Friedrich II. von Hohenstaufen und sein geistiger Hintergrund

Friedrich II. verbrachte seine Kindheit und Jugend in Palermo auf der Insel Sizilien. Diese war in jener Zeit ein Schnittpunkt zwischen drei kulturellen Welten: Der lateinischen des Westens, der arabischen des Südens und der griechischen des Ostens. Alle drei Weltreligionen des Mittelmeerraumes trafen hier zusammen: Der Islam der Sarazenen, der Nachfahren der einstigen arabischen Herren der Insel, das Judentum und das Christentum sowohl in katholischem als auch in griechisch-orthodoxem Ritus. Am Hofe der Normannenkönige hatten sich Gelehrte aus allen diesen Kulturen versammelt. Friedrichs Großvater Roger hatte bedeutende Gelehrte wie den Araber Idrisi und den Griechen Doxopatrios gefördert, unter seinem Onkel Wilhelm beheimatete der normannische Hof eine bedeutende Übersetzerschule, deren Mitglieder hauptsächlich Werke antiker griechischer Autoren ins Lateinische übertrugen. Durch die Wirren während der Minderjährigkeit Friedrichs war hier allerdings ein merklicher Rückschritt eingetreten. Über die früheste persönliche Entwicklung des Hohenstaufen in dieser Welt liegen nur sehr unvollständige Berichte vor. So besteht zum einen die Theorie, Friedrich sei in der Zeit der fortdauernden höfischen Intrigen herumirrend bei den Bürgern Palermos aufgewachsen und habe von ihnen, darunter einem islamischen Geistlichen, dessen Rolle vor allem später gern bei arabischen Geschichtsschreibern betont wurde, die Grundlagen seiner Bildung erhalten. Zum anderen wird berichtet, daß seine Erziehung im großen und ganzen doch in "geordneten" Bahnen verlaufen sei, teils durch die nach Sizilien gesandten päpstlichen Legaten, teils durch einen ständigen Erzieher, Guglielmo Francesco. In jedem Falle sind in dieser Zeit die Grundlagen für seine oft bewunderte Vielsprachigkeit gelegt worden. Friedrich beherrschte das Lateinische, Italienische ( im sizilischen Dialekt ), das Deutsche, Französische, Provenzalische, Griechische, Arabische und eventuell auch das Hebräische.

Es ist sicherlich interessant, das persönliche Verhältnis Friedrichs II. zu den beiden nichtchristlichen Weltreligionen zu untersuchen. Dabei fällt auf, daß die oft gerühmte Toleranz Andersgläubigen gegenüber bei ihm dort aufhörte, wo sie den Erfordernissen des Staates hinderlich zu werden drohte. Besonders gut läßt sich dies am Beispiel des Umgangs mit den noch im Königreich Sizilien verbliebenen Sarazenen darstellen. Diese hatten 1222 einen Aufstand gewagt, der von Friedrich niedergeworfen wurde. Dabei ging er auch persönlich recht grausam gegen den Anführer der Sarazenen vor. Die überlebenden Aufständischen wurden auf das italienische Festland, nach Lucera, deportiert. Dort allerdings wurde ihnen die freie Ausübung der islamischen Riten gestattet, was Friedrich in nicht geringe Schwierigkeiten mit der Kurie brachte. Die dankbaren Moslems stellten in der Folgezeit die gefürchtete Leibgarde des Kaisers. Allerdings stellen sie in seinen Beziehungen zu Moslems einen Sonderfall dar, da sie keineswegs mehr als die Blüte der islamischen Geisteswelt angesehen werden konnten. Es finden sich aber viele der Sarazenen im Hofdienst Friedrichs II. , sei es als Mitglieder des oft bestaunten "Harems", sei es aber auch unter den Beamten des Kaisers, wie Johannes Morus.

