottungs= (bellum internecinum) noch Unterjochungskrieg (bellum
subiugatorium), der eine moralische Vertilgung eines Staats (dessen
Volk nun mit dem des Überwinders entweder in eine Masse verschmelzt,
oder in Knechtschaft verfällt) sein würde. Nicht als ob dieses Nothmittel des
Staats zum Friedenszustande zu gelangen an sich dem Rechte eines
Staats widerspräche, sondern weil die Idee des Völkerrechts bloß den Begriff
eines Antagonismus nach Principien der äußeren Freiheit bei sich
führt, um sich bei dem Seinen zu erhalten, aber nicht eine Art zu erwerben,
als welche durch Vergrößerung der Macht des einen Staats für den
anderen bedrohend sein kann.
Vertheidigungsmittel
aller Art sind dem bekriegten Staat erlaubt, nur nicht solche,
deren Gebrauch die Unterthanen desselben, Staatsbürger zu sein, unfähig
machen würde; denn alsdann machte er sich selbst zugleich unfähig im
Staatenverhältnisse nach dem Völkerrecht für eine Person zu gelten (die gleicher
Rechte mit andern theilhaftig wäre). Darunter gehört: seine eigne
Unterthanen zu Spionen, diese, ja auch Auswärtige zu Meuchelmördern, Giftmischern (in
welche Classe auch wohl die so genannten Scharfschützen, welche Einzelnen im Hinterhalte
auflauern, gehören möchten), oder auch nur zur
Verbreitung falscher Nachrichten zu gebrauchen; mit einem Wort, sich solcher
heimtückischen Mittel zu bedienen, die das Vertrauen, welches zur künftigen
Gründung eines dauerhaften Friedens erforderlich ist, vernichten
würden.
Im Kriege ist es
erlaubt, dem überwältigten Feinde Lieferungen und Contribution
aufzulegen, aber nicht das Volk zu plündern, d. i. einzelnen Personen das Ihrige
abzuzwingen (denn das wäre Raub: weil nicht das überwundene
Volk, sondern der Staat, unter dessen Herrschaft es war, durch
dasselbe Krieg führte): sondern durch Ausschreibungen gegen ausgestellte Scheine, um bei
nachfolgendem Frieden die dem Lande
oder der Provinz aufgelegte Last
proportionirlich zu vertheilen.
§ 58.
Das Recht nach dem
Kriege, d. i. im Zeitpunkte des Friedensvertrags und in Hinsicht auf
die Folgen desselben, besteht darin: der Sieger macht die
Bedingungen, über die mit dem Besiegten übereinzukommen und zum
Friedensschluß zu gelangen Tractaten gepflogen werden, und zwar
nicht gemäß irgend einem vorzuschützenden Recht, was ihm wegen der
vorgeblichen Läsion seines Gegners zustehe, sondern, indem er diese Frage auf
sich beruhen läßt, sich stützend auf seine Gewalt. Daher kann der
Überwinder nicht auf Erstattung der Kriegskosten antragen, weil er den Krieg
seines Gegners alsdann für ungerecht ausgeben müßte: sondern ob er
sich gleich dieses Argument denken mag, so darf er es doch nicht
anführen, weil er ihn sonst für einen Bestrafungskrieg erklären und so wiederum eine
Beleidigung ausüben würde. Hiezu gehört auch die (auf keinen
Loskauf zu stellende) Auswechselung der Gefangenen, ohne auf Gleichheit
der Zahl zu sehen.
Der überwundene
Staat, oder dessen Unterthanen verlieren durch die Eroberung des
Landes nicht ihre staatsbürgerliche Freiheit, so daß jener zur Colonie,
diese zu Leibeigenen abgewürdigt würden; denn sonst wäre es ein
Strafkrieg gewesen, der an sich selbst widersprechend ist. - Eine Colonie oder
Provinz ist ein Volk, das zwar seine eigene Verfassung, Gesetzgebung, Boden
hat, auf welchem die zu einem anderen Staat Gehörige nur
Fremdlinge sind, der dennoch über jenes die oberste ausübende Gewalt hat.
Der letztere heißt der Mutterstaat. Der Tochterstaat wird von
jenem beherrscht, aber doch von sich selbst (durch sein eigenes
Parlament, allenfalls unter dem Vorsitz eines Vicekönigs) regiert (civitas
hybrida). Dergleichen war Athen in Beziehung auf verschiedene Inseln und ist jetzt
Großbritannien in Ansehung Irlands.
Noch weniger kann
Leibeigenschaft und ihre Rechtmäßigkeit von der Überwältigung
eines Volks durch Krieg abgeleitet werden, weil man hiezu einen
Strafkrieg annehmen müßte. Am allerwenigsten eine erbliche Leibeigenschaft, die
überhaupt absurd ist, weil die Schuld aus jemandes Verbrechen nicht
anerben kann.
Daß mit dem
Friedensschlusse auch die Amnestie verbunden sei, liegt schon im
Begriffe desselben.
§ 59.
Das Recht des
Friedens ist 1) das im Frieden zu sein, wenn in der Nachbarschaft
Krieg ist, oder das der Neutralität; 2) sich die Fortdauer des geschlossenen Friedens zusichern zu lassen,
d. i. das der Garantie;
3) zu wechselseitiger Verbindung
(Bundesgenossenschaft)
mehrerer Staaten, sich gegen alle
äußere oder innere etwanige Angriffe gemeinschaftlich zu
vertheidigen; nicht ein Bund zum Angreifen und innerer Vergrößerung.
§ 60.
Das Recht eines
Staats gegen einen ungerechten Feind hat keine Grenzen (wohl zwar der Qualität, aber
nicht der Quantität, d. i. dem
Grade, nach): d. i. der beeinträchtigte
Staat darf sich zwar nicht aller Mittel, aber doch der
an sich zulässigen in dem Maße bedienen, um das Seine zu behaupten,
als er dazu Kräfte hat. - Was ist aber nun nach Begriffen des
Völkerrechts, in welchem wie überhaupt im Naturzustande ein jeder Staat in
seiner eigenen Sache Richter ist, ein ungerechter Feind? Es ist
derjenige, dessen öffentlich (es sei wörtlich oder thätlich) geäußerter Wille eine
Maxime verräth, nach welcher, wenn sie zur allgemeinen Regel gemacht würde,
kein Friedenszustand unter Völkern möglich, sondern der
Naturzustand verewigt werden müßte. Dergleichen ist die Verletzung
öffentlicher Verträge, von welcher man voraussetzen kann, daß sie die Sache aller
Völker betrifft, deren Freiheit dadurch bedroht wird, und die dadurch
aufgefordert werden, sich gegen einen solchen Unfug zu vereinigen und ihm
die Macht dazu zu nehmen; - aber doch auch nicht, um sich in sein Land
zu theilen, einen Staat gleichsam auf der Erde verschwinden zu
machen; denn das wäre Ungerechtigkeit gegen das Volk, welches sein
ursprüngliches Recht, sich in ein gemeines Wesen zu verbinden, nicht verlieren kann,
sondern es eine neue Verfassung annehmen zu lassen, die ihrer
Natur nach der Neigung zum Kriege ungünstig ist.
Übrigens ist der
Ausdruck eines ungerechten Feindes im Naturzustande pleonastisch; denn
der Naturzustand ist selbst ein Zustand der Ungerechtigkeit. Ein
gerechter Feind würde der sein, welchem meinerseits zu widerstehen ich
unrecht thun würde; dieser würde aber alsdann auch nicht mein Feind
sein.
§ 61.
