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20. März 2000

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Laura und Hannelore

(Mona Lisa vom 29. August 1999)

Die kleine Werbeagentur "dakapo" in Düsseldorf hat vier Mitarbeiter und zwei Geschäftsführerinnen. Eine davon ist Laura, die andere Hannelore. Seit zehn Jahren entwerfen die beiden Verpackungen, unter anderem für Bierflaschen und Babywindeln. Zehn Jahre lang waren sie auch privat ein Paar. Da war Laura noch Sergeij, bis er eines Tages seiner Freundin seinen allergrößten Wunsch verriet: Endlich eine Frau zu sein.

Hannelore fiel damals zwar auf, dass Sergeij immer weiblichere Züge annahm. Welche Gedanken ihren Freund quälten, konnte sie nicht ahnen. Als Sergeijs Entschluss feststand, eine Frau zu werden, trennte sich Hannelore von ihm. Heute empfinden sie füreinander wie zwei Schwestern. Die Trennung aber war für beide eine Qual. Erst als Sergeij nach München fuhr, um sich endgültig operieren zu lassen, konnte sich Hannelore sagen: "Jetzt geht er auf immer und ewig und kommt als Laura zurück." Mit diesem Gedanken konnte sie besser mit der Situation umgehen.

Aber es war alles andere als einfach. Denn es war für beide die ganz große Liebe. Sergeij wollte diese Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Er war 44 Jahre alt, als seine innere Stimme stärker wurde als alle Ängste. Er beschloss, auch körperlich eine Frau zu werden. Vor einem Jahr war es soweit. Laura hat den ganzen Weg zurückgelegt, den der Gesetzgeber vor der Operation vorschreibt: weibliche Hormone, die die Brust wachsen lassen, der Alltagstest, bei dem sie sich schon als Frau beweisen musste, zwei psychiatrische Gutachten, die ihre Transsexualität bestätigten.

Laura beschreibt ihre Empfindungen als ständige innere Unruhe, obwohl sie überhaupt nicht genau wusste, was es ist. Morgens wache man auf und irgendwas sei nicht in Ordnung. Abends lege man sich hin und irgendwas sei nicht in Ordnung. Diese Gefühle sind seit der Operation für Laura verschwunden.

Laura ist von dem Operationsergebnis noch immer angetan. Ihre damalige Chirurgin Dr. Christiane Spehr gilt weltweit als eine der besten Mann-zu-Frau-Operateure. Ihre Ergebnisse sind auch optisch so perfekt, dass sie kaum von einem natürlichen Frauenkörper zu unterscheiden sind. Die Kosten für diese Operation müssen die Krankenkassen übernehmen. Transsexualität wird seit 1980 als Krankheit anerkannt.

Laura ist heute froh, dass sie sich für die wichtigste Entscheidung in ihrem Leben so lange Zeit gelassen hat. Vor der Operation empfand sie deshalb keine Angst. Für sie war es die lang ersehnte Erlösung. Das war einfach der Teil des Lebens, der vorbei und nun die Basis für das neue Leben geworden ist. "Und mir war einfach klar", erzählt sie, "wenn du aufwachst, ist das passiert, was du möchtest. Und von daher war es für mich nicht auf einmal das Erlebnis der neuen Geburt, aber es war einfach schön zu wissen, dass es passiert ist."

Und es passiert auch anderen - Woche für Woche. Bis zu zwei Jahre müssen die Patienten bei der gelernten Kinderchirurgin und Urologin Christiane Spehr warten, die Nachfrage ist immens. 50 bis 60 Mal im Jahr schenkt sie transsexuellen Männern ein neues Geschlecht. Ein fünfköpfiges Team operiert bis zu 10 Stunden. Dabei werden Hoden und Samenleiter entfernt, (bei der Operation transsexueller Frauen Gebärmutter und Eierstöcke), denn der Patient muss nach der Operation zeugungsunfähig sein. Nur dann erkennt der Gesetzgeber das neue Geschlecht an.

In einer eigens entwickelten Technik werden dann aus dem Hodensack die Schamlippen geformt. Zusätzlich wird ein künstlicher Scheidengang geschaffen, indem der Spalt zwischen Blase einerseits und dem Dickdarm andererseits zu einem Hohlorgan ausgeweitet wird, das dann die Scheidenhöhle bildet. Diese Scheidenhöhle wird ausgekleidet durch die Penisschafthaut. Diese wird handschuhförmig umgekrempelt durch einen Platzhalter und dann in die Scheidenhöhle eingebracht. Vom Penisschaft bleibt noch die Eichel, die an ihrem Gefäßnervenbündel hängt und dann oberhalb der Harnröhre als voll empfindungsfähige Klitoris eingenäht wird.

Anders als bei der Mann-zu-Frau-Operation, die inzwischen weltweit Standard ist, gilt die umgekehrte Operation immer noch als äußerst kompliziert. Denn hier begegnet den Chirurgen das uralte plastische Problem, Dinge zu konstruieren, die es noch gar nicht gibt. Dr. Spehr operiert deshalb keine transsexuellen Frauen.

Nach der Operation ist Laura nur noch ihre Stimme ein Dorn im Auge. Sie erscheint ihr zu tief, zu männlich. Beim Sprechtraining mit der Logopädin übt sie jetzt, weicher und nicht höher zu klingen. Laura ist jetzt seit einem Jahr Frau, so steht es in ihrem Pass. Nach 44 Jahren, sagt sie, habe sie zu ihrem wahren Geschlecht gefunden, sei endlich bei sich selbst angekommen. Den höchsten Preis habe sie für ihr neues Leben bezahlt: den Verlust ihrer großen Liebe Hannelore. Für eine neue Partnerschaft braucht sie nach all den unruhigen Jahren Zeit: "Ich habe keine genauen Vorstellungen davon, wie es weitergehen kann. Ob ich überhaupt eine Partnerschaft eingehe. Wenn ja mit wem, ob mit einer Frau, ob mit einem Mann, ich muss sagen, vorstellen kann ich mir irgendwie alles. Ob es was wird, was es wird, das lasse ich einfach auf mich zukommen."

Ein Beitrag von Ute Laibl, bearbeitet für ZDF.online
 





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