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9. Okt. 2000

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Der raffinierte Schnitt

Die Transsexuelle Robertina Manganaro präsentierte ihre erste Pret-a-porter-Kollektion - mit Erfolg

Der ŤPinselť, wie sie ihn nennt, wurde ihr mit zwanzig Ťweggeschnipseltť. War immer ein Fremdkörper, etwas, das nicht zu ihrer Person passte, sagt sie über zwanzig Jahre später in ihrem Mailänder Atelier. Jetzt ist das Geschlechtsteil weg und der Mann eine Frau.

Robertina Manganaro, der neue Shooting-Star in Italiens Modewelt, kennt keine Hemmungen. Sie liebt die Provokation, kokettiert mit ihrer Ambiguität. Um den Interviewer zu überzeugen, dass sie auch äusserlich ganz Frau ist, hebt sie kurzerhand ihren schwarzen Kaschmirpullover. ŤSchöner Busen, was?ť Mit vierzehn habe sie mit Hormonen begonnen, später liess sie mit Skalpell nachhelfen, wo das Oestrogen machtlos blieb. Neue Nase, neue Wangenknochen, neues Kinn. Einzig die Stimme, ein leichter Bariton, ist geblieben.

Robertina Manganaro

Am eben beendeten Mailänder Pret-a-porter stand niemand derart im Mittelpunkt wie die 42-jährige Designerin aus Kalabrien - nicht nur, weil Robertina Manganaro die erste Transsexuelle der Branche ist, sondern weil ihre Kreationen überzeugen. Ihre Modelle zeichnen sich durch schlichte und zugleich raffinierte Schnitte aus. Manganaro bevorzugt Seide, aber auch blanke Haut. Die sah man während ihrer Mailänder Show viel und oft. Fünfzehn nackte Männer bildeten die Kulisse für Models wie Megan Gale, Juma oder Carla Bruni, die insgesamt vierzig Kreationen vorführten. Am Schluss lief die Designerin selbst über den Laufsteg, begleitet von frenetischem Applaus, und liess sich vor ihrer ŤKulisseť ablichten: Männer als Bühnenaccessoire - das sei das Einzige, sagt sie kess, wozu man sie heute brauchen könne. ŤUnd ab und zu für einen Orgasmus.ť

Einen solchen, Ťeinen klassischenť, wie sie betont, hatte sie selbst seit ihrer Operation nicht mehr. ŤDer Arzt, der mich operierte, hat zwar hervorragende Arbeit geleistetť, sagt sie. Aber Wunder habe er keine vollbringen können. Eine Klitoris sei auch mit der plastischen Chirurgie nicht nachzubilden. Dennoch, versichert Manganaro, die Medizin studiert hatte, bevor sie zur Mode stiess, komme sie sexuell voll auf die Rechnung. Sie habe ihren Körper noch nie so intensiv gespürt wie nach dem Eingriff in jener englischen Privatklinik. ŤWenn mir heute ein Mann mit der Hand zärtlich über die Wangen fährt, erlebe ich im Kopf einen Orgasmus, von dem Sie nicht einmal träumen.ť In der Woche nach der Operation erreichte sie über den Gerichtsweg, dass auch in ihrem Pass das Geschlecht geändert wurde.

Immer wieder musste sich Manganaro in den ersten Monaten nach dem chirurgischen Eingriff ihres neuen Geschlechts versichern, indem sie den Spiegel zwischen ihre Beine hielt. ŤIch wollte mich vergewissern, dass es wahr ist.ť Nicht dass sie wegen des Ťüberflüssigen Dingsť unter ihrem Rock als Teenager Probleme gehabt hätte. ŤIch hatte schon damals viele Liebhaber.ť Es sei ihr vor allem ästhetisch zuwidergelaufen, dass Ťda unten etwas hängt, das nicht passtť.