Da der Naturzustand
der Völker eben so wohl als einzelner Menschen ein Zustand ist, aus
dem man herausgehen soll, um in einen gesetzlichen zu treten: so ist vor
diesem Ereigniß alles Recht der Völker und alles durch den Krieg
erwerbliche oder erhaltbare äußere Mein und Dein der Staaten bloß
provisorisch und kann nur in einem allgemeinen Staatenverein (analogisch mit dem,
wodurch ein Volk Staat wird) peremtorisch geltend und ein
wahrer Friedenszustand werden. Weil aber bei gar zu großer Ausdehnung
eines solchen Völkerstaats über weite Landstriche die Regierung
desselben, mithin auch die Beschützung eines jeden Gliedes endlich unmöglich
werden muß, eine Menge solcher Corporationen aber wiederum ein
Kriegszustand herbeiführt: so ist der ewige Friede (das letzte Ziel des
ganzen Völkerrechts) freilich eine unausführbare Idee. Die politische Grundsätze
aber, die darauf abzwecken, nämlich solche Verbindungen der Staaten
einzugehen, als zur continuirlichen Annäherung zu demselben dienen,
sind es nicht, sondern, so wie diese eine auf der Pflicht, mithin auch auf dem
Recht der Menschen und Staaten gegründete Aufgabe ist, allerdings
ausführbar.
Man kann einen
solchen Verein einiger Staaten, um den Frieden zu erhalten, den
permanenten Staatencongreß nennen, zu welchem sich zu gesellen
jedem benachbarten unbenommen bleibt; dergleichen (wenigstens was die
Förmlichkeiten des Völkerrechts in Absicht auf Erhaltung des Friedens
betrifft) in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in der Versammlung der
Generalstaaten im Haag noch statt fand; wo die Minister der meisten
europäischen Höfe und selbst der kleinsten Republiken ihre Beschwerden über
die Befehdungen, die einem von dem anderen widerfahren waren, anbrachten und
so sich ganz Europa als einen einzigen föderirten Staat dachten, den
sie in jener ihren öffentlichen Streitigkeiten gleichsam als
Schiedsrichter annahmen, statt dessen späterhin das Völkerrecht bloß in Büchern übrig
geblieben, aus Cabinetten aber verschwunden, oder nach schon
verübter Gewalt in Form der Deductionen der Dunkelheit der Archive
anvertrauet worden ist.
Unter einem Congreß
wird hier aber nur eine willkürliche, zu aller Zeit auflösliche
Zusammentretung verschiedener Staaten, nicht eine solche Verbindung,
welche (so wie die der amerikanischen Staaten) auf einer
Staatsverfassung gegründet und daher unauflöslich ist, verstanden; - durch welchen
allein die Idee eines zu errichtenden öffentlichen Rechts der Völker, ihre
Streitigkeiten auf civile Art, gleichsam durch einen Proceß, nicht auf barbarische
(nach Art der Wilden), nämlich durch Krieg, zu entscheiden,
realisirt werden kann.
Des öffentlichen Rechts
Dritter Abschnitt. Das Weltbürgerrecht.
§ 62.
Dieser Vernunftidee
einer friedlichen, wenn gleich noch nicht freundschaftlichen, durchgängigen
Gemeinschaft aller Völker auf Erden, die untereinander in wirksame
Verhältnisse kommen können, ist nicht etwa philanthropisch (ethisch), sondern
ein rechtliches Princip. Die Natur hat sie alle zusammen
(vermöge der Kugelgestalt ihres Aufenthalts, als globus terraqueus) in
bestimmte Grenzen eingeschlossen; und da der Besitz des Bodens, worauf der
Erdbewohner leben kann, immer nur als Besitz von einem Theil eines
bestimmten Ganzen, folglich als ein solcher, auf den jeder derselben
ursprünglich ein Recht hat, gedacht werden kann: so stehen alle Völker
ursprünglich in einer Gemeinschaft des Bodens, nicht aber der rechtlichen
Gemeinschaft des Besitzes (communio) und hiemit des Gebrauchs, oder des
Eigenthums an demselben, sondern der physischen möglichen
Wechselwirkung (commercium), d. i. in einem durchgängigen Verhältnisse eines zu
allen Anderen, sich zum Verkehr untereinander anzubieten, und haben
ein Recht, den Versuch mit demselben zu machen, ohne daß der Auswärtige ihm darum als einem
Feind zu begegnen berechtigt
wäre. - Dieses Recht, so fern es auf
die mögliche Vereinigung aller Völker in
Absicht auf gewisse allgemeine Gesetze ihres möglichen Verkehrs geht, kann
das weltbürgerliche (ius cosmopoliticum) genannt werden.
Meere können Völker
aus aller Gemeinschaft mit einander zu setzen scheinen, und dennoch
sind sie vermittelst der Schiffahrt gerade die glücklichsten Naturanlagen zu ihrem Verkehr, welcher, je mehr
es einander
nahe Küsten giebt (wie die des
mittelländischen), nur desto lebhafter sein kann, deren Besuchung
gleichwohl, noch mehr aber die Niederlassung auf denselben, um sie mit
dem Mutterlande zu verknüpfen, zugleich die Veranlassung dazu giebt, daß Übel
und Gewaltthätigkeit an einem Orte unseres Globs an allen
gefühlt wird. Dieser mögliche Mißbrauch kann aber das Recht des Erdbürgers
nicht aufheben, die Gemeinschaft mit allen zu versuchen und zu diesem Zweck
alle Gegenden der Erde zu besuchen, wenn es gleich nicht ein
Recht der Ansiedelung auf dem Boden eines anderen Volks (ius incolatus)
ist, als zu welchem ein besonderer Vertrag erfordert wird.
Es frägt sich aber:
ob ein Volk in neuentdeckten Ländern eine Anwohnung (accolatus) und
Besitznehmung in der Nachbarschaft eines Volks, das in einem
solchen Landstriche schon Platz genommen hat, auch ohne seine
Einwilligung unternehmen dürfe. -
Wenn Anbauung in
solcher Entlegenheit vom Sitz des ersteren geschieht, daß keines derselben
im Gebrauch seines Bodens dem anderen Eintrag thut, so ist
das Recht dazu nicht zu bezweifeln; wenn es aber Hirten= oder
Jagdvölker sind (wie die Hottentotten, Tungusen und die meisten
amerikanischen Nationen), deren Unterhalt von großen öden Landstrecken abhängt, so würde
dies nicht mit Gewalt, sondern nur durch Vertrag, und selbst dieser
nicht mit Benutzung der Unwissenheit jener Einwohner in Ansehung der
Abtretung solcher Ländereien geschehen können; obzwar die
Rechtfertigungsgründe scheinbar genug sind, daß eine solche Gewaltthätigkeit zum
Weltbesten gereiche; theils durch Cultur roher Völker (wie der
Vorwand, durch den selbst Büsching die blutige Einführung der christlichen
Religion in Deutschland entschuldigen will), theils zur Reinigung seines
eigenen Landes von verderbten Menschen und gehoffter Besserung derselben
oder ihrer Nachkommenschaft in einem anderen Welttheile (wie in
Neuholland); denn alle diese vermeintlich gute Absichten können doch den
Flecken der Ungerechtigkeit in den dazu gebrauchten Mitteln nicht
abwaschen. - Wendet man hiegegen ein: daß bei solcher Bedenklichkeit, mit
der Gewalt den Anfang zu Gründung eines gesetzlichen Zustandes zu machen,
vielleicht die ganze Erde noch in gesetzlosem Zustande sein würde:
so kann das eben so wenig jene Rechtsbedingung aufheben, als der
Vorwand der Staatsrevolutionisten, daß es auch, wenn Verfassungen
verunartet sind, dem Volk zustehe, sie mit Gewalt umzuformen und überhaupt einmal
für allemal ungerecht zu sein, um nachher die Gerechtigkeit
desto sicherer zu gründen und aufblühen zu machen.
Beschluß.
