Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)
Vorrede.
Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen
Vernunfterkenntniß zur philosophischen.
Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik
der Sitten.
Die Autonomie des Willens als oberstes Princip der
Sittlichkeit.
Die Heteronomie des Willens als der Quell aller
unächten Principien der Sittlichkeit.
Eintheilung aller möglichen Principien der Sittlichkeit aus
dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie.
Dritter Abschnitt. Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen
praktischen Vernunft.
Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur
Erklärung der Autonomie des Willens.
Freiheit muß als Eigenschaft des Willens aller
vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden.
Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit
anhängt.
Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich?
Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie.
Schlußanmerkung.
Vorrede.
Die alte griechische Philosophie theilte sich in drei Wissenschaften ab: die
Physik, die Ethik und die Logik. Diese Eintheilung ist der Natur der Sache
vollkommen angemessen, und man hat an ihr nichts zu verbessern, als etwa nur
das Princip derselben hinzu zu thun, um sich auf solche Art theils ihrer
Vollständigkeit zu versichern, theils die nothwendigen Unterabtheilungen
richtig bestimmen zu können.
Alle Vernunfterkenntniß ist entweder material und betrachtet irgend ein Object;
oder formal und beschäftigt sich bloß mit der Form des Verstandes und der
Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt ohne
Unterschied der Objecte. Die formale Philosophie heißt Logik, die materiale
aber, welche es mit bestimmten Gegenständen und den Gesetzen zu thun hat, denen
sie unterworfen sind, ist wiederum zwiefach. Denn
diese Gesetze sind entweder Gesetze der Natur, oder
der Freiheit. Die Wissenschaft von der ersten heißt Physik, die der andern ist Ethik; jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre
genannt.
Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d. i. einen solchen, da die
allgemeinen und nothwendigen Gesetze des Denkens auf Gründen beruhten, die von
der Erfahrung hergenommen wären; denn sonst wäre sie nicht Logik, d. i. ein
Kanon für den Verstand oder die Vernunft, der bei allem Denken gilt und
demonstrirt werden muß. Dagegen können sowohl die natürliche, als sittliche
Weltweisheit jede ihren empirischen Theil haben, weil jene der Natur als einem
Gegenstande der Erfahrung, diese aber dem Willen des Menschen, so fern er durch
die Natur afficirt wird, ihre Gesetze bestimmen muß, die erstern zwar als
Gesetze, nach denen alles geschieht, die zweiten als solche, nach denen alles
Geschehen soll, aber doch auch mit Erwägung der Bedingungen, unter denen es
öfters nicht geschieht.
Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Gründe der Erfahrung fußt,
empirische, die aber, so lediglich aus Principien a priori ihre Lehren
vorträgt, reine Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bloß formal ist, heißt Logik; ist sie aber auf bestimmte Gegenstände des
Verstandes eingeschränkt, so heißt sie Metaphysik.
Auf solche Weise entspringt die Idee einer zwiefachen Metaphysik, einer
Metaphysik der Natur und einer Metaphysik der Sitten. Die Physik wird also
ihren empirischen, aber auch einen rationalen Theil haben; die Ethik
gleichfalls, wiewohl hier der empirische Theil besonders praktische
Anthropologie, der rationale aber eigentlich Moral
heißen könnte.
Alle Gewerbe, Handwerke und Künste haben durch die Vertheilung der Arbeiten
gewonnen, da nämlich nicht einer alles macht, sondern jeder sich auf gewisse
Arbeit, die sich ihrer Behandlungsweise nach von andern merklich unterscheidet,
einschränkt, um sie in der größten Vollkommenheit und mit mehrerer Leichtigkeit
leisten zu können. Wo die Arbeiten so nicht unterschieden und vertheilt werden,
wo jeder ein Tausendkünstler ist, da liegen die
Gewerbe noch in der größten Barbarei. Aber ob dieses zwar für sich ein der
Erwägung nicht unwürdiges Object wäre, zu fragen: ob die reine Philosophie in
allen ihren Theilen nicht ihren besondern Mann erheische, um es um das Ganze
des gelehrten Gewerbes nicht besser stehen würde, wenn die, so das Empirische
mit dem Rationalen dem Geschmacke des Publicums gemäß nach allerlei ihnen
selbst unbekannten Verhältnissen gemischt zu verkaufen gewohnt sind, die sich
Selbstdenker, andere aber, die den bloß rationalen Theil zubereiten, Grübler
nennen, gewarnt würden, nicht zwei Geschäfte zugleich zu treiben, die in der
Art, sie zu behandeln, gar sehr verschieden sind, zu deren jedem vielleicht ein
besonderes Talent erfordert wird, und deren Verbindung in einer Person nur
Stümper hervorbringt: so frage ich hier doch nur, ob nicht die Natur der
Wissenschaft es erfordere, den empirischen von dem rationalen Theil jederzeit
sorgfältig abzusondern und vor der eigentlichen (empirischen) Physik eine
Metaphysik der Natur, vor der praktischen Anthropologie aber eine Metaphysik
der Sitten voranzuschicken, die von allem Empirischen sorgfältig gesäubert sein
müßten, um zu wissen, wie viel reine Vernunft in beiden Fällen leisten könne,
und aus welchen Quellen sie selbst diese ihre Belehrung a priori schöpfe, es
mag übrigens das letztere Geschäfte von allen Sittenlehrern (deren Namen Legion
heißt) oder nur von einigen, die Beruf dazu fühlen, getrieben werden.
Da meine Absicht hier eigentlich auf die sittliche Weltweisheit gerichtet ist,
so schränke ich die vorgelegte Frage nur darauf ein: ob man nicht meine, daß es
von der äußersten Notwendigkeit sei, einmal eine reine Moralphilosophie zu
bearbeiten, die von allem, was nur empirisch sein mag und zur Anthropologie
gehört, völlig gesäubert wäre; denn daß es eine solche geben müsse, leuchtet
von selbst aus der gemeinen Idee der Pflicht und der sittlichen Gesetze ein.
Jedermann muß eingestehen, daß ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i. als Grund
einer Verbindlichkeit, gelten soll, absolute Nothwendigkeit bei sich führen
müsse; daß das Gebot: du sollst nicht lügen, nicht etwa bloß für Menschen
gelte, andere vernünftige Wesen sich aber daran nicht zu kehren hätten, und so
alle übrige eigentliche Sittengesetze; daß mithin der Grund der Verbindlichkeit
hier nicht in der Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er
gesetzt ist, gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der
reinen Vernunft, und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Principien der
bloßen Erfahrung gründet, und sogar eine in gewissem Betracht allgemeine
Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Theile, vielleicht nur einem
Bewegungsgrunde nach auf empirische Gründe stützt, zwar eine praktische Regel,
niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann.
Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze sammt ihren Principien unter
allem praktischen Erkenntnisse von allem übrigen, darin irgend etwas
Empirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern alle Moralphilosophie beruht
gänzlich auf ihrem reinen Theil, und auf den Menschen angewandt, entlehnt sie
nicht das mindeste von der Kenntniß desselben (Anthropologie), sondern giebt
ihm, als vernünftigem Wesen, Gesetze a priori, die freilich noch durch
Erfahrung geschärfte Urtheilskraft erfordern, um theils zu unterscheiden, in
welchen Fällen sie ihre Anwendung haben, theils ihnen Eingang in den Willen des
Menschen und Nachdruck zur Ausübung zu verschaffen, da dieser, als selbst mit
so viel Neigungen afficirt, der Idee einer praktischen reinen Vernunft zwar
fähig, aber nicht so leicht vermögend ist, sie in seinem Lebenswandel in
concreto wirksam zu machen. Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich
nothwendig, nicht bloß aus einem Bewegungsgrunde der Speculation, um die Quelle
der a priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Grundsätze zu
erforschen, sondern weil die Sitten selber allerlei Verderbniß unterworfen
bleiben, so lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung
fehlt. Denn bei dem, was moralisch gut sein soll, ist es nicht genug, daß es
dem sittlichen Gesetze gemäß sei, sondern es muß auch um desselben willen
geschehen; widrigenfalls ist jene Gemäßheit nur sehr zufällig und mißlich, weil
der unsittliche Grund zwar dann und wann gesetzmäßige, mehrmals aber
gesetzwidrige Handlungen hervorbringen wird. Nun ist aber das sittliche Gesetz
in seiner Reinigkeit und Ächtheit (woran eben im Praktischen am meisten gelegen
ist) nirgend anders, als in einer reinen Philosophie zu suchen, also muß diese
(Metaphysik) vorangehen, und ohne sie kann es überall keine Moralphilosophie
geben; selbst verdient diejenige, welche jene reine Principien unter die
empirischen mischt, den Namen einer Philosophie nicht (denn dadurch
unterscheidet diese sich eben von der gemeinen Vernunfterkenntniß, daß sie, was
diese nur vermengt begreift, in abgesonderter Wissenschaft vorträgt), viel
weniger einer Moralphilosophie, weil sie eben durch diese Vermengung sogar der
Reinigkeit der Sitten selbst Abbruch thut und ihrem eigenen Zwecke zuwider
verfährt. Man denke doch ja nicht, daß man das, was hier gefordert wird, schon
an der Propädeutik des berühmten Wolff vor seiner Moralphilosophie, nämlich der
von ihm so genannten allgemeinen praktischen Weltweisheit, habe, und hier also
nicht eben ein ganz neues Feld einzuschlagen sei. Eben darum, weil sie eine
allgemeine praktische Weltweisheit sein sollte, hat sie keinen Willen von
irgend einer besondern Art, etwa einen solchen, der ohne alle empirische
Bewegungsgründe, völlig aus Principien a priori bestimmt werde, und den man
einen reinen Willen nennen könnte, sondern das Wollen überhaupt in Betrachtung
gezogen mit allen Handlungen und Bedingungen, die ihm in dieser allgemeinen
Bedeutung zukommen, und dadurch unterscheidet sie sich von einer Metaphysik der
Sitten, eben so wie die allgemeine Logik von der Transscendentalphilosophie,
von denen die erstere die Handlungen und Regeln des Denkens überhaupt, diese
aber bloß die besondern Handlungen und Regeln des reinen Denkens, d.i.
desjenigen, wodurch Gegenstände völlig a priori erkannt werden, vorträgt. Denn
die Metaphysik der Sitten soll die Idee und die Principien eines möglichen
reinen Willens untersuchen und nicht die Handlungen und Bedingungen des
menschlichen Wollens überhaupt, welche größtentheils aus der Psychologie
geschöpft werden. Daß in der allgemeinen praktischen
Weltweisheit (wiewohl wider alle Befugniß) auch von moralischen Gesetzen und
Pflicht geredet wird, macht keinen Einwurf wider meine Behauptung aus.
Denn die Verfasser jener Wissenschaft bleiben ihrer Idee von derselben auch
hierin treu; sie unterscheiden nicht die Bewegungsgründe, die als solche völlig
a priori bloß durch Vernunft vorgestellt werden und eigentlich moralisch sind,
von den empirischen, die der Verstand bloß durch Vergleichung der Erfahrungen
zu allgemeinen Begriffen erhebt, sondern betrachten sie, ohne auf den
Unterschied ihrer Quellen zu achten, nur nach der größeren oder kleineren Summe
derselben (indem sie alle als gleichartig angesehen werden) und machen sich
dadurch ihren Begriff von Verbindlichkeit, der freilich nichts weniger als
moralisch, aber doch so beschaffen ist, als es in einer Philosophie, die über
den Ursprung aller möglichen praktischen Begriffe, ob sie auch a priori oder
bloß a posteriori stattfinden, gar nicht urtheilt, nur verlangt werden kann. Im
Vorsatze nun, eine Metaphysik der Sitten dereinst zu liefern, lasse ich diese
Grundlegung vorangehen. Zwar giebt es eigentlich keine andere Grundlage
derselben, als die Kritik einer reinen praktischen
Vernunft, so wie zur Metaphysik die schon gelieferte Kritik der reinen
speculativen Vernunft. Allein theils ist jene nicht von so äußerster
Nothwendigkeit als diese, weil die menschliche Vernunft im Moralischen selbst
beim gemeinsten Verstande leicht zu großer Richtigkeit und Ausführlichkeit
gebracht werden kann, da sie hingegen im theoretischen, aber reinen Gebrauch
ganz und gar dialektisch ist: theils erfordere ich zur Kritik einer reinen
praktischen Vernunft, daß, wenn sie vollendet sein soll, ihre Einheit mit der
speculativen in einem gemeinschaftlichen Princip zugleich müsse dargestellt
werden können, weil es doch am Ende nur eine und dieselbe Vernunft sein kann,
die bloß in der Anwendung unterschieden sein muß. Zu einer
solchen Vollständigkeit konnte ich es aber hier noch nicht bringen, ohne
Betrachtungen von ganz anderer Art herbeizuziehen und den Leser zu verwirren.
Um deswillen habe ich
Ich habe meine Methode in dieser Schrift so genommen, wie ich glaube, daß sie
die schicklichste sei, wenn man vom gemeinen Erkenntnisse zur Bestimmung des
obersten Princips desselben analytisch und wiederum zurück von der Prüfung
dieses Princips und den Quellen desselben zur gemeinen Erkenntniß, darin sein
Gebrauch angetroffen wird, synthetisch den Weg nehmen will. Die Eintheilung ist daher so ausgefallen:
1. Erster Abschnitt: Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß
zur philosophischen.
2. Zweiter Abschnitt: Übergang von der populären Moralphilosophie zur
Metaphysik der Sitten.
3. Dritter Abschnitt: Letzter Schritt von der Metaphysik der Sitten zur Kritik
der reinen praktischen Vernunft.
Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen
Vernunfterkenntniß zur philosophischen.
Es ist
überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken
möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein
guter Wille. Verstand, Witz, Urtheilskraft und wie die Talente des Geistes
sonst heißen mögen, oder Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatze als
Eigenschaften des Temperaments sind ohne Zweifel in mancher Absicht gut und
wünschenswerth; aber sie können auch äußerst böse und schädlich werden, wenn
der Wille, der von diesen Naturgaben Gebrauch machen soll und dessen
eigenthümliche Beschaffenheit darum Charakter heißt, nicht gut ist. Mit den
Glücksgaben ist es eben so bewandt. Macht, Reichthum,
Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem
Zustande unter dem Namen der Glückseligkeit machen Muth und hiedurch öfters
auch Übermuth, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einfluß derselben aufs
Gemüth und hiemit auch das ganze Princip zu handeln berichtige und
allgemein=zweckmäßig mache; ohne zu erwähnen, daß ein vernünftiger
unparteiischer Zuschauer sogar am Anblicke eines ununterbrochenen Wohlergehens
eines Wesens, das kein Zug eines reinen und guten Willens ziert, nimmermehr ein
Wohlgefallen haben kann, und so der gute Wille die unerlaßliche Bedingung
selbst der Würdigkeit glücklich zu sein auszumachen scheint. Einige
Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst
beförderlich und können sein Werk sehr erleichtern, haben aber dem ungeachtet
keinen innern unbedingten Werth, sondern setzen immer noch einen guten Willen
voraus, der die Hochschätzung, die man übrigens mit Recht für sie trägt,
einschränkt und es nicht erlaubt, sie für schlechthin gut zu halten. Mäßigung
in Affecten und Leidenschaften, Selbstbeherrschung und nüchterne Überlegung sind nicht allein in vielerlei Absicht gut, sondern scheinen
sogar einen Theil vom innern Werthe der Person auszumachen; allein es fehlt
viel daran, um sie ohne Einschränkung für gut zu erklären (so unbedingt sie
auch von den Alten gepriesen worden). Denn ohne Grundsätze eines guten Willens
können sie höchst böse werden, und das kalte Blut eines Bösewichts macht ihn
nicht allein weit gefährlicher, sondern auch unmittelbar in unsern Augen noch
verabscheuungswürdiger, als er ohne dieses dafür würde gehalten werden. Der
gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch
seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern
allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet,
ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten
irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu
Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des
Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es
diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn
bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und
nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die
Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so
würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen
vollen Werth in sich selbst hat. Die Nützlichkeit oder
Fruchtlosigkeit kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen. Sie
würde gleichsam nur die Einfassung sein, um ihn im gemeinen Verkehr besser
handhaben zu können, oder die Aufmerksamkeit derer, die noch nicht gnug Kenner
sind, auf sich zu ziehen, nicht aber um ihn Kennern zu empfehlen und seinen
Werth zu bestimmen. Es liegt gleichwohl in dieser Idee von dem absoluten Werthe
des bloßen Willens, ohne einigen Nutzen bei Schätzung desselben in Anschlag zu
bringen, etwas so Befremdliches, daß unerachtet aller Einstimmung selbst der
gemeinen Vernunft mit derselben dennoch ein Verdacht entspringen muß, daß
vielleicht bloß hochfliegende Phantasterei ingeheim zum Grunde liege, und die
Natur in ihrer Absicht, warum sie unserm Willen Vernunft zur Regiererin
beigelegt habe, falsch verstanden sein möge. Daher wollen wir diese Idee aus
diesem Gesichtspunkte auf die Prüfung stellen. In den Naturanlagen eines
organisirten, d. i. zweckmäßig zum Leben eingerichteten, Wesens nehmen wir es
als Grundsatz an, daß kein Werkzeug zu irgend einem Zwecke in demselben
angetroffen werde, als was auch zu demselben das schicklichste und ihm am
meisten angemessen ist. Wäre nun an einem Wesen, das Vernunft und einen Willen
hat, seine Erhaltung, sein Wohlergehen, mit einem Worte seine Glückseligkeit,
der eigentliche Zweck der Natur, so hätte sie ihre Veranstaltung dazu sehr
schlecht getroffen, sich die Vernunft des Geschöpfs zur Ausrichterin dieser
ihrer Absicht zu ersehen. Denn alle Handlungen, die es in dieser Absicht
auszuüben hat, und die ganze Regel seines Verhaltens würden ihm weit genauer
durch Instinct vorgezeichnet und jener Zweck weit sicherer dadurch haben
erhalten werden können, als es jemals durch Vernunft geschehen kann, und sollte
diese ja obenein dem begünstigten Geschöpf ertheilt worden sein, so würde sie
ihm nur dazu haben dienen müssen, um über die glückliche Anlage seiner Natur
Betrachtungen anzustellen, sie zu bewundern, sich ihrer zu erfreuen und der
wohlthätigen Ursache dafür dankbar zu sein; nicht aber, um sein
Begehrungsvermögen jener schwachen und trüglichen Leitung zu unterwerfen und in
der Naturabsicht zu pfuschen; mit einem Worte, sie würde verhütet haben, daß
Vernunft nicht in praktischen Gebrauch ausschlüge und die Vermessenheit hätte,
mit ihren schwachen Einsichten ihr selbst den Entwurf der Glückseligkeit und
der Mittel dazu zu gelangen auszudenken; die Natur würde nicht allein die Wahl
der Zwecke, sondern auch der Mittel selbst übernommen und beide mit weiser
Vorsorge lediglich dem Instincte anvertraut haben. In der That finden wir auch,
daß, je mehr eine cultivirte Vernunft sich mit der Absicht auf den Genuß des
Lebens und der Glückseligkeit abgiebt, desto weiter der Mensch von der wahren
Zufriedenheit abkomme, woraus bei vielen und zwar den Versuchtesten im
Gebrauche derselben, wenn sie nur aufrichtig genug sind, es zu gestehen, ein
gewisser Grad von Misologie, d. i. Haß der Vernunft, entspringt, weil sie nach
dem Überschlage alles Vortheils, den sie, ich will nicht sagen von der
Erfindung aller Künste des gemeinen Luxus, sondern sogar von den Wissenschaften
(die ihnen am Ende auch ein Luxus des Verstandes zu sein scheinen) ziehen,
dennoch finden, daß sie sich in der That nur mehr Mühseligkeit auf den Hals
gezogen, als an Glückseligkeit gewonnen haben und darüber endlich den gemeinern
Schlag der Menschen, welcher der Leitung des bloßen Naturinstincts näher ist,
und der seiner Vernunft nicht viel Einfluß auf sein Thun und Lassen verstattet,
eher beneiden als geringschätzen. Und so weit muß man gestehen, daß das Urtheil
derer, die die ruhmredige Hochpreisungen der Vortheile, die uns die Vernunft in
Ansehung der Glückseligkeit und Zufriedenheit des Lebens verschaffen sollte,
sehr mäßigen und sogar unter Null herabsetzen, keinesweges grämisch, oder gegen
die Güte der Weltregierung undankbar sei, sondern daß diesen Urtheilen ingeheim
die Idee von einer andern und viel würdigern Absicht ihrer Existenz zum Grunde
liege, zu welcher und nicht der Glückseligkeit die Vernunft ganz eigentlich
bestimmt sei, und welcher darum als oberster Bedingung die Privatabsicht des
Menschen größtentheils nachstehen muß. Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich
genug ist, um den Willen in Ansehung der Gegenstände desselben und der
Befriedigung aller unserer Bedürfnisse (die sie zum Theil selbst
vervielfältigt) sicher zu leiten, als zu welchem Zwecke ein eingepflanzter
Naturinstinct viel gewisser geführt haben würde, gleichwohl aber uns Vernunft
als praktisches Vermögen, d. i. als ein solches, das Einfluß auf den Willen
haben soll, dennoch zugetheilt ist: so muß die wahre Bestimmung derselben sein,
einen nicht etwa in anderer Absicht als Mittel, sondern an sich selbst guten
Willen hervorzubringen, wozu schlechterdings Vernunft nöthig war, wo anders die
Natur überall in Austheilung ihrer Anlagen zweckmäßig zu Werke gegangen ist.