Ein weiteres Bild seines Verhältnisses zum Islam vermitteln die Vorgänge während und nach dem Kreuzzug, den Friedrich 1228/29 unternahm. Nicht nur, daß er Jerusalem allein auf dem Wege von Verhandlungen mit dem Ayyubiden Malik al-Kamil gewann, sondern daß er darüber hinaus die verbliebenen Moslems in der Stadt aktiv in seinen Schutz nahm und ihre Heiligtümer besuchte , ließ einen arabischen Chronisten zu dem Schluß kommen, "daß er Materialist war und mit dem Christentum nur ein Spiel trieb". Friedrich knüpfte auf dem Kreuzzug auch persönliche Freundschaftsbande zu Malik al-Kamil und dem Emir Fakhr ed-Din, die sich noch bis zum Tode der beiden erhielten und teilweise noch mit ihren Söhnen fortgesetzt wurden. Er machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Absolutismus in der Herrschaft der orientalischen Sultane, der seiner Auffassung von der Kaiserwürde in vielem entsprach, und er lobte die Rollenverteilung zwischen dem geistigen Oberhaupt der Moslems, dem Kalifen, und ihren weltlichen Herrschern. Daraus läßt sich allerdings keine religiöse Vorliebe für den Islam ableiten, auch wenn seine genannten Kontakte von seinen Gegnern, vor allem dem Papst, mit Vorliebe so ausgelegt wurden. Einige der Bestandteile des Islam hätten einen "Materialisten", wie Friedrich genannt wurde, womöglich noch mehr abgestoßen als manche Elemente des Christentums. Da war das Gleichnis von den drei Betrügern Mohammed, Moses und Jesus, das ihm ganz offensichtlich zu Unrecht zugeschrieben wurde, eher noch nach seiner Art.

Auch Friedrichs Einstellung zum Judentum wurde zumeist von herrschaftspraktischen Beweggründen bestimmt. Zum einen bekräftigte und verschärfte er den Juden gegenüber diskriminierende Maßnahmen, wie die Bart- und Kleiderordnung, zum anderen erlaubte er ihnen eine nahezu unbeschränkte Ausübung ihrer Religion. Ihnen wurden, vor allem im Königreich Sizilien, zahlreiche Wirtschaftsmonopole verliehen, gleichzeitig wurde das Prinzip der unmittelbaren Kammerknechtschaft der Juden vor allem gegen die kirchlichen Ansprüche durchgesetzt. Die Juden wurden vom Kaiser gegen die häufigen aus Vorurteilen resultierenden Anschuldigungen in Schutz genommen, so gegen den Vorwurf des Ritualmordes. Von einer rechtlichen Gleichberechtigung mit den christlichen Bürgern zu sprechen, ist allerdings verfehlt. Ein Beispiel dafür ist die unterschiedliche Bußgeldsumme für einen ermordeten Juden oder Sarazenen, die nur die Hälfte der Summe betrug, die für einen Christen zu zahlen war. Auch war es einem Christen bei schwerer Strafe untersagt, zur Religion der Juden oder Moslems zu konvertieren, während der Übertritt in umgekehrter Richtung zumindest straffrei, wenn auch aus wirtschaftlichen Gründen kaum erwünscht war.

In gewissem Gegensatz zu Friedrichs II. weitgehender Toleranz gegenüber den fremden Religionen steht seine Politik gegenüber abweichenden Richtungen in seiner eigenen Religion, dem Christentum. Obwohl Friedrich II. zweimal in seinem Leben für eine insgesamt sehr lange Zeit vom Papst mit dem Bann belegt war, hat er sich nie mit den anderen Feinden der Papstkirche solidarisiert. Die Geschichte, die von seiner Ablehnung des Bündnisangebotes der Katharer während der Belagerung der Stadt Faenza 1240/41 berichtet, ist ein beredtes Zeugnis dafür. Der Gedanke, die bestehende Kirche durch eine neue, wahre Alternative zu ersetzen, lag dem Kaiser fern, der einen Großteil seiner Legitimation aus der bestehenden Kirche und ihren Traditionen bezog. Die Kritikpunkte des Kaisers an der römischen Kirche beschränkten sich auf die Verurteilung der päpstlichen Übergriffe in seine Sphäre, die des weltlichen Schwertes, der Vernachlässigung der eigentlichen Aufgaben der Kirche und des Strebens nach Reichtum anstelle des Armutsideals der Urkirche. Die Abschaffung des Papsttums lag ihm fern.

