Die Deutsche Arbeitsfront -
    das Vorbild für die deutsche Einheitsgewerkschaft ?
Fragestellung

Mit der vorliegenden Arbeit verfolge ich die Absicht, das Problem des Einflusses, den das Beispiel der Deutschen Arbeitsfront auf die einheitsgewerkschaftlichen Bestrebungen des Exils, des Widerstandes und der ersten Gewerkschaftsgründer der Nachkriegszeit ausübte, überblicksartig darzulegen. Der Haupttitel ist bewußt in Frageform gehalten, da eine ausführliche und zu abschließenden Ergebnissen führende Untersuchung den Rahmen einer Hauptseminararbeit sowohl dem Umfang als auch dem nötigen Aufwand nach bei weitem sprengen würde.

Das Thema dieser Arbeit ist in der Literatur, die ich im Laufe meiner Vorbereitungen einsehen konnte, nur selten Gegenstand von eigenständigen Darstellungen. Einzig der neuere Aufsatz von Siegfried Mielke und Peter Rütters beschäftigt sich speziell mit dem möglichen Vorbildcharakter der DAF, und auch hier beschränkt man sich fast ausschließlich auf den gewerkschaftlichen Aufbau in den drei westlichen Besatzungszonen. In den übrigen Darstellungen zu Einzel- und Gesamtfragen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte, die sich auf meiner Literaturliste finden, trifft man Aussagen über die Beziehungen zwischen der DAF und ihren gewerkschaftlichen Gegenspielern und Nachfolgern nur im Zusammenhang mit anderen Themenschwerpunkten, und selbst dann bevorzugt unkommentiert, unkritisch und/oder in Nebensätzen.

Zudem fiel mir in der verwendeten Literatur auf, daß bei der Darstellung der DAF einerseits und der ,freien‘ Gewerkschafter aller Couleur andererseits eine meines Erachtens nicht objektiv zu nennende Schwarz-Weiß-Malerei stattfindet. Wo das völkisch-nationale Pathos des Führerkreises der deutschen Gewerkschaften als durch die widrigen politischen Umstände bedingt entschuldigt wird, muß sich gleichzeitig ein DAF-Funktionär, der trotz entgegenlautender Anweisungen von oben gewerkschaftliche Aufgaben ausführt, mit Maßstäben messen lassen, vor denen manch bundesrepublikanischer Gewerkschafter kläglich zu versagen drohte. Dies mögen Extrembeispiele sein, doch werden daran vielleicht die Schwierigkeiten deutlich, die sich mir bei der Materialbeschaffung für diese Arbeit in den Weg stellten.

Das im folgenden angestrebte Ziel soll natürlich nicht der Versuch sein, die DAF als organischen Bestandteil der deutschen Gewerkschaftsgeschichte darzustellen und eine bruchlose Traditionslinie von der nationalsozialistischen Massenorganisation zu den Arbeitnehmervertretungen der Nachkriegszeit zu konstruieren. Nichtsdestoweniger sollen jedoch erkennbare Auswirkungen des Modells DAF auf die Vorstellungen ihrer Gegner auch nicht aufgrund einer Form von übertriebener political correctness elegant zur Seite geschoben werden, sondern die Erwähnung finden, die ihnen meiner Meinung nach gebührt.

Im Zusammenhang mit einem möglichen Einfluß der DAF auf die Pläne der oppositionellen Gewerkschafter ergaben sich folgende Fragen:

Es sei vorausgeschickt, daß aufgrund der Materiallage eine Beantwortung aller Fragen in gleicher Gewichtung nicht möglich war. So waren Informationen zur personellen Kontinuität nahezu nicht existent, während für die ,Attraktivitätsfaktoren‘ der DAF die Grundlage zufriedenstellender ist.

Ich habe für die Darstellung der Übersichtlichkeit halber eine weitgehend chronologische Form gewählt. Beginnen werde ich mit einer Skizzierung der Einheitspläne seit 1918, die ich in ihren verschiedenen Formen als ,gemeinsame Wurzeln‘ sowohl der DAF als auch der Nachkriegsgewerkschaften bezeichnen möchte.

Bemühungen um die Einheitsgewerkschaft vor 1933

Die ersten Ansätze zur Vereinheitlichung der deutschen Gewerkschaftsbewegung sind beinahe so alt wie die Existenz unterschiedlicher Richtungsgewerkschaften. Nachdem sich sozialistische, christliche und national-liberale Arbeitnehmerverbände in ihrer mehr oder weniger endgültigen Form konstituiert hatten, begannen ihre Führer relativ schnell zu propagieren, daß die Einheitlichkeit der Vertretung von Arbeiterinteressen angesichts der offenkundigen Einheit der Arbeitgeber dringend vonnöten sei. Diese ersten Versuche und programmatischen Konzepte scheiterten jedoch vor dem Ersten Weltkrieg stets an der unüberwindlich scheinenden Kluft zwischen der ,gottlosen‘ Klassenkampfideologie der Sozialisten und christlichem Gemeinschaftsdenken.

Das erste Projekt, das man im weitesten Sinne als Zusammenfassung der einzelnen Richtungsgewerkschaften unter einem organisatorischen Dach bezeichnen kann und das auch tatsächlich in die Realität umgesetzt wurde, war demzufolge auch erst die Bildung der "Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands" ( ZAG ) am 4. 12. 1918. Interessant in Hinblick auf die DAF ist hier besonders die maßgebliche Beteiligung der Arbeitgeber, die unter dem Eindruck der Ereignisse der Novemberrevolution und der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Demobilisierung zu einer Zusammenarbeit und zu Zugeständnissen an die als gemäßigt geltenden Gewerkschaften bereit waren. So wurden die Gewerkschaften offiziell als Interessenvertreter der Arbeiterschaft anerkannt, die Koalitionsfreiheit und der Achtstundentag gewährt und gewerkschaftliche Mitspracherechte in Form von Arbeiterausschüssen in Betrieben und paritätisch besetzter "Centralausschüsse" auf Reichsebene geschaffen.

Die Gewerkschaften feierten die ZAG als "großen Erfolg" und hofften auf eine partnerschaftliche und friedliche Zusammenarbeit. Sobald die besonderen Entstehungsumstände der ZAG jedoch der Vergangenheit angehörten, zeigte sich, daß die nicht zu überbrückenden Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine effektive Arbeit unmöglich machten. Die Zentralarbeitsgemeinschaft versank auf diese Weise sehr bald in Bedeutungslosigkeit. Ihre wichtigsten Gründungsmitglieder verließen sie eines nach dem anderen, so daß die endgültige Auflösung 1924 nicht viel mehr als eine Formsache war.

Obwohl die Gewerkschaften so weiterhin getrennt voneinander fortbestanden, fehlte es in den zwanziger Jahren nicht an durchaus ernstgemeinten Vorschlägen für die Bildung einheitlicher Organisationsformen. Sowohl gemeinsame Standpunkte in Tarifauseinandersetzungen als auch richtungsübergreifende programmatische Ansätze zur Errichtung einer ,Wirtschaftsdemokratie‘ hielten das Bewußtsein wach, daß die Unterteilung der Arbeitnehmervertretungen in drei Richtungen keine naturgegebene Notwendigkeit war. Dieser Einsicht folgten jedoch vor der Weltwirtschaftskrise keine über die Ebene von Bekundungen hinausgehenden Taten.