Dieser Wille darf also zwar nicht das einzige und das ganze, aber er muß doch
das höchste Gut und zu allem Übrigen, selbst allem Verlangen nach
Glückseligkeit die Bedingung sein, in welchem Falle es sich mit der Weisheit
der Natur gar wohl vereinigen läßt, wenn man wahrnimmt, daß die Cultur der
Vernunft, die zur erstern und unbedingten Absicht erforderlich ist, die
Erreichung der zweiten, die jederzeit bedingt ist, nämlich der Glückseligkeit,
wenigstens in diesem Leben auf mancherlei Weise einschränke, ja sie selbst
unter Nichts herabbringen könne, ohne daß die Natur darin unzweckmäßig
verfahre, weil die Vernunft, die ihre höchste praktische Bestimmung in der
Gründung eines guten Willens erkennt, bei Erreichung dieser Absicht nur einer
Zufriedenheit nach ihrer eigenen Art, nämlich aus der Erfüllung eines Zwecks,
den wiederum nur Vernunft bestimmt, fähig ist, sollte dieses auch mit manchem
Abbruch, der den Zwecken der Neigung geschieht, verbunden sein. Um aber den
Begriff eines an sich selbst hochzuschätzenden und ohne weitere Absicht guten
Willens, so wie er schon dem natürlichen gesunden Verstande beiwohnt und nicht
sowohl gelehrt als vielmehr nur aufgeklärt zu werden Bedarf, diesen Begriff,
der in der Schätzung des ganzen Werths unserer Handlungen immer obenan steht
und die Bedingung alles übrigen ausmacht, zu entwickeln: wollen wir den Begriff
der Pflicht vor uns nehmen, der den eines guten Willens, obzwar unter gewissen
subjectiven Einschränkungen und Hindernissen, enthält, die aber doch, weit
gefehlt daß sie ihn verstecken und unkenntlich machen sollten, ihn vielmehr
durch Abstechung heben und desto heller hervorscheinen lassen. Ich übergehe
hier alle Handlungen, die schon als pflichtwidrig erkannt werden, ob sie gleich
in dieser oder jener Absicht nützlich sein mögen; denn bei denen ist gar nicht
einmal die Frage, ob sie aus Pflicht geschehen sein mögen, da sie dieser sogar
widerstreiten. Ich setze auch die Handlungen bei Seite,
die wirklich pflichtmäßig sind, zu denen aber Menschen unmittelbar keine
Neigung haben, sie aber dennoch ausüben, weil sie durch eine andere Neigung
dazu getrieben werden. Denn da läßt sich leicht unterscheiden, ob die
pflichtmäßige Handlung aus Pflicht oder aus
selbstsüchtiger Absicht geschehen sei. Weit schwerer ist
dieser Unterschied zu bemerken, wo die Handlung pflichtmäßig ist und das
Subject noch überdem unmittelbare Neigung zu ihr hat. Z. B. es ist allerdings
pflichtmäßig, daß der Krämer seinen unerfahrnen Käufer nicht übertheure, und,
wo viel Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hält
einen festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind eben so
gut bei ihm kauft, als jeder andere. Man wird also ehrlich bedient; allein das
ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht
und Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vortheil erforderte es; daß
er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung zu den Käufern haben sollte, um
gleichsam aus Liebe keinem vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben, läßt
sich hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder
aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern bloß in eigennütziger
Absicht Geschehen. Dagegen sein Leben zu erhalten, ist
Pflicht, und überdem hat jedermann dazu noch eine unmittelbare Neigung. Aber um
deswillen hat die oft ängstliche Sorgfalt, die der größte Theil der Menschen
dafür trägt, doch keinen innern Werth und die Maxime derselben keinen
moralischen Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar pflichtmäßig, aber nicht aus
Pflicht. Dagegen wenn Widerwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack
am Leben gänzlich weggenommen haben; wenn der Unglückliche, stark an Seele,
über sein Schicksal mehr entrüstet als kleinmüthig oder
niedergeschlagen, den Tod wünscht und sein Leben doch erhält, ohne es zu
lieben, nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: alsdann hat
seine Maxime einen moralischen Gehalt. Wohlthätig sein, wo man kann, ist
Pflicht, und überdem giebt es manche so theilnehmend gestimmte Seelen, daß sie
auch ohne einen andern Bewegungsgrund der Eitelkeit oder des Eigennutzes ein
inneres Vergnügen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an
der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergötzen können. Aber ich
behaupte, daß in solchem Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so
liebenswürdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen Werth habe,
sondern mit andern Neigungen zu gleichen Paaren gehe, z. E. der Neigung nach
Ehre, die, wenn sie glücklicherweise auf das trifft, was in der That
gemeinnützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwerth ist, Lob und Aufmunterung,
aber nicht Hochschätzung verdient; denn der Maxime fehlt der sittliche Gehalt,
nämlich solche Handlungen nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht zu thun.
Gesetzt also, das Gemüth jenes Menschenfreundes wäre vom eigenen Gram umwölkt,
der alle Theilnehmung an anderer Schicksal auslöscht, er hätte immer noch
Vermögen, andern nothleidenden wohlzuthun, aber fremde Noth rührte ihn nicht,
weil er mit seiner eigenen gnug beschäftigt ist, und nun, da keine Neigung ihn
mehr dazu anreizt, risse er sich doch aus dieser tödtlichen Unempfindlichkeit
heraus und thäte die Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdann
hat sie allererst ihren ächten moralischen Werth. Noch mehr: wenn die Natur
diesem oder jenem überhaupt wenig Sympathie ins Herz gelegt hätte, wenn er
(übrigens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und gleichgültig gegen die Leiden
anderer wäre, vielleicht weil er, selbst gegen seine eigene mit der besondern
Gabe der Geduld und aushaltenden Stärke versehen, dergleichen bei jedem andern
auch voraussetzt, oder gar fordert; wenn die Natur einen solchen Mann (welcher
wahrlich nicht ihr schlechtestes Product sein würde) nicht eigentlich zum
Menschenfreunde gebildet hätte, würde er denn nicht noch in sich einen Quell
finden, sich selbst einen weit höhern Werth zu geben, als der eines gutartigen
Temperaments sein mag? Allerdings! gerade da hebt der
Werth des Charakters an, der moralisch und ohne alle Vergleichung der höchste
ist, nämlich daß er wohlthue, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht. Seine
eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens
indirect), denn der Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem
Gedränge von vielen Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen könnte
leicht eine große Versuchung zu Übertretung der Pflichten werden. Aber auch
ohne hier auf Pflicht zu sehen, haben alle Menschen schon von selbst die
mächtigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit, weil sich gerade in dieser
Idee alle Neigungen zu einer Summe vereinigen. Nur ist die Vorschrift der
Glückseligkeit mehrentheils so beschaffen, daß sie einigen Neigungen großen
Abbruch thut und doch der Mensch sich von der Summe der Befriedigung aller
unter dem Namen der Glückseligkeit keinen bestimmten und sichern Begriff machen
kann; daher nicht zu verwundern ist, wie eine einzige in Ansehung dessen, was
sie verheißt, und der Zeit, worin ihre Befriedigung erhalten werden kann,
bestimmte Neigung eine schwankende Idee überwiegen könne, und der Mensch, z. B.
ein Podagrist, wählen könne, zu genießen, was ihm schmeckt, und zu leiden, was
er kann, weil er nach seinem Überschlage hier wenigstens sich nicht durch
vielleicht grundlose Erwartungen eines Glücks, das in der Gesundheit stecken
soll, um den Genuß des gegenwärtigen Augenblicks gebracht hat. Aber auch in
diesem Falle, wenn die allgemeine Neigung zur Glückseligkeit seinen Willen
nicht bestimmte, wenn Gesundheit für ihn wenigstens nicht so nothwendig in
diesen Überschlag gehörte, so bleibt noch hier wie in allen andern Fällen ein
Gesetz übrig, nämlich seine Glückseligkeit zu befördern, nicht aus Neigung,
sondern aus Pflicht, und da hat sein Verhalten allererst den eigentlichen
moralischen Werth. So sind ohne Zweifel auch die
Schriftstellen zu verstehen, darin geboten wird, seinen Nächsten, selbst unsern
Feind zu lieben. Denn Liebe als Neigung kann nicht geboten werden, aber
Wohlthun aus Pflicht selbst, wenn dazu gleich gar keine Neigung treibt, ja gar
natürliche und unbezwingliche Abneigung widersteht, ist praktische und nicht
pathologische Liebe, die im Willen liegt und nicht im Hange der Empfindung, in
Grundsätzen der Handlung und nicht schmelzender Theilnehmung; jene aber allein
kann geboten werden. Der zweite Satz ist: eine Handlung aus Pflicht hat ihren
moralischen Werth nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soll,
sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird, hängt also nicht von der
Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern blos von dem Princip des
Wollens, nach welchem die Handlung unangesehen aller Gegenstände des
Begehrungsvermögens geschehen ist. Daß die Absichten, die wir bei Handlungen
haben mögen, und ihre Wirkungen, als Zwecke und Triebfedern des Willens, den
Handlungen keinen unbedingten und moralischen Werth ertheilen können, ist aus
dem vorigen klar. Worin kann also dieser Werth liegen, wenn
er nicht im Willen in Beziehung auf deren verhoffte Wirkung bestehen soll?
Er kann nirgend anders liegen, als im Princip des Willens unangesehen der
Zwecke, die durch solche Handlung bewirkt werden können; denn der Wille ist
mitten inne zwischen seinem Princip a priori, welches formell ist, und zwischen
seiner Triebfeder a posteriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem
Scheidewege, und da er doch irgend wodurch muß bestimmt werden, so wird er
durch das formelle Princip des Wollens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn
eine Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip entzogen
worden. Den dritten Satz als Folgerung aus beiden
vorigen würde ich so ausdrücken: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung
aus Achtung fürs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung
kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben darum, weil sie bloß
eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines Willens ist. Eben so kann ich für
Neigung überhaupt, sie mag nun meine oder eines andern seine sein, nicht
Achtung haben, ich kann sie höchstens im ersten Falle billigen, im zweiten
bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem eigenen Vortheile günstig
ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem
Willen verknüpft ist, was nicht meiner Neigung dient, sondern sie überwiegt, wenigstens
diese von deren Überschlage bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße
Gesetz für sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun
soll eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit ihr jeden
Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den Willen übrig,
was ihn bestimmen könne, als objectiv das Gesetz und subjectiv reine Achtung
für dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime*), einem solchen Gesetze selbst
mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu leisten. Es liegt also der
moralische Werth der Handlung nicht in der Wirkung, die daraus erwartet wird,
also auch nicht in irgend einem Princip der Handlung, welches
seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn
alle diese Wirkungen (Annehmlichkeit seines Zustandes, ja gar Beförderung
fremder Glückseligkeit) konnten auch durch andere Ursachen zu Stande gebracht
werden, und es brauchte also dazu nicht des Willens eines vernünftigen Wesens , worin gleichwohl das höchste und unbedingte Gute
allein angetroffen werden kann. Es kann daher nichts anders als die Vorstellung
des Gesetzes an sich selbst, die freilich nur im vernünftigen Wesen
stattfindet, so fern sie, nicht aber die verhoffte Wirkung der Bestimmungsgrund
des Willens ist, das so vorzügliche Gute, welches wir sittlich nennen,
ausmachen, welches in der Person selbst schon gegenwärtig ist, die darnach
handelt, nicht aber allererst aus der Wirkung erwartet werden darf*). Was kann
das aber wohl für ein Gesetz sein, dessen Vorstellung, auch ohne auf die daraus
erwartete Wirkung Rücksicht zu nehmen, den Willen bestimmen muß, damit dieser
schlechterdings und ohne Einschränkung gut heißen könne? Da ich den Willen
aller Antriebe beraubt habe, die ihm aus der Befolgung irgend eines Gesetzes
entspringen könnten, so bleibt nichts als die allgemeine Gesetzmäßigkeit der
Handlungen überhaupt übrig, welche allein dem Willen zum Princip dienen soll,
d. i. ich soll niemals anders verfahren als so, daß ich auch wollen könne,
meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden. Hier ist nun die bloße
Gesetzmäßigkeit überhaupt (ohne irgend ein auf gewisse Handlungen bestimmtes
Gesetz zum Grunde zu legen) das, was dem Willen zum Princip dient und ihm auch
dazu dienen muß, wenn Pflicht nicht überall ein leerer Wahn und chimärischer
Begriff sein soll; hiemit stimmt die gemeine Menschenvernunft in ihrer
praktischen Beurtheilung auch vollkommen überein und hat das gedachte Princip
jederzeit vor Augen. Die Frage sei z. B.: darf ich, wenn ich im Gedränge bin,
nicht ein Versprechen thun, in der Absicht, es nicht zu halten? Ich mache hier
leicht den Unterschied, den die Bedeutung der Frage haben kann, ob es klüglich,
oder ob es pflichtmäßig sei, ein falsches Versprechen zu thun. Das erstere kann ohne Zweifel öfters stattfinden. Zwar sehe
ich wohl, daß es nicht gnug sei, mich vermittelst dieser Ausflucht aus einer
gegenwärtigen Verlegenheit zu ziehen, sondern wohl überlegt werden müsse, ob
mir aus dieser Lüge nicht hinterher viel größere Ungelegenheit entspringen
könne, als die sind, von denen ich mich jetzt befreie, und, da die Folgen bei
aller meiner vermeinten Schlauigkeit nicht so leicht vorauszusehen sind, daß
nicht ein einmal verlornes Zutrauen mir weit nachtheiliger werden könnte als
alles Übel, das ich jetzt zu vermeiden gedenke, ob es nicht klüglicher
gehandelt sei, hiebei nach einer allgemeinen Maxime zu verfahren und es sich
zur Gewohnheit zu machen, nichts zu versprechen als in der Absicht, es zu
halten. Allein es leuchtet mir hier bald ein, daß eine solche Maxime doch immer
nur die besorglichen Folgen zum Grunde habe. Nun ist es doch etwas ganz
anderes, aus Pflicht wahrhaft zu sein, als aus Besorgniß der nachtheiligen
Folgen: indem im ersten Falle der Begriff der Handlung an sich selbst schon ein
Gesetz für mich enthält, im zweiten ich mich allererst anderwärtsher umsehen
muß, welche Wirkungen für mich wohl damit verbunden sein möchten. Denn wenn ich
von dem Princip der Pflicht abweiche, so ist es ganz gewiß böse; werde ich aber
meiner Maxime der Klugheit abtrünnig, so kann das mir doch manchmal sehr
vortheilhaft sein, wiewohl es freilich sicherer ist, bei ihr zu bleiben. Um
indessen mich in Ansehung der Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein lügenhaftes
Versprechen pflichtmäßig sei, auf die allerkürzeste und doch untrügliche Art zu
belehren, so frage ich mich selbst: würde ich wohl damit zufrieden sein, daß
meine Maxime (mich durch ein unwahres Versprechen aus Verlegenheit zu ziehen)
als ein allgemeines Gesetz (sowohl für mich als andere) gelten solle, und würde
ich wohl zu mir sagen können: es mag jedermann ein unwahres Versprechen thun,
wenn er sich in Verlegenheit befindet, daraus er sich auf andere Art nicht
ziehen kann? So werde ich bald inne, daß ich zwar die Lüge, aber ein
allgemeines Gesetz zu lügen gar nicht wollen könne; denn nach einem solchen
würde es eigentlich gar kein Versprechen geben, weil es vergeblich wäre, meinen
Willen in Ansehung meiner künftigen Handlungen andern vorzugeben, die diesem
Vorgeben doch nicht Glauben, oder, wenn sie es übereilter Weise thäten, mich
doch mit gleicher Münze bezahlen würden, mithin meine Maxime, so bald sie zum
allgemeinen Gesetze gemacht würde, sich selbst zerstören müsse. Was ich also zu
thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit
ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung
des Weltlaufs, unfähig auf alle sich eräugnende Vorfälle desselben gefaßt zu
sein, frage ich mich nur: kannst du auch wollen, daß
deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? Wo nicht, so ist sie verwerflich und
das zwar nicht um eines dir oder auch anderen daraus bevorstehenden Nachtheils
willen, sondern weil sie nicht als Princip in eine mögliche allgemeine
Gesetzgebung passen kann; für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare
Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe
(welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe:
daß es eine Schätzung des Werthes sei, welcher allen Werth dessen, was durch
Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und daß die Nothwendigkeit meiner
Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die
Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die
Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Werth über alles geht. So sind wir denn in der moralischen Erkenntniß der gemeinen
Menschenvernunft bis zu ihrem Princip gelangt, welches sie sich zwar freilich
nicht so in einer allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit
wirklich vor Augen hat und zum Richtmaße ihrer Beurtheilung braucht. Es wäre
hier leicht zu zeigen, wie sie mit diesem Compasse in der Hand in allen
vorkommenden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, was gut, was
böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig sei, wenn man, ohne sie im mindesten
etwas Neues zu lehren, sie nur, wie Sokrates that, auf ihr eigenes Princip
aufmerksam macht, und daß es also keiner Wissenschaft und Philosophie bedürfe,
um zu wissen, was man zu thun habe, um ehrlich und gut, ja sogar um weise und
tugendhaft zu sein. Das ließe sich auch wohl schon zum voraus
vermuthen, daß die Kenntniß dessen, was zu thun, mithin auch zu wissen jedem
Menschen obliegt, auch jedes, selbst des gemeinsten Menschen Sache sein werde.