Des weiteren konnte das Papsttum, einmal auf seine geistigen Funktionen beschränkt, eine bedeutende Stütze des Kaisertums sein. Vor allem auf dem Gebiet der Ketzerverfolgung war es darüber hinaus auf die Unterstützung der weltlichen Macht angewiesen, und so bot sich hier die Gelegenheit, dem Papst entgegenzukommen und gleichzeitig Zugeständnisse zu erlangen. Friedrich II. erließ insgesamt vier große Ketzergesetze: Eines davon für das ganze Imperium anläßlich seiner Kaiserkrönung 1220, ein zweites speziell für die Lombardei 1224, ein drittes für Sizilien innerhalb der Konstitutionen von Melfi 1231, und ein letztes für Italien und das Arelat 1238. Insbesondere das Gesetz von 1224 hat ausgesprochen politische Ursachen. Die Häresien der Katharer und Patarener waren in den oberitalienischen Städten besonders stark, und sie hatten die Unterstützung einflußreicher städtischer Kreise erworben. Wenn Friedrich gegen diese Häretiker vorzugehen gelobte, so gab dies der Austragung der ohnehin vorhandenen Streitigkeiten mit den lombardischen Städten den Nimbus eines religiös motivierten Krieges, ja eines Kreuzzuges, vergleichbar mit dem gegen die Albigenser in Südfrankreich.

Im Verständnis des Papstes zu jener Zeit lag Häresie bei drei Vergehen vor: Dem Abfall vom rechten Glauben, der Bestreitung der Autorität des Papstes und der Anhängerschaft an das schismatische Christentum des griechischen Ostens. Nur gegen die erste Art der Häresie richten sich die Ketzergesetze Friedrichs II. Die beiden anderen Arten, vor allem die zweite, beging er der Ansicht des Papsttums dagegen selbst, indem er beständig den Übergriffen des Papstes trotzte und gute Beziehungen zum griechischen Kaiser unterhielt, mit dem er sogar eine seiner Töchter vermählte.

Friedrich II. dagegen dehnte den Tatbestand der Häresie auf den politischen Bereich aus. Ketzerei wurde gleichgesetzt mit Majestätsverbrechen, da der katholische Glauben als "Staatsreligion", als Quelle der Autorität des Kaisers angesehen wurde. Diese Gleichsetzung wirkte sich dann später so aus, daß nicht nur Ketzer als Staatsverbrecher, sondern auch umgekehrt Staatsverbrecher als Ketzer behandelt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Auch hieraus läßt sich erkennen, daß die Bekämpfung der Häresie für Friedrich II. zuallererst eine Aufgabe war, die überwiegend politischen und staatsstützenden Charakter hatte.