Wenn jemand nicht
beweisen kann, daß ein Ding ist, so mag er versuchen zu beweisen, daß es nicht ist. Will es
ihm mit keinem von beiden gelingen (ein Fall,
der oft eintritt), so kann er noch fragen: ob es ihn interessire, das Eine
oder das Andere (durch eine Hypothese) anzunehmen, und dies zwar
entweder in theoretischer, oder in praktischer Rücksicht, d. i.
entweder um sich bloß ein gewisses Phänomen (wie z. B. für den Astronom das
des Rückganges und Stillstandes der Planeten) zu erklären, oder um
einen gewissen Zweck zu erreichen, der nun wiederum entweder pragmatisch
(bloßer Kunstzweck) oder moralisch, d. i. ein solcher Zweck sein
kann, den sich zu setzen die Maxime selbst Pflicht ist. - Es versteht sich
von selbst: daß nicht das Annehmen (suppositio) der Ausführbarkeit jenes
Zwecks, welches ein bloß theoretisches und dazu noch problematisches
Urtheil ist, hier zur Pflicht gemacht werde, denn dazu (etwas zu glauben)
giebts keine Verbindlichkeit; sondern das Handeln nach der Idee jenes
Zwecks, wenn auch nicht die mindeste theoretische Wahrscheinlichkeit da
ist, daß er ausgeführt werden könne, dennoch aber seine Unmöglichkeit
gleichfalls nicht demonstrirt werden kann, das ist es, wozu uns eine Pflicht
obliegt.
Nun spricht die
moralisch=praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches veto aus: Es soll
kein Krieg sein; weder der, welcher zwischen mir und Dir im
Naturzustande, noch zwischen uns als Staaten, die, obzwar innerlich im
gesetzlichen, doch äußerlich (in Verhältniß gegen einander) im gesetzlosen
Zustande sind; - denn das ist nicht die Art, wie jedermann sein Recht
suchen soll. Also ist nicht mehr die Frage: ob der ewige Friede ein Ding
oder Unding sei, und ob wir uns nicht in unserem theoretischen
Urtheile betrügen, wenn wir das erstere annehmen, sondern wir müssen so
handeln, als ob das Ding sei, was vielleicht nicht ist, auf Begründung
desselben und diejenige Constitution, die uns dazu die tauglichste
scheint (vielleicht den Republicanism aller Staaten sammt und sonders)
hinwirken, um ihn herbei zu führen und dem heillosen Kriegführen, worauf als den
Hauptzweck bisher alle Staaten ohne Ausnahme ihre innere Anstalten
gerichtet haben, ein Ende zu machen. Und wenn das letztere, was die
Vollendung dieser Absicht betrifft, auch immer ein frommer Wunsch
bliebe, so betrügen wir uns doch gewiß nicht mit der Annahme der Maxime
dahin unablässig zu wirken; denn diese ist Pflicht; das moralische Gesetz
aber in uns selbst für betrüglich anzunehmen, würde den Abscheu
erregenden Wunsch hervorbringen, lieber aller Vernunft zu entbehren und sich
seinen Grundsätzen nach mit den übrigen Thierclassen in einen gleichen
Mechanism der Natur geworfen anzusehen.
Man kann sagen, daß
diese allgemeine und fortdauernde Friedensstiftung nicht bloß einen
Theil, sondern den ganzen Endzweck der Rechtslehre innerhalb den Grenzen
der bloßen Vernunft ausmache; denn der Friedenszustand ist
allein der unter Gesetzen gesicherte Zustand des Mein und Dein in
einer Menge einander benachbarter Menschen, mithin die in einer
Verfassung zusammen sind, deren Regel aber nicht von der Erfahrung derjenigen,
die sich bisher am besten dabei befunden haben, als einer Norm für
Andere, sondern die durch die Vernunft a priori von dem Ideal einer
rechtlichen Verbindung der Menschen unter öffentlichen Gesetzen überhaupt
hergenommen werden muß, weil alle Beispiele (als die nur erläutern,
aber nichts beweisen können) trüglich sind, und so allerdings einer Metaphysik
bedürfen, deren Nothwendigkeit diejenigen, die dieser spotten, doch
unvorsichtiger Weise selbst zugestehen, wenn sie z. B., wie sie es oft thun,
sagen: "Die beste Verfassung ist die, wo nicht die Menschen, sondern die
Gesetze machthabend sind." Denn was kann mehr metaphysisch
sublimirt sein, als eben diese Idee, welche gleichwohl nach jener ihrer eigenen
Behauptung die bewährteste objective Realität hat, die sich auch in
vorkommenden Fällen leicht darstellen läßt, und welche allein, wenn sie
nicht revolutionsmäßig, durch einen Sprung, d. i. durch gewaltsame Umstürzung
einer bisher bestandenen fehlerhaften - (denn da würde sich
zwischeninne ein Augenblick der Vernichtung alles rechtlichen Zustandes ereignen),
sondern durch allmähliche Reform nach festen Grundsätzen versucht und
durchgeführt wird, in continuirlicher Annäherung zum höchsten politischen
Gut, zum ewigen Frieden, hinleiten kann.
Anhang erläuternder
Bemerkungen zu den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre.
Die Veranlassung zu
denselben nehme ich größtentheils von der Recension dieses Buchs in den
Götting. Anz. 28stes Stück, den 18ten Februar 1797; welche mit
Einsicht und Schärfe der Prüfung, dabei aber doch auch mit Theilnahme und
"der Hoffnung, daß jene Anfangsgründe Gewinn für die Wissenschaft
bleiben werden," abgefaßt, ich hier zum Leitfaden der Beurtheilung, überdem
auch einiger Erweiterung dieses Systems gebrauchen will.
Gleich beim Anfange
der Einleitung in die Rechtslehre stößt sich mein scharfprüfender
Recensent an einer Definition. - Was heißt Begehrungsvermögen? Sie ist, sagt der
Text, das Vermögen, durch seine Vorstellungen Ursache
der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. - Dieser Erklärung wird
entgegengesetzt: "daß sie nichts wird, sobald man von äußeren
Bedingungen der Folge des Begehrens abstrahirt. - Das Begehrungsvermögen
ist aber auch dem Idealisten etwas, obgleich diesem die Außenwelt nichts
ist." Antwort: Giebt es aber nicht auch eine heftige und doch zugleich mit
Bewußtsein vergebliche Sehnsucht (z. B. wollte Gott, jener Mann lebte
noch!), die zwar thatleer, aber doch nicht folgeleer ist und zwar nicht an
Außendingen, aber doch im Innern des Subjects selbst mächtig wirkt
(krank macht). Eine Begierde als Bestreben (nisus) vermittelst seiner
Vorstellungen Ursache zu sein ist, wenn das Subject gleich die
Unzulänglichkeit der letzteren zur beabsichtigten Wirkung einsieht, doch immer
Causalität, wenigstens im Innern desselben. - Was hier den Mißverstand ausmacht, ist: daß, da das
Bewußtsein seines Vermögens
überhaupt (in dem genannten Falle)
zugleich das Bewußtsein seines Unvermögens in Ansehung der
Außenwelt ist, die Definition auf den Idealisten nicht anwendbar ist; indessen daß doch, da hier
bloß von dem Verhältnisse
einer Ursache (der Vorstellung) zur
Wirkung (dem Gefühl) überhaupt die Rede ist, die
Causalität der Vorstellung (jene mag äußerlich oder innerlich sein)
in Ansehung ihres Gegenstandes im Begriff des Begehrungsvermögens unvermeidlich gedacht
werden muß.
1. Logische Vorbereitung
zu einem neuerdings gewagten Rechtsbegriffe.
Wenn rechtskundige
Philosophen sich bis zu den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre
erheben oder versteigen wollen (ohne welche alle ihre
Rechtswissenschaft bloß statutarisch sein würde), so können sie über die Sicherung
der Vollständigkeit ihrer Eintheilung der Rechtsbegriffe nicht gleichgültig
wegsehen: weil jene Wissenschaft sonst kein Vernunftsystem, sondern bloß
aufgerafftes Aggregat sein würde. - Die Topik der Principien
muß der Form des Systems halber vollständig sein, d. i. es muß der
Platz zu einem Begriff (locus communis) angezeigt werden, der nach der
synthetischen Form der Eintheilung für diesen Begriff offen ist: man mag
nachher auch darthun, daß einer oder der andere Begriff, der in diesen Platz
gesetzt würde, an sich widersprechend sei und aus diesem Platze
wegfalle.