Parallel zu den Einheitsbestrebungen zwischen den Gewerkschaftsverbänden im Ganzen gab es in diesen Jahren auch Diskussionen um zentralisierende und modernisierende Strukturreformen innerhalb der einzelnen Verbände. So beschloß der ADGB auf einem Kongreß 1922 die Bildung von Industrieverbänden anstelle der alten Berufsgruppen. Im Rahmen dieses Kongresses gehörte übrigens ein gewisser Fritz Tarnow, der uns später noch als einer der beständigsten Anhänger einer Übernahme des DAF-Organisationsaufbaus begegnen wird, zu den glühendsten Verfechtern des Berufsverbandsprinzips. Seine Meinung wurde anscheinend von vielen seiner Kollegen geteilt, so daß eine grundlegende Änderung der Struktur der freien Gewerkschaften - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht stattfand.

Die im Jahre 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise und der nahezu zeitgleich beginnende Aufstieg der NSDAP wiesen den alten Einigungsplänen in den Augen einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Gewerkschaftern eine neue Stufe der Dringlichkeit zu. Unter dem Eindruck der sich stetig verschlechternden Lage kam es im Dezember 1930 zu einem Versuch, die alte Zentralarbeitsgemeinschaft als "große Koalition aller Vernünftigen" wiederzubeleben. Aber auch diesmal scheiterte ein Ausgleich zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften nicht nur an der mangelnden Unterstützung von staatlicher Seite, sondern vor allem am Gegensatz zwischen freien Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, während die Haltung der christlichen und national-liberalen Dachverbände in den entsprechenden Streitfragen weitaus konzilianter war.

Nachdem die Bildung einer Gesamtorganisation unter Einschluß der Arbeitgeber sich so als aussichtslos erwiesen hatte, verstärkten sich die Bemühungen um einen Zusammenschluß wenigstens der drei bedeutendsten Arbeitnehmerorganisationen. Von einer beabsichtigten Einbeziehung der kommunistischen RGO oder gar der nationalsozialistischen NSBO ist im übrigen nie die Rede - sie wäre wohl auch bei den betreffenden Gruppen zu jenem Zeitpunkt nicht auf Gegenliebe gestoßen.

Statt dessen zählt die Bekämpfung der "kommunistisch-bolschewistischen Revolutionstreiberei" neben der parteipolitischen Unabhängigkeit, der "religiösen und kulturpolitischen Meinungsfreiheit" und der positiven Einstellung zum gegenwärtigen Staat zu den Grundlagen einer möglichen Zusammenführung der Richtungsgewerkschaften, die bei einem über die jeweilige Gewerkschaftspresse geführten Gedankenaustausch des Jahres 1931 deutlich wurden. Allerdings beteiligten sich an dieser Diskussion nur freie und national-liberale Gewerkschafter. Ihre christlichen Kollegen waren nicht bereit, sich wie der ADGB von der SPD ihrerseits vom gerade in der Regierungsverantwortung befindlichen Zentrum vorsichtig abzulösen. Die Resultate dieses Meinungsaustauschs waren denn auch wie bisher üblich enttäuschend. Eine Gewerkschaftseinheit kam vor den Ereignissen des Jahres 1933 nicht mehr zustande.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erfuhren die gewerkschaftlichen Vereinigungsbestrebungen einen neuen Auftrieb. Das Ziel der angestrebten Einheit in Organisation und Vorgehensweise war jedoch nicht etwa die konsequente Bekämpfung der neuen Machthaber, wie man es noch nach den drohenden Tönen unmittelbar vor dem 30. Januar 1933 eigentlich hätte erwarten können.Statt dessen versuchte man sich "kühlen Blutes" dem Staat unentbehrlich zu machen. So nahmen christliche Gewerkschafter in ihrem "Essener Programm" Anleihen beim Wortschatz und bei einigen Vorstellungen der Nationalsozialisten auf, und die Führungsspitze des ADGB traf sich am 13. April mit NSBO-Funktionären, um über deren gleichberechtigten Anteil an der neuen Einheitsgewerkschaft zu diskutieren. Erst die maßlosen Forderungen der NSBO-Leute bewirkten, daß das Fusionsvorhaben wie bisher auf den Kreis der drei großen Richtungsgewerkschaften beschränkt blieb.

Die nun folgende ,Vereinigung‘ hat in der wissenschaftlichen Literatur höchst unterschiedliche Bewertung erfahren. Zunächst einmal ist fraglich, ob dieser Begriff für die Ereignisse des April 1933 überhaupt angemessen ist. Der Beschluß des "Führerkreises der vereinigten Gewerkschaften", der am 28. April von einer Reihe von Spitzenfunktionären der Richtungsgewerkschaften unterzeichnet wurde, trägt nämlich zum einen aufgrund der unmittelbar folgenden politischen Ereignisse, zum anderen aber wegen des kaum noch funktionsfähigen Zustandes der betroffenen Einzelgewerkschaften eher den Charakter einer Absichtserklärung als den einer Tatsachenbeschreibung.

Zudem findet sich in dem Beschluß neben Bestimmungen organisatorischer Art, so zum Beispiel über die Ausarbeitung von Satzungen, den Aufbau einer neuen gemeinsamen Struktur oder die Zusammenlegung der Finanzverwaltung, eine große Anzahl von Bekenntnissen zum neuen Staat und seiner Ideologie. So wird die "nationale Revolution" begrüßt, die "klassenmäßige Trennung" und "volksabgewandte Internationalität" verworfen und die Bereitschaft zu "positiver Mitarbeit am neuen Staate", zum Dienst an "der großen Aufgabe des neuen Staates" bekundet. Da hilft es wenig, daß es in einem Unterpunkt heißt, daß "die Gewerkschaften parteipolitisch völlig ungebunden sein müssen." Ist politische Blauäugigkeit oder völlige Unkenntnis der nationalsozialistischen Ideologie dafür verantwortlich zu machen, daß die Unvereinbarkeit dieses Satzes mit dem ,Dienst am neuen Staat‘ nicht erkannt wurde ?

Wie ernst es die Gewerkschaftsführer mit dem Willen zur Zusammenarbeit mit dem neuen System meinten, wird vor allem an zwei Dingen deutlich. Zum einen opferte man bereitwillig die internationale Kooperation der Gewerkschaften. Nachdem der Internationale Gewerkschaftsbund ( IGB ) nach den ersten Anbiederungsversuchen der deutschen Gewerkschaften an die neuen Machthaber in Deutschland schon am 9. April seinen Sitz von Berlin nach Paris verlegt hatte, tritt der ADGB am 22. April aus der internationalen Dachorganisation aus. Begründet wird dies mit der Kritik des IGB am Aufruf zum 1. Mai 1933, in dem der Bundesvorstand des ADGB zur Teilnahme an den "amtlichen" Maifeiern auffordert. Eindeutige Worte der Abgrenzung zum nationalsozialistischen Regime sucht man auch hier vergebens.

Wie gering allerdings die tatsächliche Resonanz der Anordnungen der Gewerkschaftsspitze bei den einfachen Mitgliedern noch war, zeigt das bewußte Fernbleiben von Gewerkschaftern von den Feiern zum 1. Mai und sogar örtliche Versuche, Gegendemonstrationen zu organisieren.

Von den unterschiedlichen Beurteilungen der bisher geschilderten Ereignisse des April 1933 möchte ich hier nur einige sich voneinander stark abhebende Beispiele anführen.