Hier kann man es doch nicht ohne Bewunderung Ansehen, wie das
praktische Beurtheilungsvermögen vor dem theoretischen im gemeinen
Menschenverstande so gar viel voraus habe. In dem letzteren, wenn die
gemeine Vernunft es wagt, von den Erfahrungsgesetzen und den Wahrnehmungen der
Sinne abzugehen, geräth sie in lauter Unbegreiflichkeiten und Widersprüche mit
sich selbst, wenigstens in ein Chaos von Ungewißheit, Dunkelheit und Unbestand.
Im praktischen aber fängt die Beurtheilungskraft dann eben allererst an, sich
recht vortheilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Verstand alle sinnliche
Triebfedern von praktischen Gesetzen ausschließt. Er wird alsdann sogar subtil,
es mag sein, daß er mit seinem Gewissen oder anderen Ansprüchen in Beziehung
auf das, was Recht heißen soll, chicaniren, oder auch den Werth der Handlungen
zu seiner eigenen Belehrung aufrichtig bestimmen will, und was das meiste ist,
er kann im letzteren Falle sich eben so gut Hoffnung machen, es recht zu
treffen, als es sich immer ein Philosoph versprechen mag, ja ist beinahe noch
sicherer hierin, als selbst der letztere, weil dieser doch kein anderes Princip
als jener haben, sein Urtheil aber durch eine Menge fremder, nicht zur Sache
gehöriger Erwägungen leicht verwirren und von der geraden Richtung abweichend
machen kann. Wäre es demnach nicht rathsamer, es in moralischen Dingen bei dem
gemeinen Vernunfturtheil bewenden zu lassen und höchstens nur Philosophie
anzubringen, um das System der Sitten desto vollständiger und faßlicher,
imgleichen die Regeln derselben zum Gebrauche (noch mehr aber zum Disputiren)
bequemer darzustellen, nicht aber um selbst in praktischer Absicht den gemeinen
Menschenverstand von seiner glücklichen Einfalt abzubringen und ihn durch
Philosophie auf einen neuen Weg der Untersuchung und Belehrung zu bringen? Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur ist es auch
wiederum sehr schlimm, daß sie sich nicht wohl bewahren läßt und leicht
verführt wird. Deswegen bedarf selbst die Weisheit - die sonst wohl mehr im
Thun und Lassen, als im Wissen besteht - doch auch der Wissenschaft, nicht um
von ihr zu lernen, sondern ihrer Vorschrift Eingang und Dauerhaftigkeit zu
verschaffen. Der Mensch fühlt in sich selbst ein mächtiges Gegengewicht gegen
alle Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswürdig vorstellt, an seinen Bedürfnissen und Neigungen, deren ganze
Befriedigung er unter dem Namen der Glückseligkeit zusammenfaßt. Nun gebietet
die Vernunft, ohne doch dabei den Neigungen etwas zu verheißen, unnachlaßlich,
mithin gleichsam mit Zurücksetzung und Nichtachtung jener so ungestümen und
dabei so billig scheinenden Ansprüche (die sich durch kein Gebot wollen
aufheben lassen) ihre Vorschriften. Hieraus entspringt aber eine natürliche
Dialektik, d. i. ein Hang, wider jene strenge Gesetze der Pflicht zu
vernünfteln und ihre Gültigkeit, wenigstens ihre Reinigkeit und Strenge in
Zweifel zu ziehen und sie wo möglich unsern Wünschen und Neigungen angemessener
zu machen, d. i. sie im Grunde zu verderben und um ihre ganze Würde zu bringen,
welches denn doch selbst die gemeine praktische Vernunft am Ende nicht gut
heißen kann. So wird also die gemeine Menschenvernunft nicht durch irgend ein
Bedürfniß der Speculation (welches ihr, so lange sie sich genügt, bloße gesunde
Vernunft zu sein, niemals anwandelt), sondern selbst aus praktischen Gründen
angetrieben, aus ihrem Kreise zu gehen und einen Schritt ins Feld einer
praktischen Philosophie zu thun, um daselbst wegen der Quelle ihres Princips
und richtigen Bestimmung desselben in Gegenhaltung mit den Maximen, die sich
auf Bedürfniß und Neigung fußen, Erkundigung und deutliche Anweisung zu
bekommen, damit sie aus der Verlegenheit wegen beiderseitiger Ansprüche
herauskomme und nicht Gefahr laufe, durch die Zweideutigkeit, in die sie leicht
geräth, um alle ächte sittliche Grundsätze gebracht zu werden. Also entspinnt
sich eben sowohl in der praktischen gemeinen Vernunft, wenn sie sich cultivirt,
unvermerkt eine Dialektik, welche sie nöthigt, in der Philosophie hülfe zu
suchen, als es ihr im theoretischen Gebrauche widerfährt, und die erstere wird
daher wohl eben so wenig als die andere irgendwo sonst, als in einer
vollständigen Kritik unserer Vernunft Ruhe finden.
Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen
Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten.
Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus dem gemeinen Gebrauche
unserer praktischen Vernunft gezogen haben, so ist
daraus keinesweges zu schließen, als hätten wir ihn als einen Erfahrungsbegriff
behandelt. Vielmehr, wenn wir auf die Erfahrung vom Thun und Lassen der
Menschen Acht haben, treffen wir häufige und, wie wir selbst einräumen,
gerechte Klagen an, daß man von der Gesinnung, aus reiner Pflicht zu handeln,
so gar keine sichere Beispiele anführen könne, daß, wenn gleich manches dem,
was Pflicht gebietet, gemäß geschehen mag, dennoch es immer noch zweifelhaft
sei, ob es eigentlich aus Pflicht geschehe und also einen moralischen Werth
habe. Daher es zu aller Zeit Philosophen gegeben hat, welche die Wirklichkeit
dieser Gesinnung in den menschlichen Handlungen schlechterdings abgeleugnet und
alles der mehr oder weniger verfeinerten Selbstliebe zugeschrieben haben, ohne
doch deswegen die Richtigkeit des Begriffs von Sittlichkeit in Zweifel zu
ziehen, vielmehr mit inniglichem Bedauren der Gebrechlichkeit und Unlauterkeit
der menschlichen Natur Erwähnung thaten, die zwar edel gnug sei, sich eine so
achtungswürdige Idee zu ihrer Vorschrift zu machen, aber zugleich zu schwach,
um sie zu befolgen, und die Vernunft, die ihr zur Gesetzgebung dienen sollte,
nur dazu braucht, um das Interesse der Neigungen, es sei einzeln oder, wenn es
hoch kommt, in ihrer größten Verträglichkeit unter einander, zu besorgen. In
der That ist es schlechterdings unmöglich, durch
Erfahrung einen einzigen Fall mit völliger Gewißheit auszumachen, da die Maxime
einer sonst pflichtmäßigen Handlung lediglich auf moralischen Gründen und auf
der Vorstellung seiner Pflicht beruht habe. Denn es ist zwar bisweilen der
Fall, daß wir bei der schärfsten Selbstprüfung gar nichts antreffen, was außer
dem moralischen Grunde der Pflicht mächtig genug hätte sein können, uns zu
dieser oder jener guten Handlung und so großer Aufopferung zu bewegen; es kann
aber daraus gar nicht mit Sicherheit geschlossen werden, daß wirklich gar kein
geheimer Antrieb der Selbstliebe unter der bloßen Vorspiegelung jener Idee die
eigentliche bestimmende Ursache des Willens gewesen sei, dafür wir denn gerne
uns mit einem uns fälschlich angemaßten edlern Bewegungsgrunde schmeicheln, in
der That aber selbst durch die angestrengteste Prüfung hinter die geheimen
Triebfedern niemals völlig kommen können, weil, wenn vom moralischen Werthe die
Rede ist, es nicht auf die Handlungen ankommt, die man sieht, sondern auf jene
innere Principien derselben, die man nicht sieht. Man kann auch denen, die alle
Sittlichkeit als bloßes Hirngespinst einer durch Eigendünkel sich selbst
übersteigenden menschlichen Einbildung verlachen, keinen gewünschteren Dienst
thun, als ihnen einzuräumen, daß die Begriffe der Pflicht (so wie man sich auch
aus Gemächlichkeit gerne überredet, daß es auch mit allen übrigen Begriffen
bewandt sei) lediglich aus der Erfahrung gezogen werden mußten; denn da
bereitet man jenen einen sichern Triumph. Ich will aus Menschenliebe einräumen,
daß noch die meisten unserer Handlungen pflichtmäßig seien; sieht man aber ihr
Tichten und Trachten näher an, so stößt man allenthalben auf das liebe Selbst,
was immer hervorsticht, worauf und nicht auf das strenge Gebot der Pflicht,
welches mehrmals Selbstverleugnung erfordern würde, sich ihre Absicht stützt.
Man braucht auch eben kein Feind der Tugend, sondern nur ein kaltblütiger
Beobachter zu sein, der den lebhaftesten Wunsch für das Gute nicht sofort für
dessen Wirklichkeit hält, um (vornehmlich mit zunehmenden Jahren und einer
durch Erfahrung theils gewitzigten, theils zum Beobachten geschärften
Urtheilskraft) in gewissen Augenblicken zweifelhaft zu werden, ob auch wirklich
in der Welt irgend wahre Tugend angetroffen werde. Und hier kann uns nun nichts
vor dem gänzlichen Abfall von unseren Ideen der Pflicht bewahren und gegründete
Achtung gegen ihr Gesetz in der Seele erhalten, als die klare Überzeugung, daß,
wenn es auch niemals Handlungen gegeben habe, die aus solchen reinen Quellen
entsprungen wären, dennoch hier auch davon gar nicht die Rede sei, ob dies oder
jenes geschehe, sondern die Vernunft für sich selbst und unabhängig von allen
Erscheinungen gebiete, was geschehen soll, mithin Handlungen, von denen die
Welt vielleicht bisher noch gar kein Beispiel gegeben hat, an deren
Thunlichkeit sogar der, so alles auf Erfahrung gründet, sehr zweifeln möchte,
dennoch durch Vernunft unnachlaßlich geboten seien, und daß z. B. reine
Redlichkeit in der Freundschaft um nichts weniger von jedem Menschen gefordert
werden könne, wenn es gleich bis jetzt gar keinen redlichen Freund gegeben
haben möchte, weil diese Pflicht als Pflicht überhaupt vor aller Erfahrung in
der Idee einer den Willen durch Gründe a priori bestimmenden Vernunft liegt.
Setzt man hinzu, daß, wenn man dem Begriffe von Sittlichkeit nicht gar alle
Wahrheit und Beziehung auf irgend ein mögliches Object bestreiten will, man
nicht in Abrede ziehen könne, daß sein Gesetz von so ausgebreiteter Bedeutung
sei, daß es nicht bloß für Menschen, sondern alle vernünftige Wesen überhaupt,
nicht bloß unter zufälligen Bedingungen und mit Ausnahmen, sondern
schlechterdings nothwendig gelten müsse: so ist klar, daß keine Erfahrung, auch
nur auf die Möglichkeit solcher apodiktischen Gesetze zu schließen, Anlaß geben
könne. Denn mit welchem Rechte können wir das, was vielleicht nur unter den
zufälligen Bedingungen der Menschheit gültig ist, als allgemeine Vorschrift für
jede vernünftige Natur in unbeschränkte Achtung bringen, und wie sollen Gesetze
der Bestimmung unseres Willens für Gesetze der Bestimmung des Willens eines
vernünftigen Wesens überhaupt und nur als solche auch für den unsrigen gehalten
werden, wenn sie bloß empirisch wären und nicht völlig a priori aus reiner,
aber praktischer Vernunft ihren Ursprung nähmen? Man könnte auch der
Sittlichkeit nicht übler rathen, als wenn man sie von
Beispielen entlehnen wollte. Denn jedes Beispiel, was mir davon vorgestellt
wird, muß selbst zuvor nach Principien der Moralität beurtheilt werden, ob es
auch würdig sei, zum ursprünglichen Beispiele, d. i. zum Muster, zu dienen,
keinesweges aber kann es den Begriff derselben zu oberst an die Hand geben.
Selbst der Heilige des Evangelii muß zuvor mit unserm Ideal der sittlichen
Vollkommenheit verglichen werden, ehe man ihn dafür erkennt; auch sagt er von
sich selbst: was nennt ihr
1) Einer, der durch eine Reihe von Übeln, die bis zur Hoffnungslosigkeit
angewachsen ist, einen Überdruß am Leben empfindet, ist noch so weit im Besitze
seiner Vernunft, daß er sich selbst fragen kann, ob es auch nicht etwa der
Pflicht gegen sich selbst zuwider sei, sich das Leben zu nehmen. Nun versucht
er: ob die Maxime seiner Handlung wohl ein allgemeines Naturgesetz werden
könne. Seine Maxime aber ist: ich mache es mir aus Selbstliebe zum Princip,
wenn das Leben bei seiner längern Frist mehr Übel droht, als es Annehmlichkeit
verspricht, es mir abzukürzen. Es frägt sich nur noch, ob dieses Princip der
Selbstliebe ein allgemeines Naturgesetz werden könne. Da sieht man aber bald,
daß eine Natur, deren Gesetz es wäre, durch dieselbe Empfindung, deren
Bestimmung es ist, zur Beförderung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst zu
zerstören, ihr selbst widersprechen und also nicht als Natur bestehen würde,
mithin jene Maxime unmöglich als allgemeines Naturgesetz stattfinden könne und
folglich dem obersten Princip aller Pflicht gänzlich widerstreite.
2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, Geld zu borgen. Er Weiß wohl,
daß er nicht wird bezahlen können, sieht aber auch, daß ihm nichts geliehen
werden wird, wenn er nicht festiglich verspricht, es zu einer bestimmten Zeit
zu bezahlen. Er hat Lust, ein solches Versprechen zu thun; noch aber hat er so
viel Gewissen, sich zu fragen: ist es nicht unerlaubt
und pflichtwidrig, sich auf solche Art aus Noth zu helfen? Gesetzt, er
beschlösse es doch, so würde seine Maxime der Handlung so lauten: wenn ich mich
in Geldnoth zu sein glaube, so will ich Geld borgen und versprechen es zu
bezahlen, ob ich gleich weiß, es werde niemals geschehen. Nun ist dieses Princip der Selbstliebe oder der eigenen
Zuträglichkeit mit meinem ganzen künftigen Wohlbefinden vielleicht wohl zu
vereinigen, allein jetzt ist die Frage: ob es recht sei. Ich verwandle also die
Zumuthung der Selbstliebe in ein allgemeines Gesetz und richte die Frage so
ein: wie es dann stehen würde, wenn meine Maxime ein allgemeines Gesetz würde. Da sehe ich nun sogleich, daß sie niemals ein allgemeines
Naturgesetz gelten und mit sich selbst zusammenstimmen könne, sondern sich
nothwendig widersprechen müsse. Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes,
daß jeder, nachdem er in Noth zu sein glaubt, versprechen könne, was ihm
einfällt, mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, würde das Versprechen und den
Zweck, den man damit haben mag, selbst unmöglich machen, indem niemand glauben
würde, daß ihm was versprochen sei, sondern über alle solche Äußerung als
eitles Vorgeben lachen würde.
3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches
vermittelst einiger Cultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren
Menschen machen könnte. Er sieht sich aber in bequemen Umständen und zieht vor,
lieber dem Vergnügen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung
seiner glücklichen Naturanlagen zu bemühen. Noch frägt er aber: ob außer der
Übereinstimmung, die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Naturgaben mit
seinem Hange zur Ergötzlichkeit an sich hat, sie auch mit dem, was man Pflicht
nennt, übereinstimme. Da sieht er nun, daß zwar eine Natur nach einem solchen
allgemeinen Gesetze immer noch bestehen könne, obgleich der Mensch (so wie die
Südsee=Einwohner) sein Talent rosten ließe und sein Leben bloß auf Müßiggang,
Ergötzlichkeit, Fortpflanzung, mit einem Wort auf Genuß zu verwenden bedacht
wäre; allein er kann unmöglich wollen, daß dieses ein allgemeines Naturgesetz
werde, oder als ein solches in uns durch Naturinstinct gelegt sei. Denn als ein vernünftiges Wesen will er nothwendig, daß alle
Vermögen in ihm entwickelt werden, weil sie ihm doch zu allerlei möglichen
Absichten dienlich und gegeben sind.