Die Rechtslehrer
haben bisher nun zwei Gemeinplätze besetzt: den des dinglichen und
den des persönlichen Rechts. Es ist natürlich, zu fragen: ob auch,
da noch zwei Plätze aus der bloßen Form der Verbindung beider zu einem
Begriffe, als Glieder der Eintheilung a priori, offen stehen, nämlich
der eines auf persönliche Art dinglichen, imgleichen der eines auf
dingliche Art persönlichen Rechts, ob nämlich ein solcher neuhinzukommender Begriff auch
statthaft sei und vor der Hand, obzwar nur problematisch, in der
vollständigen Tafel der Eintheilung angetroffen werden müsse. Das
letztere leidet keinen Zweifel. Denn die bloß logische Eintheilung (die vom
Inhalt der Erkenntniß - dem Object - abstrahirt) ist immer Dichotomie,
z. B. ein jedes Recht ist entweder ein dingliches oder ein
nicht=dingliches Recht. Diejenige
aber, von der hier die Rede ist,
nämlich die metaphysische Eintheilung,
kann auch Tetrachotomie sein: weil außer den zwei
einfachen Gliedern der Eintheilung noch zwei Verhältnisse, nämlich die der das
Recht einschränkenden Bedingungen, hinzukommen, unter denen das eine
Recht mit dem anderen in Verbindung tritt, deren Möglichkeit
einer besonderen Untersuchung bedarf. - Der Begriff eines auf persönliche
Art dinglichen Rechts fällt ohne weitere Umstände weg; denn es
läßt sich kein Recht einer Sache gegen eine Person denken. Nun fragt
sich: ob die Umkehrung dieses Verhältnisses auch eben so undenkbar
sei; oder ob dieser Begriff, nämlich der eines auf dingliche Art persönlichen
Rechts, nicht allein ohne inneren Widerspruch, sondern selbst auch
ein nothwendiger (a priori in der Vernunft gegebener) zum Begriffe des
äußeren Mein und Dein gehörender Begriff sei, Personen auf ähnliche Art als
Sachen zwar nicht in allen Stücken zu behandlen, aber sie doch zu
besitzen und in vielen Verhältnissen mit ihnen als Sachen zu
verfahren.
2. Rechtfertigung des
Begriffs von einem auf dingliche Art persönlichen Recht.
Die Definition des
auf dingliche Art persönlichen Rechts ist nun kurz und gut diese:
"Es ist das Recht des Menschen, eine Person außer sich als das Seine*) zu haben." Ich sage
mit Fleiß: eine Person; denn einen anderen Menschen,
der durch Verbrechen seine Persönlichkeit eingebüßt hat (zum Leibeigenen
geworden ist), könnte man wohl als das Seine haben; von
diesem Sachenrecht ist aber hier nicht die Rede. Ob
nun jener Begriff "als neues Phänomen am juristischen Himmel" eine Stella mirabilis
(eine bis zum Stern erster Größe wachsende, vorher nie gesehene,
allmählig aber wieder verschwindende, vielleicht einmal wiederkehrende Erscheinung), oder
bloß eine Sternschnuppe sei, das soll jetzt untersucht
werden.
3. Beispiele.
Etwas Äußeres als das
Seine haben heißt es rechtlich besitzen; Besitz aber ist die
Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs. Wenn diese Bedingung bloß als die
physische gedacht wird, so heißt der Besitz Inhabung. - Rechtmäßige
Inhabung reicht nun zwar allein nicht zu, um deshalb den Gegenstand für
das Meine auszugeben, oder es dazu zu machen; wenn ich aber, es
sei, aus welchem Grunde es wolle, befugt bin auf die Inhabung eines
Gegenstandes zu dringen, der meiner Gewalt entwischt oder entrissen ist,
so ist dieser Rechtsbegriff ein Zeichen (wie Wirkung von ihrer Ursache), daß
ich mich für befugt halte ihn als das Meine, mich aber auch als im
intelligibelen Besitz desselben befindlich gegen ihn zu verhalten und diesen
Gegenstand so zu gebrauchen.
Das Seine bedeutet
zwar hier nicht das des Eigenthums an der Person eines anderen
(denn Eigenthümer kann ein Mensch nicht einmal von sich selbst, viel
weniger von einer anderen Person sein), sondern nur das Seine des
Nießbrauchs (ius utendi fruendi), unmittelbar von dieser Person gleich als von
einer Sache, doch ohne Abbruch an ihrer Persönlichkeit, als Mittel zu meinem
Zweck Gebrauch zu machen.
Dieser Zweck aber,
als Bedingung der Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, muß moralisch
nothwendig sein. Der Mann kann weder das Weib begehren, um es gleich als
Sache zu genießen, d. i. unmittelbares Vergnügen an der bloß
thierischen Gemeinschaft mit demselben zu empfinden, noch das Weib sich
ihm dazu hingeben, ohne daß beide Theile ihre Persönlichkeit aufgeben
(fleischliche oder viehische Beiwohnung), d. i. ohne unter der Bedingung
der Ehe, welche, als wechselseitige Dahingebung seiner Person selbst
in den Besitz der anderen, vorher geschlossen werden muß: um durch
körperlichen Gebrauch, den ein Theil vom anderen macht, sich nicht zu
entmenschen.
Ohne diese Bedingung
ist der fleischliche Genuß dem Grundsatz (wenn gleich nicht immer
der Wirkung nach) cannibalisch. Ob mit Maul und Zähnen, oder der
weibliche Theil durch Schwängerung und daraus vielleicht
erfolgende, für ihn tödtliche Niederkunft, der männliche aber durch von öfteren
Ansprüchen des Weibes an das Geschlechtsvermögen des Mannes herrührende
Erschöpfungen aufgezehrt wird, ist bloß in der Manier zu genießen
unterschieden, und ein Theil ist in Ansehung des anderen bei diesem
wechselseitigen Gebrauche der Geschlechtsorganen wirklich eine verbrauchbare
Sache (res fungibilis), zu welcher also sich vermittelst eines Vertrags zu
machen, es ein gesetzwidriger Vertrag (pactum turpe) sein würde.
Eben so kann der Mann
mit dem Weibe kein Kind, als ihr beiderseitiges Machwerk (res
artificialis), zeugen, ohne daß beide Theile sich gegen dieses und
gegen einander die Verbindlichkeit zuziehen es zu erhalten: welches doch auch die
Erwerbung eines Menschen gleich als einer Sache, aber nur der
Form nach (einem bloß auf dingliche Art persönlichen Rechte angemessen)
ist. Die Eltern*) haben ein Recht gegen jeden Besitzer des Kindes,
das aus ihrer Gewalt gebracht worden, (ius in re) und zugleich ein Recht,
es zu allen Leistungen und aller Befolgung ihrer Befehle zu nöthigen,
die einer möglichen gesetzlichen Freiheit nicht zuwider sind (ius ad rem):
folglich auch ein persönliches Recht gegen dasselbe.
Endlich, wenn bei
eintretender Volljährigkeit die Pflicht der Eltern zur Erhaltung ihrer
Kinder aufhört, so haben jene noch das Recht, diese als ihren Befehlen
unterworfene Hausgenossen zu Erhaltung des Hauswesens zu brauchen, bis zur
Entlassung derselben; welches eine Pflicht der Eltern gegen diese
ist, die aus der natürlichen Beschränkung des Rechts der ersteren folgt.
Bis dahin sind sie zwar Hausgenossen und gehören zur Familie, aber von
nun an gehören sie zur Dienerschaft (famulatus) in derselben, die
folglich nicht anders als durch Vertrag zu dem Seinen des Hausherrn
(als seine Domestiken) hinzu kommen können. - Eben so kann auch
eine Dienerschaft außer der Familie zu dem Seinen des Hausherren nach
einem auf dingliche Art persönlichen Rechte gemacht und als Gesinde
(famulatus domesticus) durch Vertrag erworben werden. Ein solcher Vertrag
ist nicht der einer bloßen Verdingung (locatio conductio operae), sondern der
Hingebung seiner Person in den Besitz des Hausherrn,
Vermiethung (locatio conductio personae), welche darin von jener Verdingung
unterschieden ist, daß das Gesinde sich zu allem Erlaubten versteht,
was das Wohl des Hauswesens betrifft und ihm nicht als bestellte
und specifisch bestimmte Arbeit aufgetragen wird: anstatt daß der zur
bestimmten Arbeit Gedungene (Handwerker oder Tagelöhner) sich nicht zu dem
Seinen des Anderen hingiebt und so auch kein Hausgenosse ist. -
Des letzteren, weil er nicht im rechtlichen Besitz des Anderen ist, der ihn
zu gewissen Leistungen verpflichtet, kann der Hausherr, wenn jener auch sein
häuslicher Einwohner (inquilinus) wäre, sich nicht (via facti) als
einer Sache bemächtigen, sondern muß nach dem persönlichen Recht
auf die Leistung des Versprochenen dringen, welche ihm durch Rechtsmittel
(via iuris) zu Gebote stehen. - - So viel zur Erläuterung und Vertheidigung
eines befremdlichen, neu hinzukommenden Rechtstitels in der
natürlichen Gesetzlehre, der doch stillschweigend immer im Gebrauch gewesen
ist.