Siegfried Mielke meint, es komme trotz aller "völkischen und nationalen Schlagworte und einer problematischen Anpassungsrhetorik [...] dem Wirken des Führerkreises große Bedeutung zu, weil er die Einheitsgewerkschaft als gemeinsames Ziel der Richtungsgewerkschaften festhielt." Schönhoven spricht hingegen davon, daß das Programm durch "Diktion und [...] Orientierung [...] von den programmatischen Traditionen namentlich der Freien Gewerkschaften so weit" abgewichen sei, daß es keinesfalls "als Gründungsurkunde der nach 1945 verwirklichten Einheitsgewerkschaft" gedeutet werden könne.Und Klönne/Reese behaupten sogar: "Es war eben der erste Schritt in die staatliche Arbeitsorganisation."

Mit der letztgenannten Ansicht wird vielleicht eine zu starke Kontinuitätslinie zwischen dem letzten Stadium der alten Gewerkschaften einerseits und der DAF andererseits angenommen. Doch kommt es sicherlich der Realität ziemlich nahe, wenn sich Arbeiter einige Jahre später daran erinnern, daß die Unentschlossenheit der Gewerkschafter und ihre Unfähigkeit, alternative Konzepte zu entwickeln, viel zum geschlossenen Beitritt zur DAF beigetragen habe. Den Arbeitnehmern in Deutschland nützte die ,Einigung‘ der letzten Stunde jedenfalls nichts mehr. Sie mußten für die nächsten zwölf Jahre ohne offizielle Gewerkschaft auskommen und mit der am 10. Mai 1933 gegründeten Deutschen Arbeitsfront vorliebnehmen.

Die DAF und die Gewerkschaftsvorstellungen in Exil und Widerstand

Bei der Bearbeitung dieses Unterthemas werde ich drei Ebenen unterscheiden, auf denen sich, bedingt durch die politischen Umstände, relativ unabhängig voneinander Ideen und programmatische Ansätze zur Gestaltung von Arbeitnehmervertretungen nach dem Nationalsozialismus entwickeln konnten. Dies sind im einzelnen:

In den Reihen der Arbeiter läßt sich erstaunlicherweise weder in der ersten Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten noch in späteren Jahren eine grundlegende Ablehnung der DAF feststellen. Die Arbeitsfront konnte sehr schnell eine außerordentlich hohe Organisationsquote erreichen und wurde von den Arbeitern zwar nicht begrüßt, aber anscheinend doch als ,erträgliche‘ Institution angesehen. Dazu mag die Übernahme einer großen Zahl von ,kooperationswilligen‘ kleinen Gewerkschaftsfunktionären beigetragen haben, auch wenn mir über deren späteres Schicksal nichts bekannt ist.

So zielt denn die Strategie des frühen Gewerkschaftswiderstandes auch auf die vollständige Unterwanderung der DAF und schließlich ihre Übernahme in gewerkschaftliche Hände ab. Die KPD nannte ihre Versuche in diese Richtung die "Taktik des ,Trojanischen Pferdes‘". Diese allzu bereitwillige Bekundung des Mitarbeitswillens stellte sich allerdings als wenig erfolgreich heraus und schädigte letztendlich vor allem das Ansehen der Kommunisten bei den Arbeitern.

Aber auch sozialdemokratisch orientierte Widerständler propagierten die Übernahme von DAF-Posten durch Anhänger der eigenen Richtung. 1936 kam es zu Aufrufen, in die Funktionen der Vertrauensräte solche Kollegen zu wählen, die bereits vor dem Nationalsozialismus als Betriebsräte oder Gewerkschaftsfunktionäre tätig gewesen waren.Und in einem "Beschluß zur Wiederentfaltung der freigewerkschaftlichen Bewegung" von 1936 heißt es:

"Es ist daher entschieden gegen die noch weit verbreitete Auffassung anzukämpfen, daß die betrieblichen Funktionäre der DAF. in ihrer Gesamtheit reaktionär sind. [...] Gleichzeitig müssen die aktiven Gewerkschaftler zielbewusst die Übernahme von DAF-Funktionen im Betrieb betreiben zur Stärkung und Ausbreitung ihrer Aktivität und deren Sicherung." Schon früher, im November 1933, hatten deutsche Gewerkschafter stolz ins Ausland ( an eine Tagung der Zweiten Sozialistischen Internationale ) gemeldet: "Unsere sämtlichen alten Mitglieder und Funktionäre sind Mitglieder der Arbeitsfront. Sie bilden dort den gewichtigsten Block." Solche Einschätzungen scheinen teilweise auch in Unternehmerkreisen geteilt worden zu sein, denn noch aus dem November 1934 sind von dieser Seite Befürchtungen bekannt, die DAF könnte, wenn sie außer Kontrolle gerate, ohne weiteres durch einen Generalstreik den Staat "lahmlegen".

Nachdem die Illusionen über eine schnelle Übernahme der DAF verflogen waren, kam es dennoch nicht zu einer Diskreditierung der nationalsozialistischen Massenorganisation bei den Arbeitern. So waren zwar die ideologischen Erziehungsinhalte der Arbeitsfront unbeliebt, doch gelang es ihr, mit populären Aktivitäten wie denen ihrer Gliederung "Kraft durch Freude" (KdF) sogar Ansehen bei den Arbeitern zu erringen.

Und so bestand auch noch kurz vor Kriegsbeginn bei einem Großteil der Arbeiterschaft wohl die Ansicht, die in einem SOPADE-Bericht aus dem Rheinland wiedergegeben wird:

"Hinein in die Arbeitsfront ! Denn man müsse sie doch eines Tages übernehmen, und dann werde man schon wissen, was mit den Bonzen zu tun sei." Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschlechtert sich die Quellenlage in Hinblick auf die Haltung der Arbeiterschaft rapide. Das Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Literatur verschiebt sich wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb in Richtung der Pläne der Bewegung des 20. Juli 1944. Damit verbunden ist auch eine Änderung des Blickwinkels von der - von wenigen Ausnahmen abgesehen - auf betrieblicher oder regionaler Ebene ablaufenden Oppositionstätigkeit der kleinen Ex-Gewerkschaftsfunktionäre zur zentralen Ausrichtung der stark vom Militär geprägten bürgerlichen Widerstandskreise.

Die Angehörigen der Widerstandskreise des 20. Juli 1944 wandten sich dann auch nicht an irgendwelche kleinen, schon im Widerstand aktiven Gewerkschaftsvertreter, sondern an ehemalige leitende Funktionäre der Richtungsgewerkschaften, die ihnen aus der Zeit von vor 1933 bekannt waren. Deren prominenteste Vertreter waren Wilhelm Leuschner ( ADGB ) und Jakob Kaiser ( christliche Gewerkschaften ), die auch schon am Beschluß des Führerkreises vom April 1933 beteiligt gewesen waren. Beide hatten bereits gemeinsam verschiedene programmatische Ansätze zu einer einheitlichen deutschen Gewerkschaftsorganisation nach Hitler entworfen. Das Modell der "Deutschen Gewerkschaft", das ihnen vorschwebte, steckte allerdings noch weitgehend in der Anfangsphase. So war zum Beispiel noch keine Einigung darüber erzielt worden, ob die Einheitsgewerkschaft sich in Industrie- oder Berufsverbände gliedern sollte, und auch die entscheidende Frage nach Übernahme und Reform oder Auflösung der DAF war noch längst nicht zweifelsfrei entschieden.