Noch denkt ein vierter, dem es wohl geht, indessen er sieht, daß andere mit
großen Mühseligkeiten zu kämpfen haben (denen er auch wohl helfen könnte): was
gehts
Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen oder wenigstens von uns dafür
gehaltenen Pflichten, deren Abtheilung aus dem einigen angeführten Princip klar
in die Augen fällt. Man muß wollen können, daß eine Maxime unserer Handlung ein
allgemeines Gesetz werde: dies ist der Kanon der
moralischen Beurtheilung derselben überhaupt. Einige Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal
als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann; weit gefehlt, daß man
noch wollen könne, es sollte ein solches werden. Bei andern ist zwar jene
innere Unmöglichkeit nicht anzutreffen, aber es ist doch unmöglich, zu wollen,
daß ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben werde, weil ein
solcher Wille sich selbst widersprechen würde. Man sieht leicht: daß die
erstere der strengen oder engeren (unnachlaßlichen) Pflicht, die zweite nur der
weiteren (verdienstlichen) Pflicht widerstreite, und so alle Pflichten, was die
Art der Verbindlichkeit (nicht das Object ihrer Handlung) betrifft, durch diese
Beispiele in ihrer Abhängigkeit von dem einigen Princip vollständig aufgestellt
worden.
Wenn wir nun auf uns selbst bei jeder Übertretung einer Pflicht Acht haben, so
finden wir, daß wir wirklich nicht wollen, es solle unsere Maxime ein
allgemeines Gesetz werden, denn das ist uns unmöglich, sondern das Gegentheil
derselben soll vielmehr allgemein ein Gesetz bleiben; nur nehmen wir uns die
Freiheit, für uns oder (auch nur für diesesmal) zum Vortheil unserer Neigung
davon eine Ausnahme zu machen. Folglich wenn wir alles aus einem und demselben
Gesichtspunkte, nämlich der Vernunft, erwögen, so würden wir einen Widerspruch
in unserm eigenen Willen antreffen, nämlich daß ein gewisses Princip objectiv
als allgemeines Gesetz nothwendig sei und doch subjectiv nicht allgemein
gelten, sondern Ausnahmen verstatten sollte. Da wir aber einmal unsere Handlung
aus dem Gesichtspunkte eines ganz der Vernunft gemäßen, dann aber auch eben
dieselbe Handlung aus dem Gesichtspunkte eines durch Neigung afficirten Willens
betrachten, so ist wirklich hier kein Widerspruch, wohl aber ein Widerstand der
Neigung gegen die Vorschrift der Vernunft (antagonismus), wodurch die
Allgemeinheit des Princips (universalitas) in eine bloße Gemeingültigkeit
(generalitas) verwandelt wird, dadurch das praktische Vernunftprincip mit der
Maxime auf dem halben Wege zusammenkommen soll. Ob nun dieses gleich in unserm
eigenen unparteiisch angestellten Urtheile nicht gerechtfertigt werden kann, so
beweiset es doch, daß wir die Gültigkeit des kategorischen Imperativs wirklich
anerkennen und uns (mit aller Achtung für denselben) nur einige, wie es uns
scheint, unerhebliche und uns abgedrungene Ausnahmen erlauben. Wir haben so
viel also wenigstens dargethan, daß, wenn Pflicht ein Begriff ist, der
Bedeutung und wirkliche Gesetzgebung für unsere Handlungen enthalten soll,
diese nur in kategorischen Imperativen, keinesweges aber in hypothetischen
ausgedrückt werden könne; imgleichen haben wir, welches schon viel ist, den
Inhalt des kategorischen Imperativs, der das Princip aller Pflicht (wenn es
überhaupt dergleichen gäbe) enthalten müßte, deutlich und zu jedem Gebrauche
bestimmt dargestellt. Noch sind wir aber nicht so weit, a priori zu beweisen,
daß dergleichen Imperativ wirklich stattfinde, daß es ein praktisches Gesetz gebe,
welches schlechterdings und ohne alle Triebfedern für sich gebietet, und daß
die Befolgung dieses Gesetzes Pflicht sei. Bei der Absicht, dazu zu gelangen,
ist es von der äußersten Wichtigkeit, sich dieses zur Warnung dienen zu lassen,
daß man es sich ja nicht in den Sinn kommen lasse, die Realität dieses Princips
aus der besondern Eigenschaft der menschlichen Natur ableiten zu wollen. Denn
Pflicht soll praktisch=unbedingte Nothwendigkeit der Handlung sein; sie muß
also für alle vernünftige Wesen (auf die nur überall ein Imperativ treffen
kann) gelten und allein darum auch für allen
menschlichen Willen ein Gesetz sein. Was dagegen aus der besondern Naturanlage
der Menschheit, was aus gewissen Gefühlen und Hange, ja sogar wo möglich aus
einer besonderen Richtung, die der menschlichen Vernunft eigen wäre und nicht
nothwendig für den Willen eines jeden vernünftigen Wesens gelten müßte,
abgeleitet wird, das kann zwar eine Maxime für uns, aber kein Gesetz abgeben,
ein subjectiv Princip, nach welchem wir handeln zu dürfen Hang und Neigung
haben, aber nicht ein objectives, nach welchem wir angewiesen wären zu handeln,
wenn gleich aller unser Hang, Neigung und Natureinrichtung dawider wäre, sogar,
daß es um desto mehr die Erhabenheit und innere Würde des Gebots in einer
Pflicht beweiset, je weniger die subjectiven Ursachen dafür, je mehr sie
dagegen sind, ohne doch deswegen die Nöthigung durchs Gesetz nur im mindesten
zu schwächen und seiner Gültigkeit etwas zu benehmen. Hier sehen wir nun die
Philosophie in der That auf einen mißlichen Standpunkt
gestellt, der fest sein soll, unerachtet er weder im Himmel, noch auf der Erde
an etwas gehängt oder woran gestützt wird. Hier soll sie ihre Lauterkeit
beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derjenigen, welche
ihr ein eingepflanzter Sinn, oder wer weiß welche vormundschaftliche Natur
einflüstert, die insgesammt, sie mögen immer besser sein als gar nichts, doch
niemals Grundsätze abgeben können, die die Vernunft dictirt, und die durchaus
völlig a priori ihren Quell und hiemit zugleich ihr gebietendes Ansehen haben
müssen: nichts von der Neigung des Menschen, sondern alles von der Obergewalt
des Gesetzes und der schuldigen Achtung für dasselbe zu erwarten, oder den
Menschen widrigenfalls zur Selbstverachtung und innern Abscheu zu verurtheilen.
Alles also, was empirisch ist, ist als Zuthat zum Princip der Sittlichkeit
nicht allein dazu ganz untauglich, sondern der Lauterkeit der Sitten selbst
höchst nachtheilig, an welchen der eigentliche und über allen Preis erhabene
Werth eines schlechterdings guten Willens eben darin besteht, daß das Princip
der Handlung von allen Einflüssen zufälliger Gründe, die nur Erfahrung an die
Hand geben kann, frei sei. Wider diese Nachlässigkeit oder gar niedrige
Denkungsart in Aufsuchung des Princips unter empirischen Bewegursachen und
Gesetzen kann man auch nicht zu viel und zu oft Warnungen ergehen lassen, indem
die menschliche Vernunft in ihrer Ermüdung gern auf diesem Polster ausruht und
in dem Traume süßer Vorspiegelungen (die sie doch statt der Juno eine Wolke
umarmen lassen) der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener
Abstammung zusammengeflickten Bastard unterschiebt, der allem ähnlich sieht,
was man daran sehen will, nur der Tugend nicht für den, der sie einmal in ihrer
wahren Gestalt erblickt hat.*)
Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Gesetz für alle vernünftige
Wesen, ihre Handlungen jederzeit nach solchen Maximen zu beurtheilen, von denen
sie selbst wollen können, daß sie zu allgemeinen Gesetzen dienen sollen? Wenn
es ein solches ist, so muß es (völlig a priori) schon
mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt verbunden
sein. Um aber diese Verknüpfung zu entdecken, muß man, so sehr man sich auch
sträubt, einen Schritt hinaus thun, nämlich zur Metaphysik, obgleich in ein
Gebiet derselben, welches von dem der speculativen Philosophie unterschieden
ist, nämlich in die Metaphysik der Sitten. In einer praktischen Philosophie, wo
es uns nicht darum zu thun ist, Gründe anzunehmen von dem, was geschieht,
sondern Gesetze von dem, was geschehen soll, ob es gleich niemals geschieht, d.
i. objectiv=praktische Gesetze: da haben wir nicht nöthig, über die Gründe
Untersuchung anzustellen, warum etwas gefällt oder mißfällt, wie das Vergnügen
der bloßen Empfindung vom Geschmacke, und ob dieser von einem allgemeinen
Wohlgefallen der Vernunft unterschieden sei; worauf Gefühl der Lust und Unlust
beruhe, und wie hieraus Begierden und Neigungen, aus diesen aber durch
Mitwirkung der Vernunft Maximen entspringen; denn das gehört alles zu einer
empirischen Seelenlehre, welche den zweiten Theil der Naturlehre ausmachen
würde, wenn man sie als Philosophie der Natur betrachtet, so fern sie auf
empirischen Gesetzen gegründet ist. Hier aber ist vom objectiv=praktischen
Gesetze die Rede, mithin von dem Verhältnisse eines Willens zu sich selbst, so
fern er sich bloß durch Vernunft bestimmt, da denn alles, was aufs Empirische
Beziehung hat, von selbst wegfällt: weil, wenn die Vernunft für sich allein das
Verhalten bestimmt (wovon wir die Möglichkeit jetzt eben untersuchen wollen),
sie dieses nothwendig a priori thun muß.
Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, der
Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Und ein solches Vermögen kann nur in vernünftigen Wesen anzutreffen
sein. Nun ist das, was dem Willen zum objectiven Grunde seiner
Selbstbestimmung dient, der Zweck, und dieser, wenn er durch bloße Vernunft
gegeben wird, muß für alle vernünftige Wesen gleich gelten. Was dagegen bloß
den Grund der Möglichkeit der Handlung enthält, deren Wirkung Zweck ist, heißt das Mittel. Der subjective Grund des Begehrens
ist die Triebfeder, der objective des Wollens der Bewegungsgrund; daher der
Unterschied zwischen subjectiven Zwecken, die auf Triebfedern beruhen, und
objectiven, die auf Bewegungsgründe ankommen, welche für jedes vernünftige
Wesen gelten. Praktische Principien sind formal, wenn sie von
allen subjectiven Zwecken abstrahiren; sie sind aber material, wenn sie
diese, mithin gewisse Triebfedern zum Grunde legen. Die Zwecke, die sich ein
vernünftiges Wesen als Wirkungen seiner Handlung nach Belieben vorsetzt,
(materiale Zwecke) sind insgesammt nur relativ; denn nur bloß ihr Verhältniß
auf ein besonders geartetes Begehrungsvermögen des Subjects giebt ihnen den
Werth, der daher keine allgemeine für alle vernünftige Wesen und auch nicht für
jedes Wollen gültige und nothwendige Principien, d. i. praktische Gesetze, an
die Hand geben kann. Daher sind alle diese relative
Zwecke nur der Grund von hypothetischen Imperativen.
Gesetzt aber, es gäbe etwas, dessen Dasein an sich selbst einen absoluten Werth
hat, was als Zweck an sich selbst ein Grund bestimmter Gesetze sein könnte, so
würde in ihm und nur in ihm allein der Grund eines möglichen kategorischen
Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen.
Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existirt als
Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen
oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen sowohl auf sich selbst, als auch
auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als
Zweck betrachtet werden. Alle Gegenstände der Neigungen haben nur einen
bedingten Werth; denn wenn die Neigungen und darauf gegründete Bedürfnisse
nicht wären, so würde ihr Gegenstand ohne Werth sein. Die Neigungen selber aber
als Quellen des Bedürfnisses haben so wenig einen
absoluten Werth, um sie selbst zu wünschen, daß vielmehr, gänzlich davon frei
zu sein, der allgemeine Wunsch eines jeden vernünftigen Wesens sein muß. Also ist der Werth aller durch unsere Handlung zu erwerbenden
Gegenstände jederzeit bedingt. Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm
Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen
sind, nur einen relativen Werth, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen
vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke
an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden
darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür einschränkt (und ein Gegenstand
der Achtung ist). Dies sind also nicht bloß subjective Zwecke, deren Existenz
als Wirkung unserer Handlung für uns einen Werth hat; sondern objective Zwecke,
d. i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck ist und zwar ein solcher, an
dessen statt kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie bloß als Mittel zu
Diensten stehen sollten, weil ohne dieses überall gar nichts von absolutem
Werthe würde angetroffen werden; wenn aber aller Werth bedingt, mithin zufällig
wäre, so könnte für die Vernunft überall kein oberstes praktisches Princip
angetroffen werden.
Wenn es denn also ein oberstes praktisches Princip und in Ansehung des
menschlichen Willens einen kategorischen Imperativ geben soll, so muß es ein
solches sein, das aus der Vorstellung dessen, was nothwendig für jedermann
Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist, ein objectives Princip des Willens
ausmacht, mithin zum allgemeinen praktischen Gesetz dienen kann. Der Grund
dieses Princips ist: die vernünftige Natur existirt
als Zweck an sich selbst. So stellt sich nothwendig der Mensch sein eignes
Dasein vor; so fern ist es also ein subjectives
Princip menschlicher Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere
vernünftige Wesen sein Dasein zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der auch
für mich gilt, vor *); also ist es zugleich ein objectives Princip, woraus als
einem obersten praktischen Grunde alle Gesetze des Willens müssen abgeleitet
werden können. Der praktische Imperativ wird also folgender sein: Handle so,
daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in
der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als
Mittel brauchst. Wir wollen sehen, ob sich dieses bewerkstelligen lasse.