4. Über die
Verwechselung des dinglichen mit dem persönlichen Rechte.
Ferner ist mir als
Heterodoxie im natürlichen Privatrechte auch der Satz: Kauf bricht
Miethe (Rechtslehre § 31. S. 129) zur Rüge aufgestellt worden.
Daß jemand die Miethe
seines Hauses vor Ablauf der bedungenen Zeit der Einwohnung
dem Miether aufkündigen und also gegen diesen, wie es scheint, sein
Versprechen brechen könne, wenn er es nur zur gewöhnlichen Zeit des Verziehens
in der dazu gewohnten bürgerlich=gesetzlichen Frist thut, scheint
freilich beim ersten Anblick allen Rechten aus einem Vertrage zu
widerstreiten. - Wenn aber bewiesen werden kann, daß der Miether, da
er seinen Miethscontract machte, wußte oder wissen mußte, daß das ihm
gethane Versprechen des Vermiethers als Eigenthümers natürlicherweise
(ohne daß es im Contract ausdrücklich gesagt werden durfte), also
stillschweigend, an die Bedingung geknüpft war: wofern dieser sein Haus
binnen dieser Zeit nicht verkaufen sollte (oder es bei einem
etwa über ihn eintretenden Concurs seinen Gläubigern überlassen müßte): so
hat dieser sein schon an sich der Vernunft nach bedingtes Versprechen nicht
gebrochen, und der Miether ist durch die ihm vor der Miethszeit
geschehene Aufkündigung an seinem Rechte nicht verkürzt worden.
Denn das Recht des
letzteren aus dem Miethscontracte ist ein persönliches Recht auf das, was
eine gewisse Person der anderen zu leisten hat (ius ad rem);
nicht gegen jeden Besitzer der Sache (ius in re), ein dingliches.
Nun konnte der
Miether sich wohl in seinem Miethscontracte sichern und sich ein
dingliches Recht am Hause verschaffen: er durfte nämlich diesen nur auf das
Haus des Vermiethers, als am Grunde haftend, einschreiben
(ingrossiren) lassen: alsdann konnte er durch keine Aufkündigung des Eigenthümers,
selbst nicht durch dessen Tod (den natürlichen oder auch den
bürgerlichen, den Bankrott) vor Ablauf der abgemachten Zeit aus der Miethe
gesetzt werden. Wenn er es nicht that, weil er etwa frei sein
wollte, anderweitig eine Miethe auf bessere Bedingungen zu schließen, oder
der Eigenthümer sein Haus nicht mit einem solchen onus belegt wissen wollte,
so ist daraus zu schließen: daß ein jeder von beiden in Ansehung der Zeit
der Aufkündigung (die bürgerlich bestimmte Frist zu derselben
ausgenommen) einen stillschweigend=bedingten Contract gemacht zu haben sich bewußt
war, ihn ihrer Convenienz nach wieder aufzulösen. Die Bestätigung der
Befugniß, durch den Kauf Miethe zu brechen, zeigt sich
auch an gewissen rechtlichen Folgerungen aus einem solchen nackten
Miethscontracte; denn den Erben des Miethers, wenn dieser verstorben
ist, wird doch nicht die Verbindlichkeit zugemuthet, die Miethe fortzusetzen:
weil diese nur die Verbindlichkeit gegen eine gewisse Person ist, die mit
dieser ihrem Tode aufhört (wobei doch die gesetzliche Zeit der Aufkündigung
immer mit in Anschlag gebracht werden muß). Eben so wenig kann
auch das Recht des Miethers, als eines solchen, auch auf seine Erben ohne
einen besonderen Vertrag übergehen; so wie er auch beim Leben beider
Theile ohne ausdrückliche Übereinkunft keinen Aftermiether zu setzen befugt ist.
Zusatz zur Erörterung
der Begriffe des Strafrechts.
Die bloße Idee einer
Staatsverfassung unter Menschen führt schon den Begriff einer
Strafgerechtigkeit bei sich, welche der obersten Gewalt zusteht. Es fragt
sich nur, ob die Strafarten dem Gesetzgeber gleichgültig sind, wenn sie nur
als Mittel dazu taugen, das Verbrechen (als Verletzung der Staatssicherheit
im Besitz des Seinen eines jeden) zu entfernen, oder ob auch noch auf
Achtung für die Menschheit in der Person des Missethäters (d. i. für die
Gattung) Rücksicht genommen werden müsse, und zwar aus bloßen
Rechtsgründen, indem ich das ius talionis der Form nach noch immer für die
einzige a priori bestimmende (nicht aus der Erfahrung, welche Heilmittel zu
dieser Absicht die kräftigsten wären, hergenommene) Idee als Princip des
Strafrechts halte.*) - Wie wird es aber mit den Strafen gehalten
werden, die keine Erwiederung zulassen, weil diese entweder an sich
unmöglich, oder selbst ein strafbares Verbrechen an der Menschheit überhaupt
sein würden, wie z. B. das der Nothzüchtigung, imgleichen das der
Päderastie, oder Bestialität? Die beiden ersteren durch Castration (entweder
wie eines weißen oder schwarzen Verschnittenen im Serail), das letztere
durch Ausstoßung aus der bürgerlichen Gesellschaft auf immer, weil er
sich selbst der menschlichen unwürdig gemacht hat. - Per quod quis peccat,
per idem punitur et idem. - Die gedachten Verbrechen heißen darum
unnatürlich, weil sie an der Menschheit selbst ausgeübt werden. - Willkürlich
Strafen für sie zu verhängen ist dem Begriff einer
Straf=Gerechtigkeit buchstäblich zuwider. Nur dann kann der Verbrecher nicht
klagen, daß ihm unrecht geschehe, wenn er seine Übelthat sich selbst über den
Hals zieht, und ihm, wenn gleich nicht dem Buchstaben, doch dem Geiste des
Strafgesetzes gemäß das widerfährt, was er an anderen verbrochen
hat.
6. Vom Recht der
Ersitzung.
"Das Recht der
Ersitzung (Usucapio) soll nach S. 131 ff. durchs Naturrecht begründet
werden. Denn nähme man nicht an, daß durch den ehrlichen Besitz eine
ideale Erwerbung, wie sie hier genannt wird, begründet werde, so wäre gar
keine Erwerbung peremtorisch gesichert. (Aber Hr. K. nimmt ja
selbst im Naturzustande eine nur provisorische Erwerbung an und dringt
deswegen auf die juristische Nothwendigkeit der bürgerlichen Verfassung. - - Ich
behaupte mich als ehrlicher Besitzer aber nur gegen den, der
nicht beweisen kann, daß er eher als ich ehrlicher Besitzer derselben
Sache war und mit seinem Willen zu sein nicht aufgehört hat.)" - - Davon
ist nun hier nicht die Rede, sondern ob ich mich auch als
Eigenthümer behaupten kann, wenn sich gleich ein Prätendent als früherer wahrer
Eigenthümer der Sache melden sollte, die Erkundung aber seiner
Existenz als Besitzer und seines Besitzstandes als Eigenthümers
schlechterdings unmöglich war; welches letztere alsdann zutrifft, wenn dieser
gar kein öffentlich gültiges Zeichen seines ununterbrochenen Besitzes (es sei aus
eigener Schuld oder auch ohne sie), z. B. durch Einschreibung
in Matrikeln, oder unwidersprochene Stimmgebung als Eigenthümer in
bürgerlichen Versammlungen, von sich gegeben hat.