Von Seiten der Bewegung des 20. Juli 1944 gab es zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen an das Problem der künftigen Organisation und Rolle der Gewerkschaften. Eine Gruppe um Carl Goerdeler trat für die Übernahme einer vom nationalsozialistischen Gedankengut befreiten DAF ein. Nach mehreren Gesprächen mit Gewerkschaftern aus der Umgebung von Kaiser und Leuschner akzeptierte sie jedoch grundsätzlich deren Positionen, denen zufolge eine "Deutsche Gewerkschaft" sich zumindest potentiell von der Arbeitsfront abheben sollte.

Im Kreisauer Kreis herrschten hingegen völlig andere Vorstellungen. Nach Ansicht seiner Mitglieder sollte es nach dem Umsturz Gewerkschaften nur auf Betriebsebene geben, jegliche regionale oder gar zentralistische Form wurde abgelehnt. Trotzdem war auch diese Gruppe im Interesse einer möglichst raschen und effektiven Umgestaltung Deutschlands bereit, die "Deutsche Gewerkschaft" Leuschners und Kaisers zumindest für eine Übergangszeit zu unterstützen. Bedenkt man die noch vorhandene Unentschlossenheit der letzteren im Hinblick auf die organisatorische Nähe zur DAF, so waren sie damit auch zu einer eventuellen zeitweisen Übernahme der reformierten Arbeitsfront bereit.

Waren die Vorstellungen des 20. Juli 1944 mit dem Scheitern des militärischen Putschversuches recht bald von der Bildfläche verschwunden, so sollten sich die Pläne derjenigen Gewerkschafter, die in ihren jeweiligen Exilländern Programme für das ,Danach‘ verfaßten, als weitaus bedeutsamer herausstellen.

Zu den Exilgewerkschaftern muß angemerkt werden, daß sie, die sowohl materiell als auch ideell auf die Unterstützung der Gewerkschaften ihres Gastgeberlandes angewiesen waren, sich mit der Zeit auch immer mehr an die Traditionen und Vorstellungen der jeweiligen einheimischen Verbände anpaßten. Dies hing natürlich nicht unerheblich davon ab, inwieweit jene selbst die deutschen Gewerkschafter und ihre Pläne aktiv zu beeinflussen suchten.

Gemeinsam war zunächst auch vielen Exilgewerkschaftern eine mehr oder weniger große Bereitschaft, die DAF als Organisationsform zu übernehmen. So veröffentlichte Fritz Tarnow, der in der schwedischen Exilorganisation über großen Einfluß verfügte, 1935 ein Programm, in dem er als ersten Punkt die "Zurückführung der Arbeitsfront auf den Charakter einer gewerkschaftlichen Arbeitnehmervereinigung" forderte. Diese sollte durch Beibehaltung ihres "Monopolrechts auf dem Arbeitsmarkt" einen "indirekten Organisationszwang" ausüben.

Auch Willi Derkow, ein Vertreter der deutschen Emigranten in Großbritannien, schätzte die DAF noch 1940 als "rohe Form" der Einheitsgewerkschaft ein, die es nur noch "zu polieren und ihr den rechten Inhalt zu geben" gelte. Einzelne kommunistische Gewerkschafter wie Herbert Warnke, der spätere FDGB-Vorsitzende, sprachen sich ebenfalls dafür aus, die DAF "als Ausgangspunkt für den Aufbau der neuen deutschen Gewerkschaftsbewegung" zu betrachten, da alle potentiellen Gewerkschaftsmitglieder bereits in ihr ( zwangs- (!) ) organisiert seien.

Gegen diese Vorstellungen gab es jedoch stets eine zahlreiche Opposition, die insbesondere in Großbritannien und den USA tatkräftig durch die einheimischen Gewerkschaftsorganisationen gefördert wurde. Fritz Tarnow verkündete noch 1943 "drei sofort sicherzustellende Ziele", deren erstes, "die Einheit der neuen Gewerkschaftsbewegung", durch das dritte, "die Rettung des Vermögens und der Organisationseinrichtungen der DAF", erreicht werden sollte. Dagegen verabschiedeten die ,Londoner‘ Ende 1944 ein Programm, dessen achter Artikel den Titel "Die Auflösung der Nazi-Berufsorganisationen" trug und folgendes forderte:

"Die deutsche Arbeitsfront ( DAF ) und alle anderen Nazi-Berufsorganisationen sind [...] mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Das gesamte Personal dieser Organisationen ist mit sofortiger Wirkung und ohne Entschädigung zu entlassen." Die Ansicht, daß die DAF komplett von alten Gewerkschaftern unterwandert sei, kann bei der Formulierung der letzten Bestimmung wohl kaum vorherrschend gewesen sein.

Die Befürworter einer DAF-Übernahme führten als Argumente für ihre Haltung vor allem pragmatische Gründe an. So sollte möglichst schnell eine "schlagkräftige" und "handlungsfähige" Organisation geschaffen werden, die zu aktiver Beteiligung an der erwarteten politischen und vor allem wirtschaftlichen Umgestaltung in Deutschland in der Lage war. Zudem erwarteten viele ihrer Verfechter im Deutschland nach Hitler ein eher autoritäres Regierungssystem, dem sie eine möglichst starke und einheitliche eigene Interessenvertretung gegenüberstellen wollten. So sollte denn auch das "Führungsprinzip" der DAF für eine Übergangszeit beibehalten werden. Auch für die als notwendig erachtete ,Erziehung‘ der Arbeiter zur Demokratie wurden die Vorteile einer straff geführten Organisation betont. Nicht zuletzt übte natürlich auch die finanzielle Kraft einer Organisation mit Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeitrag einen nicht zu unterschätzenden Reiz auf die Gewerkschafter aus. Entschuldigend führte man an, die Organisation der DAF sei nur eine Kopie alter ADGB-Pläne.

Die Gegner der Arbeitsfront-Übernahme, die im übrigen nur selten Gegner des Einheitsgewerkschafts-Gedankens waren, argumentierten hingegen mit dem eindeutig nationalsozialistischen Inhalt der Organisation und sprachen sich gegen Zwang und ,Führerprinzip‘ aus. Sie kamen allerdings oft in die seltsame Situation, sich gemeinsam mit ihren innergewerkschaftlichen Widersachern gegen Vorwürfe besonders der britischen und amerikanischen Verbände verteidigen zu müssen, die den allgemein verbreiteten Einheitsgedanken an sich als typisch deutsches Übel der Tendenz zur "Überzentralisierung" betrachteten.

Insgesamt ist unter den deutschen Exilgewerkschaftern mit dem Näherrücken des Kriegsendes und damit der Möglichkeit, einmal gefaßte Pläne auch in die Realität umzusetzen, eine langsame Umorientierung auf die Bildung völlig neuer Strukturen anstelle einer Übernahme der DAF festzustellen. Dies ist nicht zuletzt der Einflußnahme der Gastgeberverbände zuzuschreiben. Die Befürworter einer Umwandlung der bestehenden Organisation verloren zwar an Einfluß, es gab sie jedoch nach wie vor. Ihre Ansichten gehörten noch längst nicht der politischen Bedeutungslosigkeit an.

Die DAF und die Einheitsgewerkschaft nach dem Krieg I: Der DGB

Die Verhältnisse für die unterschiedlichen Lager innerhalb der deutschen Gewerkschaftsbewegung änderten sich grundlegend, als alliierte Truppen Ende 1944 erstmals das Territorium des Deutschen Reichs betraten und es unter ihre Militärverwaltung nahmen.