Um bei den vorigen Beispielen zu bleiben, so wird Erstlich nach dem Begriffe
der nothwendigen Pflicht gegen sich selbst derjenige, der mit Selbstmorde
umgeht, sich fragen, ob seine Handlung mit der Idee der Menschheit als Zwecks
an sich selbst zusammen bestehen könne. Wenn er, um einem beschwerlichen
Zustande zu entfliehen, sich selbst zerstört, so bedient er sich einer Person
bloß als eines Mittels zu Erhaltung eines erträglichen
Zustandes bis zu Ende des Lebens. Der Mensch aber ist
keine Sache, mithin nicht etwas, das bloß als Mittel gebraucht werden kann,
sondern muß bei allen seinen Handlungen jederzeit als Zweck an sich selbst
betrachtet werden. Also kann ich über den Menschen in meiner Person nichts
disponiren, ihn zu verstümmeln, zu verderben, oder zu
tödten. (Die nähere Bestimmung dieses Grundsatzes zur Vermeidung alles
Mißverstandes, z. B. der Amputation der Glieder, um mich zu erhalten, der
Gefahr, der ich mein Leben aussetze, um mein Leben zu erhalten etc., muß ich
hier vorbeigehen; sie gehört zur eigentlichen Moral.) Zweitens, was die
nothwendige oder schuldige Pflicht gegen andere betrifft, so wird der, so ein
lügenhaftes Versprechen gegen andere zu thun im Sinne hat, sofort einsehen, daß
er sich eines andern Menschen bloß als Mittels bedienen will, ohne daß dieser
zugleich den Zweck in sich enthalte. Denn der, den ich durch ein solches
Versprechen zu meinen Absichten brauchen will, kann unmöglich in meine Art,
gegen ihn zu verfahren, einstimmen und also selbst den Zweck dieser Handlung
enthalten. Deutlicher fällt dieser Widerstreit gegen das Princip anderer
Menschen in die Augen, wenn man Beispiele von Angriffen auf Freiheit und
Eigenthum anderer herbeizieht. Denn da leuchtet klar ein, daß der Übertreter
der Rechte der Menschen, sich der Person anderer bloß als Mittel zu bedienen,
gesonnen sei, ohne in Betracht zu ziehen, daß sie als vernünftige Wesen
jederzeit zugleich als Zwecke, d. i. nur als solche, die von eben derselben
Handlung auch in sich den Zweck müssen enthalten können, geschätzt werden
sollen*). Drittens, in Ansehung der zufälligen (verdienstlichen) Pflicht gegen
sich selbst ists nicht genug, daß die Handlung nicht der Menschheit in unserer
Person als Zweck an sich selbst widerstreite, sie muß
auch dazu zusammenstimmen. Nun sind in der Menschheit Anlagen zu größerer
Vollkommenheit, die zum Zwecke der Natur in Ansehung der Menschheit in unserem
Subject gehören; diese zu vernachlässigen, würde allenfalls wohl mit der
Erhaltung der Menschheit als Zwecks an sich selbst, aber nicht der Beförderung
dieses Zwecks bestehen können. Viertens, in Betreff der verdienstlichen Pflicht
gegen andere ist der Naturzweck, den alle Menschen
haben, ihre eigene Glückseligkeit. Nun würde zwar die Menschheit bestehen
können, wenn niemand zu des andern Glückseligkeit was beitrüge, dabei aber ihr
nichts vorsetzlich entzöge; allein es ist dieses doch nur eine negative und
nicht positive Übereinstimmung zur Menschheit als Zweck an sich selbst, wenn
jedermann auch nicht die Zwecke anderer, so viel an ihm ist, zu befördern
trachtete. Denn das Subject, welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke
müssen, wenn jene Vorstellung bei mir alle Wirkung thun soll, auch, so viel
möglich, meine Zwecke sein. Dieses Princip der Menschheit und jeder
vernünftigen Natur überhaupt, als Zwecks an sich selbst, (welche die oberste
einschränkende Bedingung der Freiheit der Handlungen eines jeden Menschen ist)
ist nicht aus der Erfahrung entlehnt: erstlich wegen seiner Allgemeinheit, da
es auf alle vernünftige Wesen überhaupt geht, worüber etwas zu bestimmen keine
Erfahrung zureicht; zweitens weil darin die Menschheit nicht als Zweck der
Menschen (subjectiv), d. i. als Gegenstand, den man sich von selbst wirklich
zum Zwecke macht, sondern als objectiver Zweck, der, wir mögen Zwecke haben,
welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschränkende Bedingung aller
subjectiven Zwecke ausmachen soll, vorgestellt wird, mithin es aus reiner
Vernunft entspringen muß. Es liegt nämlich der Grund aller praktischen
Gesetzgebung objectiv in der Regel und der Form der Allgemeinheit, die sie ein
Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu sein fähig macht (nach dem ersten Princip),
subjectiv aber im Zwecke; das Subject aller Zwecke aber ist jedes vernünftige
Wesen, als Zweck an sich selbst (nach dem zweiten Princip): hieraus folgt nun
das dritte praktische Princip des Willens, als oberste Bedingung der
Zusammenstimmung desselben mit der allgemeinen praktischen Vernunft, die Idee
des Willens jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden
Willens. Alle Maximen werden nach diesem Princip verworfen, die mit der eigenen
allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen können. Der Wille
wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so unterworfen, daß
er auch als selbstgesetzgebend und eben um deswillen
allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann)
unterworfen angesehen werden muß. Die Imperativen nach der vorigen
Vorstellungsart, nämlich der allgemein einer Naturordnung ähnlichen
Gesetzmäßigkeit der Handlungen, oder des allgemeinen Zwecksvorzuges vernünftiger
Wesen an sich selbst, schlossen zwar von ihrem gebietenden Ansehen alle
Beimischung irgend eines Interesse als Triebfeder aus, eben dadurch daß sie als
kategorisch vorgestellt wurden; sie wurden aber nur als kategorisch angenommen,
weil man dergleichen annehmen mußte, wenn man den Begriff von Pflicht erklären
wollte. Daß es aber praktische Sätze gäbe, die kategorisch geböten, könnte für
sich nicht bewiesen werden, so wenig wie es überhaupt in diesem Abschnitte auch
hier noch nicht geschehen kann; allein eines hätte doch geschehen können,
nämlich: daß die Lossagung von allem Interesse beim Wollen aus Pflicht, als das
specifische Unterscheidungszeichen des kategorischen vom hypothetischen
Imperativ, in dem Imperativ selbst durch irgend eine Bestimmung, die er
enthielte, mit angedeutet würde, und dieses geschieht in gegenwärtiger dritten
Formel des Princips, nämlich der Idee des Willens eines jeden vernünftigen
Wesens als allgemeingesetzgebenden Willens. Denn wenn wir einen solchen denken,
so kann, obgleich ein Wille, der unter Gesetzen steht, noch vermittelst eines
Interesse an dieses Gesetz gebunden sein mag, dennoch ein Wille, der selbst zu
oberst gesetzgebend ist, unmöglich so fern von irgend einem Interesse abhängen;
denn ein solcher abhängender Wille würde selbst noch eines andern Gesetzes
bedürfen, welches das Interesse seiner Selbstliebe auf die Bedingung einer
Gültigkeit zum allgemeinen Gesetz einschränkte. Also würde das Princip eines
jeden menschlichen Willens, als eines durch alle seine Maximen allgemein
gesetzgebenden Willens*), wenn es sonst mit ihm nur seine Richtigkeit hätte,
sich zum kategorischen Imperativ darin gar wohl schicken, daß es eben um der
Idee der allgemeinen Gesetzgebung willen sich auf kein Interesse gründet und
also unter allen möglichen Imperativen allein unbedingt sein kann; oder noch
besser, indem wir den Satz umkehren: wenn es einen kategorischen Imperativ
giebt (d. i. ein Gesetz für jeden Willen eines vernünftigen Wesens), so kann er
nur gebieten, alles aus der Maxime seines Willens als eines solchen zu thun,
der zugleich sich selbst als allgemein gesetzgebend zum Gegenstande haben
könnte; denn alsdann nur ist das praktische Princip und der Imperativ, dem er
gehorcht, unbedingt, weil er gar kein Interesse zum Grunde haben kann. Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bisherige Bemühungen,
die jemals unternommen worden, um das Princip der Sittlichkeit ausfindig zu
machen, zurücksehen, warum sie insgesammt haben fehlschlagen müssen. Man sah
den Menschen durch seine Pflicht an Gesetze gebunden, man ließ es sich aber
nicht einfallen, daß er nur seiner eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung
unterworfen sei, und daß er nur verbunden sei, seinem eigenen, dem Naturzwecke
nach aber allgemein gesetzgebenden Willen gemäß zu handeln. Denn wenn man sich
ihn nur als einem Gesetz (welches es auch sei)
unterworfen dachte: so mußte dieses irgend ein Interesse als Reiz oder Zwang
bei sich führen, weil es nicht als Gesetz aus seinem Willen entsprang, sondern
dieser gesetzmäßig von etwas anderm genöthigt wurde, auf gewisse Weise zu
handeln. Durch diese ganz nothwendige Folgerung aber war alle Arbeit, einen
obersten Grund der Pflicht zu finden, unwiederbringlich verloren. Denn man
bekam niemals Pflicht, sondern Nothwendigkeit der Handlung aus einem gewissen
Interesse heraus. Dieses mochte nun ein eigenes oder
fremdes Interesse sein. Aber alsdann mußte der Imperativ jederzeit bedingt
ausfallen und konnte zum moralischen Gebote gar nicht taugen. Ich will also diesen Grundsatz das Princip der Autonomie des
Willens im Gegensatz mit jedem andern, das ich deshalb zur Heteronomie zähle,
nennen. Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das sich durch alle
Maximen seines Willens als allgemein gesetzgebend betrachten muß, um aus diesem
Gesichtspunkte sich selbst und seine Handlungen zu beurtheilen, führt auf einen
ihm anhängenden sehr fruchtbaren Begriff, nämlich den eines Reichs der Zwecke.
Ich verstehe aber unter einem Reiche die systematische Verbindung verschiedener
vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche Gesetze. Weil nun Gesetze die Zwecke
ihrer allgemeinen Gültigkeit nach bestimmen, so wird, wenn man von dem
persönlichen Unterschiede vernünftiger Wesen, imgleichen allem Inhalte ihrer
Privatzwecke abstrahirt, ein Ganzes aller Zwecke (sowohl der vernünftigen Wesen
als Zwecke an sich, als auch der eigenen Zwecke, die ein jedes sich selbst
setzen mag) in systematischer Verknüpfung d. i. ein Reich der Zwecke, gedacht
werden können, welches nach obigen Principien möglich ist. Denn vernünftige
Wesen stehen alle unter dem Gesetz, daß jedes derselben sich selbst und alle
andere niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit
zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle. Hiedurch aber entspringt
eine systematische Verbindung vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche
objective Gesetze, d. i. ein Reich, welches, weil diese
Gesetze eben die Beziehung dieser Wesen auf einander als Zwecke und
Mittel zur Absicht haben, ein Reich der Zwecke (freilich nur ein Ideal) heißen
kann. Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als Glied
zum Reiche der Zwecke, wenn es darin zwar allgemein gesetzgebend, aber auch
diesen Gesetzen selbst unterworfen ist. Es gehört dazu als
oberhaupt, wenn es als gesetzgebend keinem Willen eines andern unterworfen ist.
Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetzgebend in
einem durch Freiheit des Willens möglichen Reiche der Zwecke betrachten, es mag
nun sein als Glied, oder als Oberhaupt. Den Platz des letztern kann es
aber nicht bloß durch die Maxime seines Willens, sondern nur alsdann, wenn es
ein völlig unabhängiges Wesen ohne Bedürfniß und Einschränkung seines dem
Willen adäquaten Vermögens ist, behaupten. Moralität besteht also in der
Beziehung aller Handlung auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein Reich der
Zwecke möglich ist. Diese Gesetzgebung muß aber in
jedem vernünftigen Wesen selbst angetroffen werden und aus seinem Willen
entspringen können, dessen Princip also ist: keine Handlung nach einer andern
Maxime zu thun, als so, daß es auch mit ihr bestehen könne, daß sie ein
allgemeines Gesetz sei, und also nur so, daß der Wille durch seine Maxime sich
selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne. Sind nun die
Maximen mit diesem objectiven Princip der vernünftigen Wesen, als allgemein
gesetzgebend, nicht durch ihre Natur schon nothwendig einstimmig, so heißt die
Nothwendigkeit der Handlung nach jenem Princip praktische Nöthigung, d. i.
Pflicht. Pflicht kommt nicht dem Oberhaupte im Reiche der Zwecke, wohl aber
jedem Gliede und zwar allen in gleichem Maße zu. Die
praktische Nothwendigkeit nach diesem Princip zu handeln, d. i. die Pflicht,
beruht gar nicht auf Gefühlen, Antrieben und Neigungen, sondern bloß auf dem
Verhältnisse vernünftiger Wesen zu einander, in welchem der Wille eines
vernünftigen Wesens jederzeit zugleich als gesetzgebend betrachtet werden muß,
weil es sie sonst nicht als Zweck an sich selbst denken könnte. Die Vernunft
bezieht also jede Maxime des Willens als allgemein gesetzgebend auf jeden
anderen Willen und auch auf jede Handlung gegen sich selbst und dies zwar nicht
um irgend eines andern praktischen Bewegungsgrundes oder künftigen Vortheils
willen, sondern aus der Idee der Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem
Gesetze gehorcht als dem, das es zugleich selbst giebt. Im Reiche der Zwecke hat
alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen
Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes
als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin
kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde. Was sich auf die allgemeinen
menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; das, was,
auch ohne ein Bedürfniß vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem
Wohlgefallen am bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemüthskräfte, gemäß ist, einen
Affectionspreis; das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas
Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Werth, d. i.
einen Preis, sondern einen innern Werth, d. i. Würde. Nun ist
Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich
selbst sein kann, weil nur durch sie es möglich ist, ein gesetzgebend Glied im
Reiche der Zwecke zu sein. Also ist Sittlichkeit und
die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein Würde
hat. Geschicklichkeit und Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreis; Witz,
lebhafte Einbildungskraft und Launen einen Affectionspreis; dagegen Treue im
Versprechen, Wohlwollen aus Grundsätzen (nicht aus Instinct) haben einen innern
Werth. Die Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, was sie in Ermangelung
derselben an ihre Stelle setzen könnten; denn ihr Werth besteht nicht in den
Wirkungen, die daraus entspringen, im Vortheil und Nutzen, den sie schaffen,
sondern in den Gesinnungen, d. i. den Maximen des Willens, die sich auf diese
Art in Handlungen zu offenbaren bereit sind, obgleich auch der Erfolg sie nicht
begünstigte. Diese Handlungen bedürfen auch keiner Empfehlung von irgend einer
subjectiven Disposition oder Geschmack, sie mit unmittelbarer Gunst und
Wohlgefallen anzusehen, keines unmittelbaren Hanges oder Gefühles für dieselbe:
sie stellen den Willen, der sie ausübt, als Gegenstand einer unmittelbaren
Achtung dar, dazu nichts als Vernunft gefordert wird, um sie dem Willen
aufzuerlegen, nicht von ihm zu erschmeicheln, welches letztere bei Pflichten
ohnedem ein Widerspruch wäre. Diese Schätzung giebt also den Werth einer
solchen Denkungsart als Würde zu erkennen und setzt sie über allen Preis
unendlich weg, mit dem sie gar nicht in Anschlag und Vergleichung gebracht
werden kann, ohne sich gleichsam an der Heiligkeit derselben zu vergreifen. Und
was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung
oder die Tugend berechtigt, so hohe Ansprüche zu machen? Es ist nichts
Geringeres als der Antheil, den sie dem vernünftigen Wesen an der allgemeinen
Gesetzgebung verschafft und es hiedurch zum Gliede in einem möglichen Reiche
der Zwecke tauglich macht, wozu es durch seine eigene Natur schon bestimmt war,
als Zweck an sich selbst und eben darum als gesetzgebend im Reiche der Zwecke,
in Ansehung aller Naturgesetze als frei, nur denjenigen allein gehorchend, die
es selbst giebt und nach welchen seine Maximen zu einer allgemeinen
Gesetzgebung (der es sich zugleich selbst unterwirft) gehören können. Denn es
hat nichts einen Werth als den, welchen ihm das Gesetz
bestimmt. Die Gesetzgebung selbst aber, die allen Werth bestimmt, muß eben
darum eine Würde, d. i. unbedingten, unvergleichbaren Werth, haben, für welchen
das Wort Achtung allein den geziemenden Ausdruck der Schätzung abgiebt, die ein
vernünftiges Wesen über sie anzustellen hat. Autonomie ist
also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur. Die
angeführten drei Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, sind aber im Grunde nur so viele Formeln eben desselben
Gesetzes, deren die eine die anderen zwei von selbst in sich vereinigt.
Indessen ist doch eine Verschiedenheit in ihnen, die
zwar eher subjectiv als objectiv=praktisch ist, nämlich um eine Idee der
Vernunft der Anschauung (nach einer gewissen Analogie) und dadurch dem Gefühle
näher zu bringen. Alle Maximen haben nämlich
1) eine Form, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die Formel des
sittlichen Imperativs so ausgedrückt: daß die Maximen so müssen gewählt werden,
als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten;
2) eine Materie, nämlich einen Zweck, und da sagt die Formel: daß das
vernünftige Wesen als Zweck seiner Natur nach, mithin als Zweck an sich selbst
jeder Maxime zur einschränkenden Bedingung aller bloß relativen und willkürlichen
Zwecke dienen müsse;
3) eine vollständige Bestimmung aller Maximen durch jene Formel, nämlich: daß
alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reiche der Zwecke, als
einem Reiche der Natur *), zusammenstimmen sollen. Der Fortgang geschieht hier
wie durch die Kategorien der Einheit der Form des Willens (der Allgemeinheit
desselben), der Vielheit der Materie (der Objecte, d. i. der Zwecke) und der
Allheit oder Totalität des Systems derselben. Man thut aber besser, wenn man in
der sittlichen Beurtheilung immer nach der strengen Methode verfährt und die
allgemeine Formel des kategorischen Imperativs zum Grunde legt: handle nach der
Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann. Will man
aber dem sittlichen Gesetze zugleich Eingang verschaffen: so ist
sehr nützlich, ein und eben dieselbe Handlung durch benannte drei Begriffe zu
führen und sie dadurch, so viel sich thun läßt, der Anschauung zu nähern.
Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange
ausgingen, nämlich dem Begriffe eines unbedingt guten Willens. Der Wille ist
schlechterdings gut, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn sie zu
einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten kann.
Dieses Princip ist also auch sein oberstes Gesetz: handle jederzeit nach
derjenigen Maxime, deren Allgemeinheit als Gesetzes du zugleich wollen kannst;
dieses ist die einzige Bedingung, unter der ein Wille niemals mit sich selbst
im Widerstreite sein kann, und ein solcher Imperativ ist kategorisch. Weil die
Gültigkeit des Willens als eines allgemeinen Gesetzes für mögliche Handlungen
mit der allgemeinen Verknüpfung des Daseins der Dinge nach allgemeinen
Gesetzen, die das formale der Natur überhaupt ist, Analogie hat, so kann der
kategorische Imperativ auch so ausgedrückt werden: handle nach Maximen, die
sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben können.
So ist also die Formel eines schlechterdings guten
Willens beschaffen.
Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß sie ihr
selbst einen Zweck setzt. Dieser würde die Materie eines jeden guten Willens
sein. Da aber in der Idee eines ohne einschränkende Bedingung (der Erreichung
dieses oder jenes Zwecks) schlechterdings guten Willens durchaus von allem zu
bewirkenden Zwecke abstrahirt werden muß (als der jeden Willen nur relativ gut
machen würde), so wird der Zweck hier nicht als ein zu bewirkender, sondern
selbstständiger Zweck, mithin nur negativ gedacht werden müssen, d. i. dem
niemals zuwider gehandelt, der also niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit
zugleich als Zweck in jedem Wollen geschätzt werden muß. Dieser kann nun nichts
anders als das Subject aller möglichen Zwecke selbst
sein, weil dieses zugleich das Subject eines möglichen schlechterdings guten
Willens ist; denn dieser kann ohne Widerspruch keinem andern Gegenstande
nachgesetzt werden. Das Princip: handle in Beziehung auf ein jedes vernünftige
Wesen (auf dich selbst und andere) so, daß es in deiner Maxime zugleich als Zweck an sich selbst gelte, ist demnach mit dem
Grundsatze: handle nach einer Maxime, die ihre eigene allgemeine Gültigkeit für
jedes vernünftige Wesen zugleich in sich enthält, im Grunde einerlei. Denn daß
ich meine Maxime im Gebrauche der Mittel zu jedem Zwecke auf die Bedingung
ihrer Allgemeingültigkeit als eines Gesetzes für jedes Subject einschränken
soll, sagt eben so viel, als: das Subject der Zwecke, d. i. das vernünftige
Wesen selbst, muß niemals bloß als Mittel, sondern als oberste einschränkende
Bedingung im Gebrauche aller Mittel, d. i. jederzeit zugleich als Zweck, allen
Maximen der Handlungen zum Grunde gelegt werden. Nun folgt hieraus unstreitig:
daß jedes vernünftige Wesen als Zweck an sich selbst sich in Ansehung aller
Gesetze, denen es nur immer unterworfen sein mag, zugleich als allgemein
gesetzgebend müsse ansehen können, weil eben diese Schicklichkeit seiner
Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung es als Zweck an sich selbst auszeichnet,
imgleichen daß dieses seine Würde (Prärogativ) vor allen bloßen Naturwesen es
mit sich bringe, seine Maximen jederzeit aus dem Gesichtspunkte seiner selbst,
zugleich aber auch jedes andern vernünftigen als gesetzgebenden Wesens (die
darum auch Personen heißen) nehmen zu müssen. Nun ist
auf solche Weise eine Welt vernünftiger Wesen (mundus intelligibilis) als ein
Reich der Zwecke möglich und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen
als Glieder. Demnach muß ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes
Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre. Das formale Princip dieser Maximen
ist: handle so, als ob deine Maxime zugleich zum
allgemeinen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte. Ein Reich der
Zwecke ist also nur möglich nach der Analogie mit einem Reiche der Natur, jenes
aber nur nach Maximen, d. i. sich selbst auferlegten Regeln, diese nur nach
Gesetzen äußerlich genöthigter wirkenden Ursachen. Dem unerachtet giebt man
doch auch dem Naturganzen, ob es schon als Maschine angesehen wird, dennoch, so
fern es auf vernünftige Wesen als seine Zwecke Beziehung hat, aus diesem Grunde
den Namen eines Reichs der Natur. Ein solches Reich der Zwecke würde nun durch
Maximen, deren Regel der kategorische Imperativ allen vernünftigen Wesen
vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, wenn sie allgemein befolgt würden.
