Kardinal Richelieu und seine Hugenottenpolitik

Der französische König Ludwig XIII., dem Armand Jean du Plessis, Cardinal de Richelieu, seit 1624 als erster Minister diente, befand sich am Anfang des 17. Jahrhunderts in einer unglücklichen Lage.

Gemäß einer langen Tradition der Könige Frankreichs, die sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen läßt, war er der "allerchristlichste König", wobei christlich hier selbstverständlich mit katholisch gleichzusetzen ist. Er wurde von katholischen Priestern bei der Krönung gesalbt, wurde durch diesen Akt selbst mit priesterlichen Vorrechten ausgestattet und schwor einen feierlichen Eid, die katholische Kirche mit allen Kräften zu schützen und ihre Feinde zu vernichten. Die alte Devise der Könige Frankreichs, mit der sie in den vergangenen Jahrhunderten ihre zentralistischen Einigungsbestrebungen auf einen Punkt gebracht hatten, lautete "une foi, une loi, un roi".

Die politischen Notwendigkeiten jedoch hatten seinen Vorgänger, Heinrich IV., dazu veranlaßt, diesen Grundsatz zumindest zeitweise zurückzustellen und die Häresie zu tolerieren, anstatt sie zu bekämpfen. Denn die französischen "Häretiker", die nach den Lehren des Reformators Calvin lebenden Hugenotten, waren zu einer einflußreichen Gruppe in Frankreich geworden und hatten in mehreren langen und blutigen Bürgerkriegen bewiesen, daß sie mit Waffengewalt kaum auszurotten waren. Darüber hinaus war Heinrich IV. ihr Anführer gewesen, bevor er, um König werden zu können, zum katholischen Glauben übergetreten war. Die Hugenotten stellten zahlenmäßig nur einen geringen Anteil der französischen Gesamtbevölkerung ( um 1600 ca. 1,2 Millionen oder 5 bis 6 Prozent ) und waren hauptsächlich im Süden des Landes konzentriert, doch gehörten viele von ihnen zu den oberen Gesellschaftsschichten, und eine seit dem Mittelalter für Frankreichs Seehandel so bedeutende Stadt wie La Rochelle befand sich ganz in ihrer Hand. Ihre Reihen umfaßten auch Familien des alten Hochadels, wie die Bouillons, Rohans, Châtillons, La Forces und La Trémoilles, die auch in militärischer Hinsicht nicht zu unterschätzen waren.

Um den ständigen Bürgerkrieg zu beenden, erließ Heinrich IV. als König 1598 das Edikt von Nantes. Dieses Vertragswerk, das im übrigen nur den Charakter eines persönlichen Versprechens Heinrichs IV. besaß und somit für seine Nachfolger nicht bindend war, gab den Protestanten weitgehende Kultfreiheit, die allerdings auf bestimmte Städte und Regionen beschränkt war. Hugenotten waren zu allen Berufen, Schulen, Universitäten, Hospitälern und Ämtern zugelassen, und ihre Rechtsangelegenheiten wurden vor paritätisch katholisch-hugenottisch besetzten Gerichtshöfen, den chambres de l’édit, verhandelt. Protestantische Pfarrer wurden aus öffentlichen Mitteln bezahlt, und, was insbesondere für Richelieus spätere Politik von Bedeutung sein würde, die Hugenotten erhielten das Recht, ungefähr fünfzig befestigte Plätze auf staatliche und etwa einhundertundfünfzig weitere auf eigene Kosten zu unterhalten.

Obwohl selbst in der Formulierung dieses Edikts die zeitliche Beschränkung desselben erkennbar ist, so opferte es dennoch für einen beträchtlichen Zeitraum die kirchliche zugunsten der staatlichen Einheit. Die Möglichkeit, einem Staat anzugehören, obwohl man nicht Mitglied der eigentlichen staatlichen Religion war, erscheint im Frankreich dieser Zeit als etwas völlig Neues und kann in seinen späteren Auswirkungen als bahnbrechend für die Herausbildung des konfessionell neutralen "modernen" Staates gesehen werden.

Im Zeitraum des ersten Jahrzehnts nach dem Erlaß des Edikts von Nantes beginnt Richelieu seine kirchliche Laufbahn als römisch-kaholischer Bischof. Es ist eine Zeit der religiösen Erneuerung bei den französischen Katholiken, in der Frömmigkeit und Hingebung neue Höhepunkte erfahren. Richelieu selbst ist davon in seiner Familie unmittelbar betroffen, geht doch sein Eintritt in den Kirchendienst auf den Entschluß seines älteren Bruders Alphonse zurück, in ein Kloster der Kartäuser einzutreten, anstatt den ursprünglich für ihn vorgesehenen Titel des Bischofs von Luçon anzunehmen. Und auch mit den Hugenotten hat Richelieu notwendigerweise Kontakt, liegt doch sein Bistum im Poitou, ganz in der Nähe des "Mekkas der Kalvinisten", der großen Hafenstadt La Rochelle. Auch im Gebiet des Bistums lebten so zahlreiche Hugenotten, mit denen sich Richelieu als katholischer Bischof auseinanderzusetzen hatte. Er nahm dabei eine konziliante Position ein und äußerte sie gegenüber seiner Gemeinde in Luçon: "Ich weiß, daß hier einige sind, die von uns im Glauben getrennt sind. Ich hoffe jedoch, daß wir in Liebe vereint sein mögen. Ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, um das zu erreichen, was ihnen so gut wie uns nützt und dem König genehm sei, den wir alle zufriedenzustellen versuchen müssen." Allerdings war Richelieus Toleranz begrenzt. So ließ er einen protestantischen Kirchenbau in der Nähe seiner Kathedrale nicht zu, entließ Amtsträger aufgrund ihrer Religion und bestand auf der gebührenden Achtung für seine religiöse Würde auch durch die Hugenotten. Richelieu holte die Orden der Oratorianer und Kapuziner in seine Diözese, die dort mit achtbarem Erfolg ihre Bekehrungsarbeit verrichteten und sogar auf Besitzungen führender hugenottischer Adliger, wie die der Witwe des Herzogs von Rohan vordringen konnten.