Der Oberbefehlshaber der Alliierten im Westen, Dwight D. Eisenhower, erließ am 22. Dezember 1944 einen Befehl, in dem die Grundsätze für die zukünftige Behandlung der Gewerkschaftsfrage festgelegt wurden. Unmißverständlich wurde die Auflösung der DAF angeordnet, und auch die an ihrer Stelle zu gründenden "freien wirtschaftlichen Vereinigungen und Zusammenschlüsse der Arbeiter" sollten zunächst Restriktionen unterworfen werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer politischen Betätigung, der Durchführung von Streiks oder der Aufstellung von Tarifforderungen.Die ablehnende Haltung gegenüber einer Reform der DAF war im übrigen allen drei und später vier Besatzungsmächten gemeinsam, ungeachtet aller sonstigen Meinungsverschiedenheiten über das künftige Schicksal Deutschlands.

Nach der vollständigen Besetzung des deutschen Reichsgebiets wurde die DAF dann auch formell verboten. Ebenso wurden ehemalige Mitglieder der NSDAP, der DAF und sonstige "Nazi-Anhänger oder Militaristen" von der Gründung neuer Gewerkschaften und der Wahl in ihre Führungsgremien per Anordnung ausgeschlossen. Damit verloren diejenigen, die bisher Verfechter einer direkten Übernahme gewesen waren, jegliche Argumentationsgrundlage.

Es zeigte sich jedoch bei nahezu allen Neugründungsversuchen die Tendenz, das Vermögen und die organisatorischen Einrichtungen der DAF, wenn irgendwie möglich, zu übernehmen. Ansonsten aber wurde die DAF offiziell von den Gewerkschaftsfunktionären verurteilt. Sehr häufig taucht dabei das Schlagwort von den "leeren Kassen" auf, die die DAF-Funktionäre hinterlassen hätten. Dies scheint allerdings in den meisten Fällen eher eine Propagandaformel gewesen zu sein, denn für die Flut von Anträgen auf Übertragung, die alsbald einsetzte, muß zumindest noch einiges Vermögen vorhanden gewesen sein.

In einer Ausgabe des von der französischen CGT unterstützten Blattes "Die Einheitsgewerkschaft" vom Juli 1945 wurde kurz und bündig das formuliert, was der deutsche Gewerkschafter ab sofort von der DAF zu halten hatte:

Die "Deutsche Arbeitsfront" war keine Gewerkschaftsorganisation. [...] Die "Deutsche Arbeitsfront" war die Organisation der deutschen Trustherren zur Niederhaltung der deutschen Werktätigen [...]. Der Arbeiter und Angestellte hatte in ihr nichts zu sagen." Im Gegensatz zu solch pauschalen Verurteilungen neigten jedoch viele Gewerkschafter dazu, sowohl Aufbauprinzipien der DAF als auch ansonsten in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte unbekannte Einrichtungen wie Zwangsmitgliedschaft und -beitrag, nachdem ihre tatsächliche Herkunft diskreditiert worden war, ,neu zu erfinden‘. Die beiden letzteren Dinge wurden von manchen sogar offen als das "Gute" an der Arbeitsfront bezeichnet.

Hans Böckler, der spätere erste DGB-Vorsitzende, der während der Zeit des Nationalsozialismus der Gewerkschaftsauffassung der Leuschner-Kaiser-Gruppe nahegestanden hatte, vertrat diese auch noch nach Kriegsende, als er sich bereits mit größtem Eifer an die Wiederbelebung der deutschen Gewerkschaftstraditionen machte. Es bedurfte erst der ganzen Überzeugungskunst eines aus dem britischen Exil zurückgekehrten Kollegen, um ihn davon abzubringen, bei der Besatzungsmacht ernsthaft eine unmittelbare Übernahme der DAF zu beantragen.Am Beispiel Böcklers läßt sich auch verhältnismäßig gut zeigen, in welchem Umfang das Leben im nationalsozialistischen System selbst bei einem alten Gewerkschaftsfunktionär bleibende Folgen zurücklassen konnte. So sind seine ersten öffentlichen Äußerungen noch voll von rhetorischen Figuren der offiziellen Sprache des Dritten Reiches. Einige Beispiele aus seinen "Erläuterungen zur Wiedererrichtung einer Gewerkschaft" aus dem Juni 1945 seien hier angegeben:

"Volk und Reich liegen im Abgrund, aus dem herauszukommen nur mit übermenschlichsten Anstrengungen möglich sein wird. Zusammenfassung aller Kraft ist dazu vonnöten und absolute Hingabe aller Willigen [...]. Die Arbeitnehmer sind die Kraft, sind die Bereitwilligkeit, [...]. Arbeiter freilich nicht schlechthin, vor allem nicht als direktionsloser Haufen." Den zentralistischen Bemühungen zahlreicher deutscher Gewerkschafter setzten die westlichen Besatzungsmächte ein grundsätzlich anders geartetes Konzept entgegen. Nicht schnell und von oben sollten die neuen deutschen Gewerkschaften entstehen, sondern nach und nach von unten. Daher bremsten Vertreter der drei Westmächte zunächst die deutschen Einheitsgewerkschaftspläne und erließen komplizierte Genehmigungsverfahren. Zudem wurden die Gründungen am Anfang auf die örtliche, nach einiger Zeit dann auf die regionale Ebene begrenzt und erst sehr viel später auf die Länder oder Zonen ausgeweitet. Der DGB wurde als erster bundesweiter Verband so bekanntlich erst 1949 gegründet.

Diese Haltung der Westalliierten war zum einen durch ihre Sicherheitsinteressen, zum anderen durch ihre jeweiligen Deutschlandpläne bestimmt. Es wurde befürchtet, daß die DAF, immerhin die zahlenmäßig größte Organisation des gerade besiegten nationalsozialistischen Regimes, in eventuellen neuen Gewerkschaften nach ihrem Muster unter anderem Namen fortbestehen könnte. Diese Furcht erscheint bei genauerem Hinsehen als nicht ganz unbegründet. Die Haltung vieler Deutschen zum Nationalsozialismus war bei weitem noch nicht so distanziert, wie gern der Anschein erweckt wurde. Einer Umfrage in der amerikanischen Besatzungszone im Dezember 1947 ergab, daß nahezu die Hälfte aller befragten Deutschen "den Nationalsozialismus für eine gute, nur schlecht durchgeführte Sache" hielt.

In dieser Lage hielten die Alliierten ein gesundes Maß an Erziehungsarbeit für bitter nötig. Insbesondere sollte den Deutschen ihre Neigung zu bedingungslosem Gehorsam gegenüber autoritären Strukturen ausgetrieben werden. Eine zentralistische, von oben nach unten agierende Gewerkschaft hielt man dabei für höchst ungeeignet. Daneben war es natürlich auch einfacher, bei absehbaren Konflikten mit den neuen Gewerkschaften, wie bei der Demontage- und Reparationsfrage, statt einem mächtigen zentralen zahlreichen regionalen Kontrahenten gegenüberzustehen.