Ein anderer Aspekt des Geisteslebens Friedrichs II. ist sein Verhältnis zur Dichtung seiner Zeit. Der Hof des Kaisers beherbergte eine Dichterschule, die nach seinem Aufenthaltsbereich in Unteritalien die sizilianische genannt wurde. Dies war an sich nicht ungewöhnlich, denn auch die Höfe anderer Fürsten wurden von einer Vielzahl fahrender Dichter und Sänger bevölkert, und die Dichtkunst der provenzalischen Troubadoure und deutschen Minnesänger hatte ihren Höhepunkt bereits erreicht. Auch Friedrichs Vater Heinrich VI. hatte zu den Verfassern ritterlicher Liebesdichtung gezählt, und eine Vielzahl arabischer und griechischer Dichter hatte es an den Hof seines Großvaters Roger gezogen. Friedrich II. war von alledem nicht unberührt geblieben, es wird angenommen, daß er die bekanntesten Werke der Ritterpoeten, wie den Tristan, den Lanzelot, Palamides und Merlin kannte und mit dem Werk der Troubadoure, deren Sprache er seit der Kindheit beherrschte, vertraut war. An diese Formen hielten sich denn auch weitgehend die sizilianischen Dichter, so daß man von ihnen wohl zu recht von den Epigonen der Minnesänger und Troubadoure sprechen kann. Grundlegende Unterschiede zu diesen ergaben sich allerdings zum einen aus der vorherrschenden Sprache der Dichtung, zum anderen aus der sozialen Stellung der Dichter. Die Verwendung der italienischen Volkssprache, des Volgare in seinem sizilianischen Dialekt, findet hier zum ersten Mal statt. Freilich wurde auch weiterhin in Lateinisch und Griechisch gedichtet, allerdings hauptsächlich im Rhetorikunterricht im Umfeld der kaiserlichen Kanzlei. Dem Dichterkreis um Friedrich II. wird auch die Erfindung der Versform des Sonetts zugesprochen, verbürgt ist sie zum ersten Mal bei dem kaiserlichen Notar Giacomo da Lentini. Eine Gattung der Troubadourlyrik fehlt allerdings in den Werken der sizilianischen Schule: Die sirventes, satirische Spottlieder über einen tölpelhaften Fürsten. Dies war ein Bild, das Friedrich II. keineswegs von sich entstehen lassen mochte. Er selbst ist auch als Verfasser von mindestens drei Kanzonen bekannt, die in der Tradition des Minnesangs stehen.

Friedrich II. besaß eine tiefe Abneigung gegen fahrende Spielleute und Dichter. Deshalb verwundert es nicht, daß die überwiegende Mehrheit der Dichter an seinem Hofe auch Verwaltungsämter bekleideten oder sogar zunächst nur Beamte waren, die neben ihrem Amt auch noch dichteten und sangen. Die beamteten Dichter waren ebenfalls, wie zum Beispiel Ruggero de Amicis, für den Kaiser in diplomatischen Missionen unterwegs.

Unter der Regierung Friedrichs wurden im Königreich Sizilien auch einige bemerkenswerte Bauwerke errichtet. Darunter befanden sich, für Friedrich charakteristisch, im Gegensatz zu seinen normannischen Vorgängern nur sehr wenige Kirchen. Auch konzentrierte sich die Bauherrentätigkeit Friedrichs auf wenige markante Einzelprojekte, unter anderem das Triumphtor in Capua und seine apulischen Jagdschlösser, von denen das Castel del Monte das bekannteste ist. An vielen anderen Gebäuden ließ er nur die nötigsten Baumaßnahmen durchführen, wie die Befestigung gegen Wetterunbilden. Diejenigen Gebäude, denen er sich persönlich widmete, geben dann aber auch Einblick in seine individuellen Anschauungen.

Das Triumphtor in Capua spiegelt einen Teil seiner Kaiseridee wider - die Kombination der Statuen des Kaisers und der Justitia verrät das Grundanliegen Friedrichs, als Herrscher die universale Gerechtigkeit zu verkörpern. Die Gestaltung des Tors ist eng an die Triumphbögen der römischen Cäsaren angelehnt und nimmt auch ihr Erbe für den Kaiser in Anspruch.

Das bestimmende Merkmal, das das Castel del Monte von ähnlichen Bauten seiner Zeit unterscheidet, ist das Vorherrschen der Form des Oktogons in allen seinen architektonischen Merkmalen. Diese Bauform ist zum einen die des Felsendoms in Jerusalem, den Friedrich anläßlich seines Kreuzzuges 1229 selbst besichtigt hat, zum anderen ist die Bedeutung der Zahl acht in der mittelalterlichen Symbolik die Unendlichkeit, die Ewigkeit. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß er diesem Prinzip, über das er öfters seine Philosophen befragte, in diesem Schloß - das im übrigen wiederum keine Kapelle aufwies - materielle Gestalt verleihen wollte.