Auch er selbst beteiligte sich an der geistlichen Aufgabe der Hugenottenmission. Seine Grundsätze legte er 1617, bereits nach dem Ende seiner ersten Amtszeit als Staatsminister, in dem Buch "Les principaux points de la foi de l’Église catholique" nieder. In diesem Buch, in dem er eine Streitschrift von vier protestantischen Pfarrern zur Verteidigung ihres Glaubens zu widerlegen suchte, erklärte Richelieu, daß es seine Absicht sei, die Hugenotten zu heilen und nicht, sie zu verletzen. Er verteidigte die katholische Kirche gegen erhobene Vorwürfe, antwortete auf jeden Anklagepunkt der protestantischen Pfarrer und behauptete, die Reformation bereite allen Lastern den Weg und untergrabe die fürstliche Autorität.

Eine Versammlung der Protestanten in Saumur im Jahre 1611, die vorwiegend politische Forderungen an die damalige Regentin Maria di Medici stellte, wurde von Richelieu verurteilt. Als er bei der Versammlung der Generalstände am 23. Februar 1615 die Schlußrede des ersten Standes halten durfte, forderte er harte Strafen für Hugenotten, die Gewalt ausübten, doch denjenigen, die in Frieden leben wollten, sollte nach seiner Ansicht nur mit friedlichen Mitteln begegnet werden. Der Satz aus dieser Rede: "Wir streben nur ihren Übertritt an und wünschen ihn durch unser Beispiel, unsere Unterweisung und unsere Gebete zu fördern. Diese sind die einzigen Waffen, mit denen wir sie bekämpfen wollen." konnte als sein persönliches Motto auch in der Zeit seiner Regierung als erster Minister Ludwigs XIII. gelten. In der Frage der Hugenotten galt für Richelieu zu dieser Zeit schon die Trennung von religiösen und politischen Fragen. In einem Brief an den Botschafter Frankreichs im Reich, den Hugenotten Schomberg, bekräftigte er den Vorrang der politischen Notwendigkeiten gegenüber religiösen Vorbehalten: "Die unterschiedlichen Bekenntnisse lassen uns nicht als verschiedene Staaten zurück: Getrennt im Glauben, bleiben wir geeint durch einen Fürsten, in dessen Diensten kein Katholik so blind ist, in Angelegenheiten des Staates einen Spanier höher zu schätzen als einen hugenottischen Franzosen."

Als Richelieu 1624 wieder in den Staatsrat berufen wurde, hatte sich die politische Situation der Hugenotten im Verhältnis zum französischen König bereits stark verschlechtert. Die protestantischen Stände hatten sich in Reaktion auf die Annexion und Rekatholisierung der formell vom französischen König unabhängigen Grafschaft Béarn durch Ludwig XIII. im Jahre 1620 zur offenen Rebellion entschlossen. Auf einer Versammlung in La Rochelle vereinbarten sie, eigene Truppen aufzustellen, die aus selbst erhobenen Steuern finanziert werden sollten, den protestantischen Süden in achtzig Militärbezirke einzuteilen, die Sicherheitsplätze für den Kriegsfall auszurüsten und den Herzog Henri de Rohan als Oberbefehlshaber zu berufen. Diese Aneignung königlicher Hoheitsrechte durch die rebellierenden Hugenotten stellte de facto die Errichtung eines eigenen Staates dar, der nach dem Vorbild der niederländischen Provinzen in der Propaganda "Vereinigte Provinzen des Midi" genannt wurde. Dies rief die Erinnerung an die Bürgerkriege des vorigen Jahrhunderts in die Köpfe zurück, auch wenn die Hugenotten sich keineswegs von ihrer Eigenschaft als Untertanen Ludwigs XIII. lossagten.

Ludwig XIII. erkannte die Gefahr für die französische Monarchie und entschloß sich zu militärischem Eingreifen. Mit einer geistlichen Vorbereitung wie für einen Kreuzzug stellte er das Unternehmen als Kampf für den katholischen Glauben dar. Nach einigen kleineren Erfolgen löste sich die königliche Armee bis Ende 1621 bei der Belagerung der Hugenottenhochburg Montauban im Languedoc völlig auf, doch das nächste Jahr brachte einen triumphalen Sieg des Königs. In seiner Folge schloß der König mit den hugenottischen Rebellen den Frieden von Montpellier. Dieser Vertrag schwächte die Hugenotten beträchtlich, denn er verfügte die Zerstörung aller Befestigungen, die ihnen im Edikt von Nantes noch zugestanden worden waren, mit Ausnahme derer von Montauban und La Rochelle. Der Handel der letzteren Stadt, der die Hauptquelle ihres Reichtums und damit auch ihrer militärischen Kraft darstellte, wurde darüber hinaus durch die Konstruktion des Fort-Louis, das ihre landwärtigen Verbindungen blockierte, merklich behindert. Dieses Fort sollte in Zukunft die Ursache weiterer Konflikte zwischen dem König und der hugenottischen "Hauptstadt" werden, denn La Rochelle und die Hugenotten blieben auch nach dem Frieden von Montpellier von erheblicher politischer Bedeutung.