Die deutschen Gewerkschafter zeigten jedoch wenig Bereitschaft, sich in die Pläne der Alliierten zu schicken. Trotz restriktiver Besatzungspolitik und zahlreicher anderslautender ,Ratschläge‘ von reisenden Gewerkschaftern aus den Ländern der jeweiligen Besatzungsmacht wurden fast überall auf Orts- und Regionalebene "Einheitsgewerkschaften" gegründet. Hinter diesem Namen verbargen sich jedoch unterschiedliche Organisationsformen, die man verallgemeinernd in drei Kategorien einordnen kann:

  1. Einheitsorganisationen als Industriegewerkschaften, das heißt in Form eines Bundes selbständiger Einzelgewerkschaften.
  2. Zentralistische Einheitsorganisationen mit abhängigen Abteilungsgewerkschaften.
  3. Einheitsorganisationen, die Funktionen von Gewerkschaften und Parteien zugleich übernehmen.
Nur beim zweiten Modell sind strukturelle Ähnlichkeiten zur DAF zu erkennen. Es wurde auch dementsprechend von Böckler und anderen ehemaligen Befürwortern einer DAF-Übernahme bevorzugt. Das dritte Modell, dessen prominenteste Vertreterin die Hamburger Sozialistische Freie Gewerkschaft ( SFG ) war, ging in seinem Totalitätsanspruch und seiner möglichen Machtfülle noch weit darüber hinaus. Sein Anspruch auf Beteiligung an nahezu allen Fragen des wirtschaftlichen und politischen Lebens führte denn auch dazu, daß die Besatzungsmächte es alsbald durch massive Begünstigung von Konkurrenzmodellen und auch durch direkte Einschränkungen und Verbote zu unterdrücken suchten. Die SFG mußte schon nach wenigen Wochen ihrer Existenz einer Organisation nach dem ersten Modell weichen.

Dieses erste Modell stellte schließlich für die drei Westalliierten ein akzeptables ,kleinstes Übel‘ dar, obwohl es immer noch wesentlich zentralistischer als beispielsweise die britische oder amerikanische Gewerkschaftsbewegung konzipiert war. Mit ihrer Begünstigung setzte es sich auf längere Sicht gegen die beiden übrigen Alternativen durch und liegt auch dem Aufbau des heutigen DGB zugrunde.

Es scheint, daß dieser Deutsche Gewerkschaftsbund, zu dessen erstem Vorsitzenden Hans Böckler 1949 gewählt wurde, zwar immerhin als erste Gewerkschaftsorganisation im westlichen Teil Deutschlands das Einheitsprinzip verwirklichte, jedoch mit Böcklers ursprünglichen Forderungen nur noch wenig gemein hatte. Der DGB erreichte zu keinem Zeitpunkt seines Bestehens einen ähnlichen Organisationsgrad wie die DAF oder sein ostdeutsches Gegenstück, der FDGB. Sein politischer und wirtschaftlicher Einfluß blieb stets weit hinter dem zurück, was sich die Gewerkschafter in Exil und Widerstand erträumt hatten. Nichtsdestoweniger konnte er trotz vielfältiger Integrationsprobleme, zunächst mit den kommunistischen, dann Mitte der 50er Jahre mit den christlichen Gewerkschaftern, seine Stellung als einheitliche Arbeitnehmervertretung bewahren. Die Befugnisse des Bundes gegenüber den Einzelgewerkschaften, obwohl sie im Vergleich zu DAF und FDGB eher geringfügig wirken, sind nach wie vor größer als die vergleichbarer Organisationen der meisten anderen westlichen Industriestaaten. Insofern hat der DGB zumindest in deren Augen die typisch deutsche ,Überzentralisierung‘ geerbt.

Die DAF und die Einheitsgewerkschaft nach dem Krieg II: Der FDGB

Bei der Beschäftigung mit den möglichen Einflüssen der DAF auf die deutschen Nachkriegsgewerkschaften fällt sofort ein gewisser Widerspruch auf. Während der DGB, der von seinen kommunistischen Kritikern gern und oft mit Bezeichnungen wie "reaktionär" und "im Einklang mit den deutschen Monopolisten" stehend charakterisiert wird, kaum noch greifbare strukturelle oder funktionelle Gemeinsamkeiten mit der Arbeitsfront aufweist, liegen solche Ähnlichkeiten beim FDGB, der vom selben Personenkreis unter anderem als "Motor des Fortschritts" und einzig wahre Interessenvertretung der Arbeiterklasse" gepriesen wird, ganz offensichtlich in größerem Umfang vor. Wie ist dieser Sachverhalt zu erklären ?

Es hatte zwar in der Anfangsphase des kommunistischen Widerstandes Versuche gegeben, die DAF durch Unterwanderung zu übernehmen, und einzelne KPD-Gewerkschaftsfunktionäre hatten sich im Rahmen der Diskussion im Exil auch zu einer stark eingeschränkten Übernahme der DAF-Strukturen für eine Übergangszeit bereiterklärt. In der offiziellen Parteilinie zu Kriegsende oder in den Äußerungen führender Funktionäre wie Ulbricht, Pieck oder Ackermann wird man nach Sympathiebekundungen in dieser Richtung jedoch vergebens suchen.

Auf der Suche nach möglichen Vorbildern für den Aufbau und die Vorgehensweise des FDGB muß man natürlich auch die Gewerkschaften der Sowjetunion berücksichtigten, des Landes, das von den Kommunisten als das richtungsweisende Modell für die eigene Arbeit angesehen wurde. Tatsächlich stößt man in den Lehren von Josef W. Stalin, der sich von seinen deutschen Genossen gern als "genialer Führer und Lehrer des Weltproletariats" titulieren ließ, auf die Vorstellung, Gewerkschaften hätten "Hilfsorgan und Transmissionsriemen der Partei" zu sein.Obwohl damit die Funktionen des FDGB im allgemeinen gut umschrieben sind ( und übrigens auch die der DAF, falls man den Typ der Partei außer Acht läßt ), gab es doch meines Wissens von der Struktur her zwischen der ostdeutschen Gewerkschaft und ihren sowjetischen Entsprechungen nicht unerhebliche Unterschiede, die vor allem aus den völlig verschiedenen Entstehungsgeschichten und Traditionen herrührten.

Auch zielte die sowjetische Besatzungspolitik der ersten Nachkriegsjahre ( bis 1947 ) noch nicht darauf ab, die eigene Zone vollständig nach heimatlichem Muster umzugestalten.
Statt dessen sollten hier so schnell wie möglich politische und wirtschaftliche Tatsachen geschaffen werden, die zwar den sowjetischen Interessen nicht hundertprozentig entsprachen, dafür aber durch die erhoffte Einbeziehung nahezu aller politischen Kräfte einen ,pluralistischen‘ Anstrich erhalten und Vorbildcharakter für ganz Deutschland haben sollten. Selbstverständlich hatten dabei die Kommunisten eine führende Rolle zu spielen, doch eben nicht die ausschließliche Kontrolle auszuüben, die ihnen nach stalinistischer Doktrin und eigenem Wunsch eigentlich zugekommen wäre.

In diesem Zusammenhang ist die im Vergleich zu den westlichen Besatzungszonen unglaublich schnelle Genehmigung von zentralen Gewerkschaftsgründungen durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland ( SMAD ) zu bewerten. Bereits am 10. Juni 1945 erließ sie einen Befehl zu diesem Thema, in dem selbstverständlich auch umfangreiche Kontrollvorschriften enthalten waren. Ein "Vorbereitender Gründungsausschuß" unter dem Vorsitz Walter Ulbrichts, in dem allerdings zumindest formell die sozialdemokratischen und christlichen Gewerkschafter noch in der Mehrheit waren, erließ nur fünf Tage später einen "Gründungsaufruf für einen Freien Deutschen Gewerkschaftsbund" und übernahm schon einmal die Amtsgeschäfte für die zu bildende Organisation.