Friedrichs Verhältnis zu den Wissenschaften seiner Zeit war ungewöhnlich. Er stand in häufiger Korrespondenz zu bedeutenden Gelehrten des Mittelmeerraumes und verstand es auch, einige von ihnen zeitweise oder dauerhaft an seinen Hof zu ziehen. Unter deren bedeutendsten Vertretern war Michael Scotus, der von der berühmten Übersetzerschule aus Toledo kam, wo die Werke des Aristoteles ins Lateinische übertragen wurden, und als Hofastrologe und -philosoph in die Dienste des Kaisers trat. Neben Übersetzungsarbeiten, vor allem an den Aristoteles-Kommentaren des Averroes, berechnete er für den Kaiser die Entfernung von einem Kirchturm zum Himmel und beantwortete dessen Fragen zur Natur des Himmels, der Höllen, des Fegefeuers, des göttlichen Hofzeremoniells und der Natur der Seele. Diese Fragen verrieten die ganz und gar konkrete Sichtweise Friedrichs auf theologische Dinge, ganz so, als frage er einen weitgereisten Menschen nach der Natur ferner Länder.

Scotus Nachfolger als Hofphilosoph und -astrologe nach dessen Tod wurde der Syrier Theodor von Antiochien, der in Bagdad und Mossul studiert hatte und so die arabische Geisteswelt an Friedrichs Hof mitbrachte. Sein Schüler hier wurde Petrus Hispanus, der spätere Papst Johannes XXI., der die "Summulae logicae" verfaßte, das klassische Schulbuch der Logik . Die Kunst der lateinischen Rhetorik wurde am Hofe Friedrichs II. zu einer letzten großen Blüte gebracht. Ihr Hauptvertreter war Petrus de Vinea, auch italienisch Piero della Vigna genannt. Sein Amt war das eines Kanzlers und Logotheten nach byzantinischer Tradition, das heißt, er "setzte" die Worte seines Herrschers, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Bereich. Der Stil seiner Kanzlei, vor allem in den Manifesten der Auseinandersetzung mit dem Papsttum, wurde noch Jahrzehnte später von den Kanzleien europäischer Fürsten nachgeahmt. Petrus de Vinea war auch der befähigteste Jurist am Hofe Friedrichs II., ihm wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ausarbeitung der Konstitutionen von Melfi zugeschrieben.

Auch der Mathematiker Leonardo Fibonacci, dessen große Verdienste um die Einführung der arabischen Zahlen in Europa unbestritten sind, spielte eine Rolle im Leben Friedrichs II., wenn er auch nie an seinem Hofe tätig war. Der Kaiser richtete an ihn einige schwierige mathematische Probleme seiner Zeit betreffende Fragen, die Leonardo zu seiner Zufriedenheit löste. Er widmete eines seiner Werke, das "Liber Quadratorum", dem Kaiser.

Auch jüdische Gelehrte wirkten am sizilischen Hof, wie Jakob Anatoli und Moses ben Samuel ibn Tibbon, Jehuda ben Salomon Cohen, Jakob ben Abbamari und Moses ben Salomon. Diese übersetzten und kommentierten Werke der griechischen, jüdischen und arabischen Philosophen, wie des Aristoteles, des Ptolemäus, des Maimonides und des Averroes. Besonders die Beschäftigung mit dem letzteren muß so außerordentlich gewesen sein, daß die Legende über Friedrich II. berichtete, daß die Söhne des Averroes selbst an seinem Hofe gelebt hätten.