In einem solchen Zustand befand sich also das Problem der Hugenotten, als Richelieu den Vorsitz des Staatsrates übernahm. Das Unheil, das dem französischen Staat von Seiten der hugenottischen Partei drohte, verlangte für ihn vorrangig nach Gegenmaßnahmen. So schrieb er an den König: "Ärzte halten es für einen Aphorismus, daß eine innere Schwäche, wie gering auch an sich, mehr zu fürchten ist als eine äußere Verletzung, sei sie auch niemals so groß und schmerzhaft. Daraus lernen wir, daß wir das aufgeben müssen, was im Ausland zu tun ist, bis wir getan haben, was im Inland getan werden muß." Was Richelieu genau unter den inländischen Aufgaben verstand, faßte er in einem weiteren Memorandum an den König zusammen: "Ich verspreche ihm, all meine Tätigkeit und alle meine Autorität, die es ihm gefallen hat, mir zu geben, einzusetzen, um die hugenottische Partei zu ruinieren, den Stolz der Großen niederzuwerfen, alle seine Untertanen in ihre Pflichten zurückzuführen und seinen Namen unter den fremden Nationen wieder zu dem Punkt zu erheben, wo er sein sollte." Auffallend hierbei ist, daß Richelieu von der "hugenottischen Partei" und nicht von den "Hugenotten" an sich spricht, also auch hier anscheinend politische Aspekte des Verhältnisses zu den Hugenotten von religiösen zu trennen weiß. Doch er ist fest entschlossen, den Hugenotten ihre politischen Rechte zu nehmen, denn "solange die Hugenotten ihre Stellung in Frankreich behalten, wird der König niemals Herr in seinem Reich und auch nicht in der Lage sein, ruhmreiche Taten im Ausland zu unternehmen."

Wie richtig diese letzte Maxime war, mußte Richelieu schon bald nach der Übernahme von Macht und Verantwortung selbst erleben. Seine Außenpolitik der Abkehr von der spanienfreundlichen Politik der Regentin Maria di Medici und des Versuchs der Wiederaufnahme der protestantischen Allianzen Heinrichs IV. zeigte im Falle des Veltlins erste Erfolge. Französisch-schweizerische Truppen hatten päpstliche Besatzungen aus den Festungen dieses Alpentals vertrieben und damit den spanischen Truppennachschub nach den Niederlanden und ins Reich unterbunden. In dieser Situation erwiesen die französischen Hugenotten der internationalen protestantischen Sache einen schlechten Dienst. Da der König einige ihrer Beschwerden über die Nichteinhaltung verschiedener Punkte des Vertrags von Montpellier zurückgewiesen hatte, entfachten die beiden protestantischen Herzöge de Rohan und de Soubise eine neue Rebellion des hugenottischen Südens. Diese verlangte von Richelieu eine Aufsplitterung der französischen Kräfte, die in der Folge den Verlust der französischen Kontrolle über das Veltlin und damit eindeutige Vorteile für Spanien gegenüber seinen protestantischen Gegnern brachte. Wie unsinnig die hugenottische Rebellion für die Sache der Protestanten insgesamt war, zeigt auch das Verhalten protestantischer Verbündeter des Königs von Frankreich. So wurde einer der bedeutendsten Seesiege des Königs über die Hugenotten vor La Rochelle von einer holländischen, also protestantischen Flotte erkämpft, die der Prinz von Oranien zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit seines wichtigsten Verbündeten gegen Spanien entsandt hatte !

Vor allem diesem Seesieg, aber auch anderen Gefechten zu Lande und zu Wasser war es zu verdanken, daß die protestantischen Rebellen sich bald kriegsmüde und verhandlungsbereit zeigten. Eine herausragende Rolle spielte dabei auch Richelieus diplomatisches Geschick, mit dem er es schaffte, den Hugenotten weiszumachen, er würde bald mit den Spaniern Frieden schließen und dann gemeinsam mit diesen die hugenottische Rebellion niederwerfen. Gleichzeitig versetzte er die Spanier in Angst und Schrecken, indem er ihnen mit einem baldigen Vertragsabschluß mit den Hugenotten und einem gemeinsamen Vorgehen mit diesen gegen Spanien drohte. Zuletzt schloß er mit beiden solchermaßen eingeschüchterten Parteien binnen eines Monats die Friedensverträge von Monzon und La Rochelle, mit denen er beide Konflikte beendete, ohne einer Partei entscheidende Zugeständnisse zu machen. Allerdings hatte der Friede von La Rochelle auch einen Schönheitsfehler: Der König von England hatte sich das Recht genommen, zwischen dem König von Frankreich und seinen hugenottischen Untertanen zu vermitteln. Zwar hatte Richelieu die englischen Gesandten stark in seinem Sinne beeinflussen können, doch blieb die Rolle Englands im Konflikt mit den Hugenotten eine ständige Gefahr für die Sicherheit und Souveränität des französischen Königs. Diese Gefahr sollte sich einige Jahre später noch in ihrem vollen Ausmaße zeigen.