Allein obgleich das vernünftige Wesen darauf nicht rechnen kann, daß, wenn es
auch gleich diese Maxime selbst pünktlich befolgte, darum jedes andere eben
derselben treu sein würde, imgleichen daß das Reich der Natur und die
zweckmäßige Anordnung desselben mit ihm, als einem schicklichen Gliede, zu
einem durch es selbst möglichen Reiche der Zwecke zusammenstimmen, d. i. seine
Erwartung der Glückseligkeit begünstigen werde, so bleibt doch jenes Gesetz:
handle nach Maximen eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß
möglichen Reiche der Zwecke, in seiner vollen Kraft, weil es kategorisch
gebietend ist. Und hierin liegt eben das Paradoxon: daß bloß die Würde der
Menschheit als vernünftiger Natur ohne irgend einen andern dadurch zu
erreichenden Zweck oder Vortheil, mithin die Achtung für eine bloße Idee
dennoch zur unnachlaßlichen Vorschrift des Willens dienen sollte, und daß
gerade in dieser Unabhängigkeit der Maxime von allen solchen Triebfedern die
Erhabenheit derselben bestehe und die Würdigkeit eines jeden vernünftigen
Subjects, ein gesetzgebendes Glied im Reiche der Zwecke zu sein; denn sonst
würde es nur als dem Naturgesetze seines Bedürfnisses unterworfen vorgestellt
werden müssen. Obgleich auch das Naturreich sowohl, als das Reich der Zwecke
als unter einem Oberhaupte vereinigt gedacht würde, und dadurch das letztere
nicht mehr bloße Idee bliebe, sondern wahre Realität erhielte, so würde
hiedurch zwar jener der Zuwachs einer starken Triebfeder, niemals aber
Vermehrung ihres innern Werths zu statten kommen; denn diesem ungeachtet müßte
doch selbst dieser alleinige unumschränkte Gesetzgeber immer so vorgestellt
werden, wie er den Werth der vernünftigen Wesen nur nach ihrem uneigennützigen,
bloß aus jener Idee ihnen selbst vorgeschriebenen Verhalten beurtheilte. Das
Wesen der Dinge ändert sich durch ihre äußere Verhältnisse nicht, und was, ohne
an das letztere zu denken, den absoluten Werth des Menschen allein ausmacht,
darnach muß er auch, von wem es auch sei, selbst vom höchsten Wesen beurtheilt
werden. Moralität ist also das Verhältniß der
Handlungen zur Autonomie des Willens, das ist zur möglichen allgemeinen
Gesetzgebung durch die Maximen desselben. Die Handlung, die mit der Autonomie
des Willens zusammen bestehen kann, ist erlaubt; die
nicht damit stimmt, ist unerlaubt. Der Wille, dessen Maximen nothwendig mit den
Gesetzen der Autonomie zusammenstimmen, ist ein
heiliger, schlechterdings guter Wille. Die Abhängigkeit eines nicht
schlechterdings guten Willens vom Princip der Autonomie (die moralische
Nöthigung) ist Verbindlichkeit. Diese
kann also auf ein heiliges Wesen nicht gezogen werden. Die objective
Nothwendigkeit einer Handlung aus Verbindlichkeit heißt Pflicht. Man kann aus
dem kurz vorhergehenden sich es jetzt leicht erklären, wie es zugehe: daß, ob
wir gleich unter dem Begriffe von Pflicht uns eine Unterwürfigkeit unter dem
Gesetze denken, wir uns dadurch doch zugleich eine gewisse Erhabenheit und
Würde an derjenigen Person vorstellen, die alle ihre Pflichten erfüllt. Denn so
fern ist zwar keine Erhabenheit an ihr, als sie dem
moralischen Gesetze unterworfen ist, wohl aber so fern sie in Ansehung
eben desselben zugleich gesetzgebend und nur darum ihm untergeordnet ist. Auch
haben wir oben gezeigt, wie weder Furcht, noch Neigung, sondern lediglich
Achtung fürs Gesetz diejenige Triebfeder sei, die der
Handlung einen moralischen Werth geben kann. Unser eigener Wille, so fern er
nur unter der Bedingung einer durch seine Maximen möglichen allgemeinen Gesetzgebung
handeln würde, dieser uns mögliche Wille in der Idee ist der eigentliche
Gegenstand der Achtung, und die Würde der Menschheit besteht eben in dieser
Fähigkeit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding, eben dieser
Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein.
Die Autonomie des Willens als oberstes Princip der
Sittlichkeit.
Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des
Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der
Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist. Das Princip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen als so, daß die Maximen
seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit Begriffen
seien. Daß diese praktische Regel ein Imperativ sei, d. i. der Wille jedes
vernünftigen Wesens an sie als Bedingung nothwendig gebunden sei, kann durch
bloße Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe nicht bewiesen werden,
weil es ein synthetischer Satz ist; man müßte über die Erkenntniß der Objecte
und zu einer Kritik des Subjects, d. i. der reinen praktischen Vernunft,
hinausgehen, denn völlig a priori muß dieser synthetische Satz, der apodiktisch
gebietet, erkannt werden können, dieses Geschäft aber gehört nicht in
gegenwärtigen Abschnitt. Allein daß gedachtes Princip der Autonomie das alleinige
Princip der Moral sei, läßt sich durch bloße Zergliederung der Begriffe der
Sittlichkeit gar wohl darthun. Denn dadurch findet sich, daß ihr Princip ein
kategorischer Imperativ sein müsse, dieser aber nichts mehr oder
weniger als gerade diese Autonomie gebiete.
Die Heteronomie des Willens als der Quell aller
unächten Principien der Sittlichkeit.
Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen zu
seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er, indem er über sich
selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz
sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus. Der Wille giebt alsdann sich nicht selbst, sondern das Object durch
sein Verhältniß zum Willen giebt diesem das Gesetz. Dies Verhältniß, es
beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vorstellungen der
Vernunft, läßt nur hypothetische Imperativen möglich werden: ich soll etwas
thun darum, weil ich etwas anderes will. Dagegen sagt der moralische, mithin
kategorische Imperativ: ich soll so oder so handeln,
ob ich gleich nichts anderes wollte. Z. E. jener sagt: ich soll nicht lügen,
wenn ich bei Ehren bleiben will; dieser aber: ich soll nicht lügen, ob es mir
gleich nicht die mindeste Schande zuzöge. Der letztere muß also von allem
Gegenstande so fern abstrahiren, daß dieser gar keinen Einfluß auf den Willen
habe, damit praktische Vernunft (Wille) nicht fremdes Interesse bloß
administrire, sondern bloß ihr eigenes gebietendes Ansehen als oberste
Gesetzgebung beweise. So soll ich z. B. fremde Glückseligkeit zu befördern
suchen, nicht als wenn mir an deren Existenz was gelegen wäre (es sei durch
unmittelbare Neigung, oder irgend ein Wohlgefallen indirect durch Vernunft),
sondern bloß deswegen, weil die Maxime, die sie ausschließt, nicht in einem und
demselben Wollen, als allgemeinen Gesetz, begriffen werden kann.
Eintheilung aller möglichen Principien der Sittlichkeit aus
dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie.
Die menschliche Vernunft hat hier, wie allerwärts in ihrem reinen Gebrauche, so
lange es ihr an Kritik fehlt, vorher alle mögliche
unrechte Wege versucht, ehe es ihr gelingt, den einzigen wahren zu treffen.
Alle Principien, die man aus diesem Gesichtspunkte nehmen mag, sind entweder empirisch oder rational. Die ersteren, aus dem
Princip der Glückseligkeit, sind aufs physische oder moralische Gefühl, die
zweiten aus dem Princip der Vollkommenheit, entweder auf den Vernunftbegriff
derselben als möglicher Wirkung, oder auf den Begriff einer selbstständigen Vollkommenheit
(den Willen Gottes) als bestimmende Ursache unseres Willens gebauet.
Empirische Principien taugen überall nicht dazu, um
moralische Gesetze darauf zu gründen. Denn die Allgemeinheit, mit der
sie für alle vernünftige Wesen ohne Unterschied gelten sollen, die unbedingte
praktische Nothwendigkeit, die ihnen dadurch auferlegt wird, fällt weg, wenn
der Grund derselben von der besonderen Einrichtung der menschlichen Natur, oder
den zufälligen Umständen hergenommen wird, darin sie gesetzt ist. Doch ist das
Princip der eigenen Glückseligkeit am meisten verwerflich, nicht bloß deswegen
weil es falsch ist, und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das Wohlbefinden
sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte, widerspricht, auch nicht bloß
weil es gar nichts zur Gründung der Sittlichkeit beiträgt, indem es ganz was
anderes ist, einen glücklichen, als einen guten Menschen, und diesen klug und
auf seinen Vortheil abgewitzt, als ihn tugendhaft zu machen: sondern weil es
der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze
Erhabenheit zernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum
Laster in eine Classe stellen und nur den Calcul besser ziehen lehren, den
specifischen Unterschied beider aber ganz und gar auslöschen; dagegen das
moralische Gefühl, dieser vermeintliche besondere Sinn*), (so seicht auch die
Berufung auf selbigen ist, indem diejenigen, die nicht denken können, selbst in
dem, was bloß auf allgemeine Gesetze ankommt, sich durchs Fühlen auszuhelfen
Glauben, so wenig auch Gefühle, die dem Grade nach von Natur unendlich von
einander unterschieden sind, einen gleichen Maßstab des Guten und Bösen
abgeben, auch einer durch sein Gefühl für andere gar nicht gültig urtheilen
kann) dennoch der Sittlichkeit und ihrer Würde dadurch näher bleibt, daß er der
Tugend die Ehre beweist, das Wohlgefallen und die Hochschätzung für sie ihr
unmittelbar zuzuschreiben, und ihr nicht gleichsam ins Gesicht sagt, daß es
nicht ihre Schönheit, sondern nur der Vortheil sei, der uns an sie knüpfe.
Unter den rationalen oder Vernunftgründen der Sittlichkeit ist doch der
ontologische Begriff der Vollkommenheit (so leer, so unbestimmt, mithin
unbrauchbar er auch ist, um in dem unermeßlichen Felde möglicher Realität die
für uns schickliche größte Summe auszufinden; so sehr er auch, um die Realität,
von der hier die Rede ist, specifisch von jeder andern zu unterscheiden, einen
unvermeidlichen Hang hat, sich im Cirkel zu drehen, und die Sittlichkeit, die
er erklären soll, ingeheim vorauszusetzen, nicht vermeiden kann) dennoch besser
als der theologische Begriff, sie von einem göttlichen, allervollkommensten
Willen abzuleiten, nicht blos deswegen weil wir seine Vollkommenheit doch nicht
anschauen, sondern sie von unseren Begriffen, unter denen der der Sittlichkeit
der vornehmste ist, allein ableiten können, sondern weil, wenn wir dieses nicht
thun (wie es denn, wenn es geschähe, ein grober Cirkel im Erklären sein würde),
der uns noch übrige Begriff seines Willens aus den Eigenschaften der Ehr= und
Herrschbegierde, mit den furchtbaren Vorstellungen der Macht und des Racheifers
verbunden, zu einem System der Sitten, welches der Moralität gerade entgegen
gesetzt wäre, die Grundlage machen müßte. Wenn ich aber zwischen dem Begriff
des moralischen Sinnes und dem der Vollkommenheit überhaupt (die beide der
Sittlichkeit wenigstens nicht Abbruch thun, ob sie gleich dazu gar nichts
taugen, sie als Grundlagen zu unterstützen) wählen müßte: so würde ich mich für
den letzteren bestimmen, weil er, da er wenigstens die Entscheidung der Frage
von der Sinnlichkeit ab und an den Gerichtshof der reinen Vernunft zieht, ob er
gleich auch hier nichts entscheidet, dennoch die unbestimmte Idee (eines an
sich guten Willens) zur nähern Bestimmung unverfälscht aufbehält. Übrigens Glaube ich einer weitläuftigen Widerlegung aller dieser
Lehrbegriffe überhoben sein zu können. Sie ist so
leicht, sie ist von denen selbst, deren Amt es erfordert, sich doch für
eine dieser Theorien zu erklären (weil Zuhörer den Aufschub des Urtheils nicht
wohl
Dritter Abschnitt.
Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen
praktischen Vernunft.
Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur
Erklärung der Autonomie des Willens.
Der Wille ist eine Art von Causalität lebender Wesen, so fern sie vernünftig
sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser Causalität sein, da sie
unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann: so wie
Naturnothwendigkeit die Eigenschaft der Causalität aller vernunftlosen Wesen,
durch den Einfluß fremder Ursachen zur Thätigkeit bestimmt zu werden.
Die angeführte Erklärung der Freiheit ist negativ und
daher, um ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar; allein es fließt aus ihr ein
positiver Begriff derselben, der desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. Da
der Begriff einer Causalität den von Gesetzen bei sich führt, nach welchen
durch etwas, was wir Ursache nennen, etwas anderes, nämlich die Folge, gesetzt werden
muß: so ist die Freiheit, ob sie zwar nicht eine Eigenschaft des Willens nach
Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetzlos, sondern muß vielmehr eine
Causalität nach unwandelbaren Gesetzen, aber von besonderer Art sein; denn
sonst wäre ein freier Wille ein Unding. Die Naturnothwendigkeit war eine
Heteronomie der wirkenden Ursachen; denn jede Wirkung war nur nach dem Gesetze
möglich, daß etwas anderes die wirkende Ursache zur Causalität bestimmte; was
kann denn wohl die Freiheit des Willens sonst sein als Autonomie, d. i. die
Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein? Der Satz aber: der
Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das
Princip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein
allgemeines Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist
aber gerade die Formel des kategorischen Imperativs und das Princip der
Sittlichkeit: also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen
einerlei.
Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sittlichkeit
sammt ihrem Princip daraus durch bloße Zergliederung ihres Begriffs. Indessen
ist das letztere doch immer ein synthetischer Satz: ein schlechterdings guter
Wille ist derjenige, dessen Maxime jederzeit sich selbst, als allgemeines
Gesetz betrachtet, in sich enthalten kann, denn durch Zergliederung des
Begriffs von einem schlechthin guten Willen kann jene Eigenschaft der Maxime
nicht gefunden werden. Solche synthetische Sätze sind aber
nur dadurch möglich, daß beide Erkenntnisse durch die Verknüpfung mit einem
dritten, darin sie beiderseits anzutreffen sind, unter einander
verbunden werden. Der positive Begriff der Freiheit schafft dieses dritte,
welches nicht wie bei den physischen Ursachen die Natur der Sinnenwelt sein
kann (in deren Begriff die Begriffe von etwas als
Ursache in Verhältniß auf etwas anderes als Wirkung zusammenkommen). Was dieses
dritte sei, worauf uns die Freiheit weiset, und von dem wir a priori eine Idee
haben, läßt sich hier sofort noch nicht anzeigen und die Deduction des Begriffs
der Freiheit aus der reinen praktischen Vernunft, mit ihr auch die Möglichkeit
eines kategorischen Imperativs begreiflich machen, sondern bedarf noch einiger
Vorbereitung.
Freiheit muß als Eigenschaft des Willens aller
vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden.
Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus
welchem Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen
vernünftigen Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sittlichkeit
für uns bloß als vernünftige Wesen zum Gesetze dient, so muß sie auch für alle
vernünftige Wesen gelten, und da sie lediglich aus der Eigenschaft der Freiheit
abgeleitet werden muß, so muß auch Freiheit als Eigenschaft des Willens aller
vernünftigen Wesen bewiesen werden, und es ist nicht genug, sie aus gewissen
vermeintlichen Erfahrungen von der menschlichen Natur darzuthun (wiewohl dieses
auch schlechterdings unmöglich ist und lediglich a priori dargethan werden
kann), sondern man muß sie als zur Thätigkeit vernünftiger und mit einem Willen
begabter Wesen überhaupt gehörig beweisen. Ich sage nun: Ein jedes Wesen, das
nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in
praktischer Rücksicht wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze,
die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so als ob sein Wille
auch an sich selbst und in der theoretischen Philosophie gültig für frei
erklärt würde*). Nun behaupte ich: daß wir jedem vernünftigen Wesen, das einen
Willen hat, nothwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, unter der es
allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir uns eine Vernunft, die
praktisch ist, d. i. Causalität in Ansehung ihrer
Objecte hat. Nun kann man sich unmöglich eine Vernunft denken, die mit ihrem
eigenen Bewußtsein in Ansehung ihrer Urtheile anderwärts her eine Lenkung
empfinge, denn alsdann würde das Subject nicht seiner Vernunft, sondern einem
Antriebe die Bestimmung der Urtheilskraft zuschreiben. Sie muß sich selbst als
Urheberin ihrer Principien ansehen unabhängig von fremden Einflüssen, folglich
muß sie als praktische Vernunft, oder als Wille eines vernünftigen Wesens von
ihr selbst als frei angesehen werden; d. i. der Wille desselben kann nur unter
der Idee der Freiheit ein eigener Wille sein und muß also in praktischer
Absicht allen vernünftigen Wesen beigelegt werden.
Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit
anhängt.
Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee der Freiheit
zuletzt zurückgeführt; diese aber könnten wir als etwas Wirkliches nicht einmal
in uns selbst und in der menschlichen Natur beweisen; wir sahen nur, daß wir
sie voraussetzen müssen, wenn wir uns ein Wesen als vernünftig und mit
Bewußtsein seiner Causalität in Ansehung der Handlungen, d. i. mit einem
Willen, begabt uns denken wollen, und so finden wir, daß wir aus eben demselben
Grunde jedem mit Vernunft und Willen begabten Wesen diese Eigenschaft, sich
unter der Idee seiner Freiheit zum Handeln zu bestimmen, beilegen müssen.
Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewußtsein eines
Gesetzes zu handeln: daß die subjectiven Grundsätze der Handlungen d. i.