Berühmtheit haben aber vor allem die Fragen Friedrichs II. an den in Spanien lebenden arabischen Philosophen Ibn Sabin erlangt. Diejenigen davon, die als vom Kaiser herrührend bezeichnet werden, befassen sich mit Problemen der Optik und der Physiologie, die anderen umfassen Probleme der aristotelischen Philosophie und ihrer Vereinbarkeit mit dem christlichen beziehungsweise moslemischen Glauben, so die Frage nach der Ewigkeit der Welt, der Unsterblichkeit der Seele, dem Zweck der Metaphysik und ihrer Kategorien und letztlich nach der Interpretation einer Koranstelle. Besonders die nach der Ewigkeit der Welt und der Unsterblichkeit der Seele waren dabei Fragen, die die gesamte geistige Welt bewegten, die sich zu jener Zeit mit dem Werk des Aristoteles auseinandersetzte. Auch Philosophen wie Averroes und Maimonides zerbrachen sich darüber die Köpfe. Friedrich erschien seinen Zeitgenossen in diesem Zusammenhang als Skeptiker, der nicht an die unsterbliche Seele glaubte, weshalb ihn Dante auch in seiner "Göttlichen Komödie" in die Hölle unter die Epikureer versetzte, die diese Auffassung vertraten.

Nicht zu vergessen ist auch Friedrichs Rolle als Universitätspatron. Die Universität von Neapel, die er 1224 gründete, und die medizinische Hochschule von Salerno standen stark unter seinem Einfluß. Allerdings war erstere eine auf die Ausbildung von Juristen und Notaren spezialisierte Lehranstalt, ihre geistige Regsamkeit auf philosophischem Gebiet hielt sich daher eher in Grenzen. Auch die Mediziner in Salerno empfanden Friedrichs Einmischungen als überwiegend lähmender Natur und verloren ihren Vorrang bald an weniger stark reglementierte Schulen wie die von Montpellier.

Friedrich II. ließ auch selbst, um seinen Wissensdrang zu befriedigen, einige Experimente durchführen. Überliefert ist der Versuch, Kinder von jeder Sprachvermittlung durch die Außenwelt abzuschneiden, um herauszufinden, ob sie beginnen würden, die nach der Bibel menschliche Ursprache, das Hebräische, oder eine andere Sprache zu sprechen. Auch ließ er, um den Fortgang der menschlichen Verdauung zu ergründen, zwei Männer nach dem Essen unterschiedliche Tätigkeiten ausüben und stellte dann aufgrund ihres Mageninhalts fest, daß Ruhe der Verdauung zuträglich sei. In einem letzten Versuch ging es wieder um sein bevorzugtes Thema, die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele. Ein Mann wurde in einem Faß eingeschlossen und sterben gelassen, um zu sehen, ob seine Seele das Faß verlassen würde. Diese und noch zahlreiche andere Versuche lassen erkennen, daß Friedrich mit den eigenen Sinnen auf der Suche nach dem war, was hinter den Dingen stand, ganz im Gegensatz zu einer Vielzahl herkömmlicher christlicher Gelehrter, die zu ihrem Grundsatz wohl das Wort des heiligen Augustin gewählt hatte, daß er begierig sei, Gott und seine Seele kennenzulernen und sonst nichts, die in ihren Büchern nur von den Aussagen meist biblischer Autoritäten ausgingen und die empirische Methode entweder gar nicht kannten oder sie in Befolgung kirchlicher Regeln als schwere Sünde betrachteten.

