Der Vater war ein streitbarer Wissenschaftler, der härtere Töne in der Auseinandersetzung mit seinen zahlreichen Gegnern nicht verschmähte. Im Gegenzug mußte er allerdings auch Beschimpfungen als "Medicaster und Fuscher, als Ertz-Schelm, Ertz-Ehren-Schänder, Ertz-Caluminant und Ertz-Lügner" und die Ablehnung seiner Versuche, ein öffentliches Amt zu erlangen, ertragen. Christian Polykarp Leporin übte sich auch im Verfassen in Anbetracht der historischen Umstände eher utopisch zu nennender Abhandlungen über die Verbesserung der akademischen Ausbildung. Da die Universitäten vor allem für materiell weniger gesegnete Kreise der Bevölkerung keine Möglichkeit zur Erlangung von höherer Bildung darstellten, schlug Leporin vor, in jeder Stadt eine Akademie zu errichten, in der zum Teil unentgeltlich die Grundlagen aller wichtigen Fächer gelehrt werden sollten. Die unvermeidlichen Kosten einer solchen Institution sollten in einem Ausgleichsverfahren zwischen vermögenderen und ärmeren Studenten aufgebracht werden. Besonderen Wert maß Dorotheas Vater der praktischen Unterweisung in den gelehrten Fächern bei, vor allem in der Medizin, wo seiner Meinung nach bisher viel zu wenige Studenten über praktische Kenntnisse verfügten. Auch die Einrichtung öffentlicher unentgeltlicher Bibliotheken für die Studenten regte Leporin an. Was allerdings die Chancen einer Verwirklichung seiner Ideen anging, war Leporin eher realistisch eingestellt. Im Schlußteil seiner Schrift bemerkt er: "Ob indessen ein solcher Vorschlag jemals werde angenommen werden, solches ist wieder eine andere Frage, denn es muß offt unterbleiben, was müglich, nöthig, billig und nützlich wäre."
Bei ihrem Vater genoß Dorothea auch ihren ersten Unterricht. Dabei kam es ihr nach ihrer eigenen Aussage sehr zupaß, daß sie in ihrer Kindheit und frühen Jugend sehr kränklich und schwach war. Folglich war sie von der schwereren Hausarbeit befreit und konnte zusammen mit ihrem älteren Bruder den Unterweisungen ihres Vaters beiwohnen. Sie wurde von ihm nicht nur in den Sprachen unterrichtet, was zu ihrer Zeit für Frauen keine so ungewöhnliche Erscheinung gewesen wäre, sondern auch in den "nützlichen Wissenschaften". Dorothea zeigte dabei eine bemerkenswerte Begabung und Beharrlichkeit, so daß sich bald die Frage ergab, ob ihr nicht weiterführender Unterricht zuteil werden sollte. Dabei stand man vor dem Problem, daß der Besuch der üblichen höheren Schule, des Gymnasiums, Mädchen nicht gestattet war. Hier fand sich jedoch schnell eine Lösung, da der Rektor des Quedlinburger Gymnasiums, ein gewisser Tobias Eckhard, darin einwilligte, Dorothea externen Unterricht zu erteilen. Dieser Rektor war es dann auch, der Dorotheas Ehrgeiz anspornte, indem er sie in den höchsten Tönen lobte und ihr 1732 einen Brief sandte, in dem er unter Hinweis auf die unlängst erfolgte Promotion der Laura Bassi in Italien den Wunsch aussprach, sie, Dorothea, möge einst ebenfalls in ihrer Wissenschaft zu solchen Ehren gelangen.
Doch auch bei ihrem Vater setzte Dorothea ihre Ausbildung fort. Sie begleitete ihn bei Krankenbesuchen, lernte so die ärztliche Kunst in der Praxis kennen, noch bevor sie auch nur einen Fuß in den Hörsaal einer Universität gesetzt hatte.
Als Dorotheas älterer Bruder im Jahre 1740 schließlich seine notwendige Vorausbildung für das Universitätsstudium abgeschlossen hatte und beabsichtigte, sich an der Universität Halle einzuschreiben, beschloß sie, die ja dieselbe Ausbildung durchlaufen hatte, ihn dorthin zu begleiten und ebenfalls einen akademischen Grad zu erlangen. Zu diesem Zweck richtete sie, da ja das Medizinstudium von Frauen in Preußen etwas ganz und gar Neues war, eine Bittschrift an das preußische Departement der Geistlichen Affairen. Zur gleichen Zeit begann sie nach eigenen Worten mit der Niederschrift ihrer später berühmt gewordenen Abhandlung "Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten". Diese Auseinandersetzung mit den gängigsten Vorurteilen ihrer Zeitgenossen gegen das Frauenstudium, auf die ich später noch genauer eingehen werde, war, wiederum nach Dorotheas eigenen Aussagen, ursprünglich von ihr überhaupt nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Ihr Vater ließ die Arbeit jedoch zwei Jahre später bei einem Verleger in Berlin drucken.
Dorotheas Gesuch um Erlaubnis zum Besuch der Universität Halle wurde im April 1741 von den zuständigen preußischen Behörden positiv beantwortet. Inwieweit diese Entscheidung persönlich mit dem seit einem Jahr regierenden preußischen König Friedrich II. zusammenhängt, der es ja bekanntlich liebte, aufklärerische Haltung zu demonstrieren, ist unklar. Es ist aber wohl doch zu vermuten, daß seine geistige Haltung die Entscheidung seines Departements eher zugunsten Dorotheas beeinflußt hat.
Seine politische Haltung begünstigte Dorotheas Pläne dagegen nicht. Im Rahmen der Aushebungen von Rekruten zu Beginn des ersten schlesischen Krieges erhielt ihr älterer Bruder, mit dem sie gemeinsam die Universität besuchen wollte, den Einberufungsbefehl zu seinem Regiment. Diesem gehorchte Dorotheas Bruder jedoch nicht, sondern zog es vor, in Gebiete außerhalb der Reichweite der preußischen Militärbehörden zu fliehen. Diese versuchten nun, die anderen männlichen Mitglieder der Familie Leporin zum Ersatzdienst zu zwingen. Daraufhin flohen auch ihr Vater und ihr jüngerer Bruder außer Landes. Damit fehlte Dorothea und den anderen weiblichen Familienmitgliedern jedes Einkommen. Christian Polykarp Leporin kehrte zwar schon nach kürzerer Zeit nach Quedlinburg zurück und versuchte, die Militärangelegenheiten seines Sohnes auf dem Weg von Gesuchen zu regeln, doch ein Medizinstudium Dorotheas ohne ihren Bruder kommt nicht zustande, weil sie "alleine nach Universitaeten sich nicht getrauet."
In dieser Situation heiratet Dorothea den gerade verwitweten Diakon Johann Erxleben. Dieser niedere Geistliche, aus seiner ersten Ehe schon Vater von fünf Kindern, denen Dorothea nun plötzlich Mutter sein muß, ist keineswegs eine "gute Partie". Große materielle Vorteile werden sie also wohl nicht veranlaßt haben, ihre Entscheidung für ihn zu fällen. Dagegen mag seine Bereitschaft den Ausschlag gegeben haben, die wissenschaftlichen Interessen und Pläne seiner Frau zu billigen und zu unterstützen, die höchstwahrscheinlich nicht bei jedem denkbaren Ehemann vorhanden gewesen wäre.
In der Folgezeit war Dorothea Erxlebens Lage niemals leicht. Neben den Aufgaben als Mutter von fünf Kindern, zu denen später noch vier eigene hinzukamen, ruhte auf den Schultern ihrer Familie auch die Last des Schuldenberges, den Dorotheas 1747 verstorbener Vater ihr hinterlassen hatte. Um die materielle Lage der Familie zu erleichtern, und wohl auch, um sich selbst in der Praxis fortzubilden, behandelte Dorothea weiterhin Kranke, ohne einen offiziellen Titel zu führen, der sie nach den Maßstäben ihrer Berufsgenossen zur Ausübung des ärztlichen Berufes überhaupt erst befähigt hätte.
Wütende Reaktionen alteingesessener Ärzte ließen deshalb auch nicht lange auf sich warten. Als eine der Patientinnen, die Dorothea behandelt hatte, an ihrem Leiden starb, nutzten sie die Möglichkeit, Dorothea beim Stiftshauptmann von Quedlinburg anzuklagen. In ihrem Brief erhoben die drei Ärzte Herweg, Graßhoff und Zeitz den Vorwurf, daß sie medizinische Pfuscherei betreibe, dies auch noch in der Öffentlichkeit tue und sich dabei Frau Doktor nennen lasse. Dorothea Erxleben wird in einer Reihe mit Feldschern, Badern, Barbieren und Hebammen genannt, das heißt mit Personen, die ihre Patienten mit teilweise recht fragwürdigem Sachverstand und ebenso zufälligem Erfolg behandelten. Bezeichnend ist auch, daß die Hebammen hier unter die Reihe der medizinischen Pfuscherberufe aufgenommen wurden, obwohl sie im allgemeinen für ihr Aufgabenfeld der Geburtshilfe recht gute praktische Kenntnisse aufwiesen.
Die Ärzte forderten, daß der Stiftshauptmann eine Verfügung erlassen solle, die nicht akademisch autorisierten Personen das "innerliche curiren" unter Androhung einer nicht unbeträchtlichen Geldstrafe verbiete.
Der Stiftshauptmann gab dem Ersuchen der Ärzte statt und forderte Dorothea auf, sich zu rechtfertigen und unterdessen das innerliche Kurieren zu lassen. In ihrer Antwort bestreitet sie vehement den Vorwurf der Pfuscherei, denn sie habe bei ihrem Vater eine ausreichende Ausbildung genossen. Auch würden die drei Ärzte durch ihr Praktizieren kaum in ihren finanziellen Angelegenheiten beeinträchtigt, da sie für gewöhnlich eben diejenigen Patienten betreue, die weder ihr noch irgend jemand anderem die Rechnung zu bezahlen in der Lage seien. Sie verweist auf die königliche Studienerlaubnis und kündigt an, nach der Geburt ihres vierten Kindes eine Dissertation verfassen und promovieren zu wollen. Mittlerweile fordert sie die Ärzte auf, sich ihr zu einer gegenseitigen Prüfung zu stellen.
Die Antwort enthält allerdings auch eine Reihe von Widersprüchen, wie in der Entgegnung auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit der verstorbenen Patientin.
Die Ärzte antworteten hierauf mit einem durchweg beleidigenden Schreiben. Dorotheas Rolle als Frau und Mutter wird als unvereinbar mit der Erlangung der Doktorwürde dargestellt, "denn aus dem Wochenbette unter dem Doctorhuth kriechen, ist ja wohl ein paradoxon." Ihre bisherigen Studienversuche werden verspottet: "Sie war ja hin nach Halle mit ihren Bruder, aber Sie kam schöne wieder in der Weiber Mütze." Keine Frau könne jemals als Ärztin praktizieren, da die ärztliche Praxis zu den öffentlichen Ämtern gehöre, zu denen Frauen nach römischem Recht nicht zugelassen werden dürften. Selbst wenn es Dorothea erlaubt wäre, so wäre sie doch nicht dazu befähigt, denn zum Kurieren brauche man Mutterwitz, und der wäre bei ihr nicht zu finden. Die vorgeschlagene Prüfung wird rundweg abgelehnt, ihr wird jeder Sinn abgesprochen: "..., was käme denn da heraus ? gewiß, ein leeres gezänke und gewäsche, die liebe Fr. judiciret nach ihren faemininischen Verstand, wann Sie etwan mit geborgten Latein und Frantzhösischen könne um sich werffen, so wäre Sie schon Doctormäßig, und das wolte Sie auch gerne hören laßen, wier werden es wohl getroffen haben."
Die Ärzte lehnten jeden weiteren Kontakt zu Dorothea Erxleben ab und überließen die ganze Angelegenheit dem Quedlinburger Stiftshauptmann. Dieser verfügte in Dorotheas Fall endgültig, daß sie, falls sie weiterhin praktizieren wolle, sich binnen drei Monaten in Halle der Doktorprüfung zu stellen habe.
Nach einem kurzen Aufschub infolge der Geburt ihres vierten Kindes überreicht dann Dorothea am 6. Januar 1754 dem Stiftshauptmann ihre Dissertation, die den Titel "Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten" trägt. Verbunden damit sind ein erneutes Gesuch an den preußischen König um Zulassung zur Promotion und, in Anbetracht der schwierigen materiellen Lage der Erxlebens, um den Erlaß der Promotionskosten.
Dem Gesuch wird durch den preußischen Geheimen Staatsminister Freiherr von Danckelmann, den Chef des Departements der Geistlichen Affairen, stattgegeben. Dorothea Erxleben kann am 6. Mai 1754 als erste Frau in den deutschen Staaten zum Promotionsexamen antreten. Sie absolviert es mit großem Erfolg. Der Professor Johannes Juncker, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Halle und Leiter des Examens, berichtet darüber unter anderem wie folgt: "..., und hat die Frau Candidatin in einem zweistündigen Examine alle quaestiones theoreticas und practicas in lateinischer Sprache, mit einer solchen gründlichen Accuratesse und modesten Beredsamkeit beantwortet, daß alle Anwesenden damit vollkommen vergnügt waren."
Obgleich das Prüfungsergebnis solchermaßen ausgefallen war, hielten es Juncker und seine Kollegen dennoch für angebracht, vor dem eigentlichen Akt der Promotion und der Überreichung des Doktordiploms im Falle Dorotheas nochmals beim preußischen König um Erlaubnis nachzusuchen. Diese wurde unter der Auflage, daß Dorothea als praktizierende Ärztin die betreffenden preußischen Reglements achten müsse, umgehend erteilt. So kann die feierliche Promotion am 12. Juni 1754 in Halle vonstatten gehen. Dorothea dankte in ihrer Promotionsrede, selbstverständlich auf Latein gehalten, in bescheidenem Ton Gott, dem preußischen König, dem Dekan und der gesamten medizinischen Fakultät für die ihr erwiesene Gunst. Sie hatte als erste und für eine geraume Zeit auch einzige Frau in Deutschland einen Aufstieg in den akademischen Rängen erreicht, der für ihre Geschlechtsgenossinnen bisher unerreichbar gewesen war.
In ihrem Alltagsleben änderte sich durch die erfolgreiche Promotion relativ wenig, abgesehen von der Tatsache, daß ihr nun nicht mehr von mißgünstigen Konkurrenten die medizinische Praxis verboten werden konnte. Besonders in der Behandlung von Frauen und Kindern lagen ihre Spezialgebiete. Die Äbtissin des Stiftes Quedlinburg berief Dorothea zu ihrer Leibärztin. In höheren Gesellschaftskreisen waren ihre Dienste angesehen. Nebenher bildete sie sich stetig weiter, allerdings nicht nur in der Medizin, sondern auch in Physik und Naturgeschichte. In diesen beiden Fächern gab sie auch einem ihrer Söhne, der später in ihnen eine Professur in Göttingen antreten sollte, den ersten Unterricht. Auch ein anderer Sohn gelangte auf der akademischen Laufbahn zu höchsten Ehren und wurde Professor der Rechte und Kanzler der Universität Marburg. Es ist allerdings bemerkenswert, daß von keiner der Töchter Dorotheas irgendwelche Ambitionen bekannt sind, die denen ihrer Mutter geähnelt hätten.
Dorothea Erxleben starb bereits verhältnismäßig jung, im Alter von siebenundvierzig Jahren, an Brustkrebs, einer Krankheit, bei der auch sie ihre medizinischen Künste im Stich ließen.
Die Quedlinburgerin hatte an ihrem eigenen Beispiel vorgeführt,
daß die Argumente ihrer Zeit, die Frauen generell die Eignung zum
Studieren absprachen, im Grunde absurd waren. Sie hatte bewiesen, daß
ihre eigenen Ideen nicht nur theoretische Hirngespinste darstellten, sondern
auch praktisch ausführbar waren. Auch wenn ihr Fall für mehr
als ein Jahrhundert in Deutschland der einzige blieb, erleichterten doch
wahrscheinlich ihr Vorbild und die Erinnerung an ihren Erfolg den Weg späterer
Verfechterinnen und Verfechter der Sache der Gleichberechtigung zwischen
Mann und Frau auch auf akademischem Gebiet.
Das 1742 erschienene Werk Dorothea Erxlebens zur Widerlegung der Argumente der Gegner des Frauenstudiums, die "Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten", fand in der Öffentlichkeit eine eher positive Resonanz. So schrieben die Leipziger "Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen" im Mai 1742, daß "das ganze Werkchen [ ... ] im übrigen mit einer guten Belesenheit und angenehmen Schreibart abgefasset" sei. Später schrieb dasselbe Blatt: "Diese Schrift hat ihren Wehrt und verdienet Beyfall, weil sie aus der Feder eines vernünftigen Frauenzimmers geflossen ist, ...". Die Bedeutung, die dieser Schrift zugemessen wurde, läßt sich auch an der Tatsache erkennen, daß 1749 von einem Unbekannten ein Plagiat der "Gründlichen Untersuchungen" unter neuem Titel veröffentlicht wurde, das als solches auch bald erkannt wurde, was voraussetzt, daß Dorothea Erxlebens Original verhältnismäßig bekannt gewesen sein muß.
Die "Gründliche Untersuchung" beginnt mit einer Einleitung aus der Hand von Dorotheas Vater, Christian Polykarp Leporin. Die Erörterung beginnt mit der umstrittenen Frage, "ob auch das weibliche Geschlecht der Gelahrtheit sich befleissen solle ?" Er setzt sich zuerst in einiger Länge mit dem theologischen Streitfall auseinander, ob die Frau gleich dem Mann nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und folglich gleichermaßen mit der Gabe der Vernunft bedacht worden sei oder nicht. Dazu führt er die relevanten Bibelstellen und ihre verschiedenen Interpretationen auf, wobei er selbstverständlich der Partei den Vorzug gibt, welche die Gleichheit von Mann und Frau in der Schöpfung bejaht. Des weiteren setzt sich Christian Polykarp Leporin mit der Ansicht auseinander, daß der Beruf des Arztes ein öffentliches Amt und somit für das weibliche Geschlecht grundsätzlich verboten sei. Im Gegensatz zu dem von ihm aufgeführten Johann Friedrich Rhetius plädiert er für die Nichtzugehörigkeit der gewöhnlichen medizinischen Berufsausübung zu den öffentlichen Ämtern. Ein weiteres Vorurteil gegen die Zulassung der Frauen zur medizinischen Praxis, die angebliche Unvereinbarkeit derselben mit dem "pudor sexus", der gebührenden Schamhaftigkeit des weiblichen Geschlechts, läßt Leporin so nicht stehen. Die Behandlung von Frauen durch Ärztinnen würde im Gegenteil der Wahrung der Schamhaftigkeit sogar noch zuträglich sein, und schließlich würden die Frauen in der sonntäglichen Predigt, zu der sie ja zugelassen seien, bisweilen schlimmere Dinge zu Ohren bekommen, als sie in der medizinischen Lehre erwähnt würden. Ein letztes Argument von Dorotheas Vater betrifft die Vorzüge, die eine gebildete Ehegattin für einen gebildeten Mann biete. Bei einem zu großen Bildungsunterschied zwischen Mann und Frau sei der Einzug von Langeweile und Verdruß in das alltägliche Zusammenleben beider im allgemeinen unausweichlich.
Nach der Einleitung des Vaters folgt eine solche Dorotheas. Dorothea schreibt zunächst ein Lob auf die Gelehrtheit, die anerkanntermaßen einer der wertvollsten Schätze der Menschheit sei. Jedoch stelle es eine ungebührliche Verachtung dieser Tugend dar, wenn das weibliche Geschlecht von ihr ganz und gar ausgeschlossen bleibe. Es liege an den zahlreichen Vorurteilen gegenüber dem Studieren der Frauen, wenn ein solch vorteilhaftes Gut wie die Gelehrtheit so in seinem allgemeinen Nutzen beschränkt werde. Diese Vorurteile und auch die übrigen Ursachen, die ihrer Meinung nach die Frauen in ihrem Bemühen um ein Studium behindern, will sie in der Folge darlegen und erwidern.
Im ersten Kapitel ihres Buches widmet sich Dorothea Erxleben den Vorurteilen. Deren erstes, so zitiert sie, lautet: "Gelehrsamkeit schicke sich nicht für das weibliche Geschlecht, weil dasselbe nicht fähig sei, etwas tüchtiges darin zu leisten." Hier ist wiederum die Frage angesprochen, ob der Verstand der Frau dem des Mannes ebenbürtig sei. Dorothea widerspricht dem Vorurteil, indem sie anführt, allen Menschen sei der Verstand gleichermaßen gegeben. Wer behaupte, daß Frauen keine Menschen seien, sei es nicht wert, daß man sich mit ihm befasse, und wer erkläre, Frauen seien zwar Menschen, hätten aber keinen Verstand, verwickele sich in einen offensichtlichen Widerspruch. Die Auffassung, Frauen hätten nur den halben Verstand von Männern, lasse bei ihren Vertretern nicht auf eine ganze Vernunft schließen.
Nachdem die grundsätzliche Frage der weiblichen Vernunftbegabung geklärt sei, laute der nächste Einwurf der Studiengegner: "Das Gebäude des männlichen Cörpers sey viel dauer- und standhaffter, als der Leib des weiblichen Geschlechts, demnach müßten auch die Kräffte der Seele bey jenem Geschlecht größer sein." Dorothea widerspricht der Annahme eines Zusammenhangs zwischen Körper- und Seelengröße, zudem seien ja auch bei den Männern nicht notwendigerweise diejenigen mit einem überragenden Körperbau auch die mit den größten Geistesgaben.
Nunmehr bemerkt die Gegenseite, wenn es auch an den Verstandeskräften des weiblichen Geschlechts keinen Zweifel mehr gäbe, "so sey doch dasselbe weit mehr, als das männliche Geschlecht denen Affecten ergeben,"und " es könne das weibliche Geschlecht deßwegen in denen Studiis nicht soviel als die Männer leisten, weil dasselbe von Natur unbeständig sey, ...".
Dies kann nach Dorotheas Auffassung so nicht gelten. Zum einen seien bekanntermaßen auch Männer von Stimmungen geplagt, zum anderen aber sei gerade ein Studium das beste Mittel, um zu lernen, wie man seine Stimmungen und Launen beherrschen und unterdrücken könne.
Im Zusammenhang mit dem vorangehenden Argument steht auch eine Bezugnahme auf die zur Zeit Dorotheas schon starken Veränderungen ausgesetzte Temperamentenlehre. So wird erklärt: "Das Temperament des weiblichen Geschlechts schicke sich nicht zum studiren." Als Begründung gilt, daß das "weibliche" Temperament kälter und feuchter als das "männliche" sei. Dorothea verwirft die Existenz geschlechtsspezifischer Temperamente. Alle vier Temperamente seien gleich unter Männern und Frauen verteilt. Darüber hinaus würden auch Männer, welche die sogenannten "schlechten" oder "weiblichen" Temperamente (Melancholiker und Phlegmatiker) aufwiesen, keinesfalls vom Studium ausgeschlossen.
Der letzte Einwurf, der von Dorothea unter dem ersten Vorurteil aufgeführt wird, betrifft die Meinung, daß Frauen, da sie gewöhnlich nur niedere und nicht besonders würdevolle Tätigkeiten verrichteten, zu etwas höherem wie einem Studium ungeeignet wären.Dies erkennt Dorothea nicht als ernsthaftes Gegenargument an. Daraus, daß es etwas bisher noch nicht gegeben habe, könne man nicht ableiten, daß es unmöglich sei. Wenn Frauen bislang noch nicht studiert hätten, so liege dies gewiß nicht an ihrer mangelnden Befähigung dazu.
Das zweite große Vorurteil gegen das Studium von Frauen leitet sich aus dem ersten ab und lautet: "Ob auch die äußerlichen Umstände des Frauenzimmers so beschaffen seien, daß die Studia nicht dadurch gehindert werden." Die scheinbare Unvereinbarkeit von Studien und gesellschaftlich normierten weiblichen Pflichten und Lebensregeln hat auch für Dorothea den Charakter eines schwerwiegenden Hindernisses. Jedoch ist es nach ihrer Ansicht durchaus möglich, beides miteinander zu verbinden. Sie unterscheidet drei mögliche Wege des Studierens: Erstens die Unterweisung durch einen Lehrenden, zweitens die Lektüre von wissenschaftlicher Literatur und drittens "die eigene Meditation". Die beiden letzteren Möglichkeiten stellen ohne weiteres gangbare Wege zum Studium für Frauen dar. Hinsichtlich der direkten Unterweisung von Frauen ergeben sich jedoch Probleme, denn es wird gesagt: "... wollte man das Frauenzimmer in anderen Wissenschaften mit Mannespersonen zugleich unterrichten, so würde doch solches vielerlei Übel nach sich ziehen." Dorothea tritt nicht ausdrücklich für eine gemeinsame Ausbildung von Männern und Frauen ein, doch sie zweifelt an der Richtigkeit dieser Trennung und erklärt mit ihrer Aufhebung verbundene Befürchtungen für übertrieben, da die Kontakte zwischen Männern und Frauen im täglichen Leben ja doch mindestens eben so häufig seien, wie man sie in einer gemeinsamen Ausbildungsstätte erwarten könnte.
Im folgenden setzt sich Dorothea insbesondere mit der Meinung auseinander, daß die Haushaltspflichten die einzig rechte Aufgabe der Frauen wären und ihnen für das Studium keine Zeit ließen. So wird von den Frauen behauptet: "... sollen dieselben dereinst gute Haushälterinnen werden, so müssen sie von Jugend auf dazu angeführt werden, folglich könnten sie die Zeit nicht auf das studiren wenden", "... eben die Haushaltungskunst sei die für sie gehörige Weisheit, mithin sei das weibliche Geschlecht schon weise genug, wenn es diese begriffen", und: "für das weibliche Geschlecht gehören häusliche Geschäfte, aber zum studiren hat dasselbe keinen Beruf". Solches ist für Dorothea Erxleben inakzeptabel. Sie nennt die Zurücksetzung des Studiums hinter die Haushaltspflichten schändlich, weil dadurch die Vernunft unterdrückt und so dem weiblichen Geschlecht unermeßlicher Schaden zugefügt werde. Haushalt und Studium seien darüber hinaus kein Gegensatz, eine gebildete Frau könne im Gegenteil ihren Haushalt besser führen. Dorothea führt als Beispiele hier auch alleinregierende Monarchinnen wie die englische Königin Elisabeth I. an, die ja nicht nur ihren eigenen Haushalt, sondern auch ihr ganzes Reich zu regieren hatten und trotzdem stets noch Studien betrieben. Schließlich appelliert sie mit ähnlichen Argumenten wie ihr Vater in seiner Einleitung an die Vernunft der Ehemänner, die aus der Bildung ihrer Frauen großen Nutzen ziehen könnten.
Das nächste Themenfeld, dem Dorothea sich zuwendet, befaßt sich mit der Frage, welchen Nutzen die Frauen überhaupt aus ihren Studien ziehen könnten. Dem Einwand, dieser Nutzen sei schlechthin nicht vorhanden, erwidert sie, daß der Nutzen von Studien sich nicht allein in beruflicher Anwendungsmöglichkeit ausdrücke, sondern daß allein die durch ein Studium herbeigeführte Ausmerzung solcher Untugenden wie "Unwissenheit, Irrthum, Vorurtheile, Übereilung, Unbeständigkeit, Zweiffel"es hinreichend rechtfertigen würden. Doch auch die eigentliche Behauptung, Frauen könnten von ihren Studien keine "profession" machen, läßt sie nicht unbeantwortet stehen. Denn ihre Gegner erklären: "Einem Frauenzimmer werden weder geistliche noch weltliche Ämter, als vor die Gelehrten gehören, anvertrauet. Es wird demnach die Gelehrsamkeit des weiblichen Geschlechts, wo sie auch noch so weit gelangen, auf ein vergebliches Wissen hinaus lauffen, dadurch niemanden gedienet wird."
Zwar muß Dorothea erkennen, daß nach römischem Recht der Weg in öffentliche Ämter den Frauen versperrt ist, doch zeigt sie anhand meist antiker Beispiele, wie der Hypathia, Samia und Cornelia Graccha, daß es davon stets Ausnahmen gegeben habe. Außerdem sei es in ihrem Fachgebiet, der Medizin, ohnehin umstritten, ob der Beruf des Arztes ein öffentliches Amt sei. Deshalb sei es durchaus rechtlich möglich, daß Frauen Ärztinnen würden. Das Argument, Frauen, die sich bisher mit der Heilkunst befaßt hätten, seien zumeist Pfuscherinnen gewesen, läßt sie nicht gelten. Diese Frauen hätten niemals ernstlich versucht, Studien zu betreiben, und seien deshalb verurteilenswert.
Eine weitere Frage ist die Möglichkeit einer Promotion für Frauen. Zum einen, so Dorothea Erxleben, sei diese Würde nicht unbedingt als Abschluß der Studien erforderlich. Zum anderen könne sie an mehreren Beispielen nachweisen, daß Frauen durchaus zur Promotion zugelassen würden, wenn sie sich ernsthaft darum bemühten. Die angeführten Doktorinnen sind Helena Cornaria, Cassandra Fidelis, Isabella Losa und Laura Bassi.
Das dritte Vorurteil, das in der "Gründlichen Untersuchung" zur Sprache kommt, lautet: "Das studiren des weiblichen Geschlechts werde oft gemißbraucht, und gebe demselben zu vielerlei Übel Anlaß, also tue man sicherer wenn man die Gelegenheit verhüte und dasselbe nicht studiren lasse." Dorothea Erxleben verwirft dieses Vorurteil mit dem Hinweis, daß eine schlechte Anwendung erworbenen Wissens bei weitem noch keinen Grund zur Verdammung des Wissens an sich darstelle. Daneben merkt sie auch hier an, daß man oftmals auch Männern den Mißbrauch ihres Studiums nachsagen könne, dies jedoch nicht zu einem generellen Studienverbot für Männer führe. Der als negative Auswirkung des Studierens oft genannte Hochmut rühre nicht vom Studium selbst, sondern im Gegenteil von noch bestehendem großen Mangel an Erkenntnis her.
Dorothea führt nun die Meinung der Gegenseite auf, daß, da das Studieren allgemein Krankheiten begünstige, Frauen wegen ihrer besonderen Anfälligkeit nicht zum Studium zugelassen werden dürften. Dem widerspricht sie mit der Bemerkung, daß die Krankheiten nur vom unordentlichen Studieren kämen und deshalb Frauen bei Einhaltung der nötigen Ordnung kaum gefährdet seien.
Nunmehr kommt die "Gründliche Untersuchung" zum letzten Vorurteil, das sich mit der Sonderrolle studierter Frauen unter ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen und den daraus entstehenden Konflikten befaßt. Dorothea Erxleben erklärt, dieses Argument verliere in dem Maße an Gewicht, in dem mehr und mehr Frauen anfingen, Studien zu betreiben und sich über alte Gewohnheiten hinwegzusetzen. Sie schließt mit dem Satz: "Hätte man von Anbeginn der Welt alles dasjenige, was nützlich und heilsam ist, nur deßwegen unterlassen wollen, weil solches damahls, da es zuerst erfunden worden, noch neu und nicht im Gebrauch gewesen, wie viele Sachen würden denen Menschen fehlen, deren Nutze niemahls genung kan gepriesen werden."
Im zweiten, kürzeren Teil ihrer Abhandlung zählt Dorothea die außer den Vorurteilen noch für das Studium von Frauen hinderlichen Ursachen auf. Dies sind der Geiz, die Faulheit und die Furcht vor dem Neid anderer. So ist oft festzustellen: "Viele sehen das studiren des weiblichen Geschlechts für eine Verschwendung an, man spricht: es werden dazu viele Kosten erfordert, welche man besser anwenden kann,...". Nach Dorotheas Ansicht ist dies ein falsches Verständnis des Verhältnisses von materiellem zu geistigem Reichtum. Auch die größten Mengen des ersteren könnten das Fehlen des letzteren nicht ausgleichen.
Der Vorwurf, Frauen würden durch Studieren ihre Haushaltspflichten vernachlässigen, wird von Dorothea zurückgewiesen. Sie stimmt dem Weiterbestehen aller Haushaltspflichten trotz Studium zu, doch meint sie, daß die dafür nötige Zeit durchaus an anderen Orten gespart werden kann: "Denn was würde der Haushaltung vor Schade erwachsen, wenn das weibliche Geschlecht alle die Zeit zum Studieren anwendete, welche es sonst mit Müßiggang verdirbt ?" Unter Müßiggang versteht sie "überflüssiges und vergebliches Schlafen", "schädliche Visiten", "sündliche Unterredungen", "Anhörung unnützer Reden" und "überflüssiges Putzen".
Bei der Faulheit geht Dorothea hart ins Gericht mit ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen. Sie schreibt: "Faulheit hindert das Studiren. Es ist wahr, daß dieses auch viele des männlichen Geschlechts angehet, aber noch öfter finden wir daß die Nachlässigkeit, oder deutsch zu sagen, Faulheit und Trägheit, das Frauenzimmer vom Studiren abhalten."Dies kann Dorothea nicht tolerieren, da ein Studium der Frauen ohne die Überwindung dieser Untugend für sie schlicht kaum vorstellbar ist.
Auch der Hochmut in allen seinen Ausprägungen wird von ihr als dem Studieren äußerst abträglich eingestuft. Seine für das Studium zutreffenden beiden Extreme, zum einen die Überzeugung, nichts mehr lernen zu müssen, und zum anderen die Scheu davor, eigene Unkenntnis zuzugeben und Belehrung anzunehmen, bedrohen den Erfolg akademischer Bemühungen.
Als letzter Punkt der Hindernisse wird der Neid der anderen benannt. Frauen, die einmal Gelehrsamkeit erworben hätten, liefen durch die damit verbundene Steigerung ihres Ansehens Gefahr, sich den Neid anderer Frauen zuzuziehen. Manche würde von dieser Aussicht auch von vornherein abgeschreckt, Studien überhaupt erst zu beginnen. Dorothea Erxleben ruft hier alle beteiligten Frauen auf, statt Neid zu entwickeln, besser selbst geeignete Studien zu beginnen. Der Neid an sich schade nicht nur den Beneideten, sondern auch den Neiderinnen. Und wenn eine Frau meine, es sei für sie zum Studieren zu spät, so habe sie Unrecht - für den Beginn sei nahezu jedes Lebensalter richtig.
In Rückbetrachtung ihrer gesamten Abhandlung kommt Dorothea Erxleben dann im Schlußwort zu der Einschätzung:
"Es sind nicht nur die Vorurtheile, sondern auch
die übrigen das weibliche Geschlecht vom studiren abhaltende Ursachen
beydes angezeiget, und auch zu Schanden gemacht, und ich stehe in denen
Gedancken, es sey für die, welche in der Unwissenheit vorsetzlich
bleiben wollen, keine Entschuldigung mehr übrig."
Literaturverzeichnis
Böhm, | Heinz ( Hrsg. ), Dorothea Christiane Erxleben, Ihr Leben und Wirken, Quedlinburg 1985. |
Feyl, | Renate, Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft, Berlin 1981. |
Leporin, | Dorothea Christiane, Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten, Berlin 1742, Nachdruck Hildesheim / New York 1975. |
Schiebinger, | Londa, The Mind Has No Sex ? Women in the Origins of Modern Science, Cambridge ( Massachusetts ) / London 1989. |