Denn die Frage ist
hier: wer soll eine rechtmäßige Erwerbung beweisen? Dem Besitzer kann
diese Verbindlichkeit (onus probandi) nicht aufgebürdet werden;
denn er ist, so weit wie seine constatirte Geschichte reicht, im Besitz
derselben. Der frühere angebliche Eigenthümer der Sache ist durch eine
Zwischenzeit, innerhalb deren er keine bürgerlich gültige Zeichen seines
Eigenthums gab, von der Reihe der auf einander folgenden Besitzer nach
Rechtsprincipien ganz abgeschnitten. Diese Unterlassung irgend eines
öffentlichen Besitzacts macht ihn zu einem unbetitelten Prätendenten. (Dagegen heißt es
hier wie bei der Theologie: conservatio est continua creatio.)
Wenn sich auch ein bisher nicht manifestirter, obzwar hinten nach mit
aufgefundenen Documenten versehener Prätendent vorfände, so würde
doch wiederum auch bei diesem der Zweifel vorwalten, ob nicht ein noch
älterer Prätendent dereinst auftreten und seine Ansprüche auf den früheren
Besitz gründen könnte. - Auf die Länge der Zeit des Besitzes kommt es
hiebei gar nicht an, um die Sache endlich zu ersitzen (acquirere per
usucapionem). Denn es ist ungereimt, anzunehmen, daß ein Unrecht dadurch,
daß es lange gewährt hat, nachgerade ein Recht werde. Der (noch so
lange) Gebrauch setzt das Recht in der Sache voraus: weit gefehlt, daß
dieses sich auf jenen gründen sollte. Also ist die Ersitzung (usucapio)
als Erwerbung durch den langen Gebrauch einer Sache ein sich selbst
widersprechender Begriff. Die Verjährung der Ansprüche als Erhaltungsart
(conservatio possessionis meae per praescriptionem) ist es nicht weniger:
indessen doch ein von dem vorigen unterschiedener Begriff, was das
Argument der Zueignung betrifft. Es ist nämlich ein negativer
Grund, d. i. der gänzliche Nichtgebrauch seines Rechts, selbst nicht
einmal der, welcher nöthig ist, um sich als Besitzer zu manifestiren, für
eine Verzichtthuung auf dieselbe (derelictio), welche ein rechtlicher Act,
d. i. Gebrauch seines Rechts gegen einen anderen, ist, um durch
Ausschließung desselben vom Anspruche (per praescriptionem) das Object desselben
zu erwerben, welches einen Widerspruch enthält.
Ich erwerbe also ohne
Beweisführung und ohne allen rechtlichen Act: ich brauche
nicht zu beweisen, sondern durchs Gesetz (lege); und was dann? Die öffentliche
Befreiung von Ansprüchen, d. i. die gesetzliche Sicherheit meines
Besitzes, dadurch daß ich nicht den Beweis führen darf und mich auf
einen ununterbrochenen Besitz gründe. Daß aber alle Erwerbung im
Naturstande bloß provisorisch ist, das hat keinen Einfluß auf die Frage von der
Sicherheit des Besitzes des Erworbenen, welche vor jener vorhergehen
muß.
7. Von der Beerbung.
Was das Recht der
Beerbung anlangt, so hat den Herrn Recensenten diesesmal sein
Scharfblick, den Nerven des Beweises meiner Behauptung zu treffen,
verlassen. - Ich sage ja nicht S. 135: daß ein jeder Mensch nothwendigerweise
jede ihm angebotene Sache, durch deren Annehmung er nur gewinnen,
nichts verlieren kann, annehme (denn solche Sachen giebt es gar nicht),
sondern daß ein jeder das Recht des Angebots in demselben Augenblick
unvermeidlich und stillschweigend, dabei aber doch gültig immer wirklich
annehme: wenn es nämlich die Natur der Sache so mit sich bringt, daß der
Widerruf schlechterdings unmöglich ist, nämlich im Augenblicke seines Todes; denn da
kann der Promittent nicht widerrufen, und der Promissar ist, ohne
irgend einen rechtlichen Act begehen zu dürfen, in demselben Augenblick Acceptant,
nicht der versprochenen Erbschaft, sondern des Rechts, sie
anzunehmen oder auszuschlagen. In diesem Augenblicke sieht er sich bei Eröffnung
des Testaments, daß er schon vor der Acceptation der Erbschaft
vermögender geworden ist, als er war; denn er hat ausschließlich die Befugniß zu
acceptiren erworben, welche schon ein Vermögensumstand ist. - Daß hiebei ein
bürgerlicher Zustand vorausgesetzt wird, um etwas zu dem
Seinen eines Anderen zu machen, wenn man nicht mehr da ist,
dieser Übergang des Besitzthums aus der Todtenhand ändert in Ansehung
der Möglichkeit der Erwerbung nach allgemeinen Principien des
Naturrechts nichts, wenn gleich der Anwendung derselben auf den vorkommenden
Fall eine bürgerliche Verfassung zum Grunde gelegt werden muß. - Eine
Sache nämlich, die ohne Bedingung anzunehmen oder auszuschlagen in
meiner freien Wahl gestellt wird, heißt res iacens. Wenn der
Eigenthümer einer Sache mir etwas, z. B. ein Möbel des Hauses, aus dem
ich auszuziehen eben im Begriff bin, umsonst anbietet (verspricht, es soll
mein sein), so habe ich, so lange er nicht widerruft (welches, wenn er
darüber stirbt, unmöglich ist), ausschließlich ein Recht zur Acceptation
des Angebotenen (ius in re iacente), d. i. ich allein kann es annehmen oder
ausschlagen, wie es mir beliebt: und dieses Recht ausschließlich zu
wählen erlange ich nicht vermittelst eines besonderen rechtlichen Acts
meiner Declaration, ich wolle, dieses Recht solle mir zustehen, sondern ohne
denselben (lege). - Ich kann also zwar mich dahin erklären, ich wolle,
die Sache solle mir nicht angehören (weil diese Annahme mir
Verdrießlichkeiten mit Anderen zuziehen dürfte), aber ich kann nicht wollen,
ausschließlich die Wahl zu haben, ob sie mir angehören solle oder nicht;
denn dieses Recht (des Annehmens oder Ausschlagens) habe ich ohne alle
Declaration meiner Annahme unmittelbar durchs Angebot: denn
wenn ich sogar die Wahl zu haben ausschlagen könnte, so würde ich
wählen nicht zu wählen; welches ein Widerspruch ist. Dieses Recht zu
wählen geht nun im Augenblicke des Todes des Erblassers auf mich über, durch
dessen Vermächtniß (institutio haeredis) ich zwar noch nichts von
der Habe und Gut des Erblassers, aber doch den bloß=rechtlichen
(intelligibelen) Besitz dieser Habe oder eines Theils derselben erwerbe:
deren Annahme ich mich nun zum Vortheil Anderer begeben kann, mithin
dieser Besitz keinen Augenblick unterbrochen ist, sondern die Succession als
eine stetige Reihenfolge vom Sterbenden zum eingesetzten Erben durch seine
Acceptation übergeht und so der Satz: testamenta sunt iuris naturae
wider alle Zweifel befestigt wird.
8. Von den Rechten des
Staats in Ansehung ewiger Stiftungen für seine
Unterthanen.
Stiftung (sanctio
testamentaria beneficii perpetui) ist die freiwillige, durch den Staat
bestätigte, für gewisse auf einander folgende Glieder desselben bis
zu ihrem gänzlichen Aussterben errichtete wohlthätige Anstalt. - Sie heißt
ewig, wenn die Verordnung zu Erhaltung derselben mit der Constitution
des Staats selbst vereinigt ist (denn der Staat muß für ewig angesehen
werden); ihre Wohlthätigkeit aber ist entweder für das Volk überhaupt, oder
für einen nach gewissen besonderen Grundsätzen vereinigten Theil desselben,
einen Stand, oder für eine Familie und die ewige Fortdauer ihrer
Descendenten abgezweckt. Ein Beispiel vom ersteren sind die Hospitäler,
vom zweiten die Kirchen, vom dritten die Orden (geistliche und
weltliche), vom vierten die Majorate.