Maximen, jederzeit so genommen werden müssen, daß sie auch objectiv, d. i.
allgemein als Grundsätze, gelten, mithin zu unserer eigenen allgemeinen
Gesetzgebung dienen können. Warum aber soll ich mich denn
diesem Princip unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt,
mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen? Ich will einräumen,
daß mich hiezu kein Interesse treibt, denn das würde keinen kategorischen
Imperativ geben; aber ich muß doch hieran nothwendig ein Interesse nehmen und
einsehen, wie das zugeht; denn dieses Sollen ist eigentlich ein Wollen, das
unter der Bedingung für jedes vernünftige Wesen gilt, wenn die Vernunft bei ihm
ohne Hindernisse praktisch wäre; für Wesen, die wie wir noch durch Sinnlichkeit
als Triebfedern anderer Art afficirt werden, bei denen es nicht immer
geschieht, was die Vernunft für sich allein thun würde, heißt jene Nothwendigkeit
der Handlung nur ein Sollen, und die subjective Nothwendigkeit wird von der
objectiven unterschieden. Es scheint also, als setzten wir in der Idee der
Freiheit eigentlich das moralische Gesetz, nämlich das Princip der Autonomie
des Willens selbst, nur voraus und könnten seine Realität und objective
Nothwendigkeit nicht für sich beweisen, und da hätten wir zwar noch immer etwas
ganz Beträchtliches dadurch gewonnen, daß wir wenigstens das ächte Princip
genauer, als wohl sonst geschehen, bestimmt hätten, in Ansehung seiner
Gültigkeit aber und der praktischen Nothwendigkeit, sich ihm zu unterwerfen,
wären wir um nichts weiter gekommen; denn wir könnten dem, der uns fragte,
warum denn die Allgemeingültigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes, die einschränkende
Bedingung unserer Handlungen sein müsse, und worauf wir den Werth gründen, den
wir dieser Art zu handeln beilegen, der so groß sein soll, daß es überall kein
höheres Interesse geben kann, und wie es zugehe, daß der Mensch dadurch allein
seinen persönlichen Werth zu fühlen glaubt, gegen den der eines angenehmen oder
unangenehmen Zustandes für nichts zu halten sei, keine genugthuende Antwort
geben. Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönlichen Beschaffenheit ein
Interesse nehmen können, die gar kein Interesse des Zustandes bei sich führt,
wenn jene uns nur fähig macht, des letzteren theilhaftig zu werden, im Falle
die Vernunft die Austheilung desselben bewirken sollte, d. i. daß die bloße
Würdigkeit, glücklich zu sein, auch ohne den Bewegungsgrund, dieser
Glückseligkeit theilhaftig zu werden, für sich interessiren könne: aber dieses
Urtheil ist in der That nur die Wirkung von der schon vorausgesetzten
Wichtigkeit moralischer Gesetze (wenn wir uns durch die Idee der Freiheit von
allem empirischen Interesse trennen); aber daß wir uns von diesem trennen, d.
i. uns als frei im Handeln betrachten und so uns dennoch für gewissen Gesetzen
unterworfen halten sollen, um einen Werth bloß in unserer Person zu finden, der
uns allen Verlust dessen, was unserem Zustande einen Werth verschafft, vergüten
könne, und wie dieses möglich sei, mithin woher das moralische Gesetz verbinde,
können wir auf solche Art noch nicht einsehen. Es zeigt sich hier, man muß es
frei gestehen, eine Art von Cirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus zu
kommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der
wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter
sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher als diesen Gesetzen
unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens beigelegt haben; denn
Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin
Wechselbegriffe, davon aber einer eben um deswillen nicht dazu gebraucht werden
kann, um den anderen zu erklären und von ihm Grund anzugeben, sondern höchstens
nur, um in logischer Absicht verschieden scheinende Vorstellungen von eben
demselben Gegenstande auf einen einzigen Begriff (wie verschiedne Brüche
gleichen Inhalts auf die kleinsten Ausdrücke) zu bringen. Eine Auskunft bleibt
uns aber noch übrig, nämlich zu suchen: ob wir, wenn wir uns durch Freiheit als
a priori wirkende Ursachen denken, nicht einen anderen Standpunkt einnehmen,
als wenn wir uns selbst nach unseren Handlungen als Wirkungen, die wir vor
unseren Augen sehen, uns vorstellen.
Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben kein subtiles Nachdenken
erfordert wird, sondern von der man annehmen kann, daß sie wohl der gemeinste
Verstand, obzwar nach seiner Art durch eine dunkele Unterscheidung der
Urtheilskraft, die er Gefühl nennt, machen mag: daß alle Vorstellungen, die uns
ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), uns die Gegenstände nicht
anders zu erkennen geben, als sie uns afficiren, wobei, was sie an sich sein
mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was diese Art Vorstellungen betrifft,
wir dadurch auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die
der Verstand nur immer hinzufügen mag, doch bloß zur Erkenntniß der
Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen können. Sobald dieser
Unterschied (allenfalls bloß durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den
Vorstellungen, die uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind,
von denen, die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere
Thätigkeit beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß man hinter
den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, nämlich
die Dinge an sich, einräumen und annehmen müsse, ob wir gleich uns von selbst
bescheiden, daß, da sie uns niemals bekannt werden können, sondern immer nur,
wie sie uns afficiren, wir ihnen nicht näher treten und, was sie an sich sind,
niemals wissen können. Dieses muß eine, obzwar rohe, Unterscheidung einer
Sinnenwelt von der Verstandeswelt abgeben, davon die erstere nach Verschiedenheit
der Sinnlichkeit in mancherlei Weltbeschauern auch sehr verschieden sein kann,
indessen die zweite, die ihr zum Grunde liegt, immer dieselbe bleibt. Sogar
sich selbst und zwar nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung
von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an
sich selbst sei. Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen
Begriff nicht a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natürlich, daß er
auch von sich durch den innern Sinn und folglich nur durch die Erscheinung
seiner Natur und die Art, wie sein Bewußtsein afficirt wird, Kundschaft
einziehen könne, indessen er doch nothwendiger Weise über diese aus lauter
Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjects noch
etwas anderes zum Grunde Liegendes, nämlich sein Ich, so wie es an sich selbst
beschaffen sein mag, annehmen und sich also in Absicht auf die bloße
Wahrnehmung und Empfänglichkeit der Empfindungen zur Sinnenwelt, in Ansehung
dessen aber, was in ihm reine Thätigkeit sein mag, (dessen, was gar nicht durch
Afficirung der Sinne, sondern unmittelbar zum Bewußtsein gelangt) sich zur
intellectuellen Welt zählen muß, die er doch nicht weiter kennt. Dergleichen
Schluß muß der nachdenkende Mensch von allen Dingen, die ihm vorkommen mögen,
fällen; vermuthlich ist er auch im gemeinsten Verstande anzutreffen, der, wie
bekannt, sehr geneigt ist, hinter den Gegenständen der Sinne noch immer etwas
Unsichtbares, für sich selbst Thätiges zu erwarten, es aber wiederum dadurch
verdirbt, daß er dieses Unsichtbare sich bald wiederum versinnlicht, d. i. zum
Gegenstande der Anschauung machen will, und dadurch also nicht um einen Grad
klüger wird. Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermögen, dadurch er
sich von allen andern Dingen, ja von sich selbst, so
fern er durch Gegenstände afficirt wird, unterscheidet, und das ist die
Vernunft. Diese, als reine Selbstthätigkeit, ist sogar darin noch über den
Verstand erhoben: daß, obgleich dieser auch Selbstthätigkeit ist und nicht wie
der Sinn bloß Vorstellungen enthält, die nur entspringen, wenn man von Dingen
afficirt (mithin leidend) ist, er dennoch aus seiner Thätigkeit keine andere
Begriffe hervorbringen kann als die, so bloß dazu dienen, um die sinnlichen
Vorstellungen unter Regeln zu bringen und sie dadurch in einem Bewußtsein zu
vereinigen, ohne welchen Gebrauch der Sinnlichkeit er gar nichts denken würde,
da hingegen die Vernunft unter dem Namen der Ideen eine so reine Spontaneität
zeigt, daß sie dadurch weit über alles, was ihr Sinnlichkeit nur liefern kann,
hinausgeht und ihr vornehmstes Geschäfte darin beweiset, Sinnenwelt und
Verstandeswelt von einander zu unterscheiden, dadurch aber dem Verstande selbst
seine Schranken vorzuzeichnen. Um deswillen muß ein vernünftiges Wesen sich selbst
als Intelligenz (also nicht von Seiten seiner untern Kräfte), nicht als zur
Sinnen=, sondern zur Verstandeswelt gehörig, ansehen; mithin hat es zwei
Standpunkte, daraus es sich selbst betrachten und Gesetze des Gebrauchs seiner
Kräfte, folglich aller seiner Handlungen erkennen kann, einmal, so fern es zur
Sinnenwelt gehört, unter Naturgesetzen (Heteronomie), zweitens, als zur
intelligibelen Welt gehörig, unter Gesetzen, die, von der Natur unabhängig,
nicht empirisch, sondern bloß in der Vernunft gegründet sind. Als ein
vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen kann der Mensch
die Causalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der
Freiheit denken; denn Unabhängigkeit von den bestimmenden Ursachen der
Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit sich selbst beilegen muß) ist
Freiheit. Mit der Idee der Freiheit ist nun der Begriff der Autonomie
unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das allgemeine Princip der
Sittlichkeit, welches in der Idee allen Handlungen vernünftiger Wesen eben so
zum Grunde liegt, als das Naturgesetz allen Erscheinungen. Nun ist der
Verdacht, den wir oben rege machten, gehoben, als wäre ein geheimer Cirkel in
unserem Schlusse aus der Freiheit auf die Autonomie und aus dieser aufs
sittliche Gesetz enthalten, daß wir nämlich vielleicht die Idee der Freiheit
nur um des sittlichen Gesetzes willen zum Grunde legten, um dieses nachher aus
der Freiheit wiederum zu schließen, mithin von jenem gar keinen Grund angeben
könnten, sondern es nur als Erbittung eines Princips, das uns gutgesinnte
Seelen wohl gerne einräumen werden, welches wir aber niemals als einen
erweislichen Satz aufstellen könnten. Denn jetzt sehen wir, daß, wenn wir uns
als frei denken, so versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt und
erkennen die Autonomie des Willens sammt ihrer Folge, der Moralität; denken wir
uns aber als verpflichtet, so betrachten wir uns als zur Sinnenwelt und doch
zugleich zur Verstandeswelt gehörig. Wie ist ein
kategorischer Imperativ möglich? Das vernünftige Wesen zählt sich als Intelligenz zur Verstandeswelt, und bloß als eine zu
dieser gehörige wirkende Ursache nennt es seine Causalität einen Willen. Von
der anderen Seite ist es sich seiner doch auch als eines Stücks der Sinnenwelt
bewußt, in welcher seine Handlungen als bloße Erscheinungen jener Causalität
angetroffen werden, deren Möglichkeit aber aus dieser, die wir nicht kennen,
nicht eingesehen werden kann, sondern an deren Statt jene Handlungen als
bestimmt durch andere Erscheinungen, nämlich Begierden und Neigungen, als zur
Sinnenwelt gehörig eingesehen werden müssen. Als bloßen Gliedes der
Verstandeswelt würden also alle meine Handlungen dem Princip der Autonomie des
reinen Willens vollkommen gemäß sein; als bloßen Stücks der Sinnenwelt würden sie
gänzlich dem Naturgesetz der Begierden und Neigungen, mithin der Heteronomie
der Natur gemäß genommen werden müssen. (Die ersteren würden auf dem obersten
Princip der Sittlichkeit, die zweiten der Glückseligkeit beruhen.) Weil aber
die Verstandeswelt den Grund der Sinnenwelt, mithin auch der Gesetze derselben
enthält, also in Ansehung meines Willens (der ganz zur Verstandeswelt gehört)
unmittelbar gesetzgebend ist und also auch als solche gedacht werden muß, so
werde ich mich als Intelligenz, obgleich andererseits wie ein zur Sinnenwelt
gehöriges Wesen, dennoch dem Gesetze der ersteren, d. i. der Vernunft, die in
der Idee der Freiheit das Gesetz derselben enthält, und also der Autonomie des
Willens unterworfen erkennen, folglich die Gesetze der Verstandeswelt für mich
als Imperativen und die diesem Princip gemäße Handlungen als Pflichten ansehen
müssen. Und so sind kategorische Imperativen möglich, dadurch daß die Idee der
Freiheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht, wodurch, wenn
ich solches allein wäre, alle meine Handlungen der Autonomie des Willens
jederzeit gemäß sein würden, da ich mich aber zugleich als Glied der Sinnenwelt
anschaue, gemäß sein sollen, welches kategorische Sollen einen synthetischen
Satz a priori vorstellt, dadurch daß über meinen durch sinnliche Begierden
afficirten Willen noch die Idee ebendesselben, aber zur Verstandeswelt
gehörigen reinen, für sich selbst praktischen Willens hinzukommt, welcher die
oberste Bedingung des ersteren nach der Vernunft enthält; ungefähr so, wie zu
den Anschauungen der Sinnenwelt Begriffe des Verstandes, die für sich selbst
nichts als gesetzliche Form überhaupt bedeuten, hinzu kommen und dadurch
synthetische Sätze a priori, auf welchen alle Erkenntniß einer Natur beruht,
möglich machen. Der praktische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft bestätigt
die Richtigkeit dieser Deduction. Es ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht,
wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm
Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgung guter
Maximen, der Theilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens (und noch dazu mit
großen Aufopferungen von Vortheilen und Gemächlichkeit verbunden) vorlegt,
nicht wünsche, daß er auch so gesinnt sein möchte. Er kann es aber nur wegen
seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl in sich zu Stande bringen, wobei er
dennoch zugleich wünscht, von solchen ihm selbst lästigen Neigungen frei zu
sein. Er beweiset hiedurch also, daß er mit einem Willen, der von Antrieben der
Sinnlichkeit frei ist, sich in Gedanken in eine ganz andere Ordnung der Dinge
versetze, als die seiner Begierden im Felde der Sinnlichkeit, weil er von jenem
Wunsche keine Vergnügung der Begierden, mithin keinen für irgend eine seiner
wirklichen oder sonst erdenklichen Neigungen befriedigenden Zustand (denn
dadurch würde selbst die Idee, welche ihm den Wunsch ablockt, ihre
Vorzüglichkeit einbüßen), sondern nur einen größeren inneren Werth seiner
Person erwarten kann. Diese bessere Person glaubt er aber zu sein, wenn er sich
in den Standpunkt eines Gliedes der Verstandeswelt versetzt, dazu die Idee der
Freiheit, d. i. Unabhängigkeit von bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt, ihn
unwillkürlich nöthigt, und in welchem er sich eines guten Willens bewußt ist,
der für seinen bösen Willen als Gliedes der Sinnenwelt nach seinem eigenen
Geständnisse das Gesetz ausmacht, dessen Ansehen er kennt, indem er es
übertritt. Das moralische Sollen ist also eigenes
nothwendiges Wollen als Gliedes einer intelligibelen Welt und wird nur so fern
von ihm als Sollen gedacht, als er sich zugleich wie ein Glied der
Sinnenwelt betrachtet. Von der äußersten Grenze aller
praktischen Philosophie. Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. Daher kommen alle Urtheile über Handlungen als solche, die hätten geschehen sollen, ob sie gleich nicht
geschehen sind. Gleichwohl ist diese Freiheit kein
Erfahrungsbegriff und kann es auch nicht sein, weil er immer bleibt,
obgleich die Erfahrung das Gegentheil von denjenigen Forderungen zeigt, die
unter Voraussetzung derselben als nothwendig vorgestellt werden. Auf der
anderen Seite ist es eben so nothwendig, daß alles, was geschieht, nach
Naturgesetzen unausbleiblich bestimmt sei, und diese Naturnothwendigkeit ist
auch kein Erfahrungsbegriff, eben darum weil er den Begriff der Nothwendigkeit,
mithin einer Erkenntniß a priori bei sich führt. Aber dieser Begriff von einer
Natur wird durch Erfahrung bestätigt und muß selbst unvermeidlich vorausgesetzt
werden, wenn Erfahrung, d. i. nach allgemeinen Gesetzen zusammenhängende
Erkenntniß der Gegenstände der Sinne, möglich sein soll. Daher ist Freiheit nur
eine Idee der Vernunft, deren objective Realität an sich zweifelhaft ist, Natur
aber ein Verstandesbegriff, der seine Realität an
Beispielen der Erfahrung beweiset und nothwendig beweisen muß. Ob nun gleich
hieraus eine Dialektik der Vernunft entspringt, da in Ansehung des Willens die
ihm beigelegte Freiheit mit der Naturnothwendigkeit im Widerspruch zu stehen
scheint, und bei dieser Wegescheidung die Vernunft in speculativer Absicht den
Weg der Naturnothwendigkeit viel gebähnter und brauchbarer findet, als den der
Freiheit: so ist doch in praktischer Absicht der Fußsteig der Freiheit der
einzige, auf welchem es möglich ist, von seiner Vernunft bei unserem Thun und Lassen
Gebrauch zu machen; daher wird es der subtilsten Philosophie eben so unmöglich,
wie der gemeinsten Menschenvernunft, die Freiheit wegzuvernünfteln. Diese muß
also wohl voraussetzen: daß kein wahrer Widerspruch zwischen Freiheit und
Naturnothwendigkeit ebenderselben menschlichen Handlungen angetroffen werde,
denn sie kann eben so wenig den Begriff der Natur, als den der Freiheit
aufgeben. Indessen muß dieser Scheinwiderspruch wenigstens auf überzeugende Art
vertilgt werden, wenn man gleich, wie Freiheit möglich sei, niemals begreifen
könnte. Denn wenn sogar der Gedanke von der Freiheit sich selbst, oder der Natur, die eben so nothwendig ist, widerspricht, so
müßte sie gegen die Naturnothwendigkeit durchaus aufgegeben werden. Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entgehen, wenn das
Subject, was sich frei dünkt, sich selbst in demselben Sinne, oder in
eben demselben Verhältnisse dächte, wenn es sich frei nennt, als wenn es sich
in Absicht auf die nämliche Handlung dem Naturgesetze unterworfen annimmt.
Daher ist es eine unnachlaßliche Aufgabe der speculativen Philosophie:
wenigstens zu zeigen, daß ihre Täuschung wegen des Widerspruchs darin beruhe,
daß wir den Menschen in einem anderen Sinne und Verhältnisse denken, wenn wir
ihn frei nennen, als wenn wir ihn als Stück der Natur dieser ihren Gesetzen für
unterworfen halten, und daß beide nicht allein gar wohl beisammen stehen
können, sondern auch als nothwendig vereinigt in demselben Subject gedacht
werden müssen, weil sonst nicht Grund angegeben werden könnte, warum wir die
Vernunft mit einer Idee belästigen sollten, die, ob sie sich gleich ohne
Widerspruch mit einer anderen, genugsam bewährten vereinigen läßt, dennoch uns
in ein Geschäfte verwickelt, wodurch die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauche
sehr in die Enge gebracht wird. Diese Pflicht liegt aber bloß
der speculativen Philosophie ob, damit sie der praktischen freie Bahn schaffe.