In diesem Zusammenhang ist auch das von Friedrich II. selbst verfaßte Werk über die Falknerei, "De arte venandi cum avibus", zu bewerten. Dieses Buch, das der Kaiser nach dem Vorbild arabischer Falkenbücher, so dem des Moamyn, das Theodor von Antiochien für ihn übersetzt hatte, schrieb, beruhte ganz und gar auf seinen persönlichen Erfahrungen. Sein Vorhaben, das er im Vorwort darlegte, war, "sichtbar zu machen die Dinge, die sind, so wie sie sind". Um dieses zu verwirklichen, scheute er sich auch nicht, weithin anerkannte Autoritäten wie etwa Aristoteles und Plinius zu korrigieren, sofern deren Angaben sich nicht mit seinen eigenen Erfahrungen deckten. Der Unterschied zu anderen Büchern über Tiere in seiner Zeit, wie dem Physiologus, der etwas früher als das Falkenbuch entstanden war, oder anderen christlich-mittelalterlichen Abhandlungen zu diesem Thema, ist nicht zu übersehen.

Ein letztes Thema, das über den geistigen Hintergrund Friedrichs Auskunft gibt, ist die Entwicklung seiner Kaiseridee.

Friedrich war von seiner Herkunft her einerseits Erbe des deutsch-germanischen Sakralkönigtums, das sich auf die Tradition Karls des Großen berief. Er war in Aachen auf dessen Thron gekrönt worden und sah sich nicht nur als Rechtsnachfolger, sondern auch als direkter Nachfahre des großen Frankenherrschers. Andererseits war er Nachfahre der normannischen Könige, von Emporkömmlingen, die, um dieses Merkmal zu überdecken, um so mehr Wert auf die Idee legten, daß sie als Könige direkt von Gott eingesetzt worden waren. Sie konkurrierten in der Repräsentanz mit den direkten Nachfolgern der römischen Cäsaren, den Kaisern von Byzanz.

Beide Traditionslinien wurden von Friedrich fortgeführt. Er erweiterte sie allerdings maßgeblich. Sein Herrscheramt war für ihn das der römischen Cäsaren, die Universalmonarchie. Seine Mutter hatte ihn ursprünglich auf den Namen Konstantin taufen lassen wollen, und dieser römische Imperator wie auch andere, wie Augustus und Justinian, waren seine Vorbilder. Der Verweltlichung des Papsttums, das ebenfalls Ansprüche auf das Erbe der römischen Kaiser anmeldete, setzte er die ursprünglich heidnisch-römische Idee des Gottkaisertums entgegen. Für das Reich verwendete er den Namen "sacrum imperium", den zum ersten Mal sein Großvater Friedrich Barbarossa geprägt hatte, er selbst bezeichnete sich zwar nicht als "sanctus", wie Petrus de Vinea ihn einmal nannte, wohl aber mit "divus", einem Titel, wie ihn bis dahin nur verstorbene Kaiser erhalten hatten. Bereitwillig griff er Aussagen von Propheten auf, die in ihm den neuen Messias der Eschatologie, den Endzeitkaiser, sahen. Aber auch die höchsten Formen der heidnisch-antiken Verehrung, wie seine Gleichsetzung mit der Sonne und die Bezeichnung als Herr der Elemente und Urform des Guten, erscheinen in seinem Umfeld.

Im Zusammenhang mit seiner göttlichen Sendung sah er es als seine vornehmste Aufgabe an, für Gerechtigkeit auf Erden zu sorgen. Er bezeichnete sich selbst als lex animata in terris. Außerdem gebrauchte er den Begriff der "necessitas", der Naturnotwendigkeit der Herrschaft, der der Philosophie des Aristoteles entlehnt ist. Die Konstitutionen von Melfi und ihre praktische Durchsetzung in Sizilien entsprechen diesen beiden Ideen. Die Wiedereinführung des Rechts der "defensa", das heißt der persönlichen Verteidigung eines jeden kaiserlichen Untertans allein durch die Ausrufung des Namens des Kaisers, zeigt noch einmal die Vorstellung von der gottgleichen Allgegenwart der Macht des Kaisers Friedrich II..
 

Verzeichnis der verwendeten Literatur zum Thema Friedrich II.
 
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von den Steinen, Wolfram, Staatsbriefe Friedrichs II., Breslau 1923.
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