Von diesen
Corporationen und ihrem Rechte zu succediren sagt man nun, sie können nicht
aufgehoben werden: weil es durch Vermächtniß zum Eigenthum des
eingesetzten Erben geworden sei, und eine solche Verfassung (corpus mysticum)
aufzuheben so viel heiße, als jemanden das Seine nehmen.
A. Die wohlthätige
Anstalt für Arme, Invalide und Kranke, welche auf dem Staatsvermögen
fundirt worden, (in Stiften und Hospitälern) ist allerdings
unablöslich. Wenn aber nicht der Buchstabe, sondern der Sinn des Willens des
Testators den Vorzug haben soll, so können sich wohl Zeitumstände
ereignen, welche die Aufhebung einer solchen Stiftung wenigstens ihrer Form
nach anräthig machen. - So hat man gefunden: daß der Arme und
Kranke (den vom Narrenhospital ausgenommen) besser und wohlfeiler
versorgt werde, wenn ihm die Beihülfe in einer gewissen (dem Bedürfnisse der
Zeit proportionirten) Geldsumme, wofür er sich, wo er will, bei seinen
Verwandten oder sonst Bekannten, einmiethen kann, gereicht wird, als wenn
- wie im Hospital von Greenwich - prächtige und dennoch die
Freiheit sehr beschränkende, mit einem kostbaren Personale versehene Anstalten
dazu getroffen werden. - Da kann man nun nicht sagen, der
Staat nehme dem zum Genuß dieser Stiftung berechtigten Volke das Seine,
sondern er befördert es vielmehr, indem er weisere Mittel zur Erhaltung
desselben wählt.
B. Die Geistlichkeit,
welche sich fleischlich nicht fortpflanzt, (die katholische) besitzt mit
Begünstigung des Staats Ländereien und daran haftende Unterthanen, die
einem geistlichen Staate (Kirche genannt) angehören, welchem die Weltliche
durch Vermächtniß zum Heil ihrer Seelen sich als ihr Eigenthum hingegeben
haben, und so hat der Klerus als ein besonderer Stand einen
Besitzthum, der sich von einem Zeitalter zum anderen gesetzmäßig vererben läßt und
durch päpstliche Bullen hinreichend documentirt ist. - Kann man nun
wohl annehmen, daß dieses Verhältniß derselben zu den Laien durch
die Machtvollkommenheit des weltlichen Staats geradezu den ersteren könne
genommen werden, und würde das nicht so viel sein, als jemanden mit
Gewalt das Seine nehmen; wie es doch von Ungläubigen der französischen
Republik versucht wird?
Die Frage ist hier:
ob die Kirche dem Staat oder der Staat der Kirche als das Seine
angehören könne; denn zwei oberste Gewalten können einander ohne
Widerspruch nicht untergeordnet sein. - Daß nur die erstere Verfassung
(politico-hierarchica) Bestand an sich haben könne, ist an sich klar:
denn alle bürgerliche Verfassung ist von dieser Welt, weil sie eine irdische
Gewalt (der Menschen) ist, die sich sammt ihren Folgen in der Erfahrung
documentiren läßt. Die Gläubigen, deren Reich im Himmel und in jener
Welt ist, müssen, in so fern man ihnen eine sich auf dieses beziehende
Verfassung (hierarchico-politica) zugesteht, sich den Leiden dieser Zeit
unter der Obergewalt der Weltmenschen unterwerfen. - Also findet nur die
erstere Verfassung statt.
Religion (in der
Erscheinung), als Glaube an die Satzungen der Kirche und die Macht
der Priester als Aristokraten einer solchen Verfassung, oder auch, wenn diese
monarchisch (päpstlich) ist, kann von keiner staatsbürgerlichen
Gewalt dem Volke weder aufgedrungen, noch genommen werden, noch auch
(wie es wohl in Großbritannien mit der irländischen Nation gehalten wird)
der Staatsbürger wegen einer von des Hofes seiner unterschiedenen
Religion von den Staatsdiensten und den Vortheilen, die ihm dadurch
erwachsen, ausgeschlossen werden.
Wenn nun gewisse
andächtige und gläubige Seelen, um der Gnade theilhaftig zu
werden, welche die Kirche den Gläubigen auch nach dieser ihrem Tode zu
erzeigen verspricht, eine Stiftung auf ewige Zeiten errichten, durch welche gewisse
Ländereien derselben nach ihrem Tode ein Eigenthum der Kirche werden
sollen, und der Staat an diesem oder jenem Theil, oder gar ganz
sich der Kirche lehnspflichtig macht, um durch Gebete, Ablässe und Büßungen,
durch welche die dazu bestellten Diener derselben (die Geistlichen) das
Loos in der anderen Welt ihnen vortheilhaft zu machen verheißen:
so ist eine solche vermeintlich auf ewige Zeiten gemachte Stiftung keineswegs
auf ewig begründet, sondern der Staat kann diese Last, die ihm
von der Kirche aufgelegt worden, abwerfen, wenn er will. - Denn die
Kirche selbst ist als ein bloß auf Glauben errichtetes Institut, und wenn
die Täuschung aus dieser Meinung durch Volksaufklärung verschwunden ist, so
fällt auch die darauf gegründete furchtbare Gewalt des Klerus
weg, und der Staat bemächtigt sich mit vollem Rechte des angemaßten
Eigenthums der Kirche: nämlich des durch Vermächtnisse an sie verschenkten
Bodens; wiewohl die Lehnsträger des bis dahin bestandenen Instituts
für ihre Lebenszeit schadenfrei gehalten zu werden aus ihrem Rechte
fordern können.
Selbst Stiftungen zu
ewigen Zeiten für Arme, oder Schulanstalten, sobald sie einen
gewissen, von dem Stifter nach seiner Idee bestimmten entworfenen Zuschnitt
haben, können nicht auf ewige Zeiten fundirt und der Boden damit
belästigt werden; sondern der Staat muß die Freiheit haben, sie nach dem Bedürfnisse der Zeit
einzurichten. - Daß es schwerer
hält, diese Idee allerwärts auszuführen
(z. B. die Pauperbursche die Unzulänglichkeit des wohlthätig
errichteten Schulfonds durch bettelhaftes Singen ergänzen zu
müssen), darf niemanden wundern; denn der, welcher gutmüthiger=, aber
doch zugleich etwas ehrbegierigerweise eine Stiftung macht, will, daß sie
nicht ein anderer nach seinen Begriffen umändere, sondern Er darin
unsterblich sei. Das ändert aber nicht die Beschaffenheit der Sache selbst und
das Recht des Staats, ja die Pflicht desselben zum Umändern einer
jeden Stiftung, wenn sie der Erhaltung und dem Fortschreiten
desselben zum Besseren entgegen ist, kann daher niemals als auf ewig begründet
betrachtet werden.
C. Der Adel eines
Landes, das selbst nicht unter einer aristokratischen, sondern monarchischen
Verfassung steht, mag immer ein für ein gewisses Zeitalter erlaubtes
und den Umständen nach nothwendiges Institut sein; aber daß dieser Stand
auf ewig könne begründet werden, und ein Staatsoberhaupt nicht solle die
Befugniß haben, diesen Standesvorzug gänzlich aufzuheben, oder,
wenn er es thut, man sagen könne, er nehme seinem (adlichen) Unterthan
das Seine, was ihm erblich zukommt, kann keinesweges behauptet werden. Er
ist eine temporäre, vom Staat autorisirte Zunftgenossenschaft,
die sich nach den Zeitumständen bequemen muß und dem allgemeinen
Menschenrechte, das so lange suspendirt war, nicht Abbruch thun darf. - Denn der
Rang des Edelmanns im Staate ist von der Constitution
selber nicht allein abhängig, sondern ist nur ein Accidenz derselben, was nur
durch Inhärenz in demselben existiren kann (ein Edelmann kann ja als ein
solcher nur im Staate, nicht im Stande der Natur gedacht werden). Wenn
also der Staat seine Constitution abändert, so kann der, welcher
hiemit jenen Titel und Vorrang einbüßt, nicht sagen, es sei ihm das Seine
genommen: weil er es nur unter der Bedingung der Fortdauer dieser
Staatsform das Seine nennen konnte, der Staat aber diese abzüandern (z.