Also ist es nicht in das Belieben des Philosophen gesetzt, ob er den
scheinbaren Widerstreit heben, oder ihn unangerührt lassen will; denn im
letzteren Falle ist die Theorie hierüber bonum vacans, in dessen Besitz sich
der Fatalist mit Grunde setzen und alle Moral aus ihrem ohne Titel besessenen
vermeinten Eigenthum verjagen kann. Doch kann man hier noch nicht sagen, daß
die Grenze der praktischen Philosophie anfange. Denn jene Beilegung der
Streitigkeit gehört gar nicht ihr zu, sondern sie fordert nur von der
speculativen Vernunft, daß diese die Uneinigkeit, darin sie sich in
theoretischen Fragen selbst verwickelt, zu Ende bringe, damit praktische
Vernunft Ruhe und Sicherheit für äußere Angriffe habe, die ihr den Boden,
worauf sie sich anbauen will, streitig machen könnten. Der Rechtsanspruch aber
selbst der gemeinen Menschenvernunft auf Freiheit des Willens gründet sich auf
das Bewußtsein und die zugestandene Voraussetzung der Unabhängigkeit der
Vernunft von bloß subjectiv= bestimmenden Ursachen, die insgesammt das
ausmachen, was bloß zur Empfindung, mithin unter die allgemeine Benennung der
Sinnlichkeit gehört. Der Mensch, der sich auf solche Weise als Intelligenz
betrachtet, setzt sich dadurch in eine andere Ordnung der Dinge und in ein
Verhältniß zu bestimmenden Gründen von ganz anderer Art, wenn er sich als
Intelligenz mit einem Willen, folglich mit Causalität, begabt denkt, als wenn
er sich wie ein Phänomen in der Sinnenwelt (welches er wirklich auch ist)
wahrnimmt und seine Causalität äußerer Bestimmung nach Naturgesetzen
unterwirft. Nun wird er bald inne, daß beides zugleich stattfinden könne, ja sogar müsse. Denn daß ein Ding in der Erscheinung (das
zur Sinnenwelt gehörig) gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen eben
dasselbe als Ding oder Wesen an sich selbst unabhängig ist, enthält nicht den
mindesten Widerspruch; daß er sich selbst aber auf diese zwiefache Art
vorstellen und denken müsse, beruht, was das erste betrifft, auf dem Bewußtsein
seiner selbst als durch Sinne afficirten Gegenstandes, was das zweite anlangt,
auf dem Bewußtsein seiner selbst als Intelligenz, d. i. als unabhängig im
Vernunftgebrauch von sinnlichen Eindrücken (mithin als zur Verstandeswelt
gehörig).
Daher kommt es, daß der Mensch sich eines Willens anmaßt, der nichts auf seine
Rechnung kommen läßt, was bloß zu seinen Begierden und Neigungen gehört, und
dagegen Handlungen durch sich als möglich, ja gar als nothwendig denkt, die nur
mit Hintansetzung aller Begierden und sinnlichen Anreizungen geschehen können.
Die Causalität derselben liegt in ihm als Intelligenz und in den Gesetzen der
Wirkungen und Handlungen nach Principien einer intelligibelen Welt, von der er
wohl nichts weiter weiß, als daß darin lediglich die Vernunft und zwar reine,
von Sinnlichkeit unabhängige Vernunft das Gesetz gebe, imgleichen da er
daselbst nur als Intelligenz das eigentliche Selbst (als Mensch hingegen nur
Erscheinung seiner selbst) ist, jene Gesetze ihn unmittelbar und kategorisch
angehen, so daß, wozu Neigungen und Antriebe (mithin die ganze Natur der
Sinnenwelt) anreizen, den Gesetzen seines Wollens als Intelligenz keinen
Abbruch thun kann, so gar, daß er die erstere nicht verantwortet und seinem
eigentlichen Selbst, d. i. seinem Willen, nicht zuschreibt, wohl aber die
Nachsicht, die er gegen sie tragen möchte, wenn er ihnen zum Nachtheil der
Vernunftgesetze des Willens Einfluß auf seine Maximen einräumte. Dadurch, daß
die praktische Vernunft sich in eine Verstandeswelt hinein denkt, überschreitet
sie gar nicht ihre Grenzen, wohl aber wenn sie sich hineinschauen,
hineinempfinden wollte. Jenes ist nur ein negativer Gedanke in Ansehung der
Sinnenwelt, die der Vernunft in Bestimmung des Willens keine Gesetze giebt, und
nur in diesem einzigen Punkte positiv, daß jene Freiheit als negative
Bestimmung zugleich mit einem (positiven) Vermögen und sogar mit einer
Causalität der Vernunft verbunden sei, welche wir einen Willen nennen, so zu
handeln, daß das Princip der Handlungen der wesentlichen Beschaffenheit einer
Vernunftursache, d. i. der Bedingung der Allgemeingültigkeit der Maxime als
eines Gesetzes, gemäß sei. Würde sie aber noch ein Object des Willens, d. i. eine
Bewegursache, aus der Verstandeswelt herholen, so überschritte sie ihre Grenzen
und maßte sich an, etwas zu kennen, wovon sie nichts weiß. Der Begriff einer
Verstandeswelt ist also nur ein Standpunkt, den die Vernunft sich genöthigt
sieht, außer den Erscheinungen zu nehmen, um sich selbst als praktisch zu
denken, welches, wenn die Einflüsse der Sinnlichkeit für den Menschen
bestimmend wären, nicht möglich sein würde, welches aber doch nothwendig ist,
wofern ihm nicht das Bewußtsein seiner selbst als Intelligenz, mithin als
vernünftige und durch Vernunft thätige, d. i. frei wirkende, Ursache
abgesprochen werden soll. Dieser Gedanke führt freilich die Idee einer anderen
Ordnung und Gesetzgebung, als die des Naturmechanismus, der die Sinnenwelt
trifft, herbei und macht den Begriff einer intelligibelen Welt (d. i. das Ganze
vernünftiger Wesen, als Dinge an sich selbst) nothwendig, aber ohne die
mindeste Anmaßung, hier weiter als bloß ihrer formalen Bedingung nach, d. i.
der Allgemeinheit der Maxime des Willens als Gesetz, mithin der Autonomie des
letzteren, die allein mit der Freiheit desselben bestehen kann, gemäß zu
denken; da hingegen alle Gesetze, die auf ein Object bestimmt sind, Heteronomie
geben, die nur an Naturgesetzen angetroffen werden und auch nur die Sinnenwelt
treffen kann. Aber alsdann würde die Vernunft alle ihre Grenze überschreiten,
wenn sie es sich zu erklären unterfinge, wie reine Vernunft praktisch sein
könne, welches völlig einerlei mit der Aufgabe sein würde, zu erklären, wie
Freiheit möglich sei. Denn wir können nichts erklären, als
was wir auf Gesetze zurückführen können, deren Gegenstand in irgend einer
möglichen Erfahrung gegeben werden kann. Freiheit aber ist eine bloße Idee,
deren objective Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht
in irgend einer möglichen Erfahrung dargethan werden kann, die also darum, weil
ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden
mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als
nothwendige Voraussetzung der Vernunft in einem Wesen, das sich eines Willens,
d. i. eines vom bloßen Begehrungsvermögen noch verschiedenen Vermögens,
(nämlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin nach Gesetzen der Vernunft
unabhängig von Naturinstincten zu bestimmen) bewußt zu sein glaubt. Wo aber
Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es
bleibt nichts übrig als Vertheidigung, d. i.
Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu
haben vorgeben und darum die Freiheit dreust für unmöglich erklären. Man kann
ihnen nur zeigen, daß der vermeintlich von ihnen darin entdeckte Widerspruch
nirgend anders liege als darin, daß, da sie, um das Naturgesetz in Ansehung
menschlicher Handlungen geltend zu machen, den Menschen nothwendig als
Erscheinung betrachten mußten und nun, da man von ihnen fordert, daß sie ihn
als Intelligenz auch als Ding an sich selbst denken sollten, sie ihn immer auch
da noch als Erscheinung betrachten, wo denn freilich die Absonderung seiner
Causalität (d. i. seines Willens) von allen Naturgesetzen der Sinnenwelt in
einem und demselben Subjecte im Widerspruche stehen würde, welcher aber
wegfällt, wenn sie sich besinnen und wie billig eingestehen wollten, daß hinter
den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde
liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, daß sie mit
denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen. Die
subjective Unmöglichkeit, die Freiheit des Willens zu erklären, ist mit der
Unmöglichkeit, ein Interesse*) ausfindig und begreiflich zu machen, welches der
Mensch an moralischen Gesetzen nehmen könne, einerlei; und gleichwohl nimmt er
wirklich daran ein Interesse, wozu wir die Grundlage in uns das moralische
Gefühl nennen, welches fälschlich für das Richtmaß unserer sittlichen
Beurtheilung von einigen ausgegeben worden, da es vielmehr als die subjective
Wirkung, die das Gesetz auf den Willen ausübt, angesehen werden muß, wozu
Vernunft allein die objectiven Gründe hergiebt.
Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich=afficirten vernünftigen
Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehört freilich ein Vermögen der Vernunft,
ein Gefühl der Lust oder des Wohlgefallens an der Erfüllung der Pflicht
einzuflößen, mithin eine Causalität derselben, die Sinnlichkeit ihren
Principien gemäß zu bestimmen. Es ist aber gänzlich unmöglich, einzusehen, d.
i. a priori begreiflich zu machen, wie ein bloßer Gedanke, der selbst nichts
Sinnliches in sich enthält, eine Empfindung der Lust oder Unlust hervorbringe;
denn das ist eine besondere Art von Causalität, von der wie von aller
Causalität wir gar nichts a priori bestimmen können, sondern darum allein die
Erfahrung befragen müssen. Da diese aber kein Verhältniß der Ursache zur
Wirkung, als zwischen zwei Gegenständen der Erfahrung an die Hand geben kann,
hier aber reine Vernunft durch bloße Ideen (die gar keinen Gegenstand für
Erfahrung abgeben) die Ursache von einer Wirkung, die freilich in der Erfahrung
liegt, sein soll, so ist die Erklärung, wie und warum uns die Allgemeinheit der
Maxime als Gesetzes, mithin die Sittlichkeit interessire, uns Menschen gänzlich
unmöglich. So viel ist nur Gewiß: daß es nicht darum für uns Gültigkeit hat,
weil es interessirt (denn das ist Heteronomie und Abhängigkeit der praktischen
Vernunft von Sinnlichkeit, nämlich einem zum Grunde liegenden Gefühl, wobei sie
niemals sittlich gesetzgebend sein könnte), sondern daß es interessirt, weil es
für uns als Menschen gilt, da es aus unserem Willen als Intelligenz, mithin aus
unserem eigentlichen Selbst Entsprungen ist; was aber zur bloßen Erscheinung
gehört, wird von der Vernunft nothwendig der Beschaffenheit der Sache an sich
selbst untergeordnet.
Die Frage also, wie ein kategorischer Imperativ möglich sei, kann zwar so weit
beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung angeben kann, unter der
er allein möglich ist, nämlich die Idee der Freiheit, imgleichen als man die
Nothwendigkeit dieser Voraussetzung einsehen kann, welches zum praktischen
Gebrauche der Vernunft, d. i. zur Überzeugung von der Gültigkeit dieses
Imperativs, mithin auch des sittlichen Gesetzes hinreichend ist, aber wie diese
Voraussetzung selbst möglich sei, läßt sich durch keine menschliche Vernunft
jemals einsehen. Unter Voraussetzung der Freiheit des Willens einer Intelligenz
aber ist die Autonomie desselben, als die formale Bedingung ,
unter der er allein bestimmt werden kann, eine nothwendige Folge. Diese
Freiheit des Willens vorauszusetzen, ist auch nicht allein (ohne in Widerspruch
mit dem Princip der Naturnothwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen
der Sinnenwelt zu gerathen) ganz wohl möglich (wie die speculative Philosophie
zeigen kann), sondern auch sie praktisch, d. i. in der Idee, allen seinen
willkürlichen Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernünftigen
Wesen, das sich seiner Causalität durch Vernunft, mithin eines Willens (der von
Begierden unterschieden ist) bewußt ist, ohne weitere Bedingung nothwendig. Wie
nun aber reine Vernunft ohne andere Triebfedern, die irgend woher sonst
genommen sein mögen, für sich selbst praktisch sein, d. i. wie das bloße
Princip der Allgemeingültigkeit aller ihrer Maximen als Gesetze (welches
freilich die Form einer reinen praktischen Vernunft sein würde) ohne alle
Materie (Gegenstand) des Willens, woran man zum voraus irgend ein Interesse
nehmen dürfe, für sich selbst eine Triebfeder abgeben und ein Interesse,
welches rein moralisch heißen würde, bewirken, oder mit anderen Worten, wie
reine Vernunft praktisch sein könne, das zu erklären, dazu ist alle menschliche
Vernunft gänzlich unvermögend, und alle Mühe und Arbeit, hievon Erklärung zu
suchen, ist verloren.
Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte,
wie Freiheit selbst als Causalität eines Willens möglich sei. Denn da verlasse ich den philosophischen Erklärungsgrund und habe
keinen anderen. Zwar könnte ich nun in der intelligibelen Welt, die mir
noch übrig bleibt, in der Welt der Intelligenzen, herumschwärmen; aber ob ich
gleich davon eine Idee habe, die ihren guten Grund hat, so habe ich doch von
ihr nicht die mindeste Kenntniß und kann auch zu dieser durch alle Bestrebung
meines natürlichen Vernunftvermögens niemals gelangen. Sie bedeutet nur ein
etwas, das da übrig bleibt, wenn ich alles, was zur Sinnenwelt gehört, von den
Bestimmungsgründen meines Willens ausgeschlossen habe, bloß um das Princip der
Bewegursachen aus dem Felde der Sinnlichkeit einzuschränken, dadurch daß ich es
begrenze und zeige, daß es nicht Alles in Allem in sich fasse, sondern daß
außer ihm noch mehr sei; dieses Mehrere aber kenne ich nicht weiter. Von der
reinen Vernunft, die dieses Ideal denkt, bleibt nach Absonderung aller Materie,
d. i. Erkenntniß der Objecte, mir nichts als die Form übrig, nämlich das praktische
Gesetz der Allgemeingültigkeit der Maximen und diesem gemäß die Vernunft in
Beziehung auf eine reine Verstandeswelt als mögliche wirkende, d. i. als den
Willen bestimmende, Ursache zu denken; die Triebfeder muß hier gänzlich fehlen;
es müßte denn diese Idee einer intelligibelen Welt selbst die Triebfeder oder
dasjenige sein, woran die Vernunft ursprünglich ein Interesse nähme; welches
aber begreiflich zu machen gerade die Aufgabe ist, die wir nicht auflösen
können.
Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung, welche aber zu
bestimmen, auch schon darum von großer Wichtigkeit ist, damit die Vernunft
nicht einerseits in der Sinnenwelt auf eine den Sitten schädliche Art nach der
obersten Bewegursache und einem begreiflichen, aber empirischen Interesse
herumsuche, andererseits aber, damit sie auch nicht in dem für sie leeren Raum
transscendenter Begriffe unter dem Namen der intelligibelen Welt kraftlos ihre
Flügel schwinge, ohne von der Stelle zu kommen, und sich unter Hirngespinsten
verliere. Übrigens bleibt die Idee einer reinen Verstandeswelt als eines ganzen
aller Intelligenzen, wozu wir selbst als vernünftige Wesen (obgleich
andererseits zugleich Glieder der Sinnenwelt) gehören, immer eine brauchbare
und erlaubte Idee zum Behufe eines vernünftigen Glaubens, wenn gleich alles
Wissen an der Grenze derselben ein Ende hat, um durch das herrliche Ideal eines
allgemeinen Reichs der Zwecke an sich selbst (vernünftiger Wesen), zu welchem
wir nur alsdann als Glieder gehören können, wenn wir uns nach Maximen der
Freiheit, als ob sie Gesetze der Natur wären, sorgfältig verhalten, ein
lebhaftes Interesse an dem moralischen Gesetze in uns zu bewirken.
Schlußanmerkung.
Der speculative Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Natur führt auf absolute
Nothwendigkeit irgend einer obersten Ursache der Welt; der praktische Gebrauch
der Vernunft in Absicht auf die Freiheit führt auch auf absolute
Nothwendigkeit, aber nur der Gesetze der Handlungen eines vernünftigen Wesens
als eines solchen. Nun ist es ein wesentliches Princip
alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntniß bis zum Bewußtsein ihrer
Nothwendigkeit zu treiben (denn ohne diese wäre sie nicht Erkenntniß der
Vernunft). Es ist aber auch eine eben so wesentliche Einschränkung eben
derselben Vernunft, daß sie weder die Nothwendigkeit dessen, was da ist, oder
was geschieht, noch dessen, was geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht eine
Bedingung, unter der es da ist oder geschieht oder geschehen soll, zum Grunde
gelegt wird. Auf diese Weise aber wird durch die beständige Nachfrage nach der
Bedingung die Befriedigung der Vernunft nur immer weiter aufgeschoben. Daher
sucht sie rastlos das Unbedingt=Nothwendige und sieht sich genöthigt, es
anzunehmen, ohne irgend ein Mittel, es sich begreiflich zu machen; glücklich
gnug, wenn sie nur den Begriff ausfindig machen kann, der sich mit dieser
Voraussetzung verträgt. Es ist also kein Tadel für unsere Deduction des
obersten Princips der Moralität, sondern ein Vorwurf, den man der menschlichen
Vernunft überhaupt machen müßte, daß sie ein unbedingtes praktisches Gesetz
(dergleichen der kategorische Imperativ sein muß) seiner absoluten
Nothwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann; denn daß sie dieses nicht
durch eine Bedingung, nämlich vermittelst irgend eines zum Grunde gelegten
Interesse, thun will, kann ihr nicht verdacht werden, weil es alsdann kein
moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit sein würde. Und so begreifen
wir zwar nicht die praktische unbedingte Nothwendigkeit des moralischen
Imperativs, wir begreifen aber doch seine Unbegreiflichkeit, welches alles ist,
was billigermaßen von einer Philosophie, die bis zur Grenze der menschlichen
Vernunft in Principien strebt, gefordert werden kann.
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