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4.5. Die Absenzen |
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Natülich gab es schon damals starke gesunde und auch kränkliche Kinder. Von früher her geisterte immer die Meinung herum: "Wenn man während 9 Schuljahren nie fehlt, erhält man eine Armbanduhr geschenkt." Dies stand allerdings in keinem Gesetz, aber die Schulkommission hätte es sicher von Fall zu Fall beschliessen können. Ich erinnere zwar nicht, dass ein Schüler eine Armbanduhr erhalten hätte, obschon es während meiner Amtszeit einige wenige Schüler gab, die nie fehlten. Trotzdem kamen gewisse Kinder auch in den oberen Klassen noch mit Masern oder Grippe in die Schule und steckten natürlich die andern an. Ich selber hatte das Glück, nie von meinen Zöglingen eine Krankheit übernehmen zu müssen. |
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Weit das grössere Problem war die unentschuldigte Abwesenheit. Diese gab es nämlich damals noch. Zwar fehlte praktisch nie ein Schüler, indem er einfach die Schule "schwänzte" (wie es in grösseren Gemeinden vorkam) aber in der Landwirtschaft gab es noch sehr wenig Maschinen und die Kinder mussten in Heuet, Getreide- und Kartoffelernte energisch zupacken. Dieses Fernbleiben von der Schule musste im Rodel als "unentschuldigt" gekennzeichnet werden. Eine Verordnung verpflichtete den Lehrer, eine Anzeige an den Richter zu erstatten, wenn ein Schüler mehr als ein Zwölftel der Stunden in einer Zensurperiode ohne Entschuldigung fehlte. Als Zensurperiode galten im Sommer immer vier Schulwochen und im Winter der Kalendermonat. Die erlaubte Abwesenheit schwankte somit zwischen 3 Stunden im Sommer bis zu 10 Stunden in Winter. Clevere Bauern wussten das auszunützen und berechneten selber ihre Möglichkeiten oder fragten sogar mich, wie viele Stunden ihr Zögling noch fehlen dürfe. Ich gab mir aber Mühe, die Antwort möglichst unklar zu formulieren, denn ich wusste ja die Schulstunden der Zensurperioden auch erst hinterher und mir war auch die Schule wichtiger als die Landwirtschaft. Ich musste sonst ein Thema nach einem schönen Erntetag, an dem nur noch knapp über die Hälfte der Schüler anwesend war, in den nächsten Tagen für diese nochmals behandeln und verlor dabei viel Zeit für neuen Stoff. |
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Wir sehen, damals war bei uns die Schule noch nicht so wichtig wie die Arbeit. Das musste ich immer wieder feststellen. Im Kapitel "Ferien" und "Stundenplan" ist es zwischen den Zeilen ja auch schon beschrieben. Hierzu noch ein kleines Erlebnis: In Oberdiessbach gab es seit Jahrzehnten eine Sekundarschule. Aeschlen war seit einigen Jahren dem Verband auch angeschlossen. Als ich die Eltern einer sehr guten Schülerin überzeugen wollte, ihr Kind in die Sek zu schicken, erhielt ich vom Vater den Bescheid: "Nein, wozu habe ich denn fünf Kinder gehabt!" Alles Weitere kann man sich rasch ausdenken. |
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Auch andie Berufsbildung stellten die meisten Eltern keine Ansprüche. Sie waren zufrieden, wenn sie günstige Mithilfe im Betrieb hatten. Oft schien ihnen nicht einmal ein landwirtschaftliches Lehrjahr wichtig zu sein. Das will aber nicht heissen, dass die Schüler von damals heute alle als Hilfsarbeiter tätig sind. Viele arbeitsame bildeten sich später weiter, sind in verschiedenen guten Berufen tätig und stehen heute kurz vor der Pensionierung. |
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Erst in den Siebzigerjahren sind die unentschuldigten Absenzen vehement gesunken, die Schule und auch die Berufsbildung wurde zu einem wichtigen Teil des Lebens der Kinder. |
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Zum nächsten Kapitel: Meine erste Schulreise |
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