B. in den Republikanism umzuformen) das Recht hat. - Die Orden und
der Vorzug, gewisse Zeichen desselben zu tragen, geben also kein
ewiges Recht dieses Besitzes.
D. Was endlich die
Majoratsstiftung betrifft, da ein Gutsbesitzer durch Erbeseinsetzung
verordnet: daß in der Reihe der auf einander folgenden Erben immer der
nächste von der Familie der Gutsherr sein solle (nach der Analogie
mit einer monarchisch=erblichen Verfassung eines Staats, wo der
Landesherr es ist), so kann eine solche Stiftung nicht allein mit
Beistimmung aller Agnaten jederzeit aufgehoben werden und darf nicht auf ewige
Zeiten - gleich als ob das Erbrecht am Boden haftete -
immerwährend fortdauern, noch gesagt werden, es sei eine Verletzung der Stiftung und des
Willens des Urahnherrn derselben, des Stifters, sie
eingehen zu lassen: sondern der Staat hat auch hier ein Recht, ja sogar die Pflicht,
bei den allmählig eintretenden Ursachen seiner eigenen Reform ein solches
föderatives System seiner Unterthanen gleich als Unterkönige (nach der Analogie
von Dynasten und Satrapen), wenn es erloschen ist, nicht weiter
aufkommen zu lassen.
Beschluß.
Zuletzt hat der Herr
Recensent von den unter der Rubrik öffentliches Recht aufgeführten
Ideen, von denen, wie er sagt, der Raum nicht erlaube, sich
darüber zu äußern, noch folgendes angemerkt: "Unseres Wissens hat noch kein
Philosoph den paradoxesten aller paradoxen Sätze anerkannt, den Satz:
daß die bloße Idee der Oberherrschaft mich nöthigen soll, jedem, der sich
zu meinem Herrn aufwirft, als meinem Herrn zu gehorchen, ohne zu fragen, wer
ihm das Recht gegeben, mir zu befehlen. Daß man
Oberherrschaft und Oberhaupt anerkennen und man Diesen oder Jenen, dessen
Dasein nicht einmal a priori gegeben ist, a priori für seinen Herrn halten
soll, das soll einerlei sein?" - Nun, hiebei die Paradoxie eingeräumt, hoffe
ich, es solle, näher betrachtet, doch wenigstens der Heterodoxie nicht
überwiesen werden können; vielmehr solle es dem einsichtsvollen und mit
Bescheidenheit tadelnden, gründlichen Recensenten (der jenes genommenen
Anstoßes ungeachtet "diese metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre im
Ganzen als Gewinn für die Wissenschaft ansieht") nicht gereuen, sie
wenigstens als einen der zweiten Prüfung nicht unwürdigen Versuch
gegen Anderer trotzige und seichte Absprechungen in Schutz genommen zu
haben.
Daß dem, welcher sich
im Besitz der zu oberst gebietenden und gesetzgebenden Gewalt über ein Volk
befindet, müsse gehorcht werden und zwar so
juridisch=unbedingt, daß auch nur nach dem Titel dieser seiner Erwerbung öffentlich zu
forschen, also ihn zu bezweifeln, um sich bei etwaniger Ermangelung desselben
ihm zu widersetzen, schon strafbar, daß es ein kategorischer Imperativ sei: Gehorchet
der Obrigkeit (in allem, was nicht dem inneren
Moralischen widerstreitet), die Gewalt über euch hat, ist der anstößige Satz,
der in Abrede gezogen wird. - Nicht allein aber dieses Princip, welches ein
Factum (die Bemächtigung) als Bedingung dem Rechte zum Grunde legt, sondern daß selbst die
bloße Idee der Oberherrschaft
über ein Volk mich, der ich zu ihm gehöre,
nöthige, ohne vorhergehende
Forschung dem angemaßten Rechte zu
gehorchen (Rechtslehre § 49), das scheint
die Vernunft des Rec. zu empören.
Ein jedes Factum
(Thatsache) ist Gegenstand in der Erscheinung (der Sinne); dagegen
das, was nur durch reine Vernunft vorgestellt werden kann, was zu
den Ideen gezählt werden muß, denen adäquat kein Gegenstand in
der Erfahrung gegeben werden kann, dergleichen eine vollkommene
rechtliche Verfassung unter Menschen ist, das ist das Ding an sich
selbst.
Wenn dann nun ein
Volk, durch Gesetze unter einer Obrigkeit vereinigt, da ist, so ist der
Idee der Einheit desselben überhaupt unter einem machthabenden
obersten Willen gemäß als Gegenstand der Erfahrung gegeben; aber
freilich nur in der Erscheinung; d. i. eine rechtliche Verfassung im
allgemeinen Sinne des Worts ist da; und obgleich sie mit großen Mängeln und
groben Fehlern behaftet sein und nach und nach wichtiger
Verbesserungen bedürfen mag, so ist es doch schlechterdings unerlaubt und sträflich, ihr zu
widerstehen: weil, wenn das Volk dieser, obgleich noch fehlerhaften
Verfassung und der obersten Autorität Gewalt entgegen setzen zu
dürfen sich berechtigt hielte, es sich dünken würde, ein Recht zu haben:
Gewalt an die Stelle der alle Rechte zu oberst vorschreibenden Gesetzgebung zu
setzen; welches einen sich selbst zerstörenden obersten Willen abgeben würde.
Die Idee einer
Staatsverfassung überhaupt, welche zugleich absolutes Gebot der nach
Rechtsbegriffen urtheilenden praktischen Vernunft für ein jedes Volk
ist, ist heilig und unwiderstehlich; und wenn gleich die Organisation des
Staats durch sich selbst fehlerhaft wäre, so kann doch keine subalterne
Gewalt in demselben dem gesetzgebenden Oberhaupte desselben thätlichen Widerstand
entgegensetzen, sondern die ihm anhängenden Gebrechen müssen
durch Reformen, die er an sich selbst verrichtet, allmählig gehoben werden: weil
sonst bei einer entgegengesetzten Maxime des Unterthans (nach
eigenmächtiger Willkür zu verfahren) eine gute Verfassung selbst nur durch
blinden Zufall zu Stande kommen kann. - Das Gebot:
"Gehorchet der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat," grübelt nicht nach, wie sie zu
dieser Gewalt gekommen sei (um sie allenfalls zu untergraben); denn die, welche
schon da ist, unter welcher ihr lebt, ist schon im Besitz der
Gesetzgebung, über die ihr zwar öffentlich vernünfteln, euch aber selbst nicht zu
widerstrebenden Gesetzgebern aufwerfen könnt.
Unbedingte
Unterwerfung des Volkswillens (der an sich unvereinigt, mithin gesetzlos ist)
unter einem souveränen (alle durch Ein Gesetz vereinigenden) Willen ist That, die
nur durch Bemächtigung der obersten Gewalt anheben kann
und so zuerst ein öffentliches Recht begründet. - Gegen diese
Machtvollkommenheit noch einen Widerstand zu erlauben (der jene oberste Gewalt
einschränkte), heißt sich selbst widersprechen; denn alsdann wäre jene (welcher
widerstanden werden darf) nicht die gesetzliche oberste Gewalt, die
zuerst bestimmt, was öffentlich recht sein soll oder nicht - und dieses Princip
liegt schon a priori in der Idee einer Staatsverfassung überhaupt, d. i. in
einem Begriffe der praktischen Vernunft, dem zwar adäquat kein
Beispiel in der Erfahrung untergelegt werden kann, dem aber auch als
Norm keine widersprechen muß.
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