Damit bestand im Osten Deutschlands nur einen Monat nach Auflösung der DAF wieder eine Institution, deren Aufgabe die Organisation der Arbeitnehmer war. Diese strömten dann dem ,FDGB in Gründung‘ auch bald in großen Massen zu. Die schnelle Nachfolge beschränkte sich im übrigen nicht auf die zeitliche Dimension. Um die Gewerkschaftskasse so schnell wie möglich zu füllen, gingen die neuen Gewerkschaften daran, das DAF-Vermögen zunächst treuhänderisch zu übernehmen. Dabei kam es sogar dazu, daß FDGB-Beauftragte noch ausstehende DAF-Beiträge der letzten Kriegsmonate, die aus verständlichen Gründen nicht mehr eingesammelt worden waren, von den entsprechenden Unternehmern nun nachträglich für sich einforderten.

Bereits im Laufe des Jahres 1945 nahmen dann jedoch die Bemühungen der Kommunisten zu, den FDGB unter ihre Kontrolle zu bekommen, ohne aber die offizielle Propaganda einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften aufzugeben. Diese Propaganda wurde von vielen nichtkommunistischen Gewerkschaftern auch geglaubt. Daß ihnen ihr Vertrauen nicht zum Vorteil gereichen sollte, zeigte sich zum ersten Mal deutlich bei den Wahlen zum FDGB-Gründungskongreß ( 9. - 11. Februar 1946 ), bei denen die Kommunisten durch Manipulationen beim Wahlverfahren die absolute Mehrheit erringen konnten. Auf diesem Kongreß wurde der Aufbau des FDGB endgültig - wenn auch formell noch für Berlin und die SBZ getrennt - festgelegt. Die Bildung eines zentralen Bundes mit unselbständigen Einzelgewerkschaften kam dem DAF-Modell recht nahe. Sie war jedoch nicht von der KPD allein, sondern auch von den Sozial- und Christdemokraten beschlossen worden. Ebensowenig kann der FDGB in diesem Stadium schon als reibungslos arbeitender ,Trans-missionsriemen‘ der kommunistischen Partei angesehen werden. Es kam durchaus noch zu gewerkschaftlichen Aktionen im Sinne der freien Gewerkschaftsbewegung, wie zum Beispiel Lohnauseinandersetzungen. Diese wurden allerdings bald von der SMAD unterdrückt und von KPD-Gewerkschaftern mit dem abfälligen Begriff ,Nur-Gewerkschaftertum‘ belegt.

Mit der Verschärfung des Kalten Krieges ab 1947 verringerten sich die sowjetischen Aussichten auf Einflußnahme in ganz Deutschland zusehends. Damit entfiel auch die Notwendigkeit, auf politische Gegner wie bisher Rücksicht zu nehmen. Mit der Umwandlung der inzwischen aus KPD und SPD ( Ost ) gegründeten SED in eine ,Partei neuen Typs‘ ging auch eine weitgehende Stalinisierung des FDGB einher. Mit der Akzeptanz einer Führung durch die Partei, einem zunehmenden Verzicht auf Tarifauseinandersetzungen, der Übernahme eines politischen Erziehungsauftrages, der ständigen Propagierung von Höchstleistungen, der Entmachtung der Betriebsräte und anderem wurde er dabei der DAF ,seltsamerweise‘ immer ähnlicher. Diese Entwicklung verlief jedoch nicht ohne innere Konflikte. Viele Funktionäre der unteren Ebenen waren mit der Umwandlung nicht zufrieden und drückten dies auch öffentlich aus, wie hier ein Gewerkschaftssekretär auf einem FDGB-Kongreß 1950:

"Wir haben überhaupt keine Rechte mehr. Wir haben keine Tarifverträge mehr. Wir besitzen heute Verordnungen wie unter dem Faschismus."

In Berlin spaltete sich dann auch 1948 eine Reihe von Gewerkschaftern aus Protest gegen diese Verhältnisse unter dem Namen Unabhängige Gewerkschaftsorganisation ( UGO ) vom FDGB ab. Obwohl sie im Ostsektor umgehend verboten wurde, entwickelte sie sich zur dominierenden Gewerkschaft im Westteil Berlins und wurde schließlich 1949 als Landesverband Berlin in den DGB aufgenommen. Vom FDGB hieß es in Kreisen der UGO:

"Er hat getreu das Organisationsprinzip der Deutschen Arbeitsfront übernommen und dient seinem kommunistischen Herrn genau so wie die Arbeitsfront ihrem Führer."

Im folgenden möchte ich einige ausgewählte Bereiche näher vorstellen, in denen FDGB und Arbeitsfront der Funktion nach sehr große Ähnlichkeiten aufweisen. Ich erhebe allerdings in keinem Fall den Anspruch, daß zwischen den offensichtlichen Parallelen der beiden Organisationen auch ein kausaler Zusammenhang in der Form besteht, daß FDGB-Gewerkschafter bewußt Einrichtungen und Ideen der DAF aufgegriffen und weiterverfolgt hätten. Zu diesem Problem waren mir auch keine speziellen Untersuchungen zugänglich. Es gibt hier also noch einen weiten Raum für künftige Forschungen.

Das hervorstechendste Merkmal sowohl der DAF als auch des FDGB ist ihre unmittelbare Nähe zum Staat beziehungsweise zur tragenden Partei des jeweiligen Staates. Diese Abhängigkeit von der Staatspartei wird auch offen verkündet. So ist die DAF nach den Worten Robert Leys "allein abhängig von dem Willen und der Führung der NSDAP", und im Statut des FDGB kann man lesen:

Der FDGB "anerkennt die führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, [...] steht fest [...] zu ihrem Zentralkomitee [...]."

Die Propagierung der jeweiligen Parteidoktrin gehört für beide Organisationen zu ihren täglichen Aufgaben. Das "hohe Ziel" der Deutschen Arbeitsfront bestand in der

"Erziehung aller im Arbeitsleben stehenden Deutschen zum nationalsozialistischen Staat und zur nationalsozialistischen Gesinnung."

Die Gewerkschaften des FDGB

"verbreiten aktiv die Weltanschauung der Arbeiterklasse, den Marxismus-Leninismus. Darin sieht der FDGB eine grundlegende Aufgabe zur Vertiefung des sozialistischen Bewußtseins."

In beiden Organisationen hatten nach ihrem Selbstverständnis die ,klassisch‘ gewerkschaftliche Aufgabe der Führung von Tarifkonflikten keinen Platz mehr. Aufgrund des ,Volks-gemeinschaftsgedankens‘ beziehungsweise der angeblichen ,Interessenübereinstimmung‘ zwischen Arbeitern und Betriebsleitern sei dies nicht mehr notwendig. Für die DAF heißt es, sie sei "nicht der Ort, wo die materiellen Fragen des täglichen Arbeitslebens entschieden [...] werden", und FDGB-Funktionäre bezeichnen die Sorge um das "materielle Interesse des Arbeiters" als "falsche Orientierung".

Im Gegensatz zu herkömmlichen Arbeitnehmervertretungen war eine Hauptaufgabe der propagandistischen Tätigkeit die Erhöhung der Arbeitsleistung und -moral ohne unmittelbare materielle Vergütung. Dafür wurden zum einen zentrale Wettbewerbsformen geschaffen. Der ,Leistungswettkampf der Betriebe‘ und der ,Reichsberufswettkampf‘ auf Seiten der DAF unterscheiden sich ihrer Form und Ausrichtung nach jedoch in sehr vielen Punkten vom ,sozialistischen Wettbewerb‘ des FDGB, so daß in diesem Punkt eine Beeinflussung sehr unwahrscheinlich ist. Zum anderen betrieben beide Organisationen mit großem Aufwand eine gnadenlose Jagd auf "Bummelanten", das heißt auf jene, die sich nicht an den genannten leistungssteigernden Maßnahmen beteiligten. Sie wurden als unverantwortliche Individuen und als schädlich für die Gesellschaft dargestellt.

In der DAF waren zumindest dem Anspruch nach Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter einem Dach vereinigt, und auch der FDGB vereinte in seinen Reihen sowohl den gewöhnlichen Arbeiter als auch den Leiter eines Großbetriebes. Dies stieß in keinem der beiden Fälle auf ungeteilte Zustimmung der Arbeitnehmer und wurde auch vergleichend kritisiert, wie in einem Artikel der "Neuen Zeit", einer Zeitung der CDU ( Ost ) von 1949:

"Der Klassenkampf entspringt aus der natürlichen Polarität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, oder anders ausgedrückt: ,Führer und Gefolgschaft‘. [...] Der Versuch der Arbeitsfront, beide Verhandlungspartner in einer Organisation zusammenzufassen, geht an der natürlichen Polarität vorbei [...]. Wir scheinen jetzt im FDGB vor einem ähnlichen Fehler zu stehen [...]. Deshalb ist auch hier reinliche Scheidung notwendig, wenn [...] im FDGB nicht die gleiche Stimmung aufkommen soll wie in der Arbeitsfront, verraten und verkauft zu sein [...]."

Angesichts solcher Aktivitäten gegen die eigentlichen Interessen ihrer Mitglieder war es für beide Organisationen dringend notwendig, für ein soziales ,Ventil‘, einen Ausgleich in Form von positiv aufnehmbaren Vergünstigungen zu schaffen. Ähnlich vielen Arbeitern unter dem Nationalsozialismus, die die DAF an sich zwar ablehnten, dem Programm der KdF jedoch nicht abweisend gegenüberstanden, sahen auch viele FDGB-Mitglieder die Kulturarbeit und den Feriendienst ihrer Gewerkschaft als einen Umstand an, der ihre Zugehörigkeit zu der ansonsten nicht sonderlich beliebten Massenorganisation rechtfertigte.Politische Indoktrination gehörte selbstverständlich auch zu diesen Programmen. Die Unternehmungen des FDGB hatten dabei, rein quantitativ gesehen, einen bei weitem größeren Umfang als die der DAF. Dieser Umstand mag allerdings auch den unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Gesamtverhältnissen geschuldet sein, unter denen die beiden Organisationen tätig waren.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der FDGB als staatsnahe Gewerkschaft in einem totalitären System eine grundlegende strukturelle und funktionelle Verwandtschaft zur Deutschen Arbeitsfront besitzt. Ob und inwieweit diese jedoch auf den Vorbildcharakter der DAF, äußere ( sowjetische ) Einflüsse, eigene Gewerkschaftskonzeptionen der KPD oder auf ,Sachzwänge‘ zurückzuführen ist, läßt sich hier nicht endgültig klären.

Schlußbemerkung

Die Beantwortung der Frage nach dem Vorbildcharakter der DAF für die deutschen Einheitsgewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg hängt weitgehend davon ab, welche Bedeutung man anderen möglichen Vorbildern und Einflüssen beimißt. Von diesen ,konkurrierenden‘ Ursachen für das Zustandekommen von DGB und FDGB werden die folgenden in der Literatur als die wichtigsten genannt:

Oft sind diese Gründe auch die einzigen, die angeführt werden. Hinweise auf das DAF-Modell finden sich nur in einigen Werken in vorsichtiger Ausdrucksweise. So meint Schönhoven an entsprechender Stelle, daß neben den oben genannten ,Standardgründen‘ "aber auch die in der Deutschen Arbeitsfront verwirklichten Strukturprinzipien [...] bei den zahlreichen Gründungsanstrengungen zum Tragen" gekommen seien.Deutlicher wird da schon Schneider, der annimmt, daß die Akzeptanz für das Einheitskonzept "auch durch die Erfahrung der DAF-Durchorganisierung erleichtert worden" sei.

Es bleibt hingegen festzuhalten, daß die DAF in ihrer Eigenschaft als straff zentralisierte Einheitsorganisation eine nicht zu leugnende Faszination auf die deutschen Gewerkschafter in Exil und Widerstand ausgeübt hat. Daran konnte zunächst auch die gegenteilige Beeinflussung durch Gewerkschafter der einzelnen Gastgeberländer nichts Grundsätzliches ändern. Erst das Verbot der DAF und die Begünstigung anders strukturierter Gewerkschaftskonzepte durch die westlichen Besatzungsmächte veranlaßten die deutschen Gewerkschafter zur Schaffung der heute noch bestehenden Organisationen. Der sich in der sowjetischen Besatzungszone bildende FDGB nahm zwar im Lauf seiner Geschichte immer mehr arbeitsfrontähnliche Züge an, aufgrund seiner Verwurzelung in einer anderen totalitären Ideologie lassen sich über sein Verhältnis zur DAF jedoch keine eindeutigen Aussagen treffen. Nicht nur zu diesem Punkt besteht also noch enormer Bedarf an sorgfältiger Forschung, die auch bereit ist, traditionelle Tabuzonen zu betreten.
 
 

 Literatur
 
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Brülls, Klaus, Neubeginn oder Wiederaufbau ? Gewerkschaftsjugend in der britischen Zone 1945 - 1950, Marburg 1985.
Fichter, Michael, Einheit und Organisation. Der Deutsche Gewerkschaftsbund im Aufbau 1945 bis 1949, Köln 1990.
Gill, Ulrich, Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund ( FDGB ). Theorie - Geschichte - Organisation - Funktionen - Kritik, Opladen 1989.
Hemmer, Hans-Otto, und Schmitz, Kurt Thomas, Geschichte der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis heute, Köln 1990.
Klein, Jürgen, Vereint sind sie alles ? Untersuchungen zur Entstehung von Einheitsgewerkschaften in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis 1946/47, Hamburg 1972.
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Mielke, Siegfried, und Rütters, Peter, Die Deutsche Arbeitsfront ( DAF ): Modell für den gewerkschaftlichen Wiederaufbau ? Diskussion in der Emigration und in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland, in: Volkmann, Hans-Erich ( Hrsg. ), Ende des Dritten Reiches - Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau, München/Zürich 1995.
Prätorius, Gerhard ( Hrsg. ), Einheitsgewerkschaft. Quellen - Grundlagen - Probleme, Frankfurt am Main 1982.
Schneider, Michael, Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 1989.
Schönhoven,  Klaus, Die deutschen Gewerkschaften, Frankfurt am Main 1987.
Siegel, Tilla, Rationalisierung statt Klassenkampf. Zur Rolle der Deutschen Arbeitsfront in der nationalsozialistischen Ordnung der Arbeit, in: Mommsen, Hans, und Willems, Susanne ( Hrsg. ), Herrschaftsalltag im Dritten Reich. Studien und Texte, Düsseldorf 1988.
Spode, Hasso ( Hrsg. ), Zur Sonne, zur Freiheit ! Beiträge zur Tourismusgeschichte, Berlin 1991.

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