Schon als Aerztin kleidete sie sich, als ginge sie zu Tiffany's statt ins Spital. Ihre Mutter, eine französische Psychoanalytikerin, hat schon früh erkannt und akzeptiert, dass ihr Kind, obwohl äusserlich Knabe, Ťhundertprozentig Mädchenť war. Ihr Vater, ein renommierter Chirurg aus bestem Hause, hat vor dieser Tatsache jedoch lange die Augen verschlossen. ŤEr ist vermutlich der Einzige, der wirklich darunter gelitten hatť, sagt Robertina Manganaro. Zur Mode ist sie eher zufällig gestossen. Zwar hat sie sich schon als ärztin so gekleidet, als ginge sie nicht ins Spital, sondern zu Tiffany's frühstücken - Ťwas ich dann auch oft getan habeť. Aber erst als Model kam sie mit der Modewelt in Berührung.

Manganaro jettete mehrere Jahre zwischen Paris und Mailand hin und her. Dann, vor sieben Jahren, eröffnete sie in Paris ihr erstes Atelier - als Comtesse Robertina Manganaro. Den Adelstitel hatte sie durch die Heirat mit dem italienischen Grafen Gianfranco Torelli, 43, erhalten, einem steinreichen Flugzeugingenieur, der heute in Boston arbeitet.

Torelli hat Robertina dazu ermuntert, ihr Talent für Farben und Formen als Designerin zu nutzen. Zu diesem Zeitpunkt war sie in der Mailänder Schickeria bereits für ein anderes Talent bekannt. ŤIch bin sexsüchtigť, gesteht die Comtesse. ŤWenn ich einen Mann will, dann bekomme ich ihn. Und ich will ihn oft.ť

Nicht erst die Heirat mit Torelli machte Manganaro reich. Doch jetzt sei sie noch reicher, sehr reich. ŤNur deshalb habe ich es denn auch geschafftť, gibt sie offen zu. Ohne das viele Geld hätte sie keine Chance gehabt, als Modedesignerin auf Topniveau zu reüssieren.

Rund eine Million Franken hat sie in ihre halbstündige Show letzte Woche in Mailand investiert. Bis zu 50 000 Franken kostet ein einziges, ganzseitiges Inserat in Referenztiteln wie ŤCorriere della Serať oder ŤLa Repubblicať, von denen Manganaro bereits Dutzende geschaltet hat. ŤIch mache nicht Mode, um Geld zu verdienen. Ich habe Geld, um Mode zu machenť, erklärt sie.

Dennoch gibt es auch mit dickem Checkbuch Grenzen: ŤWenn ich als Transsexuelle je diskriminiert worden bin, dann als Modedesignerin.ť Es sei kein Zufall, dass viele ihrer transsexuellen Freundinnen sich prostituierten. ŤMan traut uns nichts anderes zu, als die verbotenen Fantasien einer kranken Gesellschaft zu befriedigen.ť Dabei könnten genau Transsexuelle, geschlechtliche Grenzgänger wie sie, der Mode einen zusätzlichen Kick geben. ŤWir kennen nicht nur die weibliche und die männliche Seite, wir leben sie auch. Nur Transsexuelle erreichen letztlich die geschmackliche Vollkommenheit.ť Dass sie bisher die einzige ŤTranseť ist, die es geschafft hat, sagt laut Manganaro viel aus über Ťdie Heuchelei in der Glitzerweltť.

Um so grösser ist die Genugtuung, den Durchbruch geschafft zu haben. Im März letzten Jahres hat die Designerin im Pariser Hotel Ritz ihre allererste Kollektion vorgestellt. Diesen September folgte bei der noblen Alta Moda in Rom ein grosser Auftritt, den sie mit Bravour bestand. Nun machte sie mit ihrer ersten Pret-a-porter-Kollektion in Mailand Furore. ŤParis, Berlin, New Yorkť, versichert die CrÝatrice, Ťwerden bald folgen.ť

Manganaro wird sich durchsetzen. Sie sei eine Frau Ťcon le palleť, eine Frau mit Eiern, obwohl sie diese, wie sie keck bemerkt, vor zwanzig Jahren auf dem Operationstisch hat liegen lassen. ŤDie Manneskraft ist mir, der Grenzgängerin, jedoch geblieben.ť

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