Der Friede brachte für die Hugenotten im wesentlichen relativ großzügige Bedingungen. Zwar mußten sie das wichtigste Fort ihrer Befestigungsanlagen zerstören und verloren das Recht auf den Besitz von Kriegsschiffen, während der König sein verhaßtes Fort-Louis behielt und die vor La Rochelle gelegenen Inseln mit Garnisonen belegte. Doch ihr Glauben und ihre weitgehende politische Selbständigkeit wurden ihnen belassen. Nichtsdestoweniger fühlten sich die Rochelaiser in den Grundfesten ihrer Existenz bedroht und suchten nach neuen Möglichkeiten, ihre bestehenden Freiheiten auch in Zukunft zu bewahren und wenn möglich sogar die alten Vorrechte wiederzugewinnen. Der König von England, der bezeichnenderweise als Oberhaupt der anglikanischen Kirche nicht einmal ein Glaubensgenosse der kalvinistischen Südfranzosen, sondern allerhöchstens ein gemeinsamer Gegner im Kampf gegen die katholischen Kirche war, bot sich in dieser Situation als Protektor an.

Jedoch auch die schärfsten Gegner der Hugenotten waren mit Richelieus Friedensschluß mit diesen Erzfeinden der katholischen Kirche nicht einverstanden. Unter diesen Kritikern, die man im allgemeinen zur Partei der sogenannten bons catholiques oder dévots rechnete, traten besonders der Gründer des Oratorianerordens Bérulle, ein einstiger Weggefährte und Freund Richelieus, und der Großsiegelbewahrer Marillac hervor. Dabei verknüpften sie Kritik an der Hugenottenpolitik häufig mit einer Kritik an der zumeist spanienfeindlichen Außenpolitik des Kardinals Richelieu. Sie forderten gar einen sofortigen Feldzug gegen England, ein in den Augen Richelieus für das Interesse Frankreichs völlig sinnloses Unternehmen, und griffen über die Person der Königinmutter Maria di Medici, die dieser politischen Partei nahestand, in ihrem Sinne in die Staatsgeschäfte ein. Bérulle verstand die Interessen des französischen Staates und der Kirche, also der katholischen Gegenreformation mit ihren großen Stützen, dem König von Spanien und dem habsburgischen Kaiser, als eine untrennbare Einheit. Die logische Konsequenz daraus bildeten ein außenpolitisches Zusammenwirken mit Spanien und ein erbarmungsloser Kampf im Innern gegen die Hugenotten. Wegen seines gemäßigten Vorgehens gegen jene wurde Richelieu aus dieser Richtung mit den Hohn- und Schimpftiteln "Kardinal von La Rochelle" oder "Kalvinistenpapst" bedacht. Der Großsiegelbewahrer Marillac forderte Anfang 1626 im Staatsrat, die Hugenotten ein für allemal zu beseitigen, im übrigen mit der Richelieu gar nicht so fremden Begründung, daß sie den Staat ruinieren und den König niemals als dessen absoluten Herrn zulassen würden.

Diesen Kritikern antwortete Richelieu durch einige Streitschriften, die er zwar meist nicht persönlich verfaßte oder zumindest nicht offiziell deren Urheberschaft zugab, die jedoch von unmittelbar von ihm abhängigen Pamphletisten stammen, so daß seine weitgehende Zustimmung zu ihren Inhalten vorausgesetzt werden kann. Eine davon ist der "Catholique d’estat", der zwar hauptsächlich zur Rechtfertigung der protestantenfreundlichen Außenpolitik des Kardinals bezweckt war, doch auch einige innenpolitisch bedeutsame Passagen enthielt. So wird in ihm, im Kontrast zum Beispiel zur Position von Bérulle, darauf hingewiesen, daß Staat und Kirche zwar miteinander und aufeinander abgestimmt auftreten und handeln sollten, daß beide jedoch besondere individuelle Handlungsbereiche besäßen, in die kein Partner dem anderen eingreifen sollte. Des weiteren wird argumentiert, daß, da der allerchristlichste König ja die Verkörperung des katholischen Glaubens sei, jeder, der nicht in erster Linie königliche, das heißt staatliche Interessen zur Richtschnur seines Handelns mache, kein wahrer Katholik, sondern ein Hypokrit und ein Feind Gottes sei.

Eine genauer auf die Kritik am Friedensschluß von La Rochelle mit den Hugenotten zugeschnittene Streitschrift ist der "Discours sur la paix", in dem Richelieu sein Vorgehen rechtfertigen läßt. Der Verfasser hebt insbesondere die Bedeutung des inneren Friedens für Frankreich hervor und bezweifelt den Sinn und die Erfolgschancen einer Bekehrung der Hugenotten durch militärische Mittel. Die päpstliche Forderung nach der sofortigen Niederschlagung der Häresie sei, wie ähnliche Beispiele aus der Geschichte belegen würden, einer jener Fälle, in denen Könige seit je her Befehle des Heiligen Stuhls zu ihrem eigenen Besten mißachtet hätten. Darüber hinaus gefährde nicht die Häresie an sich das Wohl des Staates, sondern Krieg und Rebellion seien die eigentlichen Ursachen der königlichen Macht. Die Sicherheit des Staates sei der Einheit der Glaubenslehren vorzuziehen.

In die dem Frieden von La Rochelle folgende Zeit fällt auch der Beginn einer wirtschafts- und staatspolitischen Entwicklung, die einmal auch die Grenzen von Richelieus allgemeiner Vorgehensweise zeigt, die Interessen des Staates im Zweifelsfalle denen der katholischen Kirche vorzuziehen. Während er als Gründe für den oben genannten Friedensschluß noch hauptsächlich das Wohl des Staates anführt, stellt er am Beginn einer aktiven französischen Kolonialpolitik einem möglichen größeren Nutzen für den französischen Staat religiöse Interessen voran.

Bei der Gründung der "Compagnie de la Nouvelle France", einer Gesellschaft, die nach mehreren bereits mißglückten Versuchen die Besiedlung und den Handel mit dem 1608 entdeckten "Neu-Frankreich", dem heutigen Kanada, zum Ziel hatte, wurden von vornherein Hugenotten von dieser Unternehmung ausgeschlossen. Dies mag unter religiösen Umständen verständlich sein, doch unter dem Gesichtspunkt, daß La Rochelle zu dieser Zeit noch die reichste und bedeutendste Hafenstadt Frankreichs war, kommen an dem Sinn dieses Ausschlusses bereits Zweifel auf. Generell waren die Hugenotten im Bereich des Handels von überproportionaler Bedeutung. Ihre Beteiligung hätte sich gewiß sehr fördernd auf den Erfolg eines solchen Unternehmens ausgewirkt, der dem französischen Staat in der kolonialen Konkurrenz mit Engländern, Spaniern und Holländern im Hinblick auf die weitere Entwicklung kaum zu überschätzende Vorteile verschafft hätte. So aber blieb "Neu-Frankreich" kaum mehr als eine katholische Missionsstation, in der zwar Niederlassungen der Jesuiten, Ursulinerinnen und Hospitaliter florierten, deren wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Bedeutung im Vergleich zu holländischen und englischen Kolonien in Nordamerika jedoch geradezu winzig war. Wenn es auf Seiten der hugenottischen Städte 1627 auch noch beträchtliche Widerstände gegen die politische und wirtschaftliche Eingliederung in ein zentralisiertes System gab, als das Richelieus Unternehmen zur kolonialen Expansion begriffen wurde, so hätten doch spätestens nach der Unterwerfung von La Rochelle die Ressourcen dieser Stadt vom französischen Staat genutzt werden können. Auch die Chance der Lösung oder zumindest der Entspannung in der Frage einer religiösen Minderheit durch koloniale Auswanderung, wie sie sich im Vergleich zu den Puritanern im England derselben Zeit anbietet, gab es durch das Siedlungsverbot in Kanada für die französischen Hugenotten nicht.

Statt dessen blieben die Hugenotten nach dem Frieden von La Rochelle ein ständiger Unruheherd. Sie lehnten sich immer mehr in politischen Fragen an England an. Die weiterhin als Bedrohung empfundene Existenz des Fort-Louis und der königlichen Garnisonen auf den Inseln vor der Stadt ließ den Willen zu neuer Rebellion stetig anwachsen. Am englischen Königshof, an dem zu dieser Zeit George Villiers, Herzog von Buckingham, als Favorit Karls I. den Ton angab, hielten sich einige seit dem Friedensschluß ins Exil gedrängte hugenottische Anführer auf, deren bedeutendster der Herzog von Soubise war. Diese fanden bei Buckingham, der auch persönliche Feindschaften gegen Ludwig XIII. und Richelieu hegte, die ich hier aus Platzgründen nicht weiter erörtern will, ein offenes Ohr für eine "Befreiung" der bedrängten Rochelaiser durch ihn. Im Juli 1627 wurde dieser Plan in die Tat umgesetzt, eine englische Flotte segelte vor La Rochelle.

Doch zur Überraschung Buckinghams, der sofort mit der Belagerung der französischen Inselgarnisonen begann, erhoben sich die Bewohner von La Rochelle nicht sofort. Statt dessen boten sie Ludwig XIII. an, "neutral" zu bleiben, falls dieser das Fort-Louis zerstören lasse.

Richelieu lehnte dieses Angebot jedoch ab. Für ihn bot sich nun die Gelegenheit, sein Ziel, die hugenottische Partei zu ruinieren, zu verwirklichen. Darüber hinaus waren die Anwesenheit englischer Truppen auf französischem Boden in einem Umfang, den es seit dem Ende des hundertjährigen Krieges nicht mehr gegeben hatte, und die mit dem Hafen von La Rochelle verbundene Gefahr einer erstklassigen Invasionsbasis für England aus staatspolitischen Gründen nicht zu tolerieren.

In Richelieus Politik vollzog sich an diesem Punkt eine bemerkenswerte Wendung. Sein Entschluß, La Rochelle anzugreifen, verschaffte ihm die begeisterte Zustimmung der Partei der bons catholiques und ihres Hauptes, der Königinmutter. Dagegen lehnten eine ganze Reihe der bons français, auf die Richelieu sich bisher stützte, seine Entscheidung ab. Vor allem waren es Prinzen des Geblüts, die mit einem solchen Zentralisierungserfolg, wie ein Sieg über La Rochelle es wäre, die Basis für ihre eigene Selbständigkeit und die Möglichkeit, eigene Rebellionen anzuzetteln, schwinden sahen. Bezeichnend ist hier der - angebliche - Ausspruch eines ihrer Vertreter unter den Belagerern von La Rochelle, des Marschalls Bassompierre: "Wir wären Narren, wenn wir La Rochelle einnehmen würden !"

Richelieu gelingt es, dem katholischen Klerus in Frankreich, mit Zustimmung des Papstes, einen großen Teil der Kosten des bevorstehenden Feldzugs als Beihilfe zur Bekämpfung der Häresie aufzubürden. Die Zahlenangaben dafür schwanken, aber es steht fest, daß Richelieu es versteht, aus seinem, wenn auch größtenteils durch die Umstände erzwungenen, Wechsel der Lager maximalen Profit zu schlagen.

Zum ersten Mal ist Richelieu für Frankreich ein Bündnis mit Spanien eingegangen. Der Vertrag von Madrid, im April 1627 geschlossen, also schon vor Buckinghams Aufbruch nach La Rochelle, hat zunächst einmal die Wirkung, daß sich Spanien und England in dieser für Frankreich kritischen Situation nicht verbünden können. Im weiteren Verlauf zögern die Spanier sehr, den Franzosen auch konkret gegen die Ketzer zu Hilfe zu kommen. Eine versprochene Flotte erschien erst monatelang überhaupt nicht, als sie dann endlich angekommen war, lag sie untätig auf Reede. Der spanische Feldherr Spinola, der gefürchtete "Städtebezwinger" und Sieger über Breda, fand sich zwar im königlichen Lager vor La Rochelle ein, jedoch kam er allein und hatte außer guten Ratschlägen und Bewunderung für das Belagerungswerk, besonders für den berühmten Sperrdamm, nichts anzubieten. Im Gegensatz dazu konnte Richelieu unverändert sein Vertrauen in seine traditionellen Verbündeten setzen: Die Holländer schickten diesmal zwar nicht eine eigene Flotte, doch sie gestatten Beauftragten des Kardinals, für die seeseitige Abriegelung von La Rochelle dringend benötigte Schiffe von ihren Werften zu kaufen.

Die Rochelaiser versuchten mittlerweile, selbst Verbündete zu finden und ihre Glaubensgenossen zu tatkräftiger Mithilfe zu bewegen. Dies gelang ihnen teilweise, als die protestantische Versammlung in Uzès beschloß, den Kampf an der Seite von La Rochelle aufzunehmen, den Herzog von Rohan wieder einmal an die Spitze ihrer Truppen wählte und das Bündnis mit England für sich annahm. Doch die protestantischen Gemeinden waren untereinander zerstritten, so daß einige von ihnen die Teilnahme an der Revolte verweigerten. Im großen und ganzen gelang es Richelieus Heerführern im Süden, unter Ausnutzung dieser Differenzen eine Teilnahme von auswärtigen hugenottischen Truppen am Kampf um La Rochelle zu verhindern.

Die militärischen Ereignisse dieses Kampfes nahmen insgesamt für Richelieu und Ludwig XIII. einen günstigen Verlauf. La Rochelle konnte von der Land- und Seeseite her blockiert werden, letzteres durch den Bau eines später berühmt gewordenen Sperrdammes. Verschiedene englische Entsatzversuche, zuerst durch Buckingham, dann, nach dessen Ermordung, nacheinander durch die Grafen Denbigh und Lindsey, scheiterten. Wenn die ohnehin geringe Standfestigkeit Ludwigs XIII. durch die lange Dauer der Belagerung auch argen Belastungen ausgesetzt war, so gelang es Richelieu doch, trotz innenpolitischer Schwierigkeiten, vor allem mit der Königinmutter, die Weiterführung des Kampfes um sein erstes Hauptziel, den Ruin der Hugenotten, durchzusetzen.

Nachdem die Hoffnung auf einen Entsatz durch englische Truppen Ende 1628 endgültig aufgegeben werden mußte, waren die Rochelaiser gezwungen, weitgehend den Kapitulationsbedingungen des Königs zuzustimmen. Diese erwiesen sich als eine herbe Enttäuschung für die bons catholiques, die Richelieu mit soviel Hoffnung in den Kampf zur Ausrottung der Häresie, wie sie den Feldzug gegen La Rochelle verstanden hatten, gefolgt waren. Denn Richelieu sprach sich für ungewöhnliche Milde gegenüber den Besiegten aus. Diese sollten außer ihrem Leben sowohl ihren Besitz als auch ihren Glauben behalten dürfen ! Lediglich ihre Befestigungen und ihre Privilegien wurden ihnen abgesprochen, wobei das letztere die Stadt allerdings schwer traf und die Basis für ihren späteren Niedergang im Vergleich zu anderen französischen Hafenstädten bildete. Diese Bedingungen begründete Richelieu mit den Argumenten, die Rochelaiser hätten sich zwar der Rebellion schuldig gemacht, doch hätten sie niemals grundsätzlich ihre Unterordnung unter den französischen König geleugnet. Außerdem würde Milde die endgültige Überwindung des Aufstandes im Midi erleichtern und zuletzt auch eine eventuelle Aufwertung Englands durch eine Vermittlerrolle in diesem Konflikt verhindern. Der König läßt durch Richelieu erklären, daß dieser Krieg eine Angelegenheit des Staates und nicht der Religion gewesen sei. Dies ist eine Enttäuschung für die Anhänger einer sofortigen und nötigenfalls gewaltsamen Konvertierung der Hugenotten. Nichtsdestotrotz wird die Eroberung von La Rochelle als ein Sieg des Katholizismus über die protestantische Häresie gesehen. Der Papst gratuliert Richelieu wärmstens zu seinem Erfolg für die katholische Kirche. Und wirklich ist es auch teilweise ein solcher. Der katholische Kultus, in La Rochelle seit vielen Jahrzehnten verboten, wird wieder zugelassen. Die kalvinistische Hauptkirche wird in eine katholische Kathedrale umgewandelt, die Stadt wird Sitz eines katholischen Bischofs. Die Neuansiedlung wird Protestanten untersagt, und in den folgenden Jahrzehnten wird aus der einstmals rein hugenottischen eine mehrheitlich katholische Stadt.

Mit dem Fall La Rochelles war das Problem der politischen Macht der Hugenotten allerdings noch nicht beseitigt. Die aufständischen kalvinistischen Gemeinden des Midi schlossen sich der Kapitulation ihres "Mekka" nicht an, sondern kämpften beharrlich weiter. Das Kriegsglück neigte sich jedoch vorwiegend gegen sie. In dieser Situation lieferten sie Richelieu das beste Argument für seine Sichtweise dieses Konflikts, das sie ihm geben konnten: Die bedrängten Hugenotten des Midi, die vorgeblich um ihrer Religion willen mit dem katholischen König von Frankreich im Streit lagen, schlossen mit dem erzkatholischen König von Spanien am 3.5.1629 einen Bündnisvertrag. Damit rückte die ganze Auseinandersetzung von den religiösen immer weiter in politische Dimensionen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen endeten bald mit der sich abzeichnenden Niederlage der Hugenotten. Nachdem eine wichtige Stadt, Privas, durch den Prinzen Condé grausam geplündert und niedergebrannt worden war, eine Aktion, die im übrigen nicht die Zustimmung Richelieus fand, baten die Hugenotten um Frieden.

An diesem Frieden schieden sich wieder einmal die Geister. Die bons catholiques um Maria die Medici hatten zu Beginn dieses Feldzuges erneut mit aller Schärfe die Auslöschung der Häresie eingefordert. Richelieu dagegen hatte auch diesmal andere Pläne. Auf sein Betreiben verkündete Ludwig XIII. das Gnadenedikt von Alais. Neu daran ist, daß es sich bei diesem Edikt nicht mehr um einen Friedensvertrag handelt, wie er bisher zwischen König und Hugenotten üblich war. Vielmehr gewährte der König ihnen als seinen Untertanen durch es seine königliche Gnade, die rechtlich nicht einforderbar war. Die Bedingungen für die Hugenotten waren schwerwiegend. Endgültig sollten alle hugenottischen Befestigungen geschleift werden, eine Bedingung, die sich zum Teil auch schon im Vertrag von Montpellier fand, anscheinend aber nicht allzu genau eingehalten wurde. Alle Klauseln des Edikts von Nantes, die politische Zusagen und Sonderrechte enthalten, wurden aufgehoben. Versammlungen von anderem als kirchlichem Charakter wurden untersagt.

Der protestantische Glauben jedoch wurde weiterhin dort zugelassen, wo das Edikt von Nantes ihn zugelassen hatte. Protestantische Schulen wurden wieder aus Staatsgeldern unterhalten, und die protestantische Religion sollte nicht mehr verächtlich "prétendue réformée" genannt werden.

Das Gnadenedikt von Alais stieß selbstverständlich auf den Widerspruch der bons catholiques, die eine solche offene Duldung der Häresie unbedingt ablehnten. Sie verglichen Ludwig XIII. mit dem Kaiser Ferdinand, der seine Siege in Deutschland über die Protestanten zu einer weitaus härteren Vorgehensweise gegenüber den Häretikern nutzte. Richelieu betonte dagegen, daß die Aufhebung der politischen Sonderrechte der Hugenotten die protestantische Religion bald vom Erdboden verschwinden lassen würde. Die Bekehrungsarbeit der Kapuziner und anderer katholischer Organisationen sei ausreichend, um die Hugenotten nach und nach zum Übertritt zu bewegen. Zum anderen benötigte Richelieu natürlich freie Hand und vor allem erholte Finanzen für seine weiteren außen- und innenpolitischen Ziele, jetzt wo er sein erstes, die Zerstörung der politischen Partei der Hugenotten, erreicht hatte.

Es ist anzunehmen, daß Richelieu seine oben genannten Argumente ernst meinte. So ließ er in den auf das Gnadenedikt von Alais folgenden Jahren verstärkte Bemühungen erkennen, die vom wahren Glauben abgewichenen Hugenotten in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Sowohl die schon erwähnten Bekehrungsversuche der Kapuziner und Oratorianer wurden intensiviert, als auch Kontakte und Vermittlungsversuche auf der höchsten Ebene der Kirchenführer angestrengt. Ein in diesem Zusammenhang interessantes Werk Richelieus ist der "Traité qui contient la méthode", der, obwohl er erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde, als Richtschnur seiner Bekehrungsbemühungen angesehen werden kann. In ihm entwirft Richelieu eine Strategie, die sich auf das Konzept von großen Debatten zwischen katholischen und kalvinistischen Theologen stützt, bei denen die letzteren von den offensichtlichen Fehlern in ihrer Glaubenslehre überzeugt werden sollen. Die Grundlage der Diskussion bildet dabei nach Richelieu allein die Bibel, welche die protestantischen Reformatoren verfälscht oder schlicht falsch ausgelegt hätten. Nur durch Argumente der Vernunft, die nach der Auffassung des Kardinals die alleinige Anerkennung der katholischen Doktrin fordert, sollen die vom wahren Glauben Abgefallenen zur Umkehr bewegt werden.

Mit dieser Methode war Richelieu allerdings kaum Erfolg beschieden, vor allem, weil sie nicht die ungeteilte Rückendeckung des Papstes fand, der theologischen Debatten mit Häretikern sehr skeptisch gegenüberstand. So wurden dann auch hochfliegende Pläne Richelieus im Zusammenhang mit den kalvinistischen Synoden von Charenton ( 1631 ) und Alençon ( 1637 ), eine Reunion der katholischen und kalvinistischen Kirche in Frankreich zu erreichen, durch die Ablehnung der von seinen Beauftragten ausgearbeiteten Vereinigungsvorschläge sowohl durch den Papst als auch durch die Synodalen zunichte gemacht. Richelieu gab seine Versuche indes nicht auf, denn sein Konzept einer Errichtung der Regierung Gottes als erster Grundlage des Staates, wie er es in seinem Politischen Testament formuliert, forderte die religiöse Einheit des Landes als Voraussetzung für das politische Wohlergehen.

Mehr sichtbare Erfolge konnte der Kardinal jedoch durch eine andere Strategie erringen. Mit Hilfe von materiellen und politischen Anreizen, wie der großzügigen Vergabe von Geschenken und dem Angebot von hohen Stellen im Staatsdienst, gelang es ihm, führende Vertreter des hugenottischen Adels für einen Übertritt zu gewinnen. Dazu zählte auch der Herzog von Rohan, ehemaliger Heerführer der Rebellen, der nun konvertierte, für den König in den Heeresdienst eintrat und bald für diesen eine Reihe von Siegen gegen die Spanier errang. Auch der Herzog von Turenne, der spätere große Marschall Ludwigs XIV., und der ehemalige Bürgermeister von La Rochelle, Guiton, gehörten zu den Abgeworbenen.

Ebenfalls ein positives Ergebnis von Richelieus bisheriger Politik war es, daß seit dem Gnadenedikt von Alais die Hugenotten den von anderen noch zahlreich unternommenen politischen Verschwörungen fernblieben. Nicht einmal ein schon routiniert zu nennender Verschwörer wie Gaston von Orleans, der Bruder und bis 1638 auch voraussichtliche Nachfolger Ludwigs XIII., vermochte die ehemals so rebellionsfreudigen Bewohner des Midi zu erneuten gemeinsamen Komplotten zu bewegen.

Richelieus friedliche Methoden der Konvertierung schlossen aber zumindest die Duldung, wenn nicht gar die Unterstützung von Repressalien gegen den protestantischen Bevölkerungsteil nicht aus. So wurde die freie Glaubensausübung behindert, wie auf Richelieus eigenen Ländereien, wo sie 1634 sogar verboten wurde; kalvinistische Kirchen wurden abgerissen, die Genehmigungen für den Bau neuer Gotteshäuser verzögert oder nur in Vorstädten gegeben und Pfarrer mit Predigtverboten außerhalb ihrer Gemeinden belegt. Geheime Gesellschaften, wie die Compagnie du Saint-Sacrement, setzten es sich zum Ziel, durch ihren Einfluß Hugenotten am gesellschaftlichen Aufstieg zu hindern. Trotz all dem verringerte sich die Zahl der Hugenotten im wesentlichen nicht.

Mit seiner Hugenottenpolitik hatte Richelieu die Zerschlagung der politischen Sonderstellung der Hugenotten im französischen Staat erreicht und den inneren Frieden des Landes zumindest ihnen gegenüber gesichert. Als Staatsmann hatte er damit seiner Aufgabe weitestgehend genügt, denn wenngleich die Glaubensspaltung in einem stark religiös geprägten Staat immer das Risiko der Rebellion mit sich brachte, so hatte Richelieu diese Gefahr doch mit seinem Vorgehen bedeutend verringert. Als Kirchenfürst hat er versucht, die Hugenotten auf friedlichem Wege von der Häresie abzubringen, wobei nicht mit endgültiger Sicherheit gesagt werden kann, ob ihn nun ein ausgeprägter Sinn für Gewaltlosigkeit und Toleranz oder eher die Bedürfnisse des Staates, der alle seine Kräfte zu politisch wichtigeren Aufgaben benötigte, zu dieser Haltung veranlaßt haben. Der Willen zur Bekehrung an sich hat ihn jedoch niemals verlassen, wenn auch der relativ geringe Erfolg wohl bei weitem nicht seinen Vorstellungen entsprach. Richelieu ist stets Mann des Staates und der Kirche in einem geblieben, obwohl er bisweilen notwendigerweise einen dieser Bereiche, recht oft die Kirche, aber manchmal auch den Staat, zugunsten des anderen zurücksetzen mußte. So kann man sich letztendlich der Meinung des Mathieu de Morgues, eines Vertreters der bons catholiques, daß Frankreich, das heißt wohl Richelieu, keine andere Religion als die des Staates, basierend auf den Lehren des Macchiavelli, besitze, nicht guten Gewissens anschließen.

 

Literaturverzeichnis
 
Albertini, Rudolf von, Das politische Denken in Frankreich zur Zeit Richelieus, Marburg 1951
Carmona, Michel, Richelieu. L’ambition et le pouvoir, Paris